1. SRG-Trendumfrage zur Abstimmung vom 13. Februar 2022

Zu Beginn der Hauptkampagnenphase:

Initiative Tierversuchsverbot - relative Mehrheit dagegen
Initiative Tabakwerbungsverbot - Mehrheit dafür
Bundesgesetz Stempelabgaben - relative Mehrheit dagegen
Bundesgesetz Massnahmenpaket Medien - Pattsituation

Studie im Auftrag der SRG SSR

Wäre bereits am 25. Dezember 2021 abgestimmt worden, wäre die Initiative zum Tabakwerbungsverbot angenommen worden, während relative Mehrheiten die Initiative zum Tierversuchsverbot und das Gesetz über die Stempelabgaben abgelehnt hätten. Beim Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien zeigten sich die Teilnahmewilligen gespalten. Die Stimmbeteiligung hätte bei unterdurchschnittlichen 41 Prozent gelegen.

Hier liegt eine Momentaufnahme rund sieben Wochen vor dem Abstimmungstag vor und nicht eine Prognose. Die Studie beschreibt die Ausgangslage zu Beginn der Hauptkampagnenphase.

Alle Angaben gelten bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Unsicherheitsbereich von ±2.8 Prozentpunkten. Der Abstimmungskampf und die Meinungsbildung setzen erst ein und können bei Volksabstimmungen nachweislich das Ja/Nein-Verhältnis beeinflussen. Hinzu kommen Effekte aus der noch unbekannten Mobilisierung durch die Kampagnen.

Die Befunde der Umfrage werden anhand des Dispositionsansatzes von gfs.bern theoretisch verortet.

Hier finden sich Hintergrundinformationen zu den Vorlagen der Februar-Abstimmung und hier zur Methode der SRG-Trendumfragen.

Ausserdem können Sie hier die Präsentation der Resultate herunterladen.

Übersichtsgrafik Stimmabsichten

Initiative "Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot"

Gegenwärtige Stimmabsichten leicht kritisch

Wäre bereits am 25. Dezember 2021 über die Volksinitiative „Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot“ abgestimmt worden, hätte ein Patt resultiert mit minimalen Vorteilen der Nein-Seite. 45 Prozent der Personen, die bestimmt teilnehmen wollen, wären für die Initiative gewesen, 48 Prozent dagegen. Zum Befragungszeitpunkt waren noch 7 Prozent unentschieden.

Die Stimmberechtigten gehen jedoch zu 66 Prozent von einer Ablehnung aus. Im Mittel wird der Ja-Anteil für die Abstimmung am 13. Februar 2022 auf 46 Prozent geschätzt.

Tiefer Stand der Meinungsbildung

45 Prozent der bisher Mobilisierten haben bestimmte Absichten für oder gegen die Volksinitiative. Diese Stimmabsichten sind mit Argumenten erst ungefähr zur Hälfte erklärbar, was auf Spielraum für den Einfluss der Hauptkampagne auf die Unentschiedenen oder Personen mit wenig gefestigter Meinung hinweist. Gerade angesichts der Erwartungen der Stimmenden, aber auch wegen teilweise noch ausstehender Parolen ist mit erheblichem Spielraum in der Meinungsbildung zu rechnen.

Vorläufiges Konfliktmuster: Geschlecht und Schichtzugehörigkeit mitentscheidend

Der Geschlechtergraben ist zurzeit ausserordentlich ausgeprägt. Frauen wollen zu 60 Prozent Ja stimmen, Männer nur zu 33 Prozent. Mehr als sechs von zehn Frauen sind aber noch nicht bestimmt festgelegt. Ausserdem besteht eine hohe Schichtabhängigkeit. Personen mit hohem oder höchsten verfügbaren Haushaltseinkommen sowie solche mit akademischem Bildungshintergrund wollen mehrheitlich gegen die Initiative stimmen.

 

 

 

Erwartungsgemäss gibt es links etwas mehr Zustimmung als rechts. Eine positive Erstbeurteilung nehmen die Anhänger:innen der Grünen vor. Bereits die SP-Anhängerschaft ist jedoch nur zu 50 Prozent für die Initiative. Danach sind keine Mehrheiten mehr dafür. Auf dem Land ist die Zustimmung vorerst höher als in den grossen Städten. Das dürfte auch mit der noch unentschiedenen Beurteilung in den Reihen der SVP zu tun haben.

Argumente

Beide Seiten überzeugen Mehrheiten mit zwei von drei getesteten Argumenten. Für die Ja-Seite spricht, dass der Eingriff des Menschen in das Leben recht grundsätzlich kritisch beurteilt wird und dass Forschungserkenntnisse ohne Leid von Tier und Mensch auch möglich sein sollten. Beide Argumente sind für die Erklärung der Ja-Seite relevant und stützen die positiven Erstbeurteilungen inhaltlich. Eine Mehrheit spricht sich für die Gegenargumente aus, dass der Status quo mit den in der Schweiz gültigen Einschränkungen solcher Versuche ausreiche, und dass der Forschungsstandort Schweiz durch zusätzliche Einschränkungen gefährdet werde. Diese beiden Argumente sind bisher allerdings nur wenig wirksam auf die Meinungsbildung.

 

 

Bisher nicht mehrheitlich überzeugend war auf der Ja-Seite, dass auf Tierversuche verzichtet werden kann, wenn ohnehin keine Garantie für die Medikamentensicherheit besteht. Dieses kritisch beurteilte Argument ist relevant für die Meinungsbildung: eine gewisse Grundakzeptanz der Notwendigkeit von Tier- und Menschenversuchen ist also vorhanden.

Auf der Nein-Seite vermag der Verweis auf eine Zweiklassenmedizin, wo sich nur noch reiche Leute Behandlungen im Ausland leisten können, nicht zu überzeugen. Argumentativ ist damit die Nein-Seite grundsätzlich eher im Vorteil: Inhaltlich stehen 52 Prozent der Nein-Seite näher und 43 Prozent der Ja-Seite.

Trend in der Meinungsbildung

Die Ausgangslage spricht für eine Ablehnung der Initiative für das Tier- und Menschenversuchsverbot. Das leitet sich nicht nur aus den ersten nur relativ mehrheitlich kritischen Stimmabsichten ab, denn hier erfahren Initiativen typischerweise viel Zuspruch, wenn die Meinungsbildung erst schwach ausgeprägt ist.

Ursachen der kritischen Bewertung der Chancen der Initiative sind die Erwartungen der Stimmenden, die Parolen der Parteien und die inhaltliche Beurteilung der Argumente: Der

 

Status quo der Vorschriften wird in der Schweiz relativ positiv beurteilt und trotz Vorbehalten gegenüber den Tier- und Menschversuchen besteht eine gewisse Akzeptanz der Notwendigkeit solcher Versuche für Forschende.

In aller Regel schärft der Meinungsverlauf den Blick auf die Schwächen der Vorlage und es findet bei wenig aktiver Kampagne eine Angleichung an die Parteiparolen statt. Entsprechend lässt die geschlossene Position der politischen Eliten eine Annahme des Tierversuchsverbots am 13. Februar 2022 wenig wahrscheinlich erscheinen.

Initiative "Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung"

Gegenwärtige Stimmabsichten: positiv prädisponiert

Wäre Ende Dezember 2021 über das Tabakwerbungsverbot abgestimmt worden, hätte eine deutliche Mehrheit dafür resultiert. 73 Prozent der Personen, die bestimmt teilnehmen wollen, wären für die Initiative gewesen, 25 Prozent dagegen.

Auch die Erwartungen der Stimmenden sprechen für die Initiative: Für den 13. Februar 2022 erwarten 67 Prozent der Teilnahmewilligen eine Annahme der Initiative über das Verbot von Tabakwerbung, 33 Prozent eine Ablehnung. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 53 Prozent geschätzt.

Mittlerer Stand der Meinungsbildung

64 Prozent der bisher Mobilisierten haben bestimmte Stimmabsichten für (51%) oder gegen (13%) die Initiative. Nur wenige sind noch unentschlossen (2%). Das spricht für einen bereits mittleren Stand der Meinungsbildung.

Bestätigt wird dieser Eindruck von der Tatsache, dass auch gegen zwei Drittel der Stimmabsichten inhaltlich mit den Argumenten erklärbar sind.

Leichtes Links-Rechts-Profil, aber alle Gruppen mehrheitlich im Ja

Das Konfliktmuster zur Initiative Tabakwerbungsverbot präsentiert sich in der Ausgangslage wenig akzentuiert. Alle untersuchten Gruppen wollen mehrheitlich für die Initiative stimmen. Regional ist das Profil Stadt-Land und nach Sprachregionen ausgewogen. Besonders deutlich im Ja sind Frauen, die zu 83 Prozent für die Initiative stimmen wollen, 62 Prozent von ihnen geben an, bereits bestimmt für die Vorlage zu sein; gar 87 Prozent der SP- Sympathisant:innen und 90 Prozent der Grünen-Anhängerschaft wollen für die Initiative

 

 

stimmen. Das gilt in etwas weniger deutlichem Mass auch für GLP- und Mitte-Anhänger:innen, während die FDP- und SVP-Anhängerschaft etwas weniger klar für die Initiative stimmen will. Bei Parteiungebundenen gibt es einen relevanten Anteil von 49 Prozent, die sogar bestimmt für die Initiative stimmen wollen; insgesamt sind Parteiungebundene zu 62 Prozent bestimmt oder eher für die Initiative. Noch etwas mehr Kritik gibt es seitens der Personen, die dem Bundesrat misstrauen und damit gegenüber Verboten zurückhaltend sein dürften. Doch selbst unter Regierungskritischen gibt es eine klare Mehrheit von 62 Prozent für die Initiative.

Argumente: Die Ja-Seite mit klaren inhaltlichen Vorteilen

Auch inhaltlich startet die Initiative mit grossem Vorsprung in die Hauptkampagne, denn 72 Prozent stehen aufgrund der sechs getesteten Argumente der Ja-Seite näher; nur 22 Prozent der Nein-Seite. Während die Ja-Seite mit allen Argumenten mehrheitlich Unterstützung seitens der Teilnahmewilligen erfährt, erreicht die Nein-Seite mit keinem der Argumente die Mehrheit.

Relevant für die Meinungsbildung sind in erster Linie die drei Argumente:

  • Es ist konsequent, wenn der Verkauf verboten ist, auch die Werbung für Kinder zu verbieten.

 

 

  • Solche Werbung ist verwerflich.
  • Der Schutz von Jugendlichen ist eine Verpflichtung der Gesellschaft.

Das am ehesten relevante Argument der Nein-Seite betrifft den Gegenvorschlag, der die Wirtschaft berücksichtigt. Mit diesem Argument ist immerhin eine relative Mehrheit von 49 Prozent einverstanden, allerdings wirkt es erst beschränkt. Der Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit an sich sowie der Status quo zum Schutz der Jugendlichen gemäss aktuell gültigen Vorschriften sind nicht mehrheitsfähige Argumente.

Trend in der Meinungsbildung

Nur einige Wochen nach der deutlich angenommenen Pflegeinitiative startet erneut eine Initiative mit interventionistischer Absicht aus dem gesundheitspolitischen Verbandswesen mit einer sehr guten Ausgangslage. Zwar kann sich das Nein noch aufbauen, wenn die Schwäche-Sicht zunimmt. Das dürfte aber nur beschränkt der Fall sein, denn die aktuelle Regelung der an Kinder gerichteten Werbung reicht für eine Mehrheit nicht aus. Das spricht für einen anhaltenden Willen für eine Veränderung.

Die Einschätzungen zum Resultat der Stimmenden selbst, die

 

argumentative Verankerung insgesamt und die Haltungen der Untergruppen sprechen für gute Annahmechancen der Initiative für ein Tabakwerbungsverbot. Überraschend könnte der Gegenvorschlag noch mehr ins Zentrum der Debatte rücken und die teilweise noch nicht gefassten Parolen der Parteien einen starken Nein-Trend auslösen.

Ohne Kenntnis der Dynamik der Meinungsbildung muss der Abstimmungsausgang für den 13. Februar 2022 offengelassen werden. Die Chancen auf ein Ja stehen bei dieser Ausgangslage aber besser als die Chancen auf Nein.

Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben

Gegenwärtige Stimmabsichten tendenziell im Nein

Die Gegnerschaft der Abschaffung der Stempelsteuer startet mit einem Vorsprung von 7 Prozentpunkten in die Hauptphase des Abstimmungskampfes, findet jedoch lediglich bei einer relativen Mehrheit Unterstützung gegen die Vorlage. 49 Prozent der Teilnahmewilligen hätten am 25. Dezember 2021 gegen die Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben gestimmt. 42 Prozent dafür.

Die Erwartungshaltungen der teilnahmewilligen Stimmberechtigten verweisen auf eine knappe Ablehnung der Vorlage am 13. Februar 2022. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 49.8 Prozent geschätzt.

Tiefer bis mittlerer Stand der Meinungsbildung

49 Prozent äussern in dieser frühen Phase des Abstimmungskampfes feste Stimmabsichten, hohe 9 Prozent zeigen sich noch unentschlossen. Das spricht für sich genommen für einen maximal mittleren Stand der Meinungsbildung.

Auch die argumentative Abstützung der Stimmentscheide ist eher schwach. Kampagnen treffen bei dieser Vorlage entsprechend auf Spielraum.

Vorläufiges Konfliktmuster: Deutliche Links-Rechts-Polarisierung

Deutliche Zustimmung findet die Abschaffung der Stempelsteuer im FDP-Umfeld und bei Sympathisant:innen der Mitte. Relativmehrheitlich stützt zudem die SVP-nahe Wählerschaft das Vorhaben. Deutlich Ablehnung erfährt das Vorhaben jedoch aus den Reihen der SP und der Grünen. Eine relative Mehrheit GLP-naher Teilnahmewilliger ist ebenfalls kritisch. Damit stehen einzig Stimmberechtige aus dem Umfeld GLP nicht mehrheitlich auf Seiten ihrer Mutterpartei. Parteiungebundene äussern sich relativmehrheitlich gegen die Vorlage, sind aber zu hohen Anteilen noch unentschieden.

Ausserhalb der bürgerlichen Parteiwählerschaften sprechen

 

sich einzig Teilnahmewillige aus Haushalten mit den höchsten Einkommen mehrheitlich für die Abschaffung der Stempelsteuerabgabe aus. Zudem befinden sich die frühen Stimmabsichten der männlichen Teilnahmewilligen im Patt, während Frauen mehrheitlich im Nein sind. Alle anderen hier untersuchten Untergruppen hätten die Vorlage Im Dezember 2021 aber mehrheitlich verworfen, wenn auch häufig nur sehr knapp.

Regional betrachtet ist die Ablehnung in der Deutschschweiz am deutlichsten. Die Stimmabsichten von Teilnahmewilligen aus der französisch- und italienischsprachigen Schweiz liegen annähernd im Patt.

 

Argumente: Grosskonzerne haben keine Entlastung nötig vs. Stempelsteuer ist ungerecht

In der Ausgangslage hat die Gegnerschaft argumentativ die Oberhand, denn ihre Argumente überzeugen Mehrheiten. Indexiert stehen 56 Prozent der Teilnahmewilligen der Gegnerschaft inhaltlich näher, und nur 35 Prozent der Befürworterschaft. Allerdings stammen die wirksamsten zwei Argumente für einen Stimmentscheid aus dem Pro-Lager.

Knapp zwei Drittel finden, dass Grosskonzerne und Finanzunternehmen, welche die Stempelsteuer vor allem bezahlen, in der Schweiz unterbesteuert seien und keine Entlastung nötig hätten. Es handelt sich hierbei auch um das wirksamste Argument für einen Stimmentscheid. 58 Prozent stimmen ausserdem zu, dass es ungerecht sei, wenn Kapitaltransaktionen nicht mehr besteuert würden, während die Bevölkerung bei jedem Einkauf Mehrwertsteuer bezahle. Und 57 Prozent sind einverstanden, dass Schweizer Einwohner:innen die Leidtragenden sein würden, weil sie

 

 

entstehende Steuerausfälle zu tragen hätten.

Die Pro-Seite überzeugt weniger breit, zwei der drei hier getesteten Aussagen finden keine eindeutigen Mehrheiten. Wenn Befürworter:innen argumentieren, dass Unternehmen in schwierigen Zeiten auf neues Eigenkapital angewiesen seien und es schädlich sei, sie gerade dann mit zusätzlichen Steuern zu belasten, unterstützen dies 48 Prozent der Teilnahmewilligen. 47 Prozent widersprechen. 46 Prozent stimmen zu, dass die Abschaffung der Stempelsteuer das Wirtschaftswachstum stärke, weil sie Einkommen generiere und Arbeitsplätze und Investitionen schaffe. 47 Prozent stimmen dem nicht zu. Dass die geltende Regelung ungerecht sei, weil die Stempelsteuer Unternehmen unabhängig von der Rentabilität ihrer Investitionen belaste, wird von einer knappen Mehrheit verworfen. Allerdings ist dies das wirksamste Argument für einen ablehnenden Stimmentscheid.

 

Trend in der Meinungsbildung

Angesichts des Parolenspiegels und der Schlussabstimmungen in den Räten ist die vorgefundene knappe Ausgangslage für die Änderungen am Stempelabgabengesetz überraschend. Kritik am Vorhaben ist relativ weit verbreitet und es finden sich in der Ausgangslage nur gerade vier (relativ-)mehrheitlich zustimmende Untergruppen.

Parolenfassungen seitens der Parteien sind teilweise noch ausstehend, ebenso die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema seitens der Stimmberechtigten. Beides kann Bewegung in die frühen und wenig gefestigten Stimmabsichten bringen. Hinzu kommt, dass die Kampagnenphase aufgrund der Festtage spät einsetzt. Entsprechend muss der Abstimmungsausgang vorerst offengelassen werden, denn erst die zweite Umfrage wird uns Aufschluss zur Dynamik des Meinungsverlaufes liefern und diese wird wegweisend sein.

 

Im Normalfall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage gleichen sich die Stimmabsichten der Stimmbürger:innen über den Kampagnenverlauf an die Empfehlungen von Bundesrat und Parlament an. Tritt dieser Normalfall ein, hat das Bundesgesetz über die Stempelabgaben trotz der kritischen Ausgangslage noch Chancen, am 13. Februar 2022 angenommen zu werden. Die Befürworterschaft müsste dazu aus der Defensive einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Angelegt ist ein solches Szenario rund um wirtschaftliche Argumentationen.

Im Ausnahmefall der Meinungsbildung setzt eine Polarisierung Richtung Nein ein. Dies würde eine Ablehnung der Vorlage bedeuten. Dieses Szenario konnten wir bei der vergleichbaren Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform drei im Jahr 2017 beobachten. Anzeichen für dieses Szenario liefern die Haltungen zu den Argumenten des Contra-Lagers.

Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien

Gegenwärtige Stimmabsichten im Patt

48 Prozent der Teilnahmewilligen hätten Ende Dezember 2021 für das Massnahmenpaket zugunsten der Medien gestimmt, ebenso viele dagegen. 4 Prozent waren noch unentschieden.

55 Prozent der Teilnahmewilligen gehen von einer Annahme am 13. Februar 2022 aus, 45 Prozent von einer Ablehnung. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 49.3 Prozent geschätzt.

Stand der Meinungsbildung mittel-fortgeschritten

Zwar haben erst weniger als die Hälfte der Stimmbürger:innen eine feste Meinung zur Vorlage (48%), die argumentative Abstützung der frühen Stimmabsichten ist aber bereits stark. Kampagnen wirken bei dieser Ausgangslage vor allem bei erst tendenziell entschiedenen Personen.

Vorläufiges Konfliktmuster: Deutliche Links-Rechts-Polarisierung, Vertrauensfrage und regionale Prägung der frühen Stimmabsichten

Die Frage der Unterstützung des Massnahmenpaketes zugunsten der Medien ist in erster Linie eine politische.  Deutliche Mehrheiten der GPS-, SP- und GLP-nahen Wählerschaften gaben an, für das Massnahmenpaket zu sein. Teilnahmewillige die der Mitte nahestehen ebenfalls. Sympathisant:innen  der FDP, der SVP sowie Parteiungebundene hätten das Medienpaket jedoch mehrheitlich abgelehnt. Damit stehen alle Wählergruppen mehrheitlich auf Seiten ihrer jeweiligen Mutterpartei.

Auch das Regierungsvertrauen ist eine massgebende Variable zur Erklärung eines Stimmentscheids. Teilnahmewillige mit Vertrauen in die Regierung sind für das Massnahmenpaket, solche mit Misstrauen eindeutig dagegen.

 

 

 

Weiter sind regionale Effekte erkennbar. Teilnahmewillige aus der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz stehen dem Medienpaket mehrheitlich ablehnend gegenüber. Teilnahmewillige aus der französischsprachigen Schweiz jedoch sind klar dafür. Teilnahmewillige aus ländlichen Gebieten sowie aus kleinen und mittleren Agglomerationen lehnen die Vorlage bemerkenswerterweise mehrheitlich ab, während sie von Teilnahmewilligen aus urbanen Gebieten Unterstützung erfährt.

Ausserdem sind Frauen knapp für das Medienpaket, Männer knapp dagegen. Teilnahmewillige mittleren Alters sind knapp dafür, jüngere und ältere eher dagegen. Auch sind Teilnahmewillige mit mittlerem Bildungsstand mehrheitlich gegen das Medienpaket, solche mit tiefer Bildung deutlich und solche mit hoher verhalten dafür.

Argumente: Demokratiestärkung vs. keine Staatsaufgabe

Argumentativ liegt die Befürworterschaft knapp vorne. Indexiert stehen 51 Prozent der Teilnahmewilligen den Pro-Argumenten näher und das wirksamste Argument zur Erklärung eines Stimmentscheides stammt aus dem Pro-Lager. Weiter sind alle drei getesteten Pro-Argumente mehrheitsfähig aber nur eines der drei Contra-Argumente.

So sind 60 Prozent der Teilnahmewilligen der Ansicht, das neue Medienpaket stärke die Demokratie, weil es unabhängige Berichterstattung auch in den Regionen fördere. Diese Haltung befördert am deutlichsten ein Ja zur Vorlage. 56 Prozent stimmen ausserdem zu, dass Schweizer Medien durch das neue Gesetz sieben Jahre Zeit gewinnen würden, um wieder ohne

 

 

Hilfe auf einem stark veränderten Markt überleben zu können. Und 54 Prozent finden, das Medienpaket stärke die Unabhängigkeit der Schweizer Medien.

Die Gegnerschaft überzeugt 55 Prozent, wenn sie argumentiert, es sei nicht Aufgabe des Staates, einzelne Branchen vor Marktveränderungen zu schützen. Dieses Argument wirkt ausserdem am stärksten auf ein Nein. 51 Prozent verwerfen jedoch die Aussage, dass Leute bereit seien für guten Journalismus zu zahlen und eine staatliche Finanzierung daher unnötig sei. 52 Prozent sind nicht einverstanden, dass unabhängige Berichterstattung gefährdet sei, wenn Medien Geld vom Staat erhielten.

 

Trend in der Meinungsbildung

Das frühe Meinungsbild zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien ist von Ambivalenz geprägt. Politische Bindungen bestimmen es am deutlichsten. Rechts ist gegen das Massnahmenpaket, links dafür. Entscheidend werden Voten aus der politischen Mitte und von Parteiungebundenen sein. Erstere sprachen sich in der Ausgangslage für das Gesetz aus, letztere deutlich dagegen.

Im Normalfall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage gleichen sich die Stimmabsichten der Stimmbürger:innen über den Kampagnenverlauf an die Empfehlungen von Bundesrat und Parlament an. Tritt dieser Normalfall ein, wird das Massnahmenpaket am 13. Februar 2022 angenommen. Für eine solche Entwicklung sprechen neben der Haltung von Parlament und Bundesrat die Haltungen der Stimmberechtigten zu den Argumenten.

 

 

Die Erwartungshaltung der Stimmberechtigten ist aber jene einer knappen Ablehnung.  Für dieses in letzter Zeit häufiger beobachtete Ausnahmeszenario der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage, müsste sich das Nein über den Kampagnenverlauf aufbauen. Insbesondere das Argument, dass der Staat keine protektionistische Rolle einnehmen solle, hat das Potenzial, die Meinungsbildung Richtung Nein zu bewegen. Diesem Argument stehen jedoch verschiedene als wichtig erachtete Funktionen der Medien im demokratischen System gegenüber.

Zurzeit muss er Abstimmungsausgang offengelassen werden, denn erst mit der zweiten Umfrage wird die Dynamik der Meinungsbildung erkennbar.

 

Vorläufige Teilnahmeabsichten

Leicht unterdurchschnittliche Teilnahmeabsicht für die Abstimmung vom 13. Februar 2022

Die bisher gemessene Beteiligungsbereitschaft für den 13. Februar 2022 lag gegen Ende Dezember 2021 mit 41 Prozent deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt (46 Prozent zwischen 2011 und 2020). Eine aussergewöhnlich hohe Mobilisierung, wie sie seit Ausbruch

 

 

 

der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 oftmals der Fall war, zeichnet sich aktuell nicht ab. Noch lassen sich jedoch keine speziellen Effekte der Debatten und Kampagnen erkennen, denn diese setzen aufgrund der Festtage später als gewohnt ein.

 

Profil der Beteiligungswilligen

Aktuell sind primär jene Stimmberechtigten mobilisiert, die bei jeder Abstimmung eine hohe Teilnahmebereitschaft aufweisen: Personen im mittleren oder höheren Alter, Männer, Stimmberechtigte mit hoher Schulbildung oder hohem Einkommen sowie Bewohner:innen von Agglomerationen und Städten.

In der Tendenz sind Personen mit Affinität für eine linke Partei stärker mobilisiert als jene mit Sympathien für Parteien im

 

rechten Lager oder Parteiungebundene. Und es zeichnet sich bisher keine regierungskritische Aufladung der Mobilisierung ab.

Die anfängliche Mobilisierung ist in der deutschsprachigen Schweiz mit 41 Prozent gegenüber den anderen Sprachregionen leicht erhöht. Zu Beginn eines Abstimmungskampfes ist dies häufig der Fall, weil Kampagnen in aller Regel in der Deutschschweiz losgetreten werden und sich erst danach in die anderen Sprachräume übertragen.

 

Zitierweise

Erste Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 13. Februar 2022 vom Forschungsinstitut gfs.bern. Realisiert zwischen dem 17. Dezember 2021 und dem 3. Januar 2022 bei 10’083 Stimmberechtigten. Der statistische Fehlerbereich beträgt +/-2.8 Prozentpunkte.

Methode und Datengrundlage

Der telefonische Teil der vorliegenden Befragung wurde vom gfs-Befragungsdienst realisiert, die Auswertung und Analyse der Daten nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor.

Befragt wurde via eines RDD-Dualframe-Verfahrens per Festnetz und Handy. Seit dem Herbst 2018 wird im Rahmen des SRG-Trend-Mandats die telefonische Umfrage durch eine Online-Befragung ergänzt, mit dem Ziel die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen. Der Online-Teil wurde als Opt-in-Befragung (Mitmachbefragung) über die Webportale der SRG SSR Medien realisiert.

Um sprachregionale Aussagen machen zu können, haben wir die Sprachminderheiten in der CATI-Befragung überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um nationale Aussagen machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht.

Keine Aussagen können wir über das Ständemehr machen, denn die Fallzahl lässt gesicherte Rückschlüsse auf die Kantone nicht zu.

Weiterführende Informationen zur Theorie und der Methode der SRG-Trendumfragen finden sich hier.

Technischer Kurzbericht

Auftraggeber: CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit: Stimmberechtigte Schweizer:innen
Herkunft der Adressen CATI: Stichprobenplan Gabler/Häder für RDD/Dual-Frame; Verwendung Swiss-Interview-Liste,
Herkunft der Adressen Online: Opt-in-Befragung über die Webportale der SRG SSR
Datenerhebung: telefonisch, computergestützt (CATI) und Online
Art der Stichprobenziehung CATI: at random/Geburtstagsmethode im Haushalt geschichtet nach Sprachregionen
Art der Stichprobenziehung Online: offene Mitmachumfrage
Befragungszeitraum: 17. Dezember 2021 – 3. Januar 2022
mittlerer Befragungstag: 25. Dezember 2021
Stichprobengrösse: minimal 1’200, effektiv 10’083 (Cati: 1’206, Online: 8’842), n DCH: 7’805, n FCH: 1’796, n ICH: 447
Stichprobenfehler: ± 2.8 Prozentpunkte bei einem Wert von 50% (und 95%iger Wahrscheinlichkeit)
Quotenmerkmale CATI: Geschlecht/Alter interlocked
Quotenmerkmale Online: keine
Gewichtung: Dual-Frame-Gewichtung, Sprache, Siedlungsart, Parteiaffinität, Recall, Teilnahme
mittlere Befragungsdauer CATI: 17.5 Minuten (Standardabweichung: 5.3 Minuten)
Publikation: 7. Januar 2022, 6h00