1. SRG-Trendumfrage zur Abstimmung vom 9. Februar 2025

Zu Beginn der Hauptkampagnenphase:

Umweltverantwortungsinitiative - relative Mehrheit dagegen

Studie im Auftrag der SRG SSR

Wäre bereits am 8. Dezember 2024 abgestimmt worden, wäre die Umweltverantwortungsinitiative von einer relativen Mehrheit abgelehnt worden.

Der Stand der Meinungsbildung präsentiert sich in dieser frühen Phase des Abstimmungskampfes bereits mittel fortgeschritten: Fast zwei Drittel der Teilnahmewilligen äussern eine feste Stimmabsicht und lediglich 6 Prozent sind gänzlich unentschieden. Zudem ist eine argumentative Untermauerung der Stimmentscheide zu Beginn der Hauptkampagne schon klar erkennbar. Die Stimmbeteiligung liegt mit 35 Prozent jedoch deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt (47% zwischen 2011 und 2023 gemäss BFS) zurück.

Dies entspricht einer Momentaufnahme rund sieben Wochen vor dem Abstimmungstag und ist keine Prognose. Die Studie beschreibt die Ausgangslage zu Beginn der Hauptkampagnenphase.

Alle Angaben gelten bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Unsicherheitsbereich von ±2.8 Prozentpunkten. Der Abstimmungskampf und die Meinungsbildung setzen erst ein und können bei Volksabstimmungen nachweislich das Ja/Nein-Verhältnis beeinflussen. Hinzu kommen Effekte aus der noch unbekannten Mobilisierung durch die Kampagnen.

Die Befunde der Umfrage werden anhand des Dispositionsansatzes von gfs.bern theoretisch verortet.

Hier finden sich Hintergrundinformationen zur Vorlage der Februar Abstimmung 2025 und hier zur Methode der SRG-Trendumfragen.

Ausserdem können Sie hier eine vollständige Grafiksammlung herunterladen.

Umweltverantwortungsinitiative

Gegenwärtige Stimmabsichten verhalten kritisch

Wäre die Umweltverantwortungsinitiative bereits am 8. Dezember 2024 zur Abstimmung gelangt, hätte eine relative Mehrheit von 49 Prozent der Stimmberechtigten mit fester Teilnahmeabsicht bestimmt oder eher dagegen gestimmt. 45 Prozent hätten bestimmt oder eher dafür gestimmt. Der Vorsprung der Gegnerschaft beträgt somit 4 Prozentpunkte, und die Initiative startet aus der Defensive in die Hauptkampagnenphase.

Die Prognose der teilnahmewilligen Stimmberechtigten selbst ist eindeutig: 81 Prozent gehen von einer Ablehnung am 9. Februar 2024 aus, lediglich 19 Prozent von einer Annahme. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 42 Prozent geschätzt.

Mittlerer Stand der Meinungsbildung

Das Meinungsbild erweist sich mit 61 Prozent fest Entschiedenen und einer soliden argumentativen Verankerung der Stimmentschiede (R2=0.72) bereits in dieser frühen Phase als relativ gefestigt. Lediglich ein Drittel der Teilnahmewilligen hat noch keine feste Stimmabsicht für oder gegen die Initiative und tendiert erst in eine Richtung, weitere 6 Prozent sind derzeit noch gänzlich unentschieden. Der Stand der Meinungsbildung ist somit bereits mittel fortgeschritten.

Angesichts des frühen Zeitpunkts im Abstimmungskampf und der bisher geringen Medienaufmerksamkeit, welche dieser Vorlage zu Teil wird, vermögen diese Werte zu erstaunen. Sie verweisen auf einen grundsätzlichen Abwehrreflex dem Vorhaben gegenüber.

Vorläufiges Konfliktmuster: Parteipräferenz, Geschlecht und Sprachregionen als zentrale Konfliktlinien

Das Konfliktmuster der Umweltverantwortungsinitiative zeigt ein vertrautes Bild: Anhänger:innen von Grünen, SP und GLP unterstützen sie klar, während andere Parteiwählerschaften sie deutlich ablehnen. Die Polarisierung ist stark: Grüne (98 % dafür) und SVP (81 % dagegen) prägen die Meinungspole. Parteiungebundene sind gespalten (43 % dafür, 37 % dagegen). Bei der GLP zeigt sich ein Elite-Basis-Konflikt: Während die Nationalratsfraktion geschlossen dagegen stimmte, geniesst die Initiative an der Basis breite Sympathien.

Acht weitere Gruppen zeigen mehrheitlich befürwortende Absichten: Frauen, 18-39-Jährige, tiefe Einkommensgruppen, Städter:innen sowie französisch- und italienischsprachige Stimmberechtigte.

 

Besonders auffällig ist der Geschlechtergraben: 56 Prozent der Frauen stimmen zu, aber nur 37 Prozent sind bestimmt dafür; Männer lehnen sie zu 59 Prozent ab.

Regional ist die Unterstützung in der französisch- (55% dafür) und italienischsprachigen Schweiz (52% dafür) höher als in der Deutschschweiz, wo 52 Prozent bereits dagegen sind. Die Meinungsbildung ist in der Deutschschweiz fortgeschrittener, während das Ja in den anderen Sprachregionen eher als Anfangssympathie gewertet wird.

Schichteffekte zeigen: Die Zustimmung sinkt mit steigendem Einkommen und steigt mit dem Bildungsstand. Einkommensschwächere Haushalte befürworten die Initiative, während Haushalte ab 7000 CHF sie mehrheitlich ablehnen. Geringer oder mittlerer Bildungsstand korreliert mit Ablehnung, während Hochgebildete gespalten sind.

 

Argumente: Riskant für Wirtschaftsstandort Schweiz vs. Vorreiterrolle und Ansehen

Zwei Drittel der Teilnahmewilligen stimmen grundsätzlich zu, dass wir bereits heute die Ressourcen von morgen verbrauchen und unsere Lebensgrundlagen bald erschöpft sein könnten. 63 Prozent sind der Ansicht, dass die Schweiz nicht nur ihre Umweltbelastung im eigenen Land reduzieren, sondern auch Verantwortung für ökologische Schäden im Ausland übernehmen müsse. Zudem unterstützen 55 Prozent die Forderung, dass die Schweiz eine Vorreiterrolle im internationalen Umweltschutz einnehmen und dadurch ihr weltweites Ansehen stärken sollte.

Gleichzeitig sehen jedoch ebenfalls zwei Drittel der Befragten Nachteile bei der Umsetzung der Initiative: Sie befürchten steigende Preise und höhere Lebenshaltungskosten, was der geforderten Sozialverträglichkeit widerspräche. 65 Prozent halten es für riskant, die Schweizer Wirtschaft durch Verbote und Regulierungen zu belasten, da dies den Wirtschaftsstandort schwächen könnte. Darüber hinaus sind 61 Prozent der Meinung, dass die Initiative zu radikalem Verzicht zwinge und den gewohnten Lebensstandard massiv einschränken würde.

Indexiert zeigt sich auch argumentativ ein gespaltenes Bild: 48 Prozent der Befragten neigen argumentativ der Gegnerschaft zu. 46 Prozent unterstützen die Befürworterschaft.

Währenddessen sind 6 Prozent indifferent. Die Zustimmung zur Initiative und die argumentative Überzeugung liegen somit nah beieinander.

Der Wirkungstest der Argumente bestätigt diese argumentative Ausgewogenheit, mit leichtem Vorteil der Befürworterschaft: Aktuell verfügt sie über das meinungswirksamste Argument. Der Wunsch dass die Schweiz eine Vorreiterrolle im internationalen Umweltschutz einnehmen solle. Direkt dahinter zeigt sich aber mit einem ähnlich stark wirksamen Contra-Argument die Schwachstelle der Initiative in der Initialbewertung: Risiken respektive Nachteile für den Schweizer Wirtschaftsstandort. Dieses Argument mag im linken Umfeld zwar keine Mehrheit zu überzeugen, wirkt aber auch dort als stärkster Einwand gegen die Umweltverantwortungsinitiative. Drittwirksamstes Argument für einen Stimmentscheid ist wiederum eines aus dem befürwortenden Lager: Die Angst, dass unsere Lebensgrundlagen bald erschöpft sein werden, befördert ein Ja. Im Umfeld der SVP sieht eine Mehrheit das zwar anders, entscheidungswirksam ist diese Angst aber selbst in diesem klar gegnerischen Umfeld. An vierter Stelle folgt ein weiterer zentraler Einwand: die fehlende Sozialverträglichkeit der Initiative. Die Forderung nach Verantwortung für ökologische Schäden im Ausland steht an fünfter Stelle, während der radikale Verzicht als Contra-Argument auf Platz sechs folgt.

Trend in der Meinungsbildung

Die Umweltverantwortungsinitiative startet aus der Defensive in den Hauptabstimmungskampf: Eine relative Mehrheit hätte sie Anfang Dezember verworfen, die Gegnerschaft verfügt über mehrheitsfähige Argumente, welche bereits in der Ausganglage die gewünschte Wirkung zeigen. Der Widerstand, besonders in der deutschsprachigen Schweiz, im rechtsbürgerlichen Umfeld, unter Männern und bei höheren Einkommen, ist bereits formiert. Zudem gehen die Stimmberechtigten mehrheitlich davon aus, dass die Initiative scheitern wird – ein Ausgang, der dem typischen Verlauf von Initiativen entspricht. Mit fortschreitendem Abstimmungskampf verschiebt sich die Wahrnehmung weg von der Problemdefinition der Initiant:innen hin zu den Schwächen und Risiken des vorgeschlagenen Lösungsansatzes. Dies führt in der Regel zu einer Zunahme des Nein-Anteils. Für eine Initiative verheisst ein Start unter der Zustimmungsmarke von 50 Prozent entsprechend nichts Gutes.

 

 

Allerdings verfügt die Befürworterschaft über starke und meinungswirksame Argumente und erfährt in gewissen Gruppen deutliche Unterstützung. Die Zustimmung der Anhängerschaften der SP und der Grünen scheint gesichert. Die hier festgehaltenen Sympathien in anderen Gruppen, beispielsweise bei GLP-Wähler:innen, Frauen und französisch- oder italienischsprachigen Stimmberechtigten, könnten jedoch im Verlauf des Abstimmungskampfs nachlassen.

Der Spielraum für Kampagnenwirkungen ist aufgrund des mittel fortgeschrittenen Stands der Meinungsbildung zwar beschränkt, aber die Mobilisierung ist noch klar unterdurchschnittlich. Aufgrund der nicht mehrheitlichen Zustimmung in der Ausgangslage und der klaren Erwartungshaltung der Bevölkerung ist ein Nein zur Umweltverantwortungsinitiative für den 9. Februar 2025 allerdings wahrscheinlicher als ein Ja.

Teilnahmeabsichten

Unterdurchschnittliche Teilnahmeabsicht für die Abstimmung vom 9. Februar 2025

Die bisher gemessene Beteiligungsbereitschaft für den 9. Februar 2025 ist mit 35 Prozent deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt (47% zwischen 2011 und 2023 gemäss BFS). In dieser frühen Phase des Abstimmungskampfes, inmitten der weihnachtlichen Vorbereitungen, bewegt die Vorlage noch nicht sonderlich breite Teile der Bevölkerung.

 

 

Der Wert dürfte über den Kampagnenverlauf und mit näher rückendem Abstimmungssonntag erwartungsgemäss weiter ansteigen, so dass sich für den Moment eine leicht unterdurchschnittliche Teilnahme am Urnengang vom 9. Februar 2025 abzeichnet.

Profil der Beteiligungswilligen

Wie üblicherweise bekunden höher gebildete und besser verdienende Stimmberechtigte erhöhte Teilnahmeabsichten. Normalerweise zeigt sich eine erhöhte Bereitschaft auch bei älteren Stimmberechtigen. Aktuell fällt die Mobilisierung bei den jüngsten Stimmberechtigten (18-39-Jährige 41%) jedoch deutlich höher aus. Angesichts der Urheber:innen und dem Thema der Initiative liegt dies im erwartbarem Rahmen. Darüber hinaus zeigen die untersten Einkommensschichten vergleichsweise ebenfalls eine leicht höhere Teilnahmebereitschaft (35%).

Nennenswert ist, dass Stimmberechtigte, die der Regierung eher skeptisch gegenüberstehen, eine leicht höhere Teilnahmebereitschaft aufweisen (40%). Gleiches gilt für GLP-Affine (53%) und die FDP-Wählerschaft (46%). Hingegen mobilisiert das Anliegen bei der GPS-Wählerschaft nur geringfügig (34%), obwohl die Initiative von ihrer Jungpartei lanciert wurde.

 

 

Sprachregional betrachtet ist die Mobilisierung in der französischsprachigen Schweiz etwas höher als in der italienischen- und deutschsprachigen Schweiz (DCH: 33%, FCH: 39%%, ICH; 35%). Zusätzlich zeigen Stimmberechtigte in städtischen Gebieten (39%) eine höhere Teilnahmebereitschaft als in intermediären (27%; laut BFS liegen intermediäre Gemeinden im Einflussgebiet der städtischen Kerne und weisen sowohl ländliche wie auch städtische Merkmale auf) oder ländlichen (28%) Regionen. Am tiefsten fällt die Mobilisierung bei der tiefsten Bildungsschicht (21%) aus.

Erwartungsgemäss dürfte die Debatte im Verlauf des Abstimmungskampfes noch weitere Kreise erfassen, die üblicherweise an Abstimmungen teilnehmen, und somit dürfte am 9. Februar 2025 ein leicht verändertes Muster der Teilnahme vorliegen.

 

Zitierweise

Erste Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 9. Februar 2025 vom Forschungsinstitut gfs.bern. Realisiert zwischen dem 2. Dezember und dem 16. Dezember 2024 bei 18’845 Stimmberechtigten. Der statistische Fehlerbereich beträgt +/-2.8 Prozentpunkte.

Methode und Datengrundlage

Der telefonische Teil der vorliegenden Befragung wurde vom gfs-Befragungsdienst realisiert, die Auswertung und Analyse der Daten nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor. Befragt wurde via eines RDD-Dualframe-Verfahrens per Festnetz und Handy.

Seit dem Herbst 2018 wird im Rahmen des SRG-Trend-Mandats die telefonische Umfrage durch eine Online-Befragung ergänzt mit dem Ziel die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen.

Der Online-Teil wurde als Opt-in-Umfrage (Mitmachumfrage) über die Online-Portale der SRG SSR Medien durchgeführt. Seit Anfang 2024 wird mithilfe von Boomerang Ideas zudem systematisch auch über Social-Media-Kanäle befragt.

Aussagen über das Ständemehr können wir keine machen, denn die Fallzahl lässt gesicherte Rückschlüsse auf die Kantone nicht zu.

Weiterführende Informationen zur Theorie und der Methode der SRG-Trendumfragen finden sich hier.

Technischer Kurzbericht

Auftraggeber: CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit: Stimmberechtigte Schweizer:innen
Herkunft der Adressen CATI: Stichprobenplan Gabler/Häder für RDD/Dual-Frame; Verwendung Swiss-Interview-Liste,
Herkunft der Adressen Online: Opt-in-Befragung über die Webportale der SRG SSR
Datenerhebung: telefonisch, computergestützt (CATI) und Online
Art der Stichprobenziehung CATI: at random/Geburtstagsmethode im Haushalt geschichtet nach Sprachregionen
Art der Stichprobenziehung Online: offene Mitmachumfrage
Befragungszeitraum: 2. Dezember – 16. Dezember 2024
mittlerer Befragungstag: 8. Dezember 2024
Stichprobengrösse: minimal 1’200, effektiv 18’845 (Cati: 518, Online: 18’327, Boomerang Ideas: 502), DCH: 14’667, n FCH: 3’819, n ICH: 359
Stichprobenfehler: ± 2.8 Prozentpunkte bei einem Wert von 50% (und 95%iger Wahrscheinlichkeit)
Quotenmerkmale CATI: Sprachregion
Quotenmerkmale Online: keine
Gewichtung: Dual-Frame-Gewichtung, Sprache, Siedlungsart, Parteiaffinität, Recall, Teilnahme
mittlere Befragungsdauer CATI: 7.5 Minuten (Standardabweichung: 2.0 Minuten)
Publikation: 20. Dezember 2024, 6h00