1. SRG-Trendumfrage zur Abstimmung vom
28. November 2021

Zu Beginn der Hauptkampagnenphase:

Pflegeinitiative - Mehrheit dafür
Justiz-Initiative - keine eindeutige Mehrheit
Änderung Covid-19-Gesetz - Mehrheit dafür

Studie im Auftrag der SRG SSR

Wäre bereits am 9. Oktober 2021 abgestimmt worden, wären die Änderung des Covid-19-Gesetzes und die Pflegeinitiative angenommen worden, während sich die Teilnahmewilligen bei der Justiz-Initiative gespalten zeigten. Die Stimmbeteiligung hätte bei leicht unterdurchschnittlichen 41 Prozent gelegen.

Hier liegt eine Momentaufnahme rund sieben Wochen vor dem Abstimmungstag vor und nicht eine Prognose. Die Studie beschreibt die Ausgangslage zu Beginn der Hauptkampagnenphase.

Alle Angaben gelten bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Unsicherheitsbereich von ±2.8 Prozentpunkten. Der Abstimmungskampf und die Meinungsbildung setzen erst ein und können bei Volksabstimmungen nachweislich das Ja/Nein-Verhältnis beeinflussen. Hinzu kommen Effekte aus der noch unbekannten Mobilisierung durch die Kampagnen.

Die Befunde der Umfrage werden anhand des Dispositionsansatzes von gfs.bern theoretisch verortet.

Hier finden sich Hintergrundinformationen zu den Vorlagen der November-Abstimmung und hier zur Methode der SRG-Trendumfragen.

Ausserdem können Sie hier die Präsentation der Resultate herunterladen.

Übersichtsgrafik Stimmabsichten

Pflegeinitiative

Gegenwärtige Stimmabsichten positiv prädisponiert

Wäre bereits am 9. Oktober 2021 über die Volksinitiative „Für eine starke Pflege“ abgestimmt worden, wäre sie von den Teilnahmewilligen angenommen worden. 78 Prozent der Personen, die bestimmt teilnehmen wollen, wären für die Initiative gewesen, 15 Prozent dagegen. Zum Befragungszeitpunkt waren noch 7 Prozent unentschieden.

Die Stimmberechtigten gehen zu 74 Prozent von einer Annahme aus. Im Mittel wird der Ja-Anteil für die Abstimmung am 28. November auf 55 Prozent geschätzt.

Mittlerer Stand der Meinungsbildung

54 Prozent der bisher Mobilisierten haben bestimmte Absichten für oder gegen die Volksinitiative. Diese Stimmabsichten sind mit Argumenten erst beschränkt erklärbar, was auf Spielraum für den Einfluss der Hauptkampagne auf die Unentschiedenen oder Personen mit wenig gefestigter Meinung hinweist. Das Potenzial für Meinungswandel ist aber insofern beschränkt, als bereits 48 Prozent bestimmt für die Initiative stimmen wollen.

Vorläufiges Konfliktmuster: Ja-Mehrheiten in allen Gruppen

In der Geschichte der Initiativen seit 1891 waren die Gewerkschaften nie erfolgreich mit einer Initiative. Der SBK könnte diese Regel nun ändern. In der Ausgangslage sind alle untersuchten Gruppen deutlich für die Initiative. Das reduziert den Grad der Konflikthaftigkeit. Beispielsweise wollen in allen drei Sprachregionen mehr als drei Viertel der bisher Mobilisierten für die Pflegeinitiative stimmen.

Nur in drei Gruppen sind mehr als eine von fünf Personen bisher gegen die Initiative. Das betrifft Personen aus Haushalten mit mehr als 11’000 Franken Einkommen (23%

Mittlerer Stand der Meinungsbildung

Nein), sowie die Anhängerschaften von FDP (34% Nein) und SVP (22% Nein). Bleibt es bei diesen Werten, ergibt sich bei der SVP und der FDP ein Elite-Basis-Konflikt. Trotz Kritik an der Initiative in der parlamentarischen Phase beschlossen die Delegierten der Mitte und der GLP die Ja-Parole, womit sich hier kein Elite-Basis-Konflikt abzeichnet.

Neben dem beschränkt aufscheinenden Links-Rechts-Profil besteht auch noch ein gewisser Graben zwischen den Geschlechtern. Männer wollen zu 19 Prozent gegen die Initiative stimmen Frauen lediglich zu 13 Prozent.

Argumente

Der Problemdruck im Pflegeberuf wird als gross wahrgenommen. 73 Prozent der Teilnahmewilligen widersprechen dem Argument, wonach die Löhne im Vergleich zur EU hoch seien und deshalb nicht mehr für die Pflege getan werden müsse. Corona dürfte dieses Problembewusstsein klar befördert haben. 84 Prozent wünschten mehr als Applaus für die Pflege, da sie wegen Corona noch mehr am Limit arbeite. Beide Argumente wirken auf die Meinungsbildung und unterstreichen den Eindruck, dass eine grosse Mehrheit der mobilisieren Stimmberechtigten eine akute Problematik sieht.

Auch das Argument für bessere Arbeitsbedingungen gegen Berufsausstiege und der Verweis auf den Pflegenotstand sind sehr stark unterstützte Argumente für die Initiative. Diese

 

 

beiden Argumente wirken sich ausserdem stark auf die bisherigen Stimmabsichten aus.

Zwei Gegenargumente erhalten im Unterschied zum Lohnargument gewisse Unterstützung: Die Verhinderung einer Sonderstellung einer Berufsgruppe in der Verfassung (50%) sowie der Verweis auf den Gegenvorschlag, der mit einer Milliarde die Pflege fördern will (48%). Beide Argumente wirken sich im Hintergrund etwas auf die bisherigen Meinungen aus, prägen aber offensichtlich die Meinungen nicht entscheidend.

Mit der Beurteilung der sechs Argumente können erst 39 Prozent der Ja- und der Nein-Stimmen erklärt werden. Das ist ein tiefer Stand für die aktuelle Phase der Kampagne und ist auch darauf zurück zu führen, dass sich unter den Befragten noch kein festes Nein-Lager gebildet hat.

Trend in der Meinungsbildung

Ohne Kenntnis der Dynamik der Meinungsbildung muss der Abstimmungsausgang für den 28. November 2021 vorerst offengelassen werden. Die Chancen für ein Ja zur Pflegeinitiative stehen bei der vorgefundenen Ausgangslage aber besser als jene für ein Nein.

Die Stimmabsichten, die Haltungen zu den Argumenten, die Erwartung der Stimmenden und auch der von ihnen wahrgenommene Problemdruck, sowie das Konfliktmuster in

 

 

den politischen Eliten und in der Bevölkerung sprechen insgesamt für eine Annahme der Initiative und damit für einen weiteren bemerkenswerten Ausnahmefall der Meinungsbildung im Corona-Kontext.

Zwar dürfte sich vor allem im rechten politischen Lager und im Rahmen einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Gegenvorschlag und den Parolen noch etwas mehr Nein aufbauen, aber eine starke Abnahme des Ja-Lagers ist nicht zu erwarten.

Justiz-Initiative

Gegenwärtige Stimmabsichten: nicht prädisponiert

Wäre Anfang Oktober über die Justiz-Initiative abgestimmt worden, hätte lediglich eine relative und hauchdünne Mehrheit dafür resultiert. 43 Prozent der Personen, die bestimmt teilnehmen wollen, wären für die Initiative gewesen, 42 Prozent dagegen. Die Stimmabsichten lagen somit unter Berücksichtigung des Stichprobefehlers im Patt.

Für den 28. November 2021 erwarten 64 Prozent der Teilnahmewilligen eine Ablehnung der Justiz-Initiative, 33 Prozent eine Annahme. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 46 Prozent geschätzt.

Tiefer Stand der Meinungsbildung

Erst 39 Prozent der bisher Mobilisierten haben bestimmte Stimmabsichten für (19%) oder gegen (20%) die Justiz-Initiative. Hohe 15 Prozent waren zum Befragungszeitpunkt noch gänzlich unentschieden. Das spricht für einen tiefen Stand der Meinungsbildung. Bestätigt wird dieser Eindruck von der Tatsache, dass auch die argumentative Abstützung eines Stimmentscheids zur Justiz-Initiative vergleichsweise gering ist.

Dieses wenig gefestigte Meinungsbild zur Justiz-Initiative verweist auf Spielraum für Kampagnen.

Vorläufiges Konfliktmuster schwach akzentuiert

Das Konfliktmuster zur Justiz-initiative präsentiert sich in der Ausgangslage wenig akzentuiert. Nur in drei Untergruppen hätte die Justiz-Initiative eindeutige Mehrheiten gefunden: Teilnahmewillige Sympathisant:innen der Grünen und solche mit den tiefsten Haushaltseinkommen hätten Anfang Oktober Ja gestimmt, aus den Reihen der FDP hätte es ein Nein gegeben. In allen anderen Untergruppen sind die Mehrheitsverhältnisse nur relativer Natur oder ausgeglichen. Und in jenen Gruppen mit den meisten Sympathien für das Anliegen finden sich in der Ausgangslage auch die meisten Unentschiedenen.

Neben Teilnahmewilligen mit Sympathien für die Grünen, hätten die SP-Basis und Parteiungebundene relativmehrheitlich Ja gestimmt. Im Patt befand sich die GLP-nahe Wählerschaft. Relativmehrheitlich im Nein zeigten sich Mitte- und SVP-nahe Teilnahmewillige. Elite-Basis-Konflikte finden sich damit im linken parteipolitischen Umfeld und das verweist zusammen mit den hohen Anteilen Unentschiedener bei allen Parteiwählerschaften auf beachtlichen Spielraum für Kampagnen.

 

Weiter sind die Stimmabsichten sozioökonomisch geprägt. Die Zustimmung sinkt mit dem Einkommen. Bis zu einem Haushaltseinkommen von 7’000 Franken monatlich ist sie (relativ-)mehrheitlich gegeben. Danach kippen die Stimmverhältnisse. Ähnliches zeigt sich entlang der Schulbildung: je höher diese ausfällt, desto höher ist die Ablehnung. Doch auch in der höchsten Bildungsgruppe ist sie nur relativmehrheitlich.

Regional betrachtet ist die Skepsis der Justiz-Initiative gegenüber in ländlichen Gebieten grösser, als in den kleinen bis grossen Agglomerationsräumen. Teilnahmewillige aus ländlichen Gebieten hätten relativmehrheitlich Nein gestimmt, solche aus grösseren Siedlungsräumen hätten relativmehrheitlich Ja gestimmt. Erhöhte Sympathien für das Anliegen finden sich auch in der italienisch- und französischsprachigen Schweiz, allerdings bei vielen Unentschiedenen. Anders die Deutschschweiz, wo zum gleichen Zeitpunkt eine relative Nein-Mehrheit resultiert hätte.

Schliesslich zeigen sich Männer in der Ausgangslage kritischer mit dem Vorhaben als Frauen. Und die Ablehnung zur Justiz-Initiative steigt mit dem Alter an.

Argumente: Kritik am Losverfahren vs. Kritik an der Abhängigkeit von Parteien

Sechs Argumente wurden direkt zur Justiz-Initiative formuliert, wobei alle sechs mehrheitliche Unterstützung erfahren. Beide Seiten können folglich Mehrheiten argumentativ für sich gewinnen, der Pro-Seite gelingt dies gar etwas breiter. Sie überzeugt grössere Mehrheiten als die Contra-Seite.

Die Wirkungsanalyse der Argumente zeigt aber, dass bereits die frühe Meinungsbildung dann doch stärker von den Contra-Argumenten geprägt wird. Dass eine ausgewogene Zusammensetzung des Gerichts durch ein Losverfahren nicht garantiert wäre, ist stärkster Grund für ein Nein und überzeugt 54 Prozent der Teilnahmewilligen. Flankiert wird er vom zweitstärksten Argument zur Erklärung eines Stimmentscheids: Es würden mit dem Losverfahren nicht die fähigsten, sondern

 

 

die Personen mit dem meisten Glück gewählt, was die demokratische Legitimation einer Richterwahl untergrabe (55% eher/voll einverstanden).

Wirksamstes Argument der Initiant:innen ist, dass Richter:innen kaum unabhängig urteilen würden, wenn sie einer Partei angehörten und eine Nicht-Wiederwahl fürchten müssen (63% eher/voll einverstanden). Zweitwirksamstes Pro-Argument ist jenes, dass das heutige Wahlverfahren die Wahl der Besten verhindere, weil beispielsweise Parteilose von vornherein chancenlos seien (68% eher/voll einverstanden).

Mit der Beurteilung aller sechs Argumente können 48 Prozent der Ja- und der Nein-Stimmen erklärt werden. Das ist ein mittlerer Wert für die aktuelle Phase im Abstimmungskampf.

Trend in der Meinungsbildung

Die wenig eindeutigen Stimmabsichten in der Ausgangslage, die vielen Unentschiedenen sowie Elite-Basis-Konflikte im linken parteipolitischen Spektrum sprechen für eine zu weiten Teilen noch ausstehende Meinungsbildung. Es existieren Sympathien für das Anliegen, was sich an relativ mehrheitlich bejahenden Stimmabsichten und den argumentativen Haltungen zeigt. Dabei sind die Stimmabsichten zu diesem frühen Zeitpunkt am deutlichsten politisch geprägt, was angesichts des Parolenspiegels und der Schussabstimmungen im Parlament überrascht.

Das vorgefundene Bild lässt eine knappe Annahme der Vorlage theoretisch möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich,

 

erscheinen. Es wäre ein Ausnahmefall der Meinungsbildung zu einer Initiative.

Es existieren aber auch Hinweise, die ein Nein zur Vorlage am 28. November 2021 nahelegen. Neben der Erwartungshaltung der Stimmberechtigten selbst und der bereits erkennbaren Wirkung der Contra-Argumente, sind dies die geschlossene Position der politischen Eliten und der Regelfall der Meinungsbildung zu einer Initiative. In diesem Regelfall baut sich das Nein über den Abstimmungskampf hinweg auf.

Ohne Kenntnis der Dynamik der Meinungsbildung muss der Abstimmungsausgang für den 28. November 2021 offengelassen werden. Die Chancen auf ein Nein stehen bei dieser Ausgangslage aber besser als die Chancen auf Ja.

Änderung des Covid-19-Gesetzes

Gegenwärtige Stimmabsichten im Ja

Die Ja-Seite startet mit einem Vorsprung von 25 Prozentpunkten in die Hauptphase des Abstimmungskampfes. 61 Prozent der Teilnahmewilligen hätten am 9. Oktober 2021 für die Änderung des Covid-19-Gesetz gestimmt. 36 Prozent dagegen. 3 Prozent waren noch unentschieden.

Die Erwartung der klaren Mehrheit der Teilnahmewilligen ist, dass die Änderungen am Covid -19-Gesetz angenommen werden (69% schätzen Ja-Anteil über 50%, 30% auf unter 50%). Der erwartete Abstimmungsausgang fällt aber knapper aus als die gemessenen Stimmabsichten. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 53 Prozent geschätzt.

Mittlerer bis fortgeschrittener Stand der Meinungsbildung

77 Prozent äussern in dieser frühen Phase des Abstimmungskampfes feste Stimmabsichten, nur 3 Prozent zeigen sich noch unentschlossen. Das spricht für sich genommen für einen fortgeschrittenen Stand der Meinungsbildung. Allerdings ist die argumentative Abstützung der Stimmentscheide eher schwach.

Insgesamt entspricht dies einem mittleren bis fortgeschrittenen Stand der Meinungsbildung. Spielraum für Veränderungen ist vorhanden, wenn auch begrenzt.

Vorläufiges Konfliktmuster: Parteiaffinität, Regierungsvertrauen und Impfstatus im Zentrum

Die parteipolitische Polarisierung ist stark. Vom linken politischen Pol bis hin zur FDP ist die Zustimmung zu den Änderungen am Covid-19-Gesetz solid. Breits die feste Zustimmung liegt bei Grünen-, SP-, GLP-, Mitte- und FDP-nahen Teilnahmewilligen über der 50-Prozent-Marke. Auch Parteiungebundene sind mehrheitlich im Ja.

Anders SVP-affine Teilnahmewillige: Sie äusserten sich Anfang Oktober mehrheitlich gegen das Covid-19-Gesetz. Damit stehen die verschiedenen Parteiwählerschaften mehrheitlich auf Seiten der Position ihrer Mutterpartei.

 

 

Neben der SVP-Anhängerschaft lehnen regierungsmisstrauische Teilnahmewillige und solche, die nicht gegen Corona geimpft sind, die Änderungen am Covid-19-Gesetz mehrheitlich ab. Ausserhalb dieser drei Gruppen gibt es keine weiteren ablehnenden Untergruppen aber es zeigen sich Alters- und Schichtunterschiede in den frühen Stimmabsichten. Die Zustimmung zu den Änderungen am Covid-19-Gesetz ist bei unter 40-Jährigen verhaltener als bei älteren Teilnahmewilligen. Und sie steigt mit dem Bildungsstand und dem Haushaltseinkommen an.

Regional betrachtet ist die Zustimmung flächendeckend trotz signifikant höherem Nein-Anteil in ländlichen Gebieten und in der französisch- und deutschsprachigen Schweiz.

Argumente: Zertifikat ist richtiger Weg vs. Änderungen gehen zu weit, massive Überwachung

Auch argumentativ hat die Befürworterschaft die Oberhand, denn ihre Argumente überzeugen nicht nur solide Mehrheiten, sie verfügt zurzeit auch über das wirksamste Argument für einen Stimmentscheid.

Das Covid-Zertifikat erachten knapp zwei Drittel als richtigen Weg, für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. 63 Prozent fürchten grossen Schaden, wenn Direkthilfen für Unternehmen, Selbständige und Angestellte verworfen würden. 59 Prozent sind einverstanden, dass ein Zertifikat verhindere, dass es bei einer Zuspitzung der Lage in den Spitälern wieder strengere Massnahmen wie einen Lockdown brauche.

Die Contra-Seite überzeugt weniger breit. Wenn sie argumentiert, dass bestehende Gesetze ausreichen, um die

 

 

Schweiz vor Covid-19 zu schützen, unterstützen dies 50 Prozent der Teilnahmewilligen. Dass aber die Zertifikatspflicht zu einer Zweiklassengesellschaft führe, wird von einer Mehrheit verworfen. Genauso das dritte Contra-Argument, dass Änderungen zu weit gingen und zu massiver Überwachung führen würden.

Die Kongruenz zwischen Stimmabsichten der Stimmbürger:innen und Haltungen zu den Argumenten ist eher schwach (Erklärungsgrad: 35%). Das Covid-Zertifikat wird grundsätzlich als richtiger Weg anerkannt und trägt das Ja zu den Änderungen am Covid-19-Gesetz am stärksten. Zweifel an der Verhältnismässigkeit der Änderungen und Überwachungsängste befördern am stärksten ein Nein.

Trend in der Meinungsbildung

Angesichts des Parolenspiegels, der Schlussabstimmungen in den Räten und auch der Vorgängerabstimmung vom Juni 2021 ist die vorgefunden mehrheitlich positive Ausgangslage für die Änderungen am Covid-19-Gesetz wenig überraschend. Kritik ist ausserhalb der SVP, regierungsmisstrauischer Kreise und ungeimpften Teilnahmewilligen nur minderheitlich vorhanden.

Im Normalfall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage gleichen sich die Stimmabsichten der Stimmbürger:innen über den Kampagnenverlauf an die Empfehlungen von Bundesrat und Parlament an. Tritt dieser Normalfall ein, werden die Änderungen am Covid-19-Gesetz am 28. November 2021 deutlich angenommen.

Weil aber die Corona-Pandemie und die Massnahmenpolitik dazu viele Menschen in ihrem Alltag unmittelbar betreffen und sich die Pandemielage jederzeit ändern kann, sind überraschende Entwicklungen nicht auszuschliessen. Diskussionen rund um Corona, die Zertifikatspflicht und das

 

Impfen werden emotional geführt. Auch das begünstigt eine hohe Dynamik im Abstimmungskampf.

Die Vorlage hat das Potenzial, stärker zu polarisieren als aktuell, womit der Nein-Anteil im Verlauf des Abstimmungskampfes steigen würde. Als stärkster Kritikpunkt, der die Zustimmung zum Bröckeln bringen könnte, erweist sich zurzeit die Frage, ob die Änderungen nicht zu weit gingen und zu massiver Überwachung führen würden. Aufgrund des Vorsprungs der Ja-Seite und der Erstbeurteilung der Argumente wäre eine Umkehr der Mehrheitsverhältnisse aber selbst in diesem Fall eine Überraschung. Die Gegnerschaft müsste dazu im weiteren Kampagnenverlauf argumentativ deutlich die Oberhand gewinnen und stark mobilisieren.

Erst die zweite Umfrage wird uns Aufschluss zur Dynamik des Meinungsverlaufes und damit mehr Sicherheit liefern. Zurzeit sind die Chancen einer Annahme intakt, eine Ablehnung kann aber noch nicht ganz ausgeschlossen werden. Dazu sind nicht zuletzt die Entwicklungen der Pandemie selbst zu dynamisch.

Vorläufige Teilnahmeabsichten

Leicht unterdurchschnittliche Teilnahmeabsicht für die Abstimmung vom 28. November 2021

Die bisher gemessene Beteiligungsbereitschaft für den 28. November 2021 lag Anfang Oktober mit 41 Prozent deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt (46 Prozent zwischen 2011 und 2020). Eine aussergewöhnlich hohe Mobilisierung, wie sie seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 oftmals der Fall war, zeichnet sich aktuell nicht ab. Noch lassen sich jedoch keine speziellen Effekte der Debatten und Kampagnen erkennen.

 

 

 

Die Beteiligungsbereitschaft steigt in der Regel bis zum Abstimmungstag selbst, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sich auch am 28. November 2021 mehr Leute als die 41 Prozent effektiv beteiligen. Vor allem die Schlussmobilisierung war in dieser Legislatur oft überraschend hoch. Das Szenario einer Supermobilisierung wie im Juni 2021 ist aber eher unwahrscheinlich.

Profil der Beteiligungswilligen

Aktuell sind primär jene Stimmberechtigten mobilisiert, die bei jeder Abstimmung eine hohe Teilnahmebereitschaft aufweisen: Personen im mittleren oder höheren Alter, Stimmberechtigte mit hoher Schulbildung oder hohem Einkommen sowie Bewohner:innen von Agglomerationen und Städten.

In der Tendenz sind Personen mit Affinität für eine linke Partei stärker mobilisiert als jene mit Sympathien für Parteien im

 

rechten Lager oder Parteiungebundene. Es zeigt sich erst in Ansätzen eine regierungskritische Aufladung der Mobilisierung, denn Regierungskritische und –vertrauende sind bereits in gleichen Teilen mobilisiert.

Die Mobilisierung ist aktuell in der deutschsprachigen Schweiz mit 42 Prozent gegenüber den anderen Sprachregionen leicht erhöht. Zu Beginn eines Abstimmungskampfes ist dies häufig der Fall. Es könnte aber auch mit der Mobilisierung der Covid-Massnahmen-kritischen Bewegung zusammenhängen.

Zitierweise

Erste Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 28. November 2021 vom Forschungsinstitut gfs.bern. Realisiert zwischen dem 4. und dem 18. Oktober 2021 bei 14’568 Stimmberechtigten. Der statistische Fehlerbereich beträgt +/-2.8 Prozentpunkte.

Methode und Datengrundlage

Der telefonische Teil der vorliegenden Befragung wurde vom gfs-Befragungsdienst realisiert, die Auswertung und Analyse der Daten nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor.

Befragt wurde via eines RDD-Dualframe-Verfahrens per Festnetz und Handy. Seit dem Herbst 2018 wird im Rahmen des SRG-Trend-Mandats die telefonische Umfrage durch eine Online-Befragung ergänzt, mit dem Ziel die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen. Der Online-Teil wurde als Opt-in-Befragung (Mitmachbefragung) über die Webportale der SRG SSR Medien realisiert.

Um sprachregionale Aussagen machen zu können, haben wir die Sprachminderheiten in der CATI-Befragung überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um nationale Aussagen machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht.

Keine Aussagen können wir über das Ständemehr machen, denn die Fallzahl lässt gesicherte Rückschlüsse auf die Kantone nicht zu.

Weiterführende Informationen zur Theorie und der Methode der SRG-Trendumfragen finden sich hier.

Technischer Kurzbericht

Auftraggeber: CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit: Stimmberechtigte Schweizer:innen
Herkunft der Adressen CATI: Stichprobenplan Gabler/Häder für RDD/Dual-Frame; Verwendung Swiss-Interview-Liste,
Herkunft der Adressen Online: Opt-in-Befragung über die Webportale der SRG SSR
Datenerhebung: telefonisch, computergestützt (CATI) und Online
Art der Stichprobenziehung CATI: at random/Geburtstagsmethode im Haushalt geschichtet nach Sprachregionen
Art der Stichprobenziehung Online: offene Mitmachumfrage
Befragungszeitraum: 4. – 18. Oktober 2021
mittlerer Befragungstag: 9. Oktober 2021
Stichprobengrösse: minimal 1’200, effektiv 14’568 (Cati: 1’208, Online: 13’360), n DCH: 10’594, n FCH: 3’507, n ICH: 467
Stichprobenfehler: ± 2.8 Prozentpunkte bei einem Wert von 50% (und 95%iger Wahrscheinlichkeit)
Quotenmerkmale CATI: Geschlecht/Alter interlocked
Quotenmerkmale Online: keine
Gewichtung: Dual-Frame-Gewichtung, Sprache, Siedlungsart, Parteiaffinität, Recall, Teilnahme
mittlere Befragungsdauer CATI: 15.0 Minuten (Standardabweichung: 3.7 Minuten)
Publikation: 22. Oktober 2021, 6h00