Nahtstellenbarometer 2023

Zentrale Ergebnisse März/April 2023

Umfrage bei Jugendlichen und Unternehmen im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI

Studienziele und Design

Ziel des Nahtstellenbarometers ist die Erfassung von Bildungsentscheiden von Jugendlichen am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit und das Einschätzen der Situation auf dem Schweizer Lehrstellenmarkt.

Zu diesem Zweck wird jährlich eine dreisprachige Online-Umfrage in zwei Erhebungswellen (März/April und August) bei Jugendlichen im Alter von 15-17 Jahren (Ausnahme Tessin: 14-16 Jahre) und Unternehmen mit mindestens zwei Angestellten durchgeführt (Archiv Nahtstellenbarometer).

2023 wurden die Stichproben beider Zielgruppen optimiert: Neu werden 15-17-jährige Jugendliche befragt und nicht mehr 14-16-jährige, um mehr Jugendliche im letzten obligatorischen Schuljahr zu erreichen.

 

Bei den Unternehmen ist neu zum Vornherein bekannt, welche Unternehmen ausbilden und welche nicht. Der Anteil ausbildender Unternehmen wurde in der Stichprobe bewusst erhöht.

Die vorliegenden Graphiken geben einen Überblick über zentrale Ergebnisse der ersten Erhebungswelle von 2023. Details zu den Methoden finden sich am Schluss dieses Cockpits.

Bei den ausgewiesenen Absolutwerten handelt es sich um hochgerechnete Werte. Die Stichprobenergebnisse wurden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet.

Das Wichtigste in Kürze

63% der Jugendlichen an der Nahtstelle I haben bereits eine feste Anschlusslösung.

63% der angebotenen Lehrstellen sind bereits besetzt.

Jugendliche

92’030 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren stehen im März/April 2023 vor der Ausbildungswahl.

Am häufigsten ziehen sie nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit eine berufliche Grundbildung in Erwägung. Maturitätsschulen sind die zweithäufigste Präferenz. Gut ein Viertel der Jugendlichen plant ein Zwischenjahr oder will ein Brückenangebot in Anspruch nehmen.

62% (26’894) der Jugendlichen mit Interesse an einer Lehrstelle verfügen bereits über einen unterschriebenen Lehrvertrag. Dieser Wert liegt über dem Durchschnitt der vorangegangenen Jahre und bewegt sich wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau (2022: 56%, 2021: 52%, 2020: 56%, 2019: 61%). Weitere 12% (5’372) der Jugendlichen erhielten bereits eine mündliche Zusage für eine Lehrstelle. Wichtig anzumerken ist, dass hier nur ein Teil der Nachfrage nach Lehrstellen abgebildet ist, nämlich jene von 15-17-Jährigen (Ausnahme Tessin: 14-16-Jährige) am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit.

25’612  Jugendliche an der Nahtstelle I haben Aufnahmeprüfungen in Maturitätsschulen oder schulische berufliche Grundbildungen bestanden oder Zusagen zu einem anderen Angebot erhalten (Zwischenjahr, Brückenangebot).

Insgesamt haben somit bereits 63% (57’878) der befragten Jugendlichen eine Anschlusslösung nach den Sommerferien. Dieser Wert ist verglichen mit den Vorjahren deutlich erhöht (2022: 51%, 2021: 51%, 2020: 51%, 2019: 57%).

Unternehmen

Insgesamt bieten 56% der hier befragten Unternehmen Lehrstellen an. Das sind deutlich mehr als in den Vorjahren der Untersuchungsreihe, wo sich jeweils rund ein Viertel ausbildende Unternehmen in der Stichprobe fand. Seit 2023 kann der Anteil ausbildender Betriebe in der Bruttostichprobe der vorliegenden Erhebung definiert werden, wodurch ausbildende Betriebe besser erreicht werden können. Das erklärt den gestiegenen Wert im laufenden Jahr.

Die Gesamtzahl der 2023 angebotenen Lehrstellen beträgt hochgerechnet 76’881.

Bei den meisten Unternehmen ist das Lehrstellenangebot gleich gross wie im Vorjahr (74%). 11% der Unternehmen bieten mehr Lehrstellen an als 2022. 8% der Unternehmen geben an, weniger Lehrstellen anzubieten. Diese Werte sind weitgehend stabil.

86% (65’886) der angebotenen Lehrstellen sind berufliche Grundbildungen, die zu einem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) führen. Bei 7% (5’521) handelt es sich um berufliche Grundbildungen mit einem Eidgenössischen Berufsattest (EBA). Die verbleibenden 7% konnten aufgrund der Angaben nicht eindeutig zugeordnet werden.

63% (48’400) der Lehrstellen waren im März/April 2023 bereits vergeben. Dieser Wert ist nahe am Vorjahreswert (2022: 64%).

Spotlight: Die Rolle der Eltern bei der Ausbildungswahl

Jugendliche

Jahr für Jahr belegt das Nahtstellenbarometer, dass Eltern eine zentrale Rolle bei der Ausbildungswahl ihrer Kinder spielen. 88% der befragten Jugendlichen geben an, dass ihre Eltern sie im Prozess der Ausbildungswahl unterstützt haben. Damit sind Eltern vor den Lehrpersonen (51%) die wichtigste Anlaufstelle bei Fragen zu Ausbildungswegen nach der obligatorischen Schulzeit.

Hohe 84% der Jugendlichen attestieren ihren Eltern dabei einen guten bis sehr guten Kenntnisstand in Bezug auf das Schweizer Schulsystem. In der Deutschschweiz werden Eltern häufiger als sehr gut informiert beschrieben als in den anderen Landesteilen (DCH: 38%, FCH: 20%, ICH: 25% sehr gut).  Im Vergleich zu Jugendlichen, die sich aktuell in Maturitäts- oder Sekundarschulen befinden, beschreiben Jugendliche in Kleinklassen, Werk- oder Sonderschulen den Kenntnisstand ihrer Eltern öfter als sehr schlecht (Maturitätsschule: 1%, Sekundarschule erweiterte Ansprüche: 1%, Sekundarschule Grundansprüche: 2%, Kleinklasse o.ä.: 7% sehr schlechter Kenntnisstand der Eltern).

 

Ähnlich hohe 81% schätzen den Kenntnisstand der Eltern in Bezug auf die Schweizer Berufsbildung als gut bis sehr gut ein. Jugendliche aus der französisch- oder italienischsprachigen Schweiz urteilen auch in diesem Punkt signifikant kritischer als solche aus der Deutschschweiz (DCH: 10%, FCH: 18%, ICH: 20% eher/sehr schlecht). Noch stärker ausgeprägt ist der Unterschied zwischen Schweizer Jugendlichen und solchen ohne Schweizer Nationalität (Schweizer:innen: 10%, Ausländer:innen: 24% eher/sehr schlecht).

Geht es um den Kenntnisstand zu Bildungswegen im Anschluss an die berufliche Grundbildung fällt das Urteil ähnlich positiv aus, wenn auch nicht ganz so hoch wie bei den beiden vorangegangenen Fragen: 76% erleben ihre Eltern als gut bis sehr gut informiert, 17% als schlecht bis sehr schlecht. Das sprachregionale Muster bestätigt sich auch hier, bemerkenswert ist aber ein anderer Befund: Eltern von Jugendlichen, die eine Maturitätsschule, eine Privatschule oder eine Kleinklasse besuchen, werden als schlechter informiert beurteilt als Eltern von Sekundarschüler:innen (Maturitätsschule: 23%, Sekundarschule erweiterte Ansprüche: 16%, Sekundarschule Grundansprüche: 14%, Kleinklasse o.ä.: 23% Eltern sehr schlecht informiert).

Die Mehrheit der Jugendlichen ist in der Ausbildungswahl frei von Wunschvorstellungen der Eltern. Von den Eltern, die einen Wunsch in Bezug auf den künftigen Bildungsweg äussern, wird die berufliche Grundbildung und der allgemeinbildende Weg in etwa gleich häufig angebracht. Eltern junger Frauen äussern dabei signifikant häufiger den Wunsch, dass sich ihre Töchter auf den allgemeinbildenden Weg begeben, als Eltern junger Männer (Mann: 15%, Frau 21%). Und Eltern aus der Deutschschweiz wünschen sich häufiger, dass ihr Nachwuchs eine duale berufliche Grundbildung absolviert, als solche aus den anderen Landesteilen, wo der allgemeinbildende Weg präferiert wird (DCH Lehre/Maturitätsschule: 22%/13%, FCH: 13%/27%, ICH: 8%/29%).

Der deutlichste Unterschied zeigt sich aber zwischen Jugendlichen mit und ohne Schweizer Nationalität: Jugendliche mit Migrationshintergrund sind deutlich häufiger mit elterlichen Wünschen konfrontiert als Schweizer Jugendliche (Schweizer:innen: 56%, Ausländer:innen: 34% kein Wunsch). Eltern von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund wünschen sich jedoch ähnlich häufig eine berufliche Grundbildung oder eine allgemeinbildende Schule als künftigen Bildungsweg.

Auch besteht einen Zusammenhang zwischen dem bisherigen Bildungsweg und dem Vorhandensein von Wünschen der Eltern: Je anspruchsvoller die aktuelle Ausbildung ist, desto eher haben Eltern einen Wunsch, in welche Richtung es gehen soll (Maturitätsschule: 56%, Sekundarschule erweiterte Ansprüche: 54%, Sekundarschule Grundansprüche: 46%, Kleinklasse o.ä.: 41% Eltern haben einen Wunsch). Eltern von Jugendlichen, welche die Sekundarstufe auf gymnasialem Niveau absolvieren, wünschen sich verstärkt, dass ihre Kinder diesen Weg weitergehen.

Solche elterlichen Wünsche scheinen jedoch nur bedingte Relevanz zu haben: 41% der Jugendlichen geben an, dass der Wunsch der Eltern bei der Ausbildungswahl gar keine Rolle gespielt habe. Weitere 29% beschreiben die Rolle dieser Wünsche als eher klein. Bleiben 22%, die angeben, dass der Wunsch der Eltern eine (eher) grosse Rolle gespielt habe, vor allem bei französisch- und italienischsprachigen Jugendlichen (FCH: 26%, ICH: 29%, DCH: 20% eher/sehr grosse Rolle) und bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Schweizer:innen: 19%, Ausländer:innen: 36% eher/sehr grosse Rolle).

Unternehmen

Die Mehrheit der befragten Unternehmen nehmen die Eltern der Lernenden in Bezug auf die Ausbildung ihrer Kinder als eher wenig bis überhaupt nicht stark engagiert wahr. Nur jedes dritte Unternehmen gibt schweizweit an, die Eltern seien eher oder sehr stark engagiert. Etwas offener ist die Situation in der italienischsprachigen Schweiz, wo viele Unternehmen keine Angabe dazu machen.

 

Wenn sie aber eine Angabe machen, dann halten sich engagierte und nicht engagierte Eltern die Waage.

Zudem zeigen sich signifikante Unterschiede in den Wirtschaftssektoren: Am ehesten werden Eltern von Lernenden aus dem Landwirtschaftsbereich als engagiert beschrieben, weniger solche von Lernenden aus dem Industrie- oder Dienstleistungssektor (1. Sektor: 44%, 2. Sektor: 30%, 3. Sektor: 31% eher/sehr stark engagiert).

Jugendliche an der Nahtstelle I

Interessen Ausbildungswahl

Die Jugendlichen ziehen für die Zeit nach Ende des Schuljahres 2022/2023 am häufigsten eine berufliche Grundbildung in Erwägung (51’547 Jugendliche, 61%). Dabei ist eine duale berufliche Grundbildung für weitaus mehr Jugendliche die erste Präferenz (43’670/85%) als der Weg der schulischen beruflichen Grundbildung (7’878/15%).

Da die Anschlusslösung zum Zeitpunkt der Umfrage im April 2023 für 37 Prozent der Jugendlichen noch nicht definitiv ist, waren bei der Frage nach den Präferenzen Mehrfachantworten zugelassen. Das dürfte das hohe Interesse an Maturitätsschulen (zweithäufigste Option, 36’392 Jugendliche, 43%) mit erklären.

Ein Zwischenjahr kommt für 10’001 Jugendliche (12%) in Frage, und 11’814 Jugendliche (14%) werden allenfalls ein Brückenangebot besuchen.

 

Von den männlichen Jugendlichen zieht die Mehrheit eine berufliche Grundbildung in Betracht (58%) und deutlich weniger eine Maturitätsschule (38%). Bei den jungen Frauen ist das Verhältnis ausgeglichener: 46% von ihnen streben eine Ausbildung an einer Maturitätsschule an 49% wollen eine Lehre machen.

Das Interesse von Schweizer:innen und Ausländer:innen in Bezug auf berufliche Grundbildung und den Besuch von Maturitätsschulen ist faktisch identisch. Es zeigt sich aber, dass weitaus mehr Ausländer:innen ein Brückenangebot oder eine schulische berufliche Grundbildung erwägen.

In der Deutschschweiz ist die Nachfrage nach beruflicher Grundbildung unter den Jugendlichen deutlich höher als in der französischen und der italienischen Schweiz. Umgekehrt streben mehr Jugendliche aus der lateinischsprachigen Schweiz eine Maturität an als in der Deutschschweiz.

Jugendliche mit Interesse an beruflicher Grundbildung

Von jenen 43’670 Jugendlichen, die im Sommer 2023 eine Berufslehre starten möchten, zielen 40’718 (93%) auf einen EFZ-Abschluss, 1’640 (4%) auf einen EBA-Abschluss.

Die zehn beliebtesten Berufslehren bei den Jugendlichen im Frühjahr 2023 finden sich in nachfolgender Grafik. Ungebrochene Spitzenreiterin ist die kaufmännische Grundbildung.

Verglichen mit dem Vorjahr erweisen sich die Top-Ten der beliebtesten Ausbildungen als ziemlich stabil, denn neun Lehrberufe waren bereits 2022 in den Top-Ten enthalten.

 

Ein Wechsel fand auf dem letzten Rang statt: 2023 ist die berufliche Grundbildung zum Fachmann/zur Fachfrau Apotheke wieder in den Top-Ten zu finden. Dies auf Kosten der Lehre zum Koch respektive zur Köchin.

Die Berufswünsche der jungen Frauen und Männer unterscheiden sich, wobei sich das bekannte Muster wiederholt: Bei jungen Frauen sind neben der Ausbildung zur Kauffrau medizinische oder soziale Berufe hoch im Kurs.

Für junge Männer sind neben der Ausbildung zum Kaufmann vorwiegend technische Berufe attraktiv, wie nachfolgende Grafik aufzeigt.

11’117 Jugendliche, oder 25% von jenen die eine berufliche Grundbildung anstreben, haben vor, gleichzeitig eine Berufsmaturität zu absolvieren. Über die Zeit betrachtet, erweist sich dieser Anteil als relativ stabil (2022: 25%, 2021: 29%, 2020: 28%, 2019: 24%, 2018: 27%).

Ausschlaggebend für den Wunsch eine Berufsmaturität zu erlangen, ist in erster Linie die Vorbildung. Wer aktuell in einer gymnasialen Vorstufe zur Schule geht, strebt zu 51% eine Berufsmaturität an, während auf Realstufe lediglich 18% eine Berufsmaturität erwägen. Zudem spielt die Sprachregion eine zentrale Rolle, denn weitaus mehr Jugendliche aus der lateinischsprachigen Schweiz wollen die Berufsmaturität machen als in der Deutschschweiz (DCH: 23%, FCH: 33%, ICH: 42%).

32’265 Jugendliche (74%) haben bereits eine zugesicherte Lehrstelle (vertraglich oder mündlich). Dieser Wert bewegt sich wieder auf dem Niveau vor der Pandemie (2023: 74%, 2022: 67%, 2021: 62%, 2020: 64%, 2019: 72%).

Der Anteil variiert erneut stark zwischen den verschiedenen Lehrberufen, wie nachfolgende Grafik zeigt.

Bewerber:innen als Elektroninstallateur:in, als Polymechaniker:in, als Fachfrau:mann Gesundheit oder als Kaufmann:frau haben mehrheitlich bereits eine schriftliche Zusage. Das sind alles Lehrstellen, für die auch in den vergangenen Jahren bereits früh Zusagen erteilt wurden.

Überdurchschnittlich viele Jugendliche aber, die sich auf Lehrstellen als Dentalassistent:in, Coiffeur oder Coiffeuse, medizinische:r Praxisassistent:in, Mediamatiker:in, Informatiker:in, Fachfrau:mann Betreuung respektive als Zeichner:in beworben haben, warten noch auf Rückmeldungen zu ihren Bewerbungen.

Und etwas mehr als die Hälfte aller Jugendlichen die sich für eine Lehre als Elektroniker:in interessieren, hat sich noch gar nicht auf solche Stellen beworben.

Arbeitsplätze in der Nähe von zu Hause bleiben begehrt. Rund zwei Drittel wären nach der beruflichen Grundbildung gerne bei einem Unternehmen in ihrem Wohnort oder in ihrem Heimatkanton angestellt, und etwas mehr als die Hälfte könnte sich eine Anstellung bei einem regional tätigen KMU gut vorstellen. Knapp mehr als ein Drittel der Jugendlichen wäre gern im Ausland bei einem international tätigen Unternehmen angestellt und knapp weniger als ein Drittel bei einem exportorientierten KMU. Gerne wäre man aber auch sein eigener Chef: Die berufliche Selbstständigkeit ist für Jugendliche attraktiv (68% gerne oder eher gerne selbstständig). Aktuell belegt sie zusammen mit den Unternehmen im eigenen Wohnkanton den Spitzenrang gewünschter Arbeitgeber. Zu Beginn der Erhebungsreihe lag die berufliche Selbständigkeit noch auf Rang sieben.

Bei den Jugendlichen, welche eine schulisch organisierte berufliche Grundbildung (z.B. Handelsmittelschule) anstreben, hat sich knapp die Hälfte von ihnen noch nicht für ein entsprechendes Angebot angemeldet. Dieser Wert steigt 2023 erstmals in der Untersuchungsreihe nicht weiter an, sondern ist deutlich rückläufig (2023: 47%, 2022: 63%, 2021: 58%, 2020: 57%, 2019: 51%). Lediglich 25% von ihnen geben an, bereits in einer Schule aufgenommen worden zu sein (2022: 16%, 2021: 21%, 2020: 19%, 2019: 23%).

94% der Jugendlichen mit Interesse für eine berufliche Grundbildung konnten eine (22%) oder mehrere Schnupperlehren (72%) realisieren. Diese Werte entsprechen annähernd den Vorjahreswerten (2022: 20% eine, 72% mehrere 2021: 21% eine, 70% mehrere, 2020: 18% eine, 74% mehrere, 2019: 18% eine, 76% mehrere). Praktika sind insgesamt klar weniger verbreitet (11% eines, 16% mehrere). In der italienisch- und französischsprachigen Schweiz werden Praktika aber klar häufiger gemacht als in der Deutschschweiz (DCH: 6% eines, 8% mehrere, FCH: 29% eines, 44% mehrere, ICH: 30% eines, 53% mehrere).

Von jenen, die sich im April 2023 für eine berufliche Grundbildung interessieren, weiss exakt die Hälfte, was die höhere Berufsbildung ist. 56% geben an, Höhere Fachschulen oder eidgenössische Prüfungen zu kennen. Weitere Angebote aus dem Tertiärbereich sind unterschiedlich bekannt bei den Jugendlichen mit Interesse an einer beruflichen Grundbildung: Die Fachhochschulen sind am bekanntesten von allen Angeboten auf der Tertiärstufe (75%), gefolgt von den Universitäten, der ETH und der PH (57%). Höhere Fachschulen oder eidgenössische Prüfungen sind 56% ein Begriff.

Jugendliche mit Interesse an Maturitätsschulen

Unter jenen 36’392 Jugendlichen, die sich für eine Maturitäts- oder Fachmittelschule interessieren, haben 46% die Aufnahmeprüfungen bestanden oder erfüllen die Aufnahmebedingungen und haben deshalb einen zugesicherten Platz nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit. Das sind wieder mehr als im Vorjahr und damit ähnlich viele, wie vor der Pandemie (2022: 36%, 2021: 40%, 2020: 36%, 2019: 45%).

Zwei Ausrichtungen sind jeweils ähnlich beliebt, wenn es um die Auswahl des Schwerpunkts geht: Wirtschaft/Handel/Recht (18%) sowie Biologie und Chemie (19%).

 

Es folgen das neusprachliche Profil (15%) Physik und Anwendungen der Mathematik (14%) und bildnerisches Gestalten/Musik (10%). Über die Zeit betrachtet erweisen sich die Verteilungen auf diese fünf Schwerpunkte als relativ stabil.

Frauen sind signifikant stärker an sprachlichen Profilen, an Philosophie, Pädagogik oder Psychologie und an bildnerischem Gestalten/Musik interessiert. Männer wählen dagegen signifikant häufiger einen Schwerpunkt in den Bereichen Physik und Anwendungen der Mathematik oder Wirtschaft, Handel und Recht.

Jugendliche in Brückenangeboten oder Zwischenlösungen

Eine fehlende Lehrstelle ist der am häufigsten angegebene Grund für die Wahl eines Brückenangebots. Dieser Grund wird verglichen mit dem Vorjahr wieder etwas häufiger genannt (2023: 34%, 2022: 27%, 2021: 28%, 2020: 35%, 2019: 32%). Der zweithäufigste Grund ist, dass das Brückenangebot für eine anschliessende Ausbildung erforderlich ist (13%) oder man Sprachkenntnisse (12%) oder Noten verbessern möchte (8%). Diese Werte erweisen sich als stabil über die Zeit.

Bemerkenswert ist für das aktuelle und die beiden vergangenen Jahre der Anstieg des Interesses an Brückenangeboten verglichen mit den ersten beiden Jahren der Erhebungsreihe (2023: 14%, 2022: 13%, 2021: 14%, 2019: 8%, 2018: 11%). Das Interesse für ein Brückenangebot ist aber bei der Mehrheit der Jugendlichen noch wenig konkret. 54% der 14-16-Jährigen, die sich für ein Brückenangebot interessieren, haben sich noch nicht für ein solches angemeldet (2022: 59%, 2021: 60%, 2020: 65%, 2019: 53%). Stabil bleibt die Anzahl jener, die sich für Brückenangebote interessieren und bereits in einem Brückenangebot aufgenommen worden sind (2023: 24%, 2022: 23%, 2021: 23%, 2020: 17%, 2019: 17%).

 

Wer nach der obligatorischen Schulzeit eine Zwischenlösung anstrebt, tut dies aus unterschiedlichsten Gründen, was in der Sammelkategorie «Anderes» (22%) zum Ausdruck kommt. Häufig wird auch genannt, dass keine passende Lehrstelle gefunden wurde (12%) oder man sich einfach etwas Zeit für sich nehmen möchte (22%). Die Werte erweisen sich auch in dieser Frage als relativ stabil verglichen mit den Vorjahren.

Mehr als jede:r Zweite hat bereits eine feste Zusage für die Pläne im Zwischenjahr (2023: 56%, 2022: 47%, 2021: 49%, 2020: 52%, 2019: 51%).

Für die Zeit nach dem Zwischenjahr oder dem Brückenangebot planen die meisten Jugendlichen eine berufliche Grundbildung (47% jener mit Interesse an einem Zwischenjahr resp. 56% jener mit Interesse für ein Brückenangebot). Aber auch der allgemeinbildende Weg ist für annähernd jede:n Achte:n eine Option für die Zeit danach (19%). Nicht wenige sind aber noch unentschlossen, was die nähere Zukunft betrifft (24% resp. 19% weiss nicht)

Lehrstellenangebot der Unternehmen

Lehrstellenangebot

Von den insgesamt 76’881 angebotenen Lehrstellen entfällt auch 2023 der Grossteil auf das Gesundheits- und Sozialwesen, die Handelsbranche und das Baugewerbe. Branchen mit weniger als 1’000 Lehrstellen werden unter der Kategorie ‚Andere Branchen‘ summiert.

5’521 der angebotenen Lehrstellen sind EBA-Lehren (7%), 65’886 sind EFZ-Lehren (86%). Die übrigen 7% der Lehrstellen lassen sich aufgrund der Angaben nicht eindeutig zuordnen.

Von den 2023 angebotenen Lehrstellen entfallen 79% auf die Deutschschweiz, 18% auf die französischsprachige und 3% auf die italienischsprachige Schweiz.

 

Insgesamt bewegt sich das Lehrstellenangebot der Unternehmen auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr, jedoch unter jenem von 2020 und 2021 (2023: 76’881, 2022: 76’749, 2021 87’786, 2020 87’496, 2019: 81’340).

Diese Bewegungen dürften weniger einen handfesten Trend darstellen als vielmehr einer Überschätzung des Angebotes in den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 geschuldet sein.

Entsprechend wird bei der Interpretation von Trends auf Branchenebene, wie sie untenstehend abgebildet sind, Zurückhaltung geübt.

Knapp die Hälfte der Unternehmen, die Lehrstellen anbieten, bietet 2023 gleichzeitig die Möglichkeit an, während der Lehre eine Berufsmaturität zu absolvieren. Das sind weniger als in den letzten drei Jahren (2023: 48%, 2022: 56%, 2021: 55%, 2020: 57%, 2018/2019: 44%).

Besonders häufig bieten erneut Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten diese Möglichkeit an (2-9 Beschäftigte: 42%, 10-100 Beschäftigte: 61%, 100+ Beschäftigte: 79%) und solche, die im zweiten oder dritten Sektor tätig sind (1. Sektor: 33%, 2. Sektor: 51%, 3. Sektor: 50%).

Um Interessierte über freie Lehrstellen zu informieren, nutzen Unternehmen häufig die eigene Firmen- oder Verbandswebseite (42%) oder persönliche Kontakte (39%).

Weiter spielt der kantonale Lehrstellennachweis eine wichtige Rolle bei der Ausschreibung freier Lehrstellen (45%).

19% der Unternehmen pflegen direkte Kontakte zu Schulen. Je 17% nutzen zudem soziale Netzwerke im Internet oder das Berufsbildungsportal yousty.ch.

Anlässe für Lehrstellensuchende werden nur von 14% der Unternehmen für die Information über freie Lehrstellen genutzt, Publikumsmessen oder Kongresse nur von 3%. Am ehesten präsentieren sich grosse Unternehmen an solchen Anlässen (2-9 Beschäftigte: 10%, 10-99: 21%, 100+: 41%).

Inserate spielen für 11% eine Rolle bei der Ausschreibung freier Lehrstellen, Plakate lediglich für 2%.

Vergebene Lehrstellen

63% der angebotenen Lehrstellen konnten im März/April 2023 bereits besetzt werden. Dieser Wert hält sich seit drei Jahren stabil, lag davor jedoch leicht höher (2022: 64%, 2021: 63%, 2020: 66%, 2019: 67%; 2018: 70%).

Der Anteil im Frühjahr 2023 vergebener Lehrstellen variiert beträchtlich in den verschiedenen Branchen. Viele Lehrstellen sind in den Bereichen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Land- und Forstwirtschaft sowie in der Sammelkategorie andere Branchen vergeben.

Vergleichsweise viele offene Lehrstellen finden sich dagegen im März/April 2023 im Gastgewerbe und im Baugewerbe.

Die frühe Lehrstellenvergabe in der Finanz- und Versicherungsbranche aber auch die eher späte Vergabe im Bau- respektive Gastgewerbe erweisen sich als stabile Muster.

 

Im Gastgewerbe zeichnete sich in den Pandemie-Jahren eine verspätete Lehrstellenvergabe ab. 2023 entspricht der Stand der Lehrstellenvergabe erstmals wieder dem Niveau vor der Pandemie.

Überhaupt hinterliess die Pandemie in den meisten Branchen Spuren: Während der Pandemiejahre 2020 und 2021 war der Stand der Lehrstellenvergabe im Frühjahr tiefer als vor der Pandemie. Nun steigen die Werte in den allermeisten Branchen aber wieder an oder sie taten dies bereits im Vorjahr. Ausnahmen hiervon finden sich in den Bereichen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Information und Kommunikation, öffentliche Verwaltung, Handel und bei freiberuflichen Dienstleistungen, wo die Lehrstellenvergabe auch in den Pandemiejahren stabil blieb.

Noch keine Entspannung der Situation ist in der Baubranche festzustellen. Hier ist die Anzahl vergebener Lehrstellen 2023 so tief wie nie zuvor in der Untersuchungsreihe.

Durchschnittlich erhielten Unternehmen 2023 bisher sieben Bewerbungen auf eine Lehrstelle.

Über die Zeit betrachtet sind das vergleichsweise eher wenig (2023: 7, 2022: 9, 2021: 10, 2020: 10, 2019: 8).

Veränderung Lehrstellenangebot

Der Grossteil der befragten Unternehmen gibt an, das Lehrstellenangebot gegenüber dem Vorjahr konstant gehalten zu haben (74%). Die Verhältnisse entsprechen den Werten aus den Vorjahren (2022: 78%, 2021: 74%, 2020: 71%, 2019: 71%, 2018: 63%). 11% bieten, verglichen mit dem Vorjahr, mehr Lehrstellen an. 8% bieten weniger an.

Die Situation in den verschiedenen Branchen wird nachfolgend dargestellt, und präsentiert sich weitestgehend homogen. Bemerkenswert sind aber der Bereich ‚Erziehung und Unterricht‘ und die Sammelkategorie ‚andere Branchen‘, bei welchen 2023 mehr als jedes fünfte Unternehmen angibt, mehr Lehrstellen als im Vorjahr anzubieten.

 

Auf der anderen Seite hält mehr als jedes fünfte Unternehmen aus der Informations- und Kommunikationsbranche und aus der Finanz- und Versicherungsbranche fest, 2023 weniger Lehrstellen als im Vorjahr anzubieten.

Wie bereits in den Vorjahren sind es auch 2023 vor allem die grössten Unternehmen, die das Lehrstellenangebot erhöhen (2023: 30% 2022: 23%, 2021: 20%, 2020: 26%, 2019: 28% ‚mehr Lehrstellen‘ bei Unternehmen mit 100 oder mehr Angestellten).

Sowohl unter den Gründen für mehr Lehrstellen als auch unter jenen für weniger wird häufig angegeben, dass das Angebot an Lehrstellen einfach von Jahr zu Jahr variiert – ohne speziellen Anlass.

Wie bereits in den Vorjahren nennen die Unternehmen die Sorge um den Berufsnachwuchs am häufigsten als spezifischen Grund für einen Ausbau des Lehrstellenangebotes. Diese Sorge wird 2023 wieder häufiger geäussert als noch im Vorjahr und erreicht damit einen neuen Höchstwert (2023: 43%, 2022: 39%, 2021: 41%, 2020: 39%, 2019: 34%). Weiter wird zunehmend die starke Nachfrage nach Lehrstellen (2023: 19%, 2022: 11%, 2021: 16%, 2020: 14%, 2019: 17%) als Grund für einen Ausbau des Lehrstellenangebots genannt. 8% der Unternehmen geben an, mehr Lehrstellen anzubieten als Ausgleich zur steigenden Anzahl von Pensionierungen. 10% bauen das Lehrstellenangebot wegen der steigenden Teilzeitarbeit aus.

Unter den Gründen für weniger Lehrstellen werden häufig Umstrukturierungen im Unternehmen genannt (2023: 20%, 2022: 15%, 2021: 22%, 2020: 22%, 2019: 24%), gefolgt vom Problem, dass Unternehmen keine qualifizierten Schulabgänger:innen finden  (2023: 20%, 2022: 20%, 2021: 15%, 2020: 14%, 2019: 25%). Dieser Grund wird häufiger von den Unternehmen angegeben als in den Vorjahren. Zudem ist die Wirtschaftslage für einen kurzfristig angestiegenen Teil der Unternehmen ausschlaggebend (2023: 17%, 2022: 14%, 2021: 25%, 2020: 16%, 2019: 13%).

Das Fehlen von Berufsbildner:innen und eine schwache Nachfrage nach Lehrstellen sind weitere Gründe, die 2023 häufiger genannt werden als zuvor, wenn es darum geht zu erklären, was die Gründe für weniger Lehrstellen als im Vorjahr sind.

Technische Eckdaten

Wichtiger Hinweis:

Bei den ausgewiesenen Werten handelt es sich um hochgerechnete Werte. Die Stichprobenergebnisse wurden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet.

Die Hochrechnung der Jugendlichen basiert auf den Jugendlichen, die gemäss Statistik der Lernenden (Bundesamt für Statistik) im Vorjahr die 8. Klasse besucht haben.

Die Hochrechnung der Unternehmen basiert auf den Angaben der Eintritte in die berufliche Grundbildung des Vorjahres (BFS). Detailangaben zu den Hochrechnungen finden sich im ausführlichen Forschungsbericht zum Projekt.

Jugendliche:

  • Zielgruppe: 14-17-jährige Einwohner:innen (Ab 2023 im Tessin 14-16-Jährige, Rest der Schweiz 15-17-Jährige. Zuvor ganze Schweiz 14-16-Jährige.)
  • Adressbasis: Stichprobenrahmen des Bundesamtes für Statistik
  • Befragungsmethode: schriftliche Befragung (online)
  • Befragungszeitraum: 24.02. – 17.04.2023
  • Total Stichprobe: N = 10’983
  • Total Teilnehmende: N = 7’337 (vor Nahtstelle: N = 2’976)
  • Fehlerbereich: ± 1.1 (± 1.8) Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
  • Ausschöpfung: 67%
  • Gewichtung: Stufe 1: Anzahl Jugendliche nach Kanton; Stufe 2: Alter/Geschlecht verknüpft pro Kanton

Unternehmen:

  • Zielgruppe: Unternehmen mit mindestens zwei Mitarbeitenden
  • Adressbasis: Unternehmensregister des Bundesamtes für Statistik
  • Befragungsmethode: schriftliche Befragung (Online/Papier)
  • Befragungszeitraum: 27.02. – 24.04.2023
  • Total Stichprobe: N = 7’696 (davon 3’364 ausbildende Unternehmen)
  • Total Teilnehmende: N = 5’219 (davon  3’317 ausbildende Unternehmen)
  • Fehlerbereich: ± 1.4 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
  • Ausschöpfung: 68%
  • Gewichtung: Sprachregion, Betriebsgrösse, NOGA-Verteilung

Projektteam gfs.bern

Lukas Golder: Politik- und Medienwissenschaftler, Co-Leiter gfs.bern

Martina Mousson: Politikwissenschaftlerin, Projektleiterin

Annick Doriot: Politikwissenschaftlerin, Junior Projektleiterin

Thomas Burgunder: Mathematiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter

Alessandro Pagani: Politikwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter

Roland Rey: Projektmitarbeiter / Administration

 

Externe Beratung

Prof. Dr. Stefan C. Wolter, Professor für Bildungsökonomie, Universität Bern