2. SRG-Trendumfrage zur Abstimmung vom 15. Mai 2022

Vor der Schlussmobilisierung:

Filmgesetz - knappe Mehrheit dafür bei Polarisierung zum Nein
Transplantationsgesetz - stabile Mehrheit dafür
Finanzierung Frontex - wachsende Mehrheit dafür

Studie im Auftrag der SRG SSR

Wäre bereits am 24. April 2022 abgestimmt worden, wären das Filmgesetz, das Transplantationsgesetz und die Finanzierung der Frontex angenommen worden. Die Stimmbeteiligung hätte bei unterdurchschnittlichen 44 Prozent gelegen.



Dynamisch betrachtet erfuhr das Filmgesetz im Verlauf der Hauptkampagnenphase eine Polarisierung Richtung Nein, während sich die Stimmabsichten zum Transplantationsgesetz stabil verhalten und der Ja-Anteil bei der Finanzierung der Frontex wächst. Der Meinungsverlauf zum Filmgesetz entspricht einem Ausnahmefall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage, jener der anderen beiden Vorlagen entspricht dem Normalfall.

Alle Angaben gelten bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Unsicherheitsbereich von ±2.8 Prozentpunkten. Der Abstimmungskampf und die Meinungsbildung setzen erst ein und können bei Volksabstimmungen nachweislich das Ja/Nein-Verhältnis beeinflussen. Hinzu kommen Effekte aus der noch unbekannten Mobilisierung durch die Kampagnen.

Wie üblich handelt es sich auch bei der zweiten Befragung nur um eine Momentaufnahme und keine Prognose zum Abstimmungsausgang. Die Ergebnisse können im Wellenvergleich allerdings auch als Trends interpretiert werden.

Die Befunde der Umfrage werden anhand des Dispositionsansatzes von gfs.bern theoretisch verortet.

Hier finden sich Hintergrundinformationen zu den Vorlagen der Mai-Abstimmung und hier zur Methode der SRG-Trendumfragen.

Ausserdem können Sie hier die Präsentation der Resultate herunterladen und hier den aktuellen Abstimmungsmonitor des fög zur Mediensituation.

Änderung des Filmgesetzes

Ja-Mehrheit bei steigenden Nein-Anteilen

Leicht gesunkene 56 Prozent der teilnahmewilligen Stimmberechtigten hätten am 24. April für das Filmgesetz gestimmt (-3 Prozentpunkte, in der Folge ppt). 41 Prozent dagegen (+9 ppt). Das Nein-Lager konnte somit über den Hauptkampagnenverlauf Boden gutmachen, das Ja-Lager weiss aber noch immer eine Mehrheit hinter sich. Der Vorsprung der Befürworterschaft hat sich auf 15 Prozentpunkte verringert (-12 ppt).

Die Erwartungshaltungen der teilnahmewilligen Stimmberechtigten verweisen nach wie vor auf einen knappen Entscheid für den 15. Mai 2022. Im Mittel wird der Ja-Anteil zum Filmgesetz auf 50.5 Prozent geschätzt.

Mittlerer bis fortgeschrittener Stand der Meinungsbildung

Das Meinungsbild hat sich innert Monatsfrist verfestigt: 67 Prozent der bisher Mobilisierten äussern bestimmte Stimmabsichten (+23 ppt). Nur noch 3 Prozent zeigen sich unentschlossen (-6 ppt).

Deutlich angestiegen ist auch die argumentative Abstützung der Stimmentscheide. Weil aber das argumentative Meinungsbild insgesamt gespalten ist, existiert nach wie vor Kampagnenspielraum bei Personen mit wenig gefestigter Meinung und Unentschlossenen.

Konfliktmuster: Politische Aufladung und sprachregionale Prägung

 

Die vor einem Monat festgehaltene breite Zustimmung zum Filmgesetz ist ins Wanken geraten. Zwar bleiben Ja-Mehrheiten in 26 von 31 hier untersuchten gesellschaftlichen Untergruppen erhalten, die Nein-Anteile sind aber in fast allen Untergruppen angestiegen.

Dabei hat sich die Links-Rechts-Polarisierung verschärft. SVP-nahe und regierungsmisstrauische Kreise lehnen die Vorlage noch deutlicher ab als vor einem Monat. Neu äussern sich zudem FDP-nahe Teilnahmewillige mehrheitlich gegen das Filmgesetz. Die FDP stimmte im Nationalrat noch klar für das Gesetz, beschloss dann aber die Nein-Parole. Nun erfolgte in diesem Umfeld eine erwartbare Angleichung der Parteibasis an

 

 

die Parole der Parteispitze, womit nun sämtliche Parteiwählerschaften mehrheitlich auf Seiten ihrer jeweiligen Mutterpartei stehen. Im Umfeld der GLP und der Mitte hält die Zustimmung trotz teilweise abweichender Parteisektionen. Parteiungebundene dagegen wurden von einem handfesten Nein-Trend erfasst, der vorerst in einer Pattsituation resultiert. Bestehen bleibt die deutliche Unterstützung aus den Reihen der Grünen und der SP.

Bemerkenswert ist zudem die starke regionale Prägung der Stimmabsichten. Nur noch eine hauchdünne Ja-Mehrheit findet sich in der Deutschschweiz, während das «Oui» und das «Si» aus der französisch- respektive italienischsprachigen Schweiz deutlich ausfällt.

Trotz gestiegenen Nein-Anteilen bleiben ausserdem weibliche, über 40-jährige und höher gebildete Teilnahmewillige deutlicher für die Änderungen am Filmgesetz.

Argumente: Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit vs. Kultur-und Programmvielfalt

Inhaltlich bleibt das Bild ambivalent. Indexiert stehen 48 Prozent der Teilnahmewilligen der Befürworterschaft argumentativ näher und 47 Prozent der Gegnerschaft. Das zeigt, wie eng das Rennen noch werden könnte, denn im Umfeld aller Parteiwählerschaften liegt die argumentative Unterstützung unter der faktischen (geäusserter Stimmentscheid). Vom linken Pol her bis zur Mitte äussern sich Teilnahmewillige auch argumentativ mehrheitlich für das Filmgesetz. FDP- und SVP-nahe Stimmberechtigte sowie Parteiungebundene sind argumentativ im Nein.

Beide Lager haben Mühe mit ihren Argumenten solide Mehrheiten zu finden. Das ist zusammen mit der nur durchschnittlichen Mobilisierung ein Hinweis, dass die Debatte trotz allem nicht intensiv geführt wird. Allerdings ist das Pro-Lager über den Verlauf der Hauptkampagnenphase eher etwas unter Druck geraten, während ein Argument des Contra-Lagers Boden gutmachen konnte.

Leicht gesunkene 50 Prozent gehen einig mit dem Pro-Lager, dass sich für Konsument:innen nichts ändern werde, denn die

Schweiz führe lediglich ein, was in der EU längst gelte. Lediglich eine relative Mehrheit von 48 Prozent der Teilnahmewilligen ist einverstanden, dass nur eine Quote für Filmstoff nahe an unserer Kultur und unserem Land sorge und eine grössere Programmvielfalt garantiere. Dies ist ausserdem – basierend auf der Wirkungsanalyse auf die Stimmabsichten – das wirksamste Argument für ein Ja. Das dritte Pro-Argument, wird von einer Mehrheit verworfen. 51 Prozent sind nicht einverstanden, dass der Schweizer Produktionsstandort ohne das Gesetz geschwächt werde, weil Arbeitsplätze und Aufträge verloren gingen.

Stabile 51 Prozent pflichten dem Contra-Lager bei, dass letztlich die Konsument:innen bestraft werden, weil die Abogebühren steigen könnten. Gespalten bleiben die Ansichten darüber, ob es ungerecht sei, das Filmangebot an eine bestimmte Herkunft zu knüpfen. 46 Prozent sind einverstanden, 46 Prozent nicht. Bemerkenswert ist die angestiegene Zustimmung zum dritten Contra-Argument mit Verweis auf einen unnötigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, wenn private Unternehmen zur Unterstützung einer bestimmten Branche gezwungen werden. Zwar wird dieses Argument relativmehrheitlich verworfen (49% eher/überhaupt nicht einverstanden), es erklärt jedoch ablehnende Stimmentscheide am stärksten.

 

Trend in der Meinungsbildung

 

Typologisch handelt es sich beim Filmgesetz um eine positiv prädisponierte Behördenvorlage. Das zeigt sich an den Schlussabstimmungen in den Räten und dem Parolenspiegel und findet Bestätigung in den Stimmabsichten. Allerdings ist die ursprüngliche Zustimmung mit Intensivierung der Kampagnenaktivitäten unter Druck geraten und argumentativ zeigt sich deutlich, dass die Meinungen zu diesem eher neuen Thema ambivalent sind.

Die hier festgehaltene Polarisierung Richtung Nein verweist im Verbindung mit dem leicht sinkenden Ja-Anteil auf einen

 

Ausnahmefall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage. Im Normalfall entwickeln sich die Stimmabsichten in Richtung der Behördenposition. Dieser Trend der Meinungsbildung in Verbindung mit der nach wie vor gegebenen, allerdings knappen Zustimmungsmehrheit und der argumentativen Ambivalenz macht eine Einschätzung des Abstimmungsausgangs schwierig. Die hier gemessenen Indikatoren sprechen für ein knappes Ja, der Trend allerdings spricht, wenn er sich ungebrochen fortsetzt, für ein Nein. Die aktuellen Mobilisierungstendenzen stärken eher die Regierungsseite und schwächen etwas die Chancen des Referendums. Insgesamt muss der Abstimmungsausgang offengelassen werden, wobei die Chancen auf ein Ja eher grösser sind als auf ein Nein.

 

Änderung des Transplantationsgesetzes

Stimmabsichten stabil im Ja

Der Vorsprung der Ja-Seite hat sich über den Kampagnenverlauf kaum verringert (24%, -5 ppt). Stabile 61 Prozent der Teilnahmewilligen hätten am 24. April 2022 für die Änderung des Transplantationsgesetzes gestimmt. Ebenfalls stabile 37 Prozent dagegen. 2 Prozent bleiben unentschieden.

Die Erwartung einer Mehrheit der Teilnahmewilligen ist, dass das Transplantationsgesetz an der Urne angenommen wird. Gestiegene 68 Prozent schätzen, dass ein Ja resultieren wird. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 53.2 Prozent geschätzt. Der Eindruck einer Annahme hat sich innert Monatsfrist verfestigt (+3.2 ppt).

Fortgeschrittener Stand der Meinungsbildung

Gestiegene 79 Prozent äussern feste Stimmabsichten (+11 ppt), nur 2 Prozent zeigen sich noch unentschlossen. Auch die argumentative Abstützung der Stimmentscheide hat sich verfestigt. Das spricht für einen fortgeschrittenen Stand der Meinungsbildung.

Gewisser Spielraum für Veränderungen ist nach wie vor vorhanden, allerdings waren die Meinungen bereits vor einem Monat gefestigt.

Konfliktmuster: SVP-Affine und Regierungsmisstrauische vs. Rest

Die parteipolitische Polarisierung bleibt erheblich, wobei die verschiedenen Parteiwählerschaften mehrheitlich auf Seiten der Position ihrer Mutterpartei stehen. Vom linken politischen Pol bis hin zur FDP ist die Zustimmung zum Transplantationsgesetz auf hohem Niveau stabil. Bereits die bestimmte Zustimmung liegt bei diesen Parteiwählerschaften über der 50-Prozent-Marke. Auch Parteiungebundene bleiben trotz leichtem Nein-Trend mehrheitlich im Ja. Anders SVP-affine Teilnahmewillige: Sie äussern sich noch deutlicher als vor einem Monat gegen das Transplantationsgesetz.

 

Neben der SVP-Anhängerschaft lehnen einzig regierungsmisstrauische Teilnahmewillige das Transplantationsgesetz mehrheitlich ab. Die Zustimmung zum Transplantationsgesetz erweist sich somit als breit, auch wenn die Nein-Anteile in den meisten gesellschaftlichen Untergruppen leicht angestiegen sind.

Kritischer als der Durchschnitt oder ihre jeweiligen Gegengruppen zeigen sich aber ältere Teilnahmewillige, tiefer Gebildete, Teilnahmewillige aus Haushalten mit mittleren Einkommen und solche aus der deutschsprachigen Schweiz. Aber auch in diesen Gruppen ist die Zustimmung zum Transplantationsgesetz mehrheitlich gegeben. Einzige Ausnahme hiervon sind Stimmberechtigte mit tiefer Bildung: hier liegen die Stimmabsichten im Patt, der Trend verläuft aber in Richtung Ja.

 

Argumente: Entnahme ohne explizite Zustimmung problematisch vs. Entlastung Angehöriger

Veränderungen finden sich beim Transplantationsgesetz eher auf Ebene der argumentativen Haltungen als auf Ebene der Stimmabsichten. Einerseits haben die Argumente beider Lager etwas an Unterstützung eingebüsst. Andererseits ist das wirksamste Argument für einen Stimmentscheid neu dem Contra- und nicht mehr dem Pro-Lager zuzuordnen. Es bleibt allerdings dabei, dass die Argumente der Befürworterschaft mehr Zustimmung erfahren als jene der Gegnerschaft. Indexiert man die Haltungen zu den Argumenten stehen 57 Prozent (-2 ppt) den Befürworter:innen näher und 40 Prozent (+ 3ppt) den Gegner:innen. Diese Werte bewegen sich nahe an den festgehaltenen Stimmabsichten.

Hohe 80 Prozent stimmen zu, dass es in der Schweiz zu wenig Organspenden gebe und es wichtig sei, dass dieses Problem angegangen werde (-4 ppt). 67 Prozent unterstützen die

staatliche Förderung von Organspenden, weil diese Leben retten würden (-3 ppt). 61 Prozent sehen in der neuen Lösung eine Entlastung naher Angehöriger, weil diese im Todesfall nicht stellvertretend im Sinne der verstorbenen Person entscheiden müssten. Dieses letzte Pro-Argument hat über den Kampagnenverlauf allerdings deutlich an Unterstützung eingebüsst (-9 ppt).

Wenn die Gegnerschaft argumentiert, dass Organspenden eine persönliche Entscheidung seien und der Staat sich nicht einzumischen habe, unterstützen dies stabile 54 Prozent der Teilnahmewilligen. An Unterstützung verloren hat dagegen die Aussage, dass jede:r auch das Recht habe, sich nicht zu entscheiden und man das nicht zu einem Ja umdeuten könne (53%, 6ppt). Einer Person Organe zu entnehmen, ohne dass diese vorher explizit zugestimmt habe, erachten 52 Prozent als problematisch (-3 ppt).

Dieses letzte Contra-Argument wirkt am stärksten auf ein Nein. Ein Ja wird am stärksten von der Ansicht, die neue Regelung entlaste Angehörige, getragen.

 

Trend in der Meinungsbildung

Beim Transplantationsgesetz handelt es sich um eine positiv prädisponierte Behördenvorlage. Hinweise dafür liefern neben dem Parolenspiegel, die Schlussabstimmungen in den Räten und auch die in der Umfrage geäusserten Stimmabsichten und argumentativen Haltungen. Eine klare Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten befürwortet den vorgesehene Paradigmenwechsel in der Organspende.

 

Zwar wirft die Abwendung vom Zustimmungsprinzip in der Organspende ethische Fragen auf, sie stimmen aber nicht breite Kreise um. Die weiterreichende Auseinandersetzung mit dem Thema hat die ursprünglich sehr hohe Unterstützung etwas gedämpft, die Grundstimmung bleibt aber insgesamt befürwortend.

Aufgrund des Vorsprungs der Ja-Seite, des Konfliktmusters, der argumentativen Haltungen und der Trends ist die Annahme des Transplantationsgesetzes am 15. Mai 2022 aktuell das plausibelste Szenario.

 

Finanzierung Frontex

Vorteile für die Ja-Seite

Gestiegene 69 Prozent der Teilnahmewilligen hätten im April 2022 für die Finanzierung Frontex gestimmt, 25 Prozent hätten dagegen gestimmt. 6 Prozent waren noch unentschieden.

Die Stimmberechtigten erwarten dabei eindeutig eine Annahme der Vorlage. 78 Prozent der Teilnahmewilligen gehen von einer Annahme am 15. Mai 2022 aus. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 55 Prozent geschätzt.

Stand der Meinungsbildung fortgeschritten

Zurzeit haben 60 Prozent der Stimmbürger:innen eine feste Meinung zur Vorlage, die argumentative Abstützung der Stimmabsichten ist vergleichsweise klar.

Damit ist die Meinungsbildung fortgeschritten und der Spielraum für Veränderungen kleiner als üblich.

Konfliktmuster: Breite Unterstützung in den politischen Lagern mit mehr Kritik an den Polen sowie bei Regierungsmisstrauischen

Die klare Position der SVP-Delegierten zur Frontex-Finanzierung wirkte sich wohl deutlich auf die Resultate der zweiten Befragung aus. Waren SVP-nahe Teilnahmewillige anfänglich gespalten, so sind sie nun im Verhältnis 2:1 für die Vorlage. In ähnlichem Mass ist die Skepsis bei den Regierungsmisstrauischen gesunken. Neu sind 60 Prozent der Regierungsmisstrauischen für die Vorlage (+16 ppt), womit die Mehrheitsverhältnisse bei der einzigen Gruppe gedreht haben, die zu Beginn der Meinungsbildung noch zum Nein tendierte. Politisch ist die Situation auch polarisierter, weil sich nun bei den Anhänger:innen von SP und Grünen minimal mehr Opposition ausdrückt, während sich im Milieu von GLP, der Mitte und der FDP das Ja recht klar verstärkte. Bei

Grünen und SP bestätigt sich die Gespaltenheit, womit noch nicht klar ist, wie stark die Nein-Parolen am Schluss noch wirken können. Bisher ist die Unterstützung bei linken Wähler:innen deutlicher als bei den Delegierten.

In der französischsprachigen Schweiz ist die Kritik ebenfalls schwächer geworden. Neu sprechen sich zwei Drittel für die Stärkung der EU-Grenzschutzagentur aus. Somit ist die italienischsprachige Schweiz zurzeit am kritischsten. Die Unterschiede regional bleiben jedoch beschränkt, denn auch in allen Siedlungsräumen sprechen sich mindestens zwei Drittel für die Vorlage aus.

Reduziert hat sich auch die Altersabhängigkeit: Jüngere sind nun deutlich stärker für die Vorlage (+10 ppt) und würden zurzeit mit 54 Prozent mehrheitlich dafür stimmen. Sie bleiben aber weiterhin markant kritischer als Ältere und zusammen mit den Anhänger:innen der Linken sind sie am kritischsten.

Argumente: Handlungsbedarf und Schutz der Schengen-Aussengrenzen stärken Ja-Seite

Die inhaltliche Debatte entwickelt sich weiter zugunsten der Ja-Seite. Die Kritik von links und von rechts verliert an Boden. Allerdings sind auch die Pro-Argumente nicht restlos überzeugend. Vor allem wird das Ja zur Finanzierung wenig als Teil zur Vertrauensbildung mit der EU betrachtet. Gegen zwei Drittel sind jedoch der Ansicht, dass die Frontex zur Aufgabenerfüllung mehr Ressourcen braucht und dass sie auch die Schweiz vor Kriminalität und illegaler Migration schützt. Dieses Argument hat über den Kampagnenverlauf als einziges Pro-Argument an Unterstützung gewonnen.

 

Handlungsbedarf und Funktionalität sind dann auch die wichtigsten Treiber für das Ja: Die Befragten sehen mehrheitlich die Probleme der Frontex, und sie sehen auch den Nutzen der Grenzschutzagentur. Die Nein-Argumentation überzeugt nicht nur zu wenig breite Kreise, sondern die grundsätzliche Kritik an der Funktionsweise der Frontex in Kombination mit ihrer umstrittenen Rolle im Umgang mit Flüchtlingen prägen die Debatte.

Argumentativ liegt die Befürworterschaft vorne, denn 68 Prozent (+5 ppt) der Teilnahmewilligen stehen den Pro-Argumenten näher und die wirksamsten Argumente zur Erklärung eines Stimmentscheides stammen ebenfalls aus dem Pro-Lager.

Trend in der Meinungsbildung

Für die noch deutlichere Ausgangslage in der zweiten Umfrage ist namentlich die Parole der SVP entscheidend. Damit hat sie nicht nur die eigene Anhängerschaft, sondern wohl auch Regierungsmisstrauische stärker auf die Ja-Seite gebracht. Links dagegen wirken die Nein-Parolen nicht entsprechend: Mit den hohen Sympathien für die Zusatzfinanzierung bleibt ein gewisser Elite-Basis-Konflikt im linken Lager bestehen. Ein Zangengriff von links und rechts gegen die Frontex-Finanzierung ist damit praktisch ausgeschlossen.

Ausserdem scheint sich inhaltlich gerade in der französischsprachigen Schweiz die Debatte zugunsten der Vorlage entwickelt zu haben. Zusätzlich mit den neuen Mehrheitsverhältnissen bei den bisher mobilisierten Jüngeren ist keine einzige Gruppe mehr kritisch.

Damit ist der Normalfall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage eingetreten, weil sich die Stimmbürger:innen über den Kampagnenverlauf an die Empfehlungen von Bundesrat und Parlament angenähert haben. Alles andere als eine deutliche Annahme der Frontex-Vorlage wäre damit sehr überraschend.

Vorläufige Teilnahmeabsichten

Stabil leicht unterdurchschnittliche Teilnahmeabsicht für die Abstimmung vom 15. Mai 2022

Die bisher gemessene Beteiligungsbereitschaft für den 15. Mai 2022 lag am 24. April 2022 mit 44 Prozent unverändert etwas unter dem langjährigen Durchschnitt (46 Prozent zwischen 2011 und 2020). Die Kampagnen haben kaum neue Kreise bewegt, eher im

Gegenteil: Vor allem Gruppen, die generell an Abstimmungen verstärkt teilnehmen, wurden zusätzlich mobilisiert. Die Ausnahme bilden vor allem die Jungen, die etwas stärker von der Kampagne mobilisiert wurden: Ein Viertel wollte im März teilnehmen, nun ist es ein Drittel, womit sie allerdings weiterhin weniger stark teilnehmen wollen als die Älteren. Auffallend ist die leichte Demobilisierung der Regierungsmisstrauischen. Das stärkt insgesamt die Chancen für Erfolge des Bundesrats.

 

Profil der Beteiligungswilligen

Bereits bei den Abstimmungen vom 13. Februar 2022 mit geringer Mobilisierung zeigte sich ein eher typisches Profil der Stimmenden: Üblicherweise nehmen Ältere, besser Gebildete, politisch an ein Lager gebundene und Regierungsvertrauende mit höherer Wahrscheinlichkeit teil. Das

hat sich aktuell tendenziell bereits bei der ersten Umfrage gezeigt, und seither nochmals verstärkt. Etwas mehr mobilisiert wurden höhere Bildungs- und Einkommensschichten und Männer. Demobilisiert dagegen eher tiefere Bildungsschichten, Frauen und Regierungsmisstrauische. Nicht zusätzlich mobilisiert wurde die Linke, womit das Profil der Stimmenden eher etwas weiter rechts zu verorten ist als üblich.

 

Zitierweise

Zweite Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 15. Mai 2022 vom Forschungsinstitut gfs.bern. Realisiert zwischen dem 20. und dem 27. April 2022 bei 6’315 Stimmberechtigten. Der statistische Fehlerbereich beträgt +/-2.8 Prozentpunkte.

Methode und Datengrundlage

Der telefonische Teil der vorliegenden Befragung wurde vom gfs-Befragungsdienst realisiert, die Auswertung und Analyse der Daten nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor.

Befragt wurde via eines RDD-Dualframe-Verfahrens per Festnetz und Handy. Seit dem Herbst 2018 wird im Rahmen des SRG-Trend-Mandats die telefonische Umfrage durch eine Online-Befragung ergänzt, mit dem Ziel die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen. Der Online-Teil wurde als Opt-in-Befragung (Mitmachbefragung) über die Webportale der SRG SSR Medien realisiert.

Um sprachregionale Aussagen machen zu können, haben wir die Sprachminderheiten in der CATI-Befragung überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um nationale Aussagen machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht.

Keine Aussagen können wir über das Ständemehr machen, denn die Fallzahl lässt gesicherte Rückschlüsse auf die Kantone nicht zu.

Weiterführende Informationen zur Theorie und der Methode der SRG-Trendumfragen finden sich hier.

Technischer Kurzbericht

Auftraggeber: CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit: Stimmberechtigte Schweizer:innen
Herkunft der Adressen CATI: Stichprobenplan Gabler/Häder für RDD/Dual-Frame; Verwendung Swiss-Interview-Liste,
Herkunft der Adressen Online: Opt-in-Befragung über die Webportale der SRG SSR
Datenerhebung: telefonisch, computergestützt (CATI) und Online
Art der Stichprobenziehung CATI: at random/Geburtstagsmethode im Haushalt geschichtet nach Sprachregionen
Art der Stichprobenziehung Online: offene Mitmachumfrage
Befragungszeitraum: 20. – 27. April 2022
mittlerer Befragungstag: 24. April 2022
Stichprobengrösse: minimal 1’200, effektiv 6’315 (Cati: 1’205, Online: 5’110), n DCH: 4’316, n FCH: 1’611, n ICH: 388
Stichprobenfehler: ± 2.8 Prozentpunkte bei einem Wert von 50% (und 95%iger Wahrscheinlichkeit)
Quotenmerkmale CATI: Geschlecht/Alter interlocked
Quotenmerkmale Online: keine
Gewichtung: Dual-Frame-Gewichtung, Sprache, Siedlungsart, Parteiaffinität, Recall, Teilnahme
mittlere Befragungsdauer CATI: 13.5 Minuten (Standardabweichung: 3.3 Minuten)
Publikation: 4. Mai 2022, 6h00