Zwei von fünf Personen in der Schweiz sind aktuell stark psychisch belastet

Viele Jüngere und Personen mit turbulentem Leben leiden derzeit unter sehr hoher psychischer Belastung

Trägerschaft «Wie geht’s dir?»

Im Auftrag der Trägerschaft von «Wie geht’s dir?» hat gfs.bern rund 4'000 Einwohner:innen der Schweiz nach ihrer psychischen Gesundheit befragt. Die Teilnehmenden wurden mittels eines Artikels auf Blick.ch befragt. Die Resultate sind repräsentativ für die Schweizer Wohnbevölkerung ab 16 Jahren.

Die Grundlage der Befragung ist ein kurzer Selbst-Check, den Teilnehmende in wenigen Minuten selber durchgeführt haben. Die Fragen lauten, wie oft hast du dich in den letzten vier Wochen bezüglich untenstehender Dimension gefühlt? Die Antwortmöglichkeiten lauten: immer, meistens, manchmal, selten und nie.

  1. nervös,
  2. niedergeschlagen oder verstimmt,
  3. ruhig, ausgeglichen oder gelassen,
  4. entmutigt und deprimiert, und
  5. glücklich

Dadurch lässt sich eine Punktzahl berechnen, die eine sehr hohe (0-20 Punkte), eine hohe (21-52 Punkte), eine mittlere (53-72 Punkte) und eine niedrige Belastung (73-100 Punkte) der psychischen Gesundheit angibt.

Je nach erreichter Punktzahl erhielten die Teilnehmenden Hinweise und Links, u.a. auf die Webseite der Trägerschaft «Wie geht’s dir?», entsprechend ihres Alters (unter 18 und über 18 Jahre alt) und ihrer psychischen Gesundheit.

Die psychische Gesundheit der Schweizer Bevölkerung

Ein Überblick zur Schweiz

Eine klare Mehrheit der Schweizer Wohnbevölkerung ab 16 Jahren zeigt eine niedrige oder mittlere psychische Belastung an (60%). Sie fühlen sich öfter ruhig oder glücklich und seltener deprimiert, verstimmt oder nervös. 28 Prozent geben eine niedrige Belastung an, 32 Prozent eine mittlere Belastung.

Auf der anderen Seite stehen rund 40 Prozent der Bevölkerung, die eine hohe oder sehr hohe Belastung aufweisen (40%). Sie sind seltener ruhig oder glücklich und öfter deprimiert, verstimmt oder nervös. In dieser Gruppe gaben 31 Prozent eine hohe Belastung und 9 Prozent eine sehr hohe psychische Belastung in den letzten vier Wochen an.

Psychische Belastung nach Untergruppen

Jüngere mit höherer Belastung

Jüngere geben häufiger eine höhere psychische Belastung an im Vergleich zu Älteren.

Das zeigt sich in den jeweiligen Belastungsgruppen: Während 64 Prozent der unter 18 Jährigen eine sehr oder hohe psychische Belastung aufweisen, sind das noch 48 Prozent der 18-39-Jährigen, 39 Prozent der 40-64-Jährigen und 27 Prozent der 65-Jährigen und Älteren.

 

Frauen stärker psychisch belastet als Männer

Frauen waren in den letzten vier Wochen ebenfalls stärker belastet als Männer.

Im Vergleich zu Männern, haben Frauen häufiger angegeben, dass sie eine hohe psychische Belastung haben (35% im Vergleich zu 26%). Jedoch haben Männer und Frauen ungefähr gleich oft angegeben, eine sehr hohe psychische Belastung zu haben (9% Männer vs. 8% Frauen).

 

Personen in der Agglo mit höchsten Werten

Die Wohnbevölkerung in Städten hat häufiger eine sehr hohe Belastung als Personen auf dem Land oder in der Agglo.

Personen in Städten gaben signifikant häufiger an, eine sehr hohe psychische Belastung zu haben (11%) als Personen auf dem Land (7%) oder in kleineren und mittleren Agglomerationen (7%). Jedoch haben Personen in kleineren oder mittleren Agglomerationen häufiger angegeben, eine hohe Belastung zu haben (34%), als Personen auf dem Land (28%) und in der Stadt (29%).

Turbulente Lebenssituation führt zu sehr hoher Belastung

Personen der Schweizer Wohnbevölkerung, die angeben, dass ihre aktuelle Lebenssituation turbulent ist, haben klar am häufigsten angegeben, dass sie eine sehr hohe psychische Belastung haben (25%). Ebenfalls haben sie am meisten angegeben eine hohe Belastung zu haben (50%).

Im Vergleich dazu haben Personen, deren Leben im Wandel ist, nur zu 8 Prozent eine sehr hohe und zu 41 Prozent eine hohe psychische Belastung.

Personen, deren Lebenssituation stabil ist, haben nur zu 4 Prozent eine sehr hohe und nur zu 20 Prozent eine hohe psychische Belastung.

 

Belastungsgruppen im Kurzbeschrieb

Personen mit einer sehr hohen Belastung

In der Gruppe der Personen mit einer sehr hohen Belastung finden sich Männer (52%) und Frauen (48%) fast gleich verteilt. Die meisten sind im Alter zwischen 18-64 Jahren (89%). Im Vergleich zu den anderen Belastungsgruppen finden sich am meisten Personen mit einer tiefen Bildung (9%), mit einer politisch „linken“ Ausrichtung (46%) oder mit einem Wohnort in der Stadt (44%). Ebenfalls geben klar am meisten Personen in dieser Gruppe an, dass ihr Leben aktuell turbulent verläuft (44%).

Personen mit einer hohen Belastung

Personen mit einer hohen Belastung sind tendenziell häufiger Frauen (58%) als Männer (42%). Das Gros von ihnen ist ebenfalls zwischen 18 und 64 Jahre alt (73%) und hat oftmals eine mittlere Bildung genossen (66%). Politisch betrachtet sind sie relativ gleich verteilt: Links macht 29 Prozent aus, mittig 35 Prozent und rechts 37 Prozent. Während in der Belastungsgruppe „sehr hoch“ fast die Hälfte ein turbulentes Leben führt, sind es bei der Gruppe „hoch“ nur 23 Prozent. Jedoch geben 39 Prozent an, dass sie ein Leben im Wandel führen. Nur 38 Prozent führen aktuell ein stabiles Leben.

Personen mit einer mittleren Belastung

Es befinden sich fast gleich viele Männer wie Frauen in der Gruppe der Personen mit einer mittleren Belastung (48% Männer zu 52% Frauen). Am meisten dieser Personen sind zwischen 40 und 64 Jahre alt (40%), 33 Prozent sind zwischen 18 und 39 Jahre alt und 26 Prozent sind 65 Jahre alt und älter. Die meisten haben eine mittlere Ausbildung genossen (52%) aber ebenfalls viele auch eine hohe Ausbildung (44%). Politisch sind sie auf der Links-Rechts-Skala fast gleichverteilt und auch das Verhältnis der Wohnsituation erstreckt sich über das gesamte Spektrum. Was auffällt ist, dass 60 Prozent angeben, dass ihr Leben stabil verläuft, 32 Prozent führen ein Leben im Wandel und nur 8 Prozent ein turbulentes Leben.

Personen mit einer tiefen Belastung

Die Personen in der Gruppe mit einer niedrigen psychischen Belastung ähneln der Gruppe mit einer mittleren Belastung stark, aber mit ein paar Ausnahmen: In der Gruppe mit einer niedrigen Belastung sind mehr Männer als Frauen vertreten (59% Männer, 41% Frauen). Tendenziell ist es die älteste Altersgruppe mit 45 Prozent Personen in der Altersklasse 40-64-Jährige und 27 Prozent, die 65 Jahre alt sind oder älter. In der Gruppe befinden sich am meisten Personen, die sich auf der Links-Rechts-Skala eher rechts einschätzen (43%), und am meisten Personen, die auf dem Land wohnen (29%). Ganz klar zeigt sich, dass am allermeisten Personen in dieser Gruppe aktuell ein stabiles Leben führen (82%). Nur 15 Prozent führen ein Leben im Wandel oder ein turbulentes Leben (3%).

Zentrale Faktoren einer höheren Belastung

Regression psychische Gesundheit

Um herauszufinden, welche Faktoren am stärksten auf eine hohe psychische Belastung wirken, haben wir eine multiple lineare Regression gerechnet.

Hierbei zeigt sich, dass der stärkste Faktor die aktuelle Lebenssituation ist. Ein turbulentes Leben führt also zu einer hohen psychischen Belastung.

Als zweitstärkster Faktor fungiert das Alter: Je jünger jemand ist, desto eher ist er oder sie psychisch stark belastet.

Andere Faktoren, die ebenfalls signifikant die psychische Belastung erklären, sind: Eine tiefe Schulbildung, politisch eher linke Selbsteinstufung, eine Frau zu sein und in der Stadt zu wohnen führen zu höherer psychischer Belastung.

Synthese

40 Prozent sind psychisch stark belastet

COVID-19, Krieg in der Ukraine und Energie-Krise: Die Schweizer Bevölkerung kämpft aktuell mit einer unsicheren Weltlage. Entsprechend gaben auch zwei von fünf Bewohner:innen der Schweiz an, dass sie eine hohe oder sehr hohe psychische Belastung in den letzten vier Wochen durchleben. Fast jede:r Zehnte hat aktuell sogar eine sehr hohe psychische Belastung.

"Jung oder wild" führt zu mehr Belastung

Für jüngere Menschen wirken die aktuellen Krisen besonders stark. Sie haben im Vergleich zu anderen Altersgruppen am häufigsten eine hohe und eine sehr hohe Belastung angegeben. Ein zweiter Faktor, der für eine hohe und sehr hohe Belastung spricht, ist eine turbulente Lebensführung: 75 Prozent aller Personen mit einem turbulenten Leben haben eine hohe oder sehr hohe Belastung angegeben.

Weniger Belastung auf dem Land

Auch wenn der Unterschied klein ist: Personen mit Wohnsitz auf dem Land haben öfter eine niedrige psychische Belastung angegeben (32%) als Personen mit Wohnsitz in der Stadt (27%). Die Ruhe, die Natur und das stabile Leben auf dem Land vermag womöglich der psychischen Gesundheit helfen.

Methode

Auftraggeber: Trägerschaft «Wie geht’s dir?»

Grundgesamtheit: Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz ab 16 Jahren, die Deutsch sprechen

Befragungsgebiet: ganze Schweiz

Datenerhebung: Opt-In via Blick.ch

Stichprobengrösse: Total Befragte N =3’748

Fehlerbereich: ±1.6 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Gewichtung: Alter nach Geschlecht, Kanton, Agglomeration, Links-Rechts-Positionierung und Bildung

Befragungszeitraum: 16. – 21. August 2022