Im Auftrag von Dominique Martin und Claudia Egli, Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen VSE
Befragt wurden 1’016 Stimmberechtigte der Schweiz Online oder per Telefon (CATI), die mindestens einer der drei Hauptsprachen mächtig sind. Alle Angaben gelten bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Unsicherheitsbereich von ±3.1 Prozentpunkten.
Die Befunde der Umfrage werden anhand des Dispositionsansatzes von gfs.bern theoretisch verortet.
Weitere Details zur Befragungsmethode finden sich in der Infobox am Ende des Cockpits.
Ausgangslage Energiepolitik
Grundsätzlich sind die Schweizer Stimmberechtigten mit der Energiepolitik mehrheitlich zufrieden:
Insgesamt geben 56 Prozent an, eher oder sehr einverstanden mit der Schweizer Energiepolitik zu sein. Dem gegenüber stehen 40 Prozent, die eher oder überhaupt nicht einverstanden sind. Die Energiepolitik polarisiert zurzeit nicht sehr stark, haben doch drei Viertel der Schweizer:innen keine dezidierte Meinung (45% eher einverstanden, 30% eher nicht einverstanden).
Mit einer Ausnahme werden alle abgefragten Aussagen zur Energie- und Umweltpolitik der Schweiz mehrheitlich geteilt, mit der Hälfte davon sind sogar jeweils über zwei Drittel der Stimmbürger:innen einverstanden:
Am höchsten ist die Zustimmung zur Aussage, die Förderung von erneuerbaren Energieformen ist gelebter Umweltschutz. 85 Prozent sind damit eher oder sehr einverstanden. Es folgen zwei Aussagen zur Energie-Abhängigkeit: Jeweils über drei Viertel der Stimmberechtigten finden, dass diese mit der Förderung erneuerbarer Energien bekämpft werden kann (83% eher oder sehr einverstanden) und dass die Abhängigkeit von fossilen Energien aus nicht-demokratischen Ländern gestoppt werden soll (77%).
Ebenfalls eine grosse Mehrheit hält erneuerbare Energie nicht für ausreichend um den Strombedarf der Schweiz zu decken (69%) während gleichzeitig fast gleich viele die Abwendung einer Klimakatastrophe ohne den Umstieg auf ebendiese erneuerbaren Energiequellen für nicht mehr möglich (68%).
Weiter sind auch solide Mehrheiten der Meinung, ein Weiterführen des aktuellen Kurses der Energiepolitik führe zu Stromausfällen in Teilen der Schweiz (62%) und, dass der künftige Handlungsspielraum durch ein generelles Verbot der Atomtechnologie unnötig eingeschränkt wird (59%).
In den restlichen drei Bereichen präsentiert sich die Meinung der Schweizer:innen hingegen ziemlich ausgeglichen: Jeweils knappe Mehrheiten sind der Meinung, dass Schweizer Firmen nicht mit zusätzlichen Energieabgaben belastet werden sollen (52%) sowie, dass Corona und Ukrainekrieg grössere Probleme darstellen als die Klimapolitik (51%). Dass die Energiewende viel zu teuer ist, wird als einzige Aussage von weniger als der Hälfte der Stimmberechtigten geteilt (49% eher oder sehr einverstanden).
Trilemma Versorgungssicherheit-Bezahlbarkeit-Klima
Die Schweizer Stromproduktion hat grundsätzlich drei Aufgaben zu erfüllen: Erstens muss sie die Versorgung der Schweiz mit Strom jederzeit sicherstellen, zweitens muss der Strompreis für Haushalte und die Wirtschaft zahlbar sein, und drittens soll die Stromproduktion in der Schweiz im Sinne der Energiewende klimaneutral sein. Die drei Aufgaben sind stark voneinander abhängig, und es ist nicht möglich alle drei gleichzeitig ideal zu erfüllen.
Die Stimmbevölkerung hat entlang dieses Trilemmas durchaus Vorstellungen bezüglich der Priorisierung der drei Aufgaben. Wird nämlich die Zustimmung zu den Aussagen zur Schweizer Energie- und Umweltpolitik von zuvor grafisch mittels multidimensionaler Skalierung (MDS) aufbereitet, gruppieren sich die zehn Aussagen in drei Cluster, die jeweils einen der Aspekte des Trilemmas repräsentieren:
Im linken unteren Teil des Diagramms sammeln sich die drei Aussagen, die den bezahlbaren Strompreis als zentrale Aufgabe der Stromproduktion in der Schweiz sehen. Die Aussagen beziehen sich dabei sowohl auf den Preis der Energiewende als Ganzes aber auch auf die Energieabgaben für Unternehmen. Als zusätzliches Element gehört auch die Ansicht hierzu, dass Corona und der Krieg in der Ukraine zeigen, dass die Klimapolitik zurzeit nicht prioritär angegangen werden soll.
Am rechten Rand der Grafik kommen die Aussagen zu liegen, die erneuerbare Energie priorisieren: Einerseits gehören dazu die Aussagen, dass die Klimakatastrophe ohne Förderung erneuerbarer Energiequellen nicht mehr abgewendet werden kann sowie, dass diese Förderung gelebter Umweltschutz ist, andererseits, dass mit der Förderung erneuerbarer Energien die Abhängigkeit vom Ausland bekämpft wird sowie die Forderung, fossile Energien aus nicht-demokratischen Ländern zu stoppen.
Das dritte Cluster bildet sich aus den beiden Aussagen, dass der Strombedarf der Schweiz bei Weitem nicht durch erneuerbare Energiequellen gedeckt werden kann und, dass mit dem aktuellen Kurs der Energiepolitik Stromausfälle in Teilen der Schweiz drohen. Ebenfalls in der Nähe dieser zwei Aussagen liegt auch das Item, das sich gegen ein generelles Verbot der Atomenergie ausspricht.
Wenn nun diese drei Aufgaben priorisiert werden sollen, stellt sich die Versorgungssicherheit als klare Nummer eins heraus:
Mit 53 Prozent gewichtet sogar eine absolute Mehrheit der Stimmberechtigten die Versorgungssicherheit am höchsten der drei Aufgaben. Ein Viertel gibt die klimaneutrale Energieproduktion als erste Priorität an (25%), rund jede:r Fünfte sieht den bezahlbaren Strompreis als wichtigste Aufgabe (21%).
Die Parteipräferenz stellt sich dabei als effektive Erklärung für die Priorisierung der drei Aufgaben heraus:
Die Anhängerschaft der SVP und der Mitte sowie die Parteiungebundenen sehen zwar – wie die Stimmbevölkerung als Ganzes – klar mehrheitlich die Versorgungssicherheit als wichtigste Aufgabe (59%). Allerdings ist der Anteil, der den bezahlbaren Strompreis priorisiert (26%), überdurchschnittlich hoch. Innerhalb dieser Gruppe finden wir das Alter als weiteren relevanten Erklärungsfaktor: So ist den Jungen die Versorgungssicherheit besonders wichtig (66%), während in der mittleren Alterskategorie der Strompreis überdurchschnittlich häufig wichtig ist (29%). Die Ältesten geben verhältnismässig oft die klimaneutrale Stromproduktion als erste Priorität an (20%).
Unter FDP-Sympathisant:innen ist die Versorgungssicherheit mit Abstand am wichtigsten und hat für fast drei Viertel die erste Priorität (73%). Wird auch diese Gruppe nach dem Alter aufgeteilt, steigt dieser Anteil unter den jüngeren sogar auf 81 Prozent während er bei den über 55-Jährigen auf 67 Prozent sinkt. Dieser Rückgang findet zu Gunsten der häufigeren Priorisierung des Strompreises statt (22%).
Stimmbürger:innen die der GLP und SP nahe stehen, gewichten circa gleich häufig die Versorgungssicherheit (45%) und die klimaneutrale Energieproduktion (42%) am stärksten. In dieser Gruppe stellt sich das Haushaltseinkommen als entscheidender Faktor für die weiteren Unterschiede heraus: In Haushalten mit einem monatlichen Einkommen von 5’000 Franken oder weniger, wird die Versorgungssicherheit nur noch von 30 Prozent als wichtigste Aufgabe gesehen. Verglichen mit den übrigen GLP und SP-Wähler:innen ist hier ein bezahlbarer Strompreis (21%) und die klimaneutral Energieproduktion (48%) wichtiger.
Die Anhänger:innen der Grünen sind die einzigen, die die Versorgungssicherheit nicht am häufigsten als erste Priorität sehen (25%) sondern die klimaneutrale Energieproduktion (73%). Der Strompreis ist in dieser Gruppe praktisch für niemanden die wichtigste Aufgabe (2%).
Die für viele Stimmbürger:innen tiefere Gewichtung der klimaneutralen Energieproduktion beziehungsweise der Energiewende bestätigt sich bei der Beurteilung der Möglichkeiten wie mit den Konflikten zwischen den drei Aufgaben umgegangen werden kann. Am höchsten ist die Zustimmung nämlich zu den zwei Aussagen, die den Strompreis beziehungsweise die Versorgungssicherheit gegenüber der nachhaltigen Energieproduktion oder den Klima- und Energiezielen priorisieren:
74 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten sind eher oder sehr einverstanden damit, dass der Aufbau nachhaltiger Energieproduktion den Strom in der Schweiz nicht massiv verteuern darf. Dass wir uns Stromausfälle nicht leisten können, auch wenn dies auf Kosten der Klima- und Energieziele geschieht, ist ebenfalls für über zwei Drittel der Stimmbürger:innen klar (68% eher oder sehr einverstanden).
Am anderen Ende der Liste stehen hingegen die Aussagen, die die Energiewende gegenüber den anderen zwei Aufgaben priorisieren. Dass die Energiewende jetzt angegangen werden muss, egal wie viel das kostet, vermag allerdings noch eine knappe Mehrheit zu überzeugen (55%). Dem Argument, dass aber für die Energiewende Stromausfälle in Kauf genommen werden müssen, stimmen nur noch minderheitliche 39 Prozent zu.
Dazwischen befinden sich die zwei Aussagen, die sich um den Konflikt zwischen erneuerbarer Energieproduktion und Umweltschutz drehen. Wobei die Aussage, dass für die Steigerung der inländischen Produktion von erneuerbarer Energie im Umweltschutz Abstriche gemacht werden müssen, mehr Zustimmung erreicht (67% eher oder sehr einverstanden) als diejenige, dass die Energiewende nicht zu Verschandelungen der Natur führen darf (59%).
Werden diese vorgeschlagenen Möglichkeiten, wie mit den Konflikten des Trilemmas umgegangen werden soll, ebenfalls mittels MDS dargestellt, gruppieren sich die Items entlang von zwei Dimensionen:
Die erste Dimension besteht dabei aus den zwei Polen Pro- beziehungsweise Kontra-Energiewende. Die zwei Aussagen die entweder die Kosten oder die Versorgungssicherheit gegenüber nachhaltiger Stromproduktion beziehungsweise gegenüber den Klimazielen priorisieren, gruppieren sich nahe beieinander am linken Rand der Grafik. Auf der gegenüberliegenden Seite kommen hingegen die zwei anderen Aussagen dieser Konfliktlinie zu liegen. Dass nämlich die Energiewende jetzt und kompromisslos angegangen werden muss, wobei weder der Preis noch mögliche Stromausfälle als Ausreden gelten dürfen. Personen, die die Energiewende aufgrund des Kostenarguments ablehnen, sprechen sich also auch aufgrund der Versorgungssicherheit gegen die Energiewende aus und umgekehrt. Wer die Energiewende zu egal welchem Preis befürwortet, nimmt auch Stromausfälle dafür in Kauf.
Zusätzlich dazu zeigt sich eine zweite Dimension, welche durch den Konflikt zwischen der Produktion erneuerbarer Energiequellen und dem Umweltschutz aufgespannt wird: Ob also zur Steigerung der inländischen Produktion erneuerbarer Energiequellen Abstriche beim Umweltschutz gemacht werden sollen. Die Zustimmung beziehungsweise Ablehnung der zwei Aussagen lässt sich nicht durch die Priorisierung des günstigen Strompreises oder der Versorgungssicherheit gegenüber der Energiewende erklären.
Dass sich die Haltung entlang dieser Konfliktlinie nicht anhand des bisherigen Schemas erklären lässt, zeigt auch die Aufschlüsselung der Zustimmung nach Parteiaffinität. Die Bereitschaft für Abstriche im Umweltschutz ist aber unter den Anhänger:innen der Mitte, FDP und SVP deutlich höher als dies bei der Anhängerschaft der Grünen der Fall ist. Gleichzeitig ist aber auch die Zustimmung, dass die Natur nicht durch Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie verschandelt werden darf, unter den An-hänger:innen der SVP und der Mitte besonders hoch und unter Grünen-Sympathisant:innen vergleichsweise tief. Die Zustimmung der Anhänger:innen der GLP und der SP befindet sich für beide Aussagen im Mittelfeld.
Standorte und Technologien zur Stromproduktion
Standorte von neuen Anlagen zur Stromproduktion werden unterschiedlich beurteilt, wobei mit einer Ausnahme alle mindestens knapp mehrheitlich befürwortet werden. So besteht gegen Solaranlagen praktisch kein Widerstand mehr in der Stimmbevölkerung, solange sie nicht mitten in der Natur aufgestellt werden. Sowohl mit Solaranlagen auf bestehender Infrastruktur (Autobahnen, Staumauern) als auch mit Anlagen auf geeigneten Dächern und Fassaden sind jeweils 95 Prozent der Stimmbürger:innen eher oder sehr einverstanden. Ebenfalls unumstritten sind Stauseen, wo früher Gletscher waren (65% eher oder sehr einverstanden).
Die Mehrheiten werden knapper, sobald die Natur spürbarer betroffen wird: Mit Windrädern auf Hügeln, die man vom eigenen Balkon aus sehen kann, sind noch 55 Prozent einverstanden, mit Solastromanlagen auf freien Wiesen in den Bergen sind es noch eine minimale Mehrheit von 51 Prozent.
Keine mehrheitlich Zustimmung erhält hingegen ein Gaskraftwerk im Umkreis von zehn Kilometern rund um den eigenen Wohnort (44% eher oder sehr einverstanden).
Die Stromproduktionstechnologien werden bezüglich Relevanz in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren für die die Schweizer Stromproduktion von den Stimmbürger:innen grob drei Kategorien eingeteilt:
Dabei stechen die Wasserkraft und die Solarenergie als absolute Kerntechnologien heraus. 97 Prozent der Schweizer:innen denken, dass die Wasserkraft in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle spielen wird, bei der Photovoltaik sind es 93 Prozent. Jeweils über zwei Drittel rechnen sogar mit einer sehr zentralen Rolle dieser zwei Technologien.
In einem grösseren zweiten Block folgen die weiteren erneuerbaren Energiequellen. Dazu gehören die Windkraft, die Geothermie, Biogas sowie Wasserstoff. Jeweils zwischen 73 und 63 Prozent der Stimmbevölkerung rechnen mit einer eher oder sehr zentralen Rolle dieser vier Technologien. Die Beurteilung der künftigen Relevanz von Wasserstoff und etwas abgeschwächt auch von Geothermie und Biogas, fällt den Stimmbürger:innen schwerer, was sich durch erhöhte „weiss nicht/keine Antwort“ Anteile zeigt.
Eine deutlich kleinere Rolle wird für die nicht erneuerbaren Energiequellen Atomkraft und Erdgas vermutet. Sowohl für die Atomkraft als auch für das Erdgas (jeweils 44% eher oder sehr zentrale Rolle) sieht nur eine Minderheit eine wichtige Rolle in den nächsten 10 bis 20 Jahren.
Diese Einteilung in die drei Gruppen lässt sich mittels MDS Diagramm sehr schön darstellen:
Solar und Wasserkraft bilden den Kern und die weiteren erneuerbaren Technologien liegen verteilt um diesen. Wobei sich Biogas und Wind sowie Wasserstoff und Geothermie jeweils zu zweit gruppieren. Deutlich sichtbar weit weg von diesem Kern und ebenso deutlich auseinander kommen die Atomenergie und Erdgas zu liegen.
Massnahmen gegen Strommangellage
Die Zustimmung zu den Massnahmen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, deckt die gesamte Bandbreite ab. So halten eigentlich alle die Förderung erneuerbarer Energien im Inland (97% eher oder sehr sinnvoll) sowie die Förderung von Energieeffizienz für sinnvoll (93%). Ebenfalls sehr hohe Zustimmungsraten erreicht, dass man als Konsument:in selber in den Stromkreislauf investiert (89%). Weiter werden politische Massnahmen in Form von Subventionen (84%) und in Form von steuerlichen Anreizen (82%) von grossen Mehrheiten als sinnvoll betrachtet. Auch die Forderung, dass der Bundesrat zur Vermeidung von Stromengpässen Stromverbraucher definieren soll, die im Notfall verboten werden (80%), halten vier von fünf Schweizer:innen für sinnvoll. Jeweils 70 Prozent halten die Einschränkung von Beschwerden gegen Bauvorhaben im Energiebereich sowie Lenkungsabgaben mit Rückerstattung an Sparsame für sinnvoll.
Die weiteren vorgeschlagenen Massnahmen halten weniger als 50 Prozent der Stimmberechtigten für sinnvoll. Trotzdem: Eine relative Mehrheit hält den Bau von Gaskraftwerken für Notfälle für sinnvoll (49%). Politische Massnahmen in Form von Regulierungen und Verboten halten nur noch 46 Prozent für sinnvoll. Bezüglich Investitionen in erneuerbare Energien im Ausland sind es 42 Prozent, und auch den Bau von Atomkraftwerken wieder zu ermöglichen, hält nur eine Minderheit für sinnvoll (41%). Abgeschlagen an letzter Position liegt das Erhöhen von Stromimporten aus dem Ausland (22%).
Wird die Bewertung der Massnahmen nach Parteiaffinitäten aufgeschlüsselt, zeigen sich für einige der Elemente grössere Unterschiede:
Die fünf Aussagen, die jeweils über 80 Prozent der Schweizer Stimmbürger:innen sinnvoll finden, werden von den Anhänger:innen der sechs grössten Parteien übereinstimmend äusserst positiv bewertet. Einzig Parteiungebundene halten Subventionen (74% eher oder sehr sinnvoll) und steuerliche Anreize (68%), auf hohem Niveau aber doch sichtbar, weniger sinnvoll als die restlichen Stimmberechtigten.
Sobald die allgemeine Bewertung der Massnahmen etwas kritischer wird, lassen sich hingegen auch zwischen den jeweiligen Parteilagern einige Unterschiede feststellen: So werden die Idee, Stromverbraucher zu definieren, die im Notfall abgeschaltet werden oder Lenkungsabgaben im links-grünen Lager (Grüne, SP, GLP) deutlich positiver eingeschätzt als dies für die Anhänger:innen der FDP und SVP der Fall ist. Parteiungebundene bewerten beide Elemente kritisch, Lenkungsabgaben halten sie sogar noch weniger für sinnvoll als die Anhänger:innen der FDP und SVP.
Im Falle von Regulierungen und Verboten verabschiedet sich allerdings die Anhängerschaft der GLP aus der links-grünen Allianz und steht zwischen den zwei Lagern. Bezüglich Investitionen in erneuerbare Energie im Ausland bilden SP und GLP gemeinsam die mittlere Position zwischen den Grünen und den bürgerlichen Parteien.
Auf der anderen Seite sind es Gaskraftwerke für Notfälle sowie den Bau von Atomkraftwerken wieder zu ermöglichen die unter Anhänger:innen der FDP und der SVP jeweils klar mehrheitlich als sinnvoll bewertet werden, während beide Massnahmen im links-grünen Lager sehr kritisch beurteilt werden.
Die Möglichkeiten für Beschwerden gegen Bauvorhaben im Energiebereich einzuschränken wird durchs Band als sinnvoll erachtet. Mehr Stromimporte aus dem Ausland wird ebenso deutlich von allen als nicht sinnvolle Massnahme beurteilt.
Stromabkommen Schweiz – EU
Einem Stromabkommen zwischen der Schweiz und der EU gegenüber wären die Schweizer Stimmberechtigten grundsätzlich positiv gesinnt:
Eine klare Mehrheit von 64 Prozent wäre eher oder sehr für ein solches Abkommen. Dem gegenüber stehen 30 Prozent, die eher oder sehr gegen ein Abkommen mit der EU im Strombereich sind.
Im Links-Grünen-Lager ist die Zustimmung zu einem solchen Abkommen besonders hoch. Sowohl die Anhänger:innen der Grünen (85% eher oder sehr dafür) als auch der SP (82%) würden das Stromabkommen mit grossen Mehrheiten befürworten. Sogar noch höher ist die Zustimmung in der Anhängerschaft der GLP (90%). Weiter sind auch die Sympathisanten der FDP überdurchschnittlich häufig für das Stromabkommen (73%). Aber auch Mitte Sympathisant:innen (57%) und Parteiungebundene (61%) wären mehrheitlich dafür. Einzig die SVP-Anhängerschaft ist mehrheitlich gegen ein Stromabkommen (60% eher oder sehr dagegen).
Werden diesem hypothetischen Szenario eines Stromabkommens mit der EU zusätzlich Abstriche zum Beispiel in den Bereichen Lohnschutz oder Zuwanderung beigefügt, wendet sich das Blatt deutlich:
Unter diesen Annahmen des Abkommens mit Kompromissen in anderen Bereichen sinkt die Zustimmung auf minderheitliche 40 Prozent. Dem gegenüber stehen 55 Prozent, die eher oder sehr dagegen sind.
Wird auch die Zustimmung zu einem solchen Abkommen nach Parteisympathie aufgeschlüsselt, sinkt die Zustimmung in allen Lagern, bleibt aber im Links-Grünen-Lager mehrheitlich:
Unter diesen Voraussetzungen bleibt die Zustimmung nur noch unter den An- hänger:innen der Grünen (67% eher oder sehr dafür), der SP (59%) und der GLP (65%) mehrheitlich, jedoch weiterhin mit recht komfortablem Vorsprung. Besonders stark sinkt die Zustimmung bei den Anhänger:innen der zuvor befürwortenden bürgerlichen Parteien FDP (44%, – 29 Prozentpunkte) und der Mitte (25%, -32 Prozentpunkte). Auch die Parteiungebundenen sprechen sich nur noch klar minderheitlich für das Stromabkommen aus (30%). Auch unter den SVP Sympathisant:innen ist der Widerstand gegen das Stromabkommen nochmal angestiegen (79% eher oder sehr dagegen).
Grundsätzlich sind die Schweizer Stimmberechtigten mit der Energiepolitik zufrieden. Dies zeigt sich anhand des mehrheitlichen Einverständnisses mit der Energiepolitik als Ganzes (56% eher oder sehr einverstanden), aber auch mit der Zustimmung zu den abgefragten Aussagen zur Energie- und Umweltpolitik. Konkret finden wir sehr hohe Zustimmung für die Förderung erneuerbarer Energie; einerseits als gelebter Umweltschutz, andererseits zur Förderung der Energieunabhängigkeit. Dies scheint insbesondere in Bezug auf den Import fossiler Energie aus nicht-demokratischen Ländern, speziell im Kontext des Krieges in der Ukraine an Wichtigkeit zu gewinnen und erhält Zustimmung weit über das klassische Klima-Lager hinaus. Weiter bilden sich die drei zentralen Aufgaben der Stromproduktion – klimaneutrale Produktion, bezahlbarer Strompreis und Versorgungssicherhit – in der Beurteilung der Aussagen aber durchaus heraus. Das Bewusstsein für die drei Aufgaben und deren Priorisierung scheint also vorhanden.
Die absehbare Strommangellage ist dabei ein Schlüsselmomentum für die Energiewende und Klimaneutralität. Denn bei der konkreten Priorisierung der drei Aufgaben stellt sich die Versorgungssicherheit als klare Nummer eins heraus, die klimaneutrale Energieproduktion wird hingegen von einer Mehrheit als dritte Präferenz angegeben. Als bester Erklärungsansatz für die Priorisierung dient die Parteipräferenz wobei alle Lager, bis auf die Anhänger:innen der Grünen, die Versorgungssicherheit am häufigsten als erste Priorität aufweisen. Obwohl die Versorgungssicherheit im bürgerlichen Lager klar die höchste Priorität geniesst, ist der Anteil unter den FDP-Sympathisant:innen besonders hoch, während die Anhänger:innen der SVP und der Mitte vergleichsweise oft den Strompreis betonen. Im links-grünen Lager ist ein klarer Unterschied zwischen den Anhänger:innen der SP und der GLP, welche die Versorgungssicherheit und die klimaneutrale Produktion gleich oft als wichtigste Aufgabe gewichten, und der Anhängerschaft der Grünen festzustellen. Ein tiefer Strompreis scheint im linken Lager nur für Personen mit tiefem Einkommen relevant zu sein.
Das zwar im Grundsatz bestehende Commitment zur Förderung von klimaneutraler Energie fällt zusammen, sobald ein entsprechender Kompromiss dafür eingegangen werden muss. Dabei stellen wir in der Stimmbevölkerung drei Konfliktlinien fest:
Bei den Möglichkeiten, wie mit den Konflikten aus dem Trilemma umgegangen werden soll, schliessen sich die Kritiker:innen der Energiewende zusammen. Wer die Versorgungssicherheit gegenüber der Energiewende priorisiert, gewichtet auch den Strompreis höher als die klimaneutrale Stromproduktion.
Die wichtigsten Instrumente zur Verhinderung der Strommangellage sind aus Sicht der Bevölkerung die Förderung alternativer Energien, Einschränkung von Beschwerden gegen Bauvorhaben, privates Investment und Lenkungsabgaben. Unbestritten ist in der Stimmbevölkerung auch, dass nach einer Lösung im Inland gesucht werden soll. Die Erfahrungen während der Coronakrise und dem Krieg in der Ukraine stärken den Wunsch nach (Energie-)Unabhängigkeit. Als weitere Alternativen sind aktuell auch Atom- und Gaskraftwerke zumindest wieder im Gespräch. Sie finden in der Gesamtstimmbevölkerung zwar zurzeit keine Mehrheiten aber stossen auf bürgerlicher Seite durchaus auf Resonanz, was dazu führt, dass sie in der Energie-Diskussion weiterhin auf dem Tisch bleiben.
In der Beurteilung, den Präferenzen und den Forderungshaltungen prallen also ungebrochen die zwei Wertewelten aufeinander: Linksgrün versus Rechtsbürgerlich/Rechtskonservativ. SVP und Mitte positionieren sich oft sehr ähnlich und sehr kritisch gegenüber allen Aspekten der Energiewende. In den meisten Fällen schliessen sich dabei auch die Anhänger:innen der FDP dieser Kritik an, wobei aber durchaus noch Unterschiede bestehen, zum Beispiel bei der noch stärkeren Fokussierung auf die Versorgungssicherheit oder die grössere Offenheit für ein Stromabkommen mit der EU. Auf der anderen Seite ist auch das links-grüne Lager bei weitem nicht so geschlossen, wie dies zum Teil in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. In einigen Fällen bilden dabei die Basis der SP und der GLP eine mittlere Position zwischen rechts und den Grünen. Während aber Linksgrün die Co2-Neutralität auch mit harten Massnahmen anstrebt, denkt das rechts-konservative Lager auch über ein neues Atomkraftwerk nach.
– Auftraggeber: Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen VSE
– Grundgesamtheit: Stimmberechtigte der Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
– Erhebungsart: Mixed-Mode (Online- und Telefonbefragung)
– Stichprobengrösse: Total Befragte n = 1’016 (DCH: 713, FCH: 243, ICH:60), Onlinepanel: 302, Telefonbefragung: 714
– Gewichtung: Dual-Frame-Gewichtung, Alter/Geschlecht, Sprache, Siedlungsart, Bildung, Partei und Stimmverhalten CO2-Gesetz
– Stichprobenfehler: ±3.1 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
– Befragungszeitraum: 7. bis 24. April 2022