Im Auftrag von Claudia Egli und Dominique Martin, Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen VSE
Befragt wurden 1’004 Stimmberechtigte der Schweiz online oder per Telefon (CATI), die mindestens einer der drei Hauptsprachen mächtig sind. Alle Angaben gelten bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Unsicherheitsbereich von ±3.1 Prozentpunkten.
Die Befunde der Umfrage werden anhand des Dispositionsansatzes von gfs.bern theoretisch verortet.
Weitere Details zur Befragungsmethode finden sich in der Infobox am Ende des Cockpits.
Energiepolitik
Auch 2024 ist eine stabile Mehrheit der Stimmberechtigten grundsätzlich einverstanden mit der Schweizer Energiepolitik:
Mit Ausnahme der Anhänger:innen der SVP wird die aktuelle Energiepolitik der Schweiz in allen politischen Lagern positiv gesehen:
Insgesamt sagen aktuell 57 Prozent der Befragten, dass sie mit der Energiepolitik eher oder sehr einverstanden sind (-2). So sind auch die 40 Prozent mit zumindest eher kritischer Sicht auf die Energiepolitik unverändert, wobei aktuell etwas mehr Personen gar nicht einverstanden sind (16%, +6).
Am höchsten ist das Einverständnis im Lager der GLP (83% sehr/eher einverstanden), gefolgt von der Mitte und den Grünen (je 72%) sowie der SP (65%). Aber auch die Sympathisant:innen der FDP (57%) und Parteiungebundene (60%) sind mit dem aktuellen Weg mehrheitlich einverstanden. Auf Seiten der SVP ist hingegen lediglich jede:r Dritte mit der heutigen Energiepolitik in der Schweiz einverstanden (33%).
Die Haltung der Schweizer Stimmberechtigten in den abgefragten Aussagen zur Energie- und Klimapolitik ist gegenüber der Vorjahresbefragung insgesamt äusserst stabil. Weiterhin geniesst die Förderung von erneuerbaren Energieformen die höchsten Zustimmungswerte:
Wie in der letzten Befragung erreichen die Aussagen, die Förderung von erneuerbaren Energieformen ist gelebter Umweltschutz (77% sehr/eher einverstanden, ±0 Prozentpunkte gegenüber 2023) und, dass damit die Energie-Abhängigkeit vom Ausland bekämpft werden kann (71%, -5) die höchsten Zustimmungswerte. Dazu korrespondiert auch die hohe Zustimmung zum Stoppen der Abhängigkeit von fossilen Energien aus nicht-demokratischen Ländern (68%, -3). Die Energiewende in der Schweiz geht ebenfalls einer klaren Mehrheit der Stimmberechtigten viel zu langsam (62%, -6).
Dass die erneuerbare Energie bei Weitem nicht ausreicht, um den Strombedarf der Schweiz zu decken, finden 61 Prozent (-2) der Stimmbevölkerung, während 54 Prozent (-2) der Meinung sind, dass ohne sofortigen Umstieg auf ebendiese erneuerbaren Energiequellen, die Klimakatastrophe nicht mehr abzuwenden ist.
Die weiteren Aussagen, die allesamt kritisch auf die Energiewende blicken, werden hingegen von weniger als der Hälfte der Schweizer:innen geteilt, wobei immerhin eine relative Mehrheit der Meinung ist, dass Firmen nicht durch zusätzliche Energieabgaben belastet werden sollen (49%, -2). Dass die Energiewende zu teuer ist (45%, ±0) und, dass die Weiterführung der aktuellen Energiepolitik zu Stromausfällen in Teilen der Schweiz führen wird (42%, -9) überzeugt hingegen nur noch Minderheiten. Noch deutlicher ist die Ablehnung der Aussage, dass die Energiewende in der Schweiz viel zu weit geht (65% überhaupt/eher nicht einverstanden, -1).
Ob der in der Energiepolitik eingeschlagene Weg zu Problemen in der Versorgungssicherheit in zehn Jahren führt, spaltet die Stimmbevölkerung:
Eine knappe Mehrheit der Stimmberechtigten gibt an besorgt zu sein, wenn sie an die Versorgungssicherheit in der Zukunft denken (54% sehr grosse/eher Sorgen). Ihnen stehen 44 Prozent der Befragten gegenüber, die sich hingegen eher oder überhaupt keine Sorgen machen.
Ob man sich Sorgen um die Versorgungssicherheit der Zukunft macht hängt nicht zuletzt mit der Parteipräferenz zusammen und ist insbesondere im rechts-bürgerlichen Lager erhöht: So machen sich jeweils nur Minderheiten der Anhänger:innen der GLP (37% sehr grosse/eher Sorgen), der SP (40%) und der Grünen (48%) Sorgen, während sich die Anhängerschaft der FDP (59%) und noch stärker der SVP (76%) überdurchschnittlich oft Sorgen um die Versorgungssicherheit in zehn Jahren macht. Die Bedenken zur Versorgungssicherheit der Zukunft mit dem eingeschlagenen Weg scheinen somit mindestens teilweise eine Frage der Werthaltung zu sein und sind nicht ausschliesslich auf eine faktische Einschätzung zurückzuführen.
Wer sich um die Versorgungssicherheit in zehn Jahren keine Sorgen macht, begründet dies am häufigsten mit der genügend grossen Stromproduktion in der Schweiz bis in zehn Jahren (62%):
Wer sich hingegen Sorgen um die Versorgungssicherheit der Zukunft macht, glaubt meistens nicht, dass in der Schweiz genügend Strom produziert wird (72%):
Rund ein Drittel der Personen, die sich keine Sorgen machen, hält die aktuellen Diskussionen um die Versorgungssicherheit für Panikmache (32%), und ein Viertel denkt, wir können den Stromverbrauch bis dahin genügend reduzieren (24%). Nur ein kleiner Teil macht sich keine Sorgen um die Versorgungssicherheit in zehn Jahren aufgrund der Stromimporte aus dem Ausland (16%).
42 Prozent nehmen an, dass bis in zehn Jahren der Stromverbrauch nicht genügend reduziert werden kann, um keine Versorgungsprobleme zu haben. Zu wenig aus dem Ausland importierter Strom ist nur für jede fünfte befragte Person unter den Besorgten ausschlaggebend.
Unabhängig von der Sorge um die Versorgungssicherheit in zehn Jahren gibt es unterschiedliche Stossrichtungen, wie die Versorgungssicherheit der Zukunft gewährleistet werden kann.
Dabei zeigt sich, dass die Stimmbevölkerung in der Tendenz den Staat eher in der Verantwortung sieht, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten als die Bevölkerung und dass dabei auf Stromproduktion in der Schweiz gesetzt werden soll. Uneinig sind sich die Schweizer:innen hingegen in der Frage, ob die Versorgungssicherheit vor allem durch die Senkung des Verbrauchs oder durch die Steigerung der Produktion erreicht werden soll.
Personen unter 40 Jahren (6.4) sowie Anhänger:innen der Grünen (6.9) sehen dabei besonders stark den Staat in der Verantwortung. Weiter wird im Lager der Grünen auch häufiger auf die Senkung des Verbrauchs gesetzt (3.2) während die Anhänger:innen der FDP (5.5) und der SVP (5.6) eher offen für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit durch die Steigerung der Produktion sind. In der Frage nach Stromimporten aus dem Ausland herrscht in der Stimmbevölkerung hingegen Einigkeit.
Versorgungssicherheit
Im Trilemma der Stromproduktion zwischen der Versorgungssicherheit, bezahlbarem Strompreis und der klimaneutralen Stromproduktion bleibt auch 2024 die Sicherstellung der Versorgungssicherheit die häufigste erste Priorität:
Im März 2024 geniesst für insgesamt 42 Prozent der Stimmberechtigten die Versorgungssicherheit die höchste Priorität. Das bedeutet ein leichter Rückgang im Vergleich zu den beiden vergangenen Befragungswellen, als jeweils rund die Hälfte die Versorgungsicherheit an erster Stelle nannte (2022: 52%, 2023: 48%). Von den Befragten mit eben diese Versorgungssicherheit als erste Priorität bevorzugt sichtbar die Mehrheit den Strompreis an zweiter Stelle (27%) als die klimaneutrale Stromproduktion (15%). Den bezahlbaren Strompreis und eine klimaneutrale Stromproduktion haben jeweils gleich viele Personen als erste Priorität genannt (je 29%).
Auch 2024 ist die Parteisympathie der Befragten eine zentrale Variable um die Präferenzen im Trilemma zu erklären:
Die Anhänger:innen der Grünen und der SP sowie die Stimmberechtigten ohne klare Parteibindung priorisieren als einzige nicht mehrheitlich die Versorgungssicherheit, sondern sehen am häufigsten die klimaneutrale Stromproduktion an erster Stelle. Am höchsten ist dieser Wert wie letztes Jahr mit über zwei Dritteln bei der Anhängerschaft der Grünen. Verglichen mit den Grünen spielt im Lager der SP der Strompreis und die Versorgungssicherheit jeweils eine grössere Rolle. Unter Stimmberechtigten, die der SP oder keiner Partei nahe stehen, spielt zusätzlich auch die Siedlungsdichte eine zentrale Rolle: Für Personen dieser Gruppe, die in grossen Städten wohnen, ist besonders häufig die klimaneutrale Stromproduktion die erste Priorität.
Im Lager der Mitte und der GLP priorisieren jeweils rund die Hälfte die Versorgungssicherheit, was verglichen mit dem nationalen Schnitt etwas erhöht ist, während der Strompreis hier etwas weniger häufig genannt wird. Noch deutlicher an erster Stelle steht die Versorgungssicherheit bei der Anhängerschaft der FDP, wo sie von circa zwei Dritteln an erster Stelle gesehen wird. Hier wird hingegen die Klimaneutralität praktisch von niemanden als erste Priorität genannt.
Stimmberechtigte, die der SVP nahe stehen, priorisieren verglichen mit den anderen politischen Lagern häufiger die Strompreise, wobei dies unter älteren Stimmberechtigten dieser Gruppe besonders ausgeprägt ist.
Bezogen auf die Vorgehensweise wie mit den Konflikten zwischen den drei Aufgaben der Stromproduktion umgegangen werden soll, zeigt sich ein klares Muster: So soll in den drei Aussagen mit der höchsten Zustimmung jeweils die nachhaltige und klimaneutrale Stromproduktion dem Strompreis, der Verhinderung von Stromausfällen sowie dem Landschaftsschutz untergeordnet werden. Somit erreichen die gleichen drei Aussagen die höchste Zustimmung wie letztes Jahr.
Fast drei Viertel der Stimmbevölkerung sind der Meinung, der Aufbau nachhaltiger Energieproduktion darf den Strom nicht massiv verteuern (72% sehr/eher einverstanden; -4 Prozentpunkte). Dass wir uns Stromausfälle nicht leisten können, auch wenn dies auf Kosten der Klima- und Energieziele geschieht (66%, +5) sowie, dass für die Energiewende nicht der Landschaftsschutz aufgegeben werden darf (62%, -1) sind zwei Aussagen die klare Mehrheiten der Schweizer:innen zu überzeugen vermögen.
Gerade bezüglich des Preises und des Umweltschutzes sind die Prioritäten nicht ganz klar: So werden ein schnelles Angehen der Energiewende unabhängig der Kosten, (59%, -1) sowie die Steigerung der inländischen erneuerbaren Energie, auch wenn Abstriche im Umweltschutz dazu nötig sind (51%, -8) ebenfalls mehrheitlich unterstützt.
Nur eine (wenn auch gewichtige) Minderheit wäre hingegen bereit, für eine kompromisslose Umsetzung der Energiewende Stromausfälle in Kauf zu nehmen (55% eher/gar nicht einverstanden, +1), und auch die Aussage, dass man ein neues Atomkraftwerk gegenüber vielen anderen neuen Kraftwerken bevorzugt (55%, -7), wird mehrheitlich verworfen, wobei die Ablehnung gegenüber letztem Jahr etwas rückläufig ist.
Massnahmen zur Gewährleistung der Versorgungsicherheit
Der Ausbau von Solaranlagen auf Gebäuden und Fassaden (92% sehr/eher sinnvoll, -5 Prozentpunkte gegenüber 2023) und von Wasserkraft (90%, +1) sowie die Förderung der Energieeffizienz (90%, -4) und von erneuerbaren Energien in der Schweiz (90%, -4) werden fast einstimmig als sinnvoll betrachtet.
Das Investieren in die Energieproduktion der Konsument:innen selber (81%, -8) finden rund vier von fünf Stimmberechtigten sinnvoll. Politische Massnahmen sowohl in Form von Subventionen (74%, -8) als auch in Form von steuerlichen Anreizen (72%, -9) haben etwas an Zustimmung verloren. Jeweils etwa drei von vier Befragten sehen den Ausbau der Energieproduktion mittels Biomasse (76%, -5), Windkraft (74%, -2), Geothermie (73%, -2) und Wasserstoff (72%, ±0) als sinnvolle Massnahmen an, um die Versorgungssicher- heit in der Schweiz langfristig zu gewährleisten.
Lenkungsabgaben mit Rückerstattung an die Sparsamen (68% sehr/eher sinnvoll, +5) sowie der Ausbau von Solaranlagen in den Bergen (61%, +7) werden aktuell als sinnvoller betrachtet als dies noch vor einem Jahr der Fall war, während die Sicht auf die Einschränkung von Beschwerdemöglichkeiten gegen Bauvorhaben im Energiebereich (59%, -10) etwas kritischer wurde.
Der Bau von Atomkraftwerken hat insgesamt gegenüber 2023 als Massahme gegen Strommangellagen etwas an Unterstützung zulegen können. Neu wird knapp mehrheitlich der Bau von Kraftwerken der neusten Generation (52%, +9) als sinnvoll gesehen, während der Bau von Atomkraftwerken der aktuellen Generation (40%, +6) aber weiterhin nur von einer Minderheit als sinnvoll erachtet wird.
Eine vollständige Strommarktöffnung (49%, -3) sowie Gaskraftwerke für den Notfall (44%, -7) vermögen aktuell knapp keine Mehrheiten davon zu überzeugen, dass sie sinnvoll sind. Regulierungen und Verbote (44%, ±0) und Investitionen in erneuerbare Energien im Ausland (41%, +2) sind 2024 wie bisher nicht mehrheitsfähig. Die Steigerung der Stromimporte aus dem Ausland wird ebenfalls unverändert sehr deutlich abgelehnt (70% eher/überhaupt nicht sinnvoll, -9)
Die politischen Massnahmen werden in den verschiedenen Parteilagern durchaus unterschiedlich bewertet. Der Ausbau von Solaranlagen und bei der Wasserkraft sowie die Förderung der Energieeffizienz und von erneuerbaren Energien im Inland werden in sämtlichen Parteilagern von über 80 Prozent als sinnvoll erachtet, wobei die Werte unter den Anhänger:innen der SVP sichtbar tiefer sind als im Rest der Stimmbevölkerung.
Investitionen durch Konsument:innen selber in die Energieproduktion werden zwar überall als sinnvoll gesehen, stossen aber im links-grünen Lager auf besonders hohen Support.
Der Ausbau bei der Windkraft wird von den Sympathisant:innen der FDP und der SVP sichtbar kritischer (aber dennoch mehrheitlich sinnvoll) gesehen, Gleiches gilt für Subventionen, die insbesondere im Lager der SP besonders positiv dastehen. Steuerliche Anreize werden hingegen bis auf die Anhänger:innen der SVP im gesamten politischen Spektrum als sinnvoll erachtet, während eben diese Anhänger:innen der SVP dafür den Ausbau von Wasserstoff überdurchschnittlich oft als sinnvolle Massnahme erachten.
Einig ist sich die Stimmbevölkerung in der Ablehnung von Stromimporten aus dem Ausland. Ansonsten zeigt sich ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Graben zwischen der FDP und der SVP auf der einen, und den übrigen Parteien auf der anderen Seite. So sind Regulierungen und Verbote sowie Investitionen in erneuerbare Energien im Ausland bis in die Mitte mehrheitsfähig, und auch Lenkungsabgaben werden lediglich in der SVP abgelehnt. Gaskraftwerke und besonders Atomkraftwerke (aktuelle und nächste Generation) werden hingegen im Lager der FDP und der SVP mehrheitlich als sinnvoll gesehen.
Ein etwas eigenes Muster zeigt sich für den Abbau von Beschwerdemöglichkeiten. Er geniesst zwar überall zumindest knapp mehrheitliche Zustimmung, wird aber insbesondere von der Mitte und etwas schwächer von GLP und FDP überdurchschnittlich positiv gesehen. Und auch der Ausbau von Solaranlagen in den Bergen hat eine eigene Dynamik und wird neben der SVP auch von den Grünen sichtbar kritischer als im Rest der Stimmbevölkerung betrachtet.
Anlagen zur Stromproduktion
Insgesamt bleibt die Beurteilung der Standorte von neuen Anlagen zur Stromproduktion über die Zeit recht stabil. Wie bereits in den vergangenen Befragungswellen sind Solaranlagen auf bestehender Infrastruktur (95% sehr/eher einverstanden, -3) sowie auf allen geeigneten Dächer und Fassaden (89%, -7) gänzlich unumstritten. Auch mit Stauseen wo früher Gletscher waren (73%, +2) sind weiterhin grosse Mehrheiten einverstanden.
Gestiegen ist die Zustimmung zu Anlagen die direkter in die Natur gebaut werden: So sind 2024 60 Prozent (+4) der Befragten einverstanden mit Windrädern auf Hügeln, die vom eigenen Balkon aus sichtbar sind, und neu ist mit 50 Prozent (+6) auch eine minimale Mehrheit mit grossen Solaranlagen auf freien Wiesen in den Bergen einverstanden. Gesunken ist hingegen die Zustimmung zu einem Gaskraftwerk im Umkreis von 10 Kilometern vom eigenen Wohnort (37%, -10). Gaskraftwerke in der eigenen nahen Umgebung sind somit die einzigen Anlagen, mit denen eine Mehrheit der Stimmberechtigten nicht einverstanden sind (58% eher/gar nicht einverstanden, +10).
Atomkraftwerke
Ob in der Schweiz grundsätzlich wieder über den Neubau von Atomkraftwerken nachgedacht werden soll, spaltet die Schweizer:innen:
Anhand der Parteisympathie lässt sich die Haltung zur Diskussion über den Neubau von Atomkraftwerken sehr gut erklären:
Insgesamt sind 49 Prozent der Stimmberechtigten eher oder sehr damit einverstanden, dass die Diskussion über den Neubau von Kernkraftwerken wieder geführt wird. Ihnen gegenüber stehen 47 Prozent, die nicht damit einverstanden sind.
Auf der linken Seite des politischen Spektrums (Grüne 82% überhaupt nicht/eher nicht einverstanden, SP 76%, GLP 63%) bis in die Mitte (59%) wird die neuerliche Diskussion über Atomkraftwerke klar abgelehnt. Besonders hoch ist die Zustimmung zu dieser Diskussion in der Anhängerschaft der FDP (85% sehr/eher einverstanden) und auch deutlich mehrheitlich in derjenigen der SVP (65%). Parteiungebundene sind in dieser Frage noch gespalten (52% sehr/eher einverstanden).
Junge verhalten sich in der Tendenz etwas kritischer bezüglich der Diskussion über neue Atomkraftwerke:
Männer sind einer Diskussion gegenüber deutlich positiver gestimmt und befürworten sie mehrheitlich:
Nur eine Minderheit der Stimmberechtigten unter 40 Jahren befürwortet die erneute Diskussion über den Neubau von AKWs (44% sehr/eher einverstanden). Die restliche ältere Stimmbevölkerung ist hingegen knapp dafür.
Insgesamt befürworten 60 Prozent der Männer die Diskussion zu neuen AKWs während lediglich 39 Prozent der Frauen damit einverstanden sind.
Fast die Hälfte der Personen, die gegen eine neuerliche Diskussion über den Neubau von Atomkraftwerken sind, lehnen solche Neubauten in der Schweiz grundsätzlich ab (45%). Für die anderen steht die Frage der Lagerung der nuklearen Abfälle im Zentrum. 44 Prozent geben nämlich an, dass neue Atomkraftwerke in der Schweiz nur in Frage kommen, wenn das Entsorgungsproblem gelöst ist., Für gut ein Viertel ist die Senkung des Risikos von nuklearen Unfällen eine notwendige Bedingung (26%), und weitere 6 Prozent haben andere Änderungen genannt, die erfüllt sein müssen, bevor aus ihrer Sicht wieder neu Atomkraftwerke in Frage kommen.
Obwohl es in der Frage nach dem Bau von neuen Atomkraftwerken in der Stimmbevölkerung keine klaren Mehrheiten gibt, ist hingegen der Grossteil der Schweizer:innen einverstanden damit, die Laufzeit der heute bestehenden Anlagen möglichst zu maximieren, auch wenn der Bund dafür Geld aufbringen muss (71% sehr/eher einverstanden). Auch dass es Technologieoffenheit braucht, zu der auch die nukleare Energie gehört, vermag eine Mehrheit zu überzeugen (56%). Gleichzeitig sagen allerdings auch 60 Prozent der Stimmberechtigten, dass jetzt die Diskussion über AKW wieder zu starten den Volkswillen missachtet, da die Stimmbevölkerung 2017 entschieden hat, aus der Atomenergie auszusteigen.
Unklar ist aus Sicht der Stimmberechtigten auch der Zusammenhang zwischen nuklearer Energie und den erneuerbaren Energien: So sind jeweils knappe Mehrheiten der Stimmberechtigten sowohl der Ansicht, die Diskussion über neue AKWs sei ein Bremsklotz für den Ausbau erneuerbarer Energien (53%) als auch einverstanden damit, dass – falls es mit den erneuerbaren Energien nicht vorwärts geht – wieder ernsthaft über neue AKWs diskutiert werden muss (52%).
Stromabkommen und Marktliberalisierung
Nachdem im vergangenen Jahr die Offenheit gegenüber einem Abkommen mit der EU im Strombereich deutlich gestiegen ist, hat sich die Befürwortung eines solchen Abkommens wieder etwas abgekühlt, bleibt aber weiterhin mehrheitlich.
2024 wären insgesamt 59 Prozent der Stimmberechtigten für ein Stromabkommen mit der EU. Das sind 14 Prozentpunkte weniger als in der Vorjahresbefragung und auch etwas weniger als noch 2022. Auf der anderen Seite ist aktuell ein Drittel gegen ein solches Abkommen (33% sehr/eher dagegen) was knapp dem Höchstwert dieser Befragungsreihe entspricht.
Ein europäisches Stromabkommen wird auch dieses Jahr im links-grünen Lager besonders stark befürwortet. Die Zustimmungswerte sind aber unter den Sympathisant:innen der SP und der GLP gesunken. Aktuell sind die Anhänger:innen der Grünen am zahlreichsten für ein Stromabkommen (83% sehr/eher dafür, -3 Prozentpunkte), gefolgt von denjenigen der SP (78%, -10) und der GLP (77%, -8). Aber auch in den Anhängerschaften der Mitte (72%, -2) und der FDP (72%, +3) findet das Abkommen weiterhin grosse Zustimmung.
Wie bereits in der letzten Befragungswelle findet im Lager der SVP ein Stimmungswandel statt, dieses Jahr allerdings wieder in die Gegenrichtung. War die SVP-Anhängerschaft letztes Jahr gemeinsam mit den anderen Parteien auf der Pro-Seite zu finden, hat sie sich 2024 (wie bereits 2022) alleine in Opposition bewegt (40%, -21). Einzig unter den Parteiungebundenen, die letztes Jahr noch sehr deutlich für ein Stromabkommen waren, hat sich die Haltung zum Stromabkommen mit der EU noch stärker verändert (40%, -36).
Insgesamt zeigt aber die jährlich erheblich schwankende Entscheidabsicht, dass in dieser Frage die Meinungsbildung noch nicht gefestigt ist und stark von der weiteren Diskussion abhängt.
Dies zeigt sich nicht zuletzt bei einem Experiment in der Befragung: Werden im Szenario mit dem Stromabkommen mit der EU zusätzlich einige Zugeständnisse als Bedingungen beigefügt, reduziert sich die Zustimmung sichtbar und ein Abkommen unter diesen Voraussetzungen wird 2024 insbesondere nur noch minderheitlich unterstützt:
Wenn ein europäisches Stromabkommen das Eingehen von Kompromissen mit der EU bedeutet, schrumpft die Befürwortung um 12 Prozentpunkte auf 47 Prozent und liegt somit genau gleich auf mit der Gegenseite (47% sehr/eher dagegen).
Im Szenario mit den (nicht weiter definierten) Bedingungen bleibt die Situation somit in Bewegung: Nachdem 2022 die Mehrheit der Stimmberechtigten ein Abkommen mit Kompromissen abgelehnt hätte, und die Zustimmung in der letzten Befragungswelle mehrheitlich war, halten sich die beiden Lager aktuell exakt die Waage.
Wird auch die Zustimmung zu einem solchen Abkommen mit Kompromissen nach Parteisympathie aufgeschlüsselt, sinkt die Zustimmung in allen Lagern, bleibt aber im links-grünen Lager und der Mitte klar und unter den Anhänger:innen der FDP knapp mehrheitlich:
In den Lagern der Grünen (76%, -7), der SP (71%, -7), der GLP (66%, -11) und der Mitte (66%, -6) bleiben die Zustimmungswerte zum Abkommen auch mit Zugeständnissen klar mehrheitlich. In der FDP bricht die Unterstützung etwas stärker ein (-19), bleibt aber mit 53 Prozent noch mehrheitlich. Auch in den schon ohne Zugeständnissen kritischen Lagern der SVP (25%, -15) und der Parteiungebundenen (28%, -12) sinkt die Unterstützung.
Eine Bedingungen für ein Stromabkommen mit der EU wäre eine vollständige Öffnung des Schweizer Strommarktes. Aktuell wäre eine knappe Mehrheit der Schweizer:innen für eine freie Wahl des Stromanbieters für alle Konsument:innen:
Unter der Annahme den Energieversorger frei wählen zu können, gibt allerdings die klare Mehrheit der Schweizer:innen an, zumindest wahrscheinlich bei ihrem aktuellen Stromanbieter zu bleiben:
Etwas mehr als die Hälfte der Stimmbevölkerung befürwortet eine freie Wahl des Stromanbieters auch für die privaten Haushalte (51% sehr/eher dafür). Mit 44 Prozent gibt es allerdings eine gewichtige Minderheit, die sich dagegen ausspricht. Über die Hälfte der Befragten ist in der Meinung allerdings noch nicht gesichert und ist nur eher für bzw. eher gegen eine Öffnung des Strommarkts (59% eher dafür/eher nicht dafür).
Insgesamt sagen über zwei Drittel voraussichtlich bei ihre aktuellen Energieversorger zu bleiben (68% bleibe auf jeden Fall/wahrscheinlich). Fast jede vierte dazu befragte Person will sogar auf jeden Fall beim aktuellen Stromanbieter bleiben (23%). Ihnen gegenüber stehen lediglich 17 Prozent, die wahrscheinlich oder auf jeden Fall den Anbieter wechseln wollen.
Die wichtigsten Gründe dafür warum der Stromanbieter nicht gewechselt wird, sind die Zufriedenheit mit dem Service und den Leistungen (47%) sowie die Verbundenheit, die gegenüber dem lokalen Anbieter verspürt wird (40%). Für fast ein Drittel der Personen, die den Anbieter nicht wechseln wollen, sprechen auch der Aufwand und die Komplexität des Wechselprozesses gegen einen Anbieterwechsel (29%). Unterbrechungen in der Versorgung aufgrund eines Wechsel des Stromversorgers spielen nur eine untergeordnete Rolle (8%).
Für die Wechselwilligen ist wenig überraschend der Preis der klar am häufigsten genannte Wechselgrund (71%). Die Wahlfreiheit aus Prinzip (30%) sowie ein anderes Angebot der Dienstleistungen und Produkte des Stromanbieters (23%) sind deutlich weniger wichtig.
Generell steht man auch 2024 hinter der Energiepolitik 2050. Dies zeigt sich anhand des mehrheitlichen Einverständnisses mit der Energiepolitik als Ganzes (57% eher oder sehr einverstanden), aber auch durch die abgefragten Aussagen zur Energie- und Umweltpolitik. Die Förderung erneuerbarer Energieformen ist breit abgestützt, nicht zuletzt um Abhängigkeiten vom Ausland zu verhindern. Dazu gehört eine klare Priorisierung der Produktion im Inland gegenüber Stromimporten. Nach einem weiteren Winter ohne Versorgungslücken bleibt die Versorgungssicherheit zwar weiterhin die erste Priorität, verliert allerdings insgesamt etwas an Dringlichkeit. Das Thema bleibt aber aktuell. Eine knappe Mehrheit macht sich etwas Sorgen um die Versorgungssicherheit der Zukunft mit dem aktuellen Weg. Es erstaunt dabei nicht, dass es die Kreise sind, die sich Sorgen um die Versorgungssicherheit machen, welche auch kritisch auf die Energiepolitik von heute schauen.
Die Befragung zeigt ein klares Bekenntnis zur Förderung erneuerbarer Energieformen und zur Energiewende allgemein. So gelten insbesondere der Ausbau von Solaranlagen auf Infrastrukturen und von Wasserstoff sowie die Förderung der der Energieeffizienz und von erneuerbaren Energien in der Schweiz als wichtigste Massnahmen um Strommangellagen zu vermeiden. Von den konkreten Standorten für Anlagen zur Stromproduktion sind Solaranlagen auf bestehender Infrastruktur sowie auf allen geeigneten Dächer und Fassaden gänzlich unumstritten und auch mit Stauseen anstelle von früheren Gletschern, sind grosse Mehrheiten einverstanden. Gestiegen ist ausserdem die Zustimmung zu Anlagen die direkter in die Natur gebaut werden: So sind die Befragten einverstanden mit Windrädern auf Hügeln, die vom eigenen Balkon aus sichtbar sind, und neu ist auch eine minimale Mehrheit mit grossen Solaranlagen auf freien Wiesen in den Bergen einverstanden. Neben dem Klimaschutz erhofft man sich durch die Energiewende ausserdem auch weniger Abhängig von Energie aus dem Ausland zu sein.
Nichtsdestotrotz bleiben die bereits bekannten Konfliktlinien bestehen: Nicht nur Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssen gewährleistet sein, auch Anforderungen des Landschaftsschutzes haben mehrheitlich geteilte Berechtigung. Auch wird der Staat dabei in der Verantwortung gesehen. Das kann sich auch auf die Kostenfrage übertragen: Die Klimaneutralität darf durchaus etwas kosten. Beim effektiven Strompreis reagieren die Stimmberechtigten allerdings sensibel. Um die Versorgungssicherheit auf dem Weg zur Klimaneutralität zu gewährleisten soll dabei sowohl auf die Senkung des Verbrauchs wie auch auf die Steigerung der Produktion Gewicht gelegt werden.
Ob in der Schweiz wieder ernsthaft über den Neubau von Atomkraftwerken gesprochen werden soll, spaltet die Schweizer:innen. Die Einstellungen gegenüber Atomkraftwerken sind gemacht, die Neulancierung dieser Diskussion stösst vor allem im Lager der FDP und der SVP auf grosse Zustimmung. Das Bauen von Atomkraftwerken der heutigen Machart wird mehrheitlich nicht als sinnvoll erachtet, während aber der Bau von Atomkraftwerken der nächsten Generation aktuell eine knappe Mehrheit als sinnvoll zu überzeugen vermag. Dies insbesondere da ein Bau solcher neuen Anlagen neben den Anhänger:innen der rechts-bürgerlichen Parteien auch für Parteiungebundene mehrheitlich in Frage kommt. Weniger bestritten ist hingegen, dass die bestehenden Anlagen aber möglichst lange betrieben werden sollen.
Nachdem im vergangenen Jahr die Offenheit gegenüber einem Abkommen mit der EU im Strombereich deutlich gestiegen ist, hat sich die Befürwortung eines solchen Abkommens wieder abgekühlt, bleibt aber weiterhin mehrheitlich. Sobald aber Kompromisse dafür eingegangen werden müssen, besteht keine Mehrheit mehr. Aktuell sind die Stimmberechtigten auch in der Frage nach der vollständigen Strommarktöffnung gespalten. Zurzeit wäre eine kleine Mehrheit der Schweizer:innen für eine freie Wahl des Stromanbieters für alle Konsument:innen, wobei aber die Mehrheit trotz Wahlmöglichkeit beim aktuellen Anbieter bleiben will. Insgesamt ist ein europäisches Stromabkommen ganz generell stark mit der Frage verknüpft, ob man die nächsten Schritte mit der EU machen will oder nicht, unabhängig von diesem spezifischen Abkommen. Deshalb erstaunt es nicht, dass dahinter auch die gleichen parteipolitischen Sympathisant:innen und Gegner:innen stehen.
– Auftraggeber: Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen VSE
– Grundgesamtheit: Stimmberechtigte der Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
– Erhebungsart: Mixed-Mode (Online- und Telefonbefragung)
> Online: hauseigenes Online-Panel „Polittrends“ für Stimmbevölkerung
> Telefon: (CATI) mit Random Digit Dialing
– Stichprobengrösse: Total Befragte N = 1’004
> n DCH: 702
> n FCH: 246
> n ICH: 56
> n Onlinepanel: 296
> n Telefonbefragung: 708
– Gewichtung: Dual-Frame-Gewichtung, Alter/Geschlecht, Sprache, Siedlungsart, Bildung und Partei
– Stichprobenfehler: ±3.1 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
– Befragungszeitraum: 5. bis 19. März 2024