TCS-Notfallbarometer 2025

Die vergessene Kompetenz: Erste Hilfe im Ernstfall

im Auftrag des Touring Club Schweiz

Zum zweiten Mal wird dieses Jahr der TCS-Notfallbarometer befragt. Ziel dieser Befragung ist ein besseres Verständnis über das Wissen, die Bedürfnisse, zugeschriebene Kompetenzen und das Verhalten in medizinischen Notfällen in der Schweiz.

Die Ergebnisse des neunten TCS-Reisebarometers sowie des zweiten TCS-Notfallbarometers basieren auf zwei Befragungen: Einerseits wurde eine repräsentative Auswahl von 1010 Einwohner:innen der Schweiz ab 18 Jahren befragt, wobei 804 Personen mittels eines „Random Digit Dialing (RDD)“-Verfahrens ausgewählt und via Telefon befragt wurden. 20 Prozent dieser Bevölkerungsbefragung wurden entsprechend des Dualframe-Ansatzes auf Handynummern realisiert.

Andererseits wurden zusätzlich zu den Einwohner:innen auch Mitglieder des TCS befragt. Von den insgesamt 1.6 Millionen Mitgliedern des TCS wurde eine zufällige Stichprobe von 10’000 Personen gezogen und zum Mitmachen an einer Online-Umfrage eingeladen. Insgesamt haben sich 1009 TCS-Mitglieder beteiligt.

Der Stichprobenfehler beträgt ±3.1 Prozent bei der Bevölkerungsbefragung und ± 3.1 Prozent bei der Befragung der TCS-Mitglieder.

Details zur Befragungsmethode finden sich in der Infobox am Ende des Cockpits.

 

TCS-Notfallbarometer

Die wahrgenommene Sicherheit unter den Personen, die in den letzten zwei Jahren einen medizinischen Notfall erlebt haben, bleibt ungebrochen hoch. Über 85 Prozent von ihnen geben weiterhin an, sich in einer Notfallsituation sehr gut oder gut aufgehoben gefühlt zu haben.

Das Sicherheitsgefühl im Ernstfall scheint somit fest in der Gesellschaft verankert und so Teil eines kollektiven Bewusstseins und Zugangs zum Thema zu sein.

Nicht nur die empfundene Sicherheit, sondern auch das Vertrauen in Notfallsituationen ist in der Bevölkerung hoch ausgeprägt. Nahezu alle Befragten bekunden Vertrauen sowohl in die Rettungskräfte (99% voll oder eher einverstanden) als auch in die medizinischen Fachpersonen (95%). Die Zuständigkeit – staatlich oder privat – spielt für die Mehrheit kaum eine Rolle: 83 Prozent der Befragten geben an, es sei ihnen egal, ob die Betreuung im Notfall von einer staatlichen oder privaten Organisation übernommen wird. Dabei bleibt allerdings unklar, inwieweit den Befragten bewusst ist, welche Organisationen in welchem Auftrag handeln. Gleichzeitig zeigt sich ein hohes Problembewusstsein bezüglich der Überlastung von Notfallstationen. Weniger klar scheint die Situation bei der Kostentransparenz:

Rund jede fünfte Person weiss nicht, wer im Notfall für die Kosten eines Krankenwageneinsatzes aufkommt und fühlt sich generell unzureichend über die Kostendeckung medizinischer Leistungen im Notfall informiert. Hier besteht Informations- und Aufklärungsbedarf. Auch für die psychologischen Betreuung wünschen sich 72 Prozent der Befragten stärkere Beachtung. Was die Offenheit gegenüber telemedizinischen Angeboten betrifft, zeigt sich ein grundsätzlich positives Bild: Die Mehrheit der Bevölkerung steht dem Einsatz von Telemedizin offen gegenüber, wenngleich rund ein Viertel dem Thema eher zurückhaltend begegnet.

Diese Einschätzungen spiegeln sich auch bei den Mitgliedern des TCS wider. Im Vergleich zur letztjährigen Erhebung lassen sich keine signifikanten Veränderungen feststellen.

In der diesjährigen Befragung wurde ein Schwerpunkt auf die Notfallkompetenzen gelegt, indem neu erfasst wurde, bei welchen der genannten Massnahmen sich die Befragten zutrauen, diese korrekt durchzuführen.

Die Ergebnisse zeigen: In grundlegenden Notfallsituationen fühlen sich die meisten Menschen gut vorbereitet. So geben 90 Prozent an, dass sie einen Notruf korrekt absetzen könnten, 81 Prozent trauen sich zu, eine bewusstlose Person richtig zu lagern, und ebenso viele fühlen sich in der Lage, Rettungskräfte am Unfallort einzuweisen und zu unterstützen.

Deutlich geringer fällt das Selbstvertrauen jedoch bei lebensrettenden Sofortmassnahmen aus. Nur etwa jede zweite befragte Person ist überzeugt, eine Herz-Lungen-Wiederbelebung (CPR) korrekt durchführen oder im Falle eines Erstickungsanfalls angemessen helfen zu können. Auch das Erkennen eines Schockzustands und das richtige Reagieren darauf trauen sich weniger als die Hälfte der Befragten zu. Diese Lücken bei den wahrgenommenen Notfallkompetenzen verdeutlichen den bestehenden Bedarf an gezielter Information und Schulung, um die Bevölkerung auch in kritischen Situationen zu befähigen, wirksam zu handeln.

Bei der Betrachtung einzelner Untergruppen zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede: Männer schätzen ihre Fähigkeit, Notfallmassnahmen korrekt auszuführen, insgesamt höher ein als Frauen. Mit Blick auf das Alter fällt auf, dass sich insbesondere Personen ab 65 Jahren weniger kompetent fühlen. Rechts dargestellt in der Abbildung ist zudem, wie sich Personen in ihrer generellen Notfallkompetenz selbst einschätzen.

Dabei zeigt sich ein klarer Zusammenhang: Wer sich selbst als wenig kompetent wahrnimmt, traut sich auch in konkreten Notfallsituationen signifikant weniger zu – vor allem dann, wenn es um lebensrettende Sofortmassnahmen geht. In dieser Gruppe gibt lediglich jede fünfte Person an, solche Massnahmen korrekt ausführen zu können, was als deutliches Warnsignal zu werten ist.

Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ergibt sich bei den TCS-Mitgliedern ein deutliches Bild: Sie trauen sich insgesamt weniger zu, in konkreten Notfallsituationen korrekt zu handeln. Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede bei den Erste-Hilfe-Massnahmen, bei denen das Selbstvertrauen der Mitglieder deutlich geringer ist. Bei der allgemeinen Einschätzung der eigenen Notfallkompetenz zeigt sich dieser Unterschied weniger stark.

Eine mögliche Erklärung für diese Differenz liegt im Altersunterschied der beiden Gruppen. Wie bereits zuvor ersichtlich, schätzen sich ältere Personen in Bezug auf ihre Notfallkompetenzen generell zurückhaltender ein. Da die TCS-Mitglieder im Durchschnitt älter sind als die Gesamtbevölkerung, dürfte dieser Faktor zur beobachteten Differenz beitragen.

Innerhalb der Gruppe von Personen, die in den vergangenen zwei Jahren einen medizinischen Notfall erlebt haben, wurde zusätzlich erhoben, welche Form medizinischer Hilfe sie in Anspruch genommen haben. Auch wenn sich belastbare Trends erst über mindestens drei Erhebungswellen zuverlässig identifizieren lassen, deuten sich bei drei Antwortkategorien bereits Veränderungen gegenüber früheren Befragungen an, während die übrigen Angaben weitgehend konstant geblieben sind.

So wurde häufiger medizinisches Fachpersonal konsultiert (32%, +15 Prozentpunkte [Pp.]) – ein Anstieg, der im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion stehen könnte, in der zunehmend betont wird, Notfallstationen nur bei tatsächlichem Bedarf aufzusuchen. Ebenfalls zugenommen hat die Nutzung von Notfall-Apps (13%, +11 Pp.), was sich plausibel mit dem allgemeinen digitalen Wandel erklären lässt. In dieses Bild fügt sich auch die gestiegene Inanspruchnahme telemedizinischer Angebote ein (10%, +7 Pp.), die typischerweise mit zunehmender Bekanntheit und Etablierung an Akzeptanz gewinnen.

Schlüsselt man diese Frage erneut nach dem Mitgliedschaftsstatus auf, zeigt sich:  TCS-Mitglieder neigen im Notfall eher dazu, unmittelbar medizinische Hilfe aufzusuchen. Sie fahren häufiger direkt in die Notaufnahme oder kontaktieren medizinisches Fachpersonal.

Digitale Unterstützungsangebote wie Notfall-Apps werden dagegen vergleichsweise seltener genutzt. Von der Telemedizin machen hingegen TCS-Mitglieder und die Bevölkerung gleichermassen Gebrauch.

Insgesamt zeigt sich, dass sich TCS-Mitglieder in Notfallsituationen tendenziell weniger zutrauen als die Gesamtbevölkerung und häufiger den direkten Kontakt mit medizinischem Fachpersonal suchen. Gleichzeitig deutet vieles darauf hin, dass der TCS als glaubwürdiger und geeigneter Absender für Informations- und Aufklärungsarbeit im Notfallbereich wahrgenommen wird:

Das Vertrauen in den TCS ist unter den eigenen Mitgliedern besonders ausgeprägt und liegt mit 32 Prozent sogar leicht über dem Vertrauen in die Polizei (31%). Das höchste Vertrauen gilt im Notfall naturgemäss jedoch weiterhin den spezialisierten Rettungsorganisationen – insbesondere der Berg- und Luftrettung sowie dem Rettungsdienst und der Sanität – sowohl bei TCS-Mitgliedern als auch in der Gesamtbevölkerung.

Insgesamt ist das Vertrauen der Bevölkerung in alle abgefragten Organisationen bei Notfallsituationen leicht gestiegen.

Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich auch bei den Mitgliedern des TCS.

Synthese

Vertrauen als Grundwert

Das Sicherheitsgefühl im Ernstfall ist fest in der Gesellschaft verankert und bildet einen integralen Bestandteil des kollektiven Bewusstseins im Umgang mit Notfällen. Über 85 Prozent der Personen, die in den letzten zwei Jahren einen medizinischen Notfall erlebt haben, berichten, sich sehr gut oder gut aufgehoben gefühlt zu haben. Dieses hohe Sicherheitsgefühl zeigt sich weitgehend unabhängig von aktuellen Ereignissen oder Krisen und spiegelt ein tief verankertes Vertrauen in die zuständigen Akteure wider. Auch unter den Mitgliedern des TCS bestätigt sich dieses Bild. Dabei spielt es für die meisten Menschen kaum eine Rolle, ob die Hilfeleistung von staatlichen oder privaten Organisationen übernommen wird – entscheidend ist die Verlässlichkeit der Betreuung im Notfall. Die starke Verankerung des Sicherheitsgefühls bietet somit eine solide Grundlage, auf der gezielte Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit weiter aufbauen kann.

Notruf - ja, Lebensrettung - eher nicht

Grundlegende Notfallkompetenzen sind in der Bevölkerung zwar breit vorhanden, doch sobald es um lebensrettende Sofortmassnahmen geht, zeigen sich deutliche Unsicherheiten – insbesondere unter den Mitgliedern des TCS. Während sich die meisten Befragten zutrauen, einen Notruf korrekt abzusetzen oder eine bewusstlose Person richtig zu lagern, sinkt das Selbstvertrauen bei komplexeren Massnahmen wie der Durchführung einer Herz-Lungen-Wiederbelebung oder der Hilfeleistung bei einem Erstickungsanfall spürbar. Besonders auffällig ist, dass sich TCS-Mitglieder in ihrer Fähigkeit, solche Massnahmen korrekt auszuführen, noch zurückhaltender einschätzen als die Gesamtbevölkerung. Diese Unterschiede lassen sich teilweise durch die höhere Altersstruktur der TCS-Mitglieder erklären, da ältere Personen generell geringeres Vertrauen in ihre eigenen Notfallfähigkeiten haben. Die festgestellte Kompetenzlücke unterstreicht die Notwendigkeit gezielter Informations- und Schulungsangebote, bei denen der TCS als glaubwürdiger Absender eine zentrale Rolle einnehmen kann, um die Handlungssicherheit seiner Mitglieder im Ernstfall nachhaltig zu stärken.

Methodische Details

  • Auftraggeber: TCS Schweiz
  • Grundgesamtheit
    • Bevölkerung: Einwohner:innen ab 18 Jahren mit Wohnsitz in der Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
    • Mitglieder: Mitglieder des TCS Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
  • Erhebungsart
    • Bevölkerung: telefonisch, computergestützt (CATI), Online Panel Polittrends
    • Mitglieder: online
  • Auswahlverfahren
    • Bevölkerung: Stichprobenplan nach Gabler/Häder für RDD/Dual Frame / Verwendung der Swiss-Interview-Liste, Zufallsauswahl Panel
    • Mitglieder: Zufallsstichprobe aus der Mitgliederdatenbank des TCS Schweiz
  • Stichprobengrösse
    • Bevölkerung: 1’010 (DCH 707, FCH 243, ICH 60)
    • Mitglieder: 1’009 (DCH 622, FCH 312, ICH 75)
  • Befragungszeitraum
    • Bevölkerung: 24.02. bis 27.03.2025
    • Mitglieder: 24.02. bis 30.03.2025
  • Stichprobenfehler
    • Bevölkerung: 3.1%
    • Mitglieder: 3.1%