2. SRG-Trendumfrage zur Abstimmung vom 13. Februar 2022

Vor der Schlussmobilisierung:

Initiative Tierversuchsverbot – Mehrheit dagegen bei Nein-Trend
Initiative Tabakwerbungsverbot – Mehrheit dafür bei Nein-Trend
Bundesgesetz Stempelabgaben – Mehrheit dagegen bei Nein-Trend
Bundesgesetz Massnahmenpaket Medien – Patt mit Polarisierung in Richtung Nein

Studie im Auftrag der SRG SSR

Wäre bereits am 23. Januar 2022 abgestimmt worden, wäre die Initiative zum Tabakwerbungsverbot angenommen worden, während die Initiative zum Tierversuchsverbot, das Gesetz über die Stempelabgaben und das Massnahmenpaket Medien abgelehnt worden wären. Die Stimmbeteiligung hätte bei überdurchschnittlichen 50 Prozent gelegen.

Alle vier Vorlagen erfuhren im Verlauf der Hauptkampagnenphase eine Polarisierung Richtung Nein.  Für die Initiativen ist dies gemeinhin typisch, für Behördenvorlagen entspricht dies jedoch dem Ausnahmefall der Meinungsbildung.

Alle Angaben gelten bei einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Unsicherheitsbereich von ±2.8 Prozentpunkten. Die Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf die Werte der aktuellen Befragung, nicht auf den Abstimmungsausgang am 13. Februar 2022.

Wie üblich handelt es sich auch bei der zweiten Befragung nur um eine Momentaufnahme und keine Prognose zum Abstimmungsausgang. Die Ergebnisse können im Wellenvergleich allerdings auch als Trends interpretiert werden.

Die Befunde der Umfrage werden anhand des Dispositionsansatzes von gfs.bern theoretisch verortet.

Hier finden sich Hintergrundinformationen zu den Vorlagen der Februar-Abstimmung und hier zur Methode der SRG-Trendumfragen.

Ausserdem können Sie hier die Präsentation der Resultate herunterladen.

Übersichtsgrafik Stimmabsichten

Initiative "Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot"

Klarer Nein-Trend bei den Stimmabsichten

Wäre bereits am 23. Januar 2022 über die Volksinitiative „Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot“ abgestimmt worden, wäre sie deutlich abgelehnt worden. Noch etwas mehr als ein Viertel hätte bestimmt oder eher zugestimmt, während mit 68 Prozent mehr als zwei Drittel Nein gestimmt hätten. Der Trend verläuft ausserordentlich deutlich in Richtung Nein. Innert Monatsfrist hat das Ja-Lager 19 Prozentpunkte verloren. Zum Befragungszeitpunkt waren noch 6 Prozent unentschieden.

Die Stimmberechtigten gehen ebenfalls deutlicher als noch im Dezember von einer Ablehnung aus. Im Mittel wird der Ja-Anteil für die Abstimmung am 13. Februar 2022 auf 43 Prozent geschätzt.

Mittlerer Stand der Meinungsbildung

63 Prozent der bisher Mobilisierten haben bestimmte Absichten für oder gegen die Volksinitiative. Diese Stimmabsichten sind mit Argumenten zu etwas über der Hälfte erklärbar, was weiterhin auf Spielraum für den Einfluss der Schlusskampagne auf die Unentschiedenen oder Personen mit wenig gefestigter Meinung hinweist. Die Hälfte der aktuell Ja-Stimmenden ist lediglich tendenziell entschieden. Damit kann der Trend in Richtung Nein durchaus weiter anhalten.

Konfliktmuster: Einhelliges Nein

Keine der untersuchten Untergruppen will mehrheitlich Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot stimmen. In allen Untergruppen gibt es deutliche Nein-Trends. Ausgeprägt ist der Trend Richtung Nein im linken Lager, namentlich bei der Anhängerschaft der Grünen, und auch bei

 

 

Frauen: Zwar gibt es in diesen Gruppen weiterhin einen höheren Ja-Anteil, aber die Mehrheitsverhältnisse haben gedreht. Noch etwas weniger deutlich ist die Nein-Neigung bei Parteiungebundenen. Aber der Trend verläuft auch in dieser Gruppe klar in Richtung Nein.

Argumente: Forschungsstandort Schweiz mit den geltenden Regeln erhalten

Die Trends bei den Argumenten sind typisch für eine Situation, bei der die Ja-Seite systematisch an Boden verliert. Ein prinzipielles Argument der Ja-Seite gegen Eingriffe des Menschen in das Leben wird noch knapp von über der Hälfte unterstützt. Dieses Argument erklärt in erster Linie das verbleibende Ja. Nicht mehrheitsfähig ist die Aussage, wonach die Forschung ohne Leid von Tier und Mensch weiterkommen könnte. Bereits im Dezember 2021 lehnte eine Mehrheit das Argument ab, dass auf Tierversuche verzichtet werden könne, weil auch diese die Medikamentensicherheit nicht garantierten.

Der Fokus richtet sich nun, wie bei Initiativen üblich, zunehmend auf die Schwächen. Nun punktet die Nein-Seite mit drei Argumenten.  Selbst der Verweis auf die

 

 

Zweiklassenmedizin wird neu von einer relativen Mehrheit unterstützt und stärkt die Nein-Seite relevant. Zunehmend wird befürchtet, dass sich Wohlhabende neue Medikamente im Ausland beschaffen könnten. Die wichtigste und wirksamste Schwäche der Initiative benennt die Gegnerschaft mit dem Hinweis auf Forschende, die ins Ausland ausweichen könnten. Das Argument zur Erhaltung des Forschungsstandorts Schweiz hat deutlich an Unterstützung gewonnen und ist gemäss Wirkungsanalyse das wichtigste aller sechs Argumente, die wir zur Beurteilung vorgelegt haben. Das zweitwichtigste Nein-Argument, das unverändert deutlich von den Befragten unterstützt wird, bezieht sich auf die geltenden Regelungen, welche es heute schon erlaubten, Tierversuche in der Schweiz auf ein absolut notwendiges Mass zu reduzieren.

Trend in der Meinungsbildung

Die Meinungsbildung verläuft zwar in die erwartete Richtung, das ist aber deutlicher als üblich der Fall. Die Trends bei den Stimmabsichten in allen Untergruppen, bei der Erwartung der Stimmenden und die sehr kritische

 

 

Beurteilung der Inhalte, die geschlossene Position der politischen Eliten, die Nein-Kampagne und auch die wenig sichtbare Position der Initiant:innen lassen damit nichts anderes als eine klare Ablehnung der Tierversuchsverbots-Initiative erwarten.

 

 

Initiative "Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung"

Gegenwärtige Stimmabsichten: deutliche Mehrheit dafür bei Nein-Trend

Wäre im Januar 2022 über das Tabakwerbungsverbot abgestimmt worden, hätte eine Mehrheit dafür resultiert. 63 Prozent der Personen, die bestimmt teilnehmen wollen, wären für die Initiative gewesen, 35 Prozent dagegen. Mit fortlaufender Diskussion legt das Nein-Lager jedoch zu: 10 Prozentpunkte mehr als noch im Dezember 2021 wollen Nein stimmen – gleichviel hat das Ja-Lager verloren.

Die Erwartungen der Stimmenden sprechen wie die Stimmabsichten selbst weiterhin für die Initiative: Für den 13. Februar 2022 erwarten 67 Prozent der Teilnahmewilligen eine Annahme der Initiative über das Verbot von Tabakwerbung, 33 Prozent eine Ablehnung. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 53 Prozent geschätzt. Die Stimmberechtigten rechnen mit einer Annahme der Initiative.

Mittlerer Stand der Meinungsbildung

69 Prozent der bisher Mobilisierten haben bestimmte Stimmabsichten für (46%) oder gegen (23%) die Initiative. Nur wenige sind noch unentschlossen (2%). Das spricht für einen unverändert mittleren Stand der Meinungsbildung. Weiterhin sind gegen zwei Drittel der Stimmabsichten inhaltlich mit den Argumenten erklärbar. Gegenüber dem Vormonat hat sich die Meinungsbildung nicht weiter verfestigt und es besteht damit weiterhin ein gewisser, wenn auch beschränkter Spielraum für eine Veränderung.

 

Konflikt: FDP- und SVP-Anhängerschaft neu dagegen, alle anderen bleiben mehrheitlich dafür

Die Stossrichtung der Nein-Seite hat vor allem die Anhängerschaft der FDP und der SVP überzeugt: Sie sind nun mehrheitlich gegen das Werbeverbot. Die übrigen Gruppen sind mehrheitlich im Ja. Deutliche Nein-Trends gibt es in der deutschsprachigen Schweiz und in ländlichen Regionen sowie bei Personen mit tiefer oder mittlerer Bildung respektive aus Haushalten im unteren Einkommensbereich. Weniger vom Nein-Trend erfasst wurden vor allem Anhänger:innen der SP, der Grünen und der GLP sowie jüngere Stimmende. Auch regional gibt es Hinweise auf Ja-Mehrheiten, die sich halten. Personen aus der lateinischsprachigen Schweiz und Städter:innen sind und

 

 

 

bleiben in hohem Mass auf der Ja-Seite. Wichtig für den weiteren Verlauf erscheint die Situation bei der Mitte-Anhängerschaft. In ihren Reihen ist der Nein-Trend auch deutlich, es bleibt aber eine Mehrheit von 58 Prozent, die für die Initiative stimmen will. Setzt sich der Trend in Richtung Parteiparole fort, so könnten einige konservative Regionen noch ins Nein-Lager kippen. Auch die Meinungsbildung bei den Frauen könnte am Schluss entscheiden. Sie wurden vom Nein-Trend mit 13 Prozentpunkten mehr Nein-Anteil deutlich erfasst, wollen aber drei Wochen vor der Abstimmung weiterhin zu 70 Prozent für die Initiative stimmen.

Argumente: Die Ja-Seite behält klare inhaltliche Vorteile

Trotz gewisser Dynamik bei der Beurteilung der Initiative bleibt inhaltlich die Ja-Seite überzeugend. in der Hauptkampagne, denn 67 Prozent stehen aufgrund der sechs getesteten Argumente der Ja-Seite näher; nur 27 Prozent der Nein-Seite. Während die Ja-Seite mit allen Argumenten mehrheitlich Unterstützung seitens der Teilnahmewilligen erfährt, erreicht die Nein-Seite nur mit einem Argument knapp mehrheitliche Unterstützung. Dennoch sind die Nein-Argumente nun wirksamer als noch im Dezember 2021, was typisch ist, weil in der Hauptkampagne von Initiativen auch deren Schwächen diskutiert werden.

Relevant für die Meinungsbildung auf der Ja-Seite ist vor allem noch eines von drei Argumenten: Es ist nur konsequent, wenn der Verkauf verboten ist, auch die an Kinder gerichtete Werbung zu verbieten. Dieses Argument unterstützen 68 Prozent der Personen, die teilnehmen wollen.

 

 

 

  • Solche Werbung ist verwerflich.
  • der Schutz von Jugendlichen als Verpflichtung der Gesellschaft

Alle drei Nein-Argumente sind wirksam, womit auch der Gegenvorschlag etwas mehr in den Vordergrund der Diskussion gerückt ist. Allerdings sind nur 36 Prozent überzeugt, dass dieser ausreicht. Am ehesten wirksam auf der Nein-Seite ist der Verweis auf den Status quo, wonach die heutigen Massnahmen für den Jugendschutz ausreichen. Das Argument erhält jedoch nur von 37 Prozent der Teilnahmewilligen Unterstützung. 45 Prozent sehen also umgekehrt einen Handlungsbedarf. Das dritte Argument, welches das Werbeverbot als Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit betrachtet, polarisiert stark: 50 Prozent sind damit einverstanden, 48 Prozent beurteilen den geplanten Eingriff als gerechtfertigt.

Trend in der Meinungsbildung

Die Nein-Seite hat im Januar 2022 im eigenen, rechten Lager durchaus punkten können und in kurzer Zeit viel Kritik aktiviert. Allerdings ist trotz deutlichem Nein-Trend keine Umkehr der Mehrheitsverhältnisse zu erwarten. Frauen oder auch jüngere Stimmberechtigte hegen wie einige andere Untergruppen weiterhin viel Sympathien für das Verbotsanliegen. Auch inhaltlich punktet die Initiative stark: Eein Handlungsbedarf wird weiterhin mehrheitlich attestiert, und man beurteilt ein Verbot der Werbung als logische Konsequenz aus dem Verkaufsverbot von Tabakwaren an Kinder. Der Gegenvorschlag überzeugt bisher zu wenig. Schliesslich erwarten auch die Stimmberechtigten selber viel eher ein Ja als ein Nein. Das Volksmehr scheint bei diesen Voraussetzungen in Griffweite.

 

 

In Bezug auf die Dynamik muss aber ein Punkt offengelassen werden. Verstärkt sich der Nein-Trend wider Erwarten in erhöhtem Mass, so ist ein knappes Volksmehr ein denkbares Szenario. In diesem Fall wäre ein Meinungsumschwung mit starker Mobilisierung vor allem auch in katholischen Regionen mit historisch starker Mitte nötig. Die Mitte hat die Nein-Parole beschlossen, während die Anhängerschaft zurzeit noch mehrheitlich Ja stimmen will. So kann das Ständemehr zu einer Hürde für die Initiative werden. Die Chancen auf ein Ja stehen bei dieser Ausgangslage aber insgesamt besser als die Chancen auf Nein.

Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben

Ablehnende Mehrheit bei Nein-Trend

Die Gegnerschaft der Abschaffung der Emissionsabgabe konnte ihren leichten Startvorteil gemäss erster SRG-Trendumfrage über den Kampagnenverlauf festigen. Eine Mehrheit von 53 Prozent der Teilnahmewilligen hätte Ende Januar gegen die Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben gestimmt, 39 Prozent dafür.

Die Erwartungshaltungen der teilnahmewilligen Stimmberechtigten verweisen ebenfalls auf eine Ablehnung der Vorlage am 13. Februar 2022, allerdings eine weitaus knappere. Im Mittel wird der Ja-Anteil auf 49.9 Prozent geschätzt.

Mittlerer Stand der Meinungsbildung

59 Prozent äussern feste Stimmabsichten, vergleichsweise hohe 8 Prozent zeigen sich noch unentschlossen. Das spricht für sich genommen für einen mittleren Stand der Meinungsbildung. Die argumentative Abstützung der Stimmentscheide bleibt eher schwach. Allerdings sind beide Werte über den Kampagnenverlauf erwartungsgemäss angestiegen. Entsprechend haben Kampagnen bei dieser Vorlage weiterhin Spielraum, besonders im Umfeld von tendenziell Entschiedenen und Unschlüssigen.

 

Konfliktmuster durch scharfe Links-Rechts-Polarisierung geprägt

Stabil hohe Zustimmung findet die Abschaffung der Stempelsteuer im FDP- und SVP-Umfeld. Die deutliche Ablehnung aus den Reihen der SP und der Grünen hat sich über den Kampagnenverlauf verfestigt. Die Stimmabsichten in diesen vier Wähler:innengruppen entwickeln sich in Richtung  der Parolen der Mutterparteien. Gleiches gilt für die Stimmabsichten von GLP-affinen Teilnahmewilligen, die sich nach relativmehrheitlicher Ablehnung in der Ausgangslage zwischenzeitlich im Patt befinden. Anders die Wählerschaft der Mitte. Noch vor einem Monat war sie für die Abschaffung der Stempelsteuer, nun entwickeln sich die Stimmabsichten weg

 

 

von der Parteiparole Richtung Ablehnung. Parteiungebundene äussern sich relativmehrheitlich gegen die Vorlage, bleiben aber zu hohen Anteilen unentschieden.

Die übrigen hier untersuchten Untergruppen hätten die Vorlage grösstenteils mehrheitlich verworfen, wenn auch häufig nur knapp.

Regional betrachtet ist die Ablehnung in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz angestiegen,und sie bestätigt sich in der Deutschschweiz.

 

Argumente: Grosskonzerne haben keine Entlastung nötig vs. Abschaffung generiert Wirtschaftswachstum

Die Gegnerschaft behält auch argumentativ die Oberhand, denn ihre Argumente überzeugen gestiegene Mehrheiten, während die Pro-Argumente an Unterstützung eingebüsst haben und mehrheitlich verworfen werden. Indexiert stehen 60 Prozent der Teilnahmewilligen der Gegnerschaft inhaltlich näher, und nur ein Drittel der Befürworterschaft. Relativiert wird dieser argumentative Contra-Überhang bei der Unterstützung der Argumente dadurch, dass die wirksamsten zwei Argumente auf den Stimmentscheid aus dem Pro-Lager stammen.

Stabil knappe zwei Drittel finden, dass Grosskonzerne und Finanzunternehmen, welche die Stempelsteuer vor allem bezahlen, in der Schweiz unterbesteuert seien und keine Entlastung nötig hätten. Es handelt sich hierbei auch um das wirksamste Argument für einen ablehnenden Stimmentscheid. 63 Prozent stimmen ausserdem zu, dass es ungerecht sei, wenn Kapitaltransaktionen nicht mehr besteuert würden, während die Bevölkerung bei jedem Einkauf Mehrwertsteuer bezahle. Dieses Argument überzeugt breiter als noch vor einem Monat.

 

 

Leicht gestiegene 60 Prozent sind einverstanden, dass Einwohner:innen der Schweiz die Leidtragenden sein würden, weil sie entstehende Steuerausfälle zu tragen hätten.

Wenn Befürworter:innen argumentieren, dass Unternehmen in schwierigen Zeiten auf neues Eigenkapital angewiesen seien und es schädlich sei, sie gerade dann mit zusätzlichen Steuern zu belasten, unterstützen dies stabile 47 Prozent der Teilnahmewilligen. Gestiegene 51 Prozent widersprechen jedoch. Leicht gesunkene 43 Prozent stimmen zu, dass die Abschaffung der Stempelsteuer das Wirtschaftswachstum stärke, weil sie Einkommen generiere und Arbeitsplätze und Investitionen schaffe. Es handelt sich hierbei um das Argument mit der stärksten Wirkung auf den Stimmentscheid. 50 Prozent sind nicht einverstanden mit dieser Aussage. Dass die geltende Regelung ungerecht sei, weil die Stempelsteuer Unternehmen unabhängig von der Rentabilität ihrer Investitionen belaste, wird nach wie vor von einer knappen und gesunkenen Mehrheit verworfen.

Trend in der Meinungsbildung

Angesichts des Parolenspiegels und der Schlussabstimmungen in den Räten überraschen die  vorgefundenen Stimmverhältnisse und der Trend zur Stempelsteuer. Kritik am Vorhaben war bereits in der Ausgangslage relativ weit verbreitet und hat sich über den Kampagnenverlauf erhärtet. Die Befürworterschaft ist in der Defensive und hat Mühe breit zu überzeugen. Allerdings bleibt der Stand der Meinungsbildung zurück.

Nichtsdestotrotz verdichten sich die Anzeichen, dass die Änderungen am Bundesgesetz über die Stempelabgabe an der Urne scheitern, denn der Trend der Meinungsbildung verläuft Richtung Nein. Das entspricht einem Ausnahmefall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage; denn im

 

Normalfall gleichen sich die Stimmabsichten der Stimmbürger:innen über den Kampagnenverlauf an die Empfehlungen von Bundesrat und Parlament an.

Stand heute ist eine Ablehnung der Vorlage klar wahrscheinlicher als eine Annahme. Ausserhalb des rechten politischen Spektrums findet sie zu wenig Unterstützung. Zudem überzeugt die Argumentation der Gegnerschaft besser, auch wenn die Pro-Seite über die beiden wirksamsten Argumente für einen Stimmentscheid verfügt. Die Vorlage wird als ungerecht empfunden und diese Art der Argumentation hat bereits andere Vorlagen zur Besteuerung von Unternehmen wie beispielsweise die Unternehmenssteuerreform III zu Fall gebracht.

Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien

Gegenwärtige Stimmabsichten: Relative Nein-Mehrheit bei schwacher Polarisierung Richtung Nein

Leicht gestiegene 49 Prozent der Teilnahmewilligen hätten Ende Januar 2022 gegen das Massnahmenpaket zugunsten der Medien gestimmt, 46 Prozent dafür. 5 Prozent waren noch unentschieden. Der Trend der Meinungsbildung verläuft tendenziell Richtung Nein.

Der Eindruck, dass das Massnahmenpaket zugunsten der Medien abgelehnt wird, hat sich dabei über den Kampagnenverlauf verstärkt. Eine relative Mehrheit (48%) der Teilnahmewilligen schätzt den Ja-Anteil für die Vorlage unter 50 Prozent. Vor einem Monat schätzten 55 Prozent einen Ja-Anteil von mehr als 50 Prozent. Im Mittel wird er auf 49 Prozent geschätzt.

Stand der Meinungsbildung fortgeschritten

Gestiegene 63 Prozent der Stimmbürger:innen haben eine feste Meinung zur Vorlage. 35 Prozent der Teilnahmewilligen sind bestimmt gegen das Massnahmenpaket Medien, 28 Prozent sind bestimmt dafür. Hoch ist auch die argumentative Abstützung der aktuellen Stimmabsichten.

So präsentiert sich das Meinungsbild zwar nach wie vor gespalten, aber konsolidiert. Der Stand der Meinungsbildung ist fortgeschritten. Kampagnen können maximal noch Unentschiedene und tendenziell Entschiedene erreichen.

 

Vorläufiges Konfliktmuster: Scharfe Links-Rechts-Polarisierung, Vertrauensfrage und regionale Prägung der Stimmabsichten

Die Gespaltenheit der Meinungsbildung zeigt sich auch in den untersuchten Untergruppen. Zehn gesellschaftliche Gruppen sind im Ja, zwölf im Nein. Klare Mehrheiten der GPS- und SP-nahen Wählerschaften sind für das Massnahmenpaket und das noch deutlicher als vor einem Monat. Mehrheitlich aber rückläufig ist die Zustimmung aus den Reihen der GLP und der Mitte. Sympathisant:innen der FDP, der SVP sowie Parteiungebundene sind gegen das Medienpaket. Damit stehen alle Wählergruppen mehrheitlich auf Seiten ihrer jeweiligen Mutterpartei.

Das Regierungsvertrauen bestätigt sich als weitere massgebende Variable zur Erklärung eines Stimmentscheids. Teilnahmewillige mit Vertrauen in die Regierung sind stabil für das Massnahmenpaket, solche mit Misstrauen stabil dagegen.

Auch regionale Effekte bleiben bestehen. Teilnahmewillige aus der deutschsprachigen Schweiz stehen dem Medienpaket stabil

 

 

ablehnend gegenüber. Teilnahmewillige aus der französischsprachigen Schweiz bleiben bei einem Nein-Trend knapp dafür. Und in der italienischsprachigen Schweiz hat sich das Bild gewendet. Neu findet sich dort eine zustimmende Mehrheit.

Teilnahmewillige aus ländlichen Gebieten sowie aus kleinen und mittleren Agglomerationen lehnen die Vorlage bemerkenswerterweise eher ab, während sie von Teilnahmewilligen aus urbanen Gebieten Unterstützung erfährt.

Die Trends in den verschiedenen Altersgruppen verlaufen uneinheitlich. Bei Teilnahmewilligen unter 40 Jahren und solchen ab 65 Jahren steigt die Zustimmung und ist (relativ-)mehrheitlich. In der mittleren Altersgruppe sinkt sie. Die Ablehnung ist dort nun mehrheitlich. Weggebrochen ist auch die ursprüngliche Unterstützung von Teilnahmewilligen mit tiefer Bildung.

Argumente: Demokratiestärkung vs. vorhandene Zahlungsbereitschaft

Argumentativ bleibt die Befürworterschaft knapp vorne, aber sie ist unter Druck geraten. Indexiert stehen 49 Prozent der Teilnahmewilligen den Pro-Argumenten näher, 47 Prozent den Contra-Argumenten. Auch stammt das wirksamste Argument zur Erklärung eines Stimmentscheides aus dem Pro-Lager. Aber die Pro-Argumente haben innert Monatsfrist deutlich an Unterstützung eingebüsst. Dies allerdings ohne dass die Contra-Argumente zugelegt hätten.

So sind gesunkene 54 Prozent der Teilnahmewilligen der Ansicht, das neue Medienpaket stärke die Demokratie, weil es unabhängige Berichterstattung auch in den Regionen fördere. Diese Haltung befördert am deutlichsten ein Ja zur Vorlage. Verminderte 50 Prozent stimmen zu, dass Schweizer Medien

 

 

durch das neue Gesetz sieben Jahre Zeit gewinnen würden, um wieder ohne Hilfe auf einem stark veränderten Markt überleben zu können. Und ebenfalls rückläufige 46 Prozent finden, das Medienpaket stärke die Unabhängigkeit der Schweizer Medien.

Die Gegnerschaft überzeugt stabile 56 Prozent, wenn sie argumentiert, es sei nicht Aufgabe des Staates, einzelne Branchen vor Marktveränderungen zu schützen. Weiter verwerfen zwar 50 Prozent die Aussage, dass Leute bereit seien für guten Journalismus zu zahlen und eine staatliche Finanzierung daher unnötig sei. Aber dieses Argument wirkt am stärksten auf ein Nein. 52 Prozent sind nicht einverstanden, dass unabhängige Berichterstattung gefährdet sei, wenn Medien Geld vom Staat erhielten.

Trend in der Meinungsbildung

Das Meinungsbild zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien bleibt von Ambivalenz geprägt. Politische Bindungen bestimmen es am deutlichsten. Rechts ist gegen das Massnahmenpaket, links dafür. Entscheidend werden Voten aus der politischen Mitte und von Parteiungebundenen sein. Erstere sprechen sich vermindert für das Gesetz aus, letztere deutlich dagegen.

Die Stimmberechtigten erwarten eher eine knappe Ablehnung.  Aufgrund der vorgefundenen Dynamik der Meinungsbildung – gemessen an Stimmabsichten und an Argumenten – ist dieses Szenario denkbar. Der Nein-Anteil ist gestiegen und Pro-Argumente haben an Unterstützung eingebüsst. Das entspricht

 

einem, in letzter Zeit häufiger beobachteten, Ausnahmefall der Meinungsbildung zu einer Behördenvorlage. Setzt sich die Polarisierung zum Nein weiter fort, resultiert am 13. Februar ein Nein. Stagniert sie aber, ist auch ein Ja möglich. Hinweise für ein Ja finden sich bei statischer Betrachtung argumentativen Haltungen, welche nach wie vor auf einen knappen Vorteil des Pro-Lagers verweisen.

Aufgrund des vorgefundenen stark gespaltenen Meinungsbildes muss der Abstimmungsausgang weiterhin offengelassen werden mit leichten Vorteilen der Nein-Seite. Die anstehenden letzten Tage der Hauptkampagne werden wegweisend sein.

 

Vorläufige Teilnahmeabsichten

Überdurchschnittliche Mobilisierung für den 13. Februar 2022

Mit einem Anstieg von 9 Prozentpunkten auf nunmehr 50 Prozent fester Teilnahmeabsicht kann von einem Mobilisierungsschub die Rede sein. Aufgrund der Festtage haben Kampagnen allerdings später als üblich eingesetzt und entsprechend hinkte auch die Mobilisierung etwas hinterher. Der aktuell gemessene Wert liegt klar über dem langjährigen Mittel von 46 Prozent.

 

 

 

Die Beteiligungsbereitschaft steigt in der Regel bis zum Abstimmungstag selbst, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sich an der Urne mehr Leute als die 50 Prozent zum Ausdruck bringen werden. Gerade die Schlussmobilisierung war in der laufenden Legislatur oft überraschend hoch.

 

Profil der Beteiligungswilligen

Aktuell sind primär jene Stimmberechtigten mobilisiert, die bei jeder Abstimmung eine hohe Teilnahmebereitschaft aufweisen: Personen im Pensionsalter, Männer sowie Stimmberechtigte mit hoher Schulbildung oder hohem Einkommen. Jedoch holen gerade junge Stimmberechtige und solche mit tiefer Bildung und tiefen Einkommen deutlich auf, so dass sich das Profil ausgeglichener zeigt als noch vor einem Monat.

 

In der Tendenz sind Personen mit Affinität für eine linke Partei stärker mobilisiert als jene mit Sympathien für Parteien im rechten Lager oder Parteiungebundene. Letztere holen aber auf. Überdurchschnittlich mobilisiert wurden über den Kampagnenverlauf zudem regierungskritische Kreise.

Die Mobilisierung ist aktuell in der deutschsprachigen Schweiz mit 51 Prozent gegenüber den anderen Sprachregionen leicht erhöht. Gestiegen sind die Teilnahmeabsichten jedoch flächendeckend.

Zitierweise

Zweite Welle der SRG-SSR-Trendbefragung zu den Volksabstimmungen vom 13. Februar 2022 vom Forschungsinstitut gfs.bern. Realisiert zwischen dem 19. und dem 26. Januar 2022 bei 7’660 Stimmberechtigten. Der statistische Fehlerbereich beträgt +/-2.8 Prozentpunkte.

Methode und Datengrundlage

Der telefonische Teil der vorliegenden Befragung wurde vom gfs-Befragungsdienst realisiert, die Auswertung und Analyse der Daten nahm das Forschungsinstitut gfs.bern vor.

Befragt wurde via eines RDD-Dualframe-Verfahrens per Festnetz und Handy. Seit dem Herbst 2018 wird im Rahmen des SRG-Trend-Mandats die telefonische Umfrage durch eine Online-Befragung ergänzt, mit dem Ziel die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen. Der Online-Teil wurde als Opt-in-Befragung (Mitmachbefragung) über die Webportale der SRG SSR Medien realisiert.

Um sprachregionale Aussagen machen zu können, haben wir die Sprachminderheiten in der CATI-Befragung überproportional berücksichtigt. Diese wurden, um nationale Aussagen machen zu können, wieder ins richtige Verhältnis gebracht.

Keine Aussagen können wir über das Ständemehr machen, denn die Fallzahl lässt gesicherte Rückschlüsse auf die Kantone nicht zu.

Weiterführende Informationen zur Theorie und der Methode der SRG-Trendumfragen finden sich hier.

Technischer Kurzbericht

Auftraggeber: CR-Konferenz der SRG SSR
Grundgesamtheit: Stimmberechtigte Schweizer:innen
Herkunft der Adressen CATI: Stichprobenplan Gabler/Häder für RDD/Dual-Frame; Verwendung Swiss-Interview-Liste,
Herkunft der Adressen Online: Opt-in-Befragung über die Webportale der SRG SSR
Datenerhebung: telefonisch, computergestützt (CATI) und Online
Art der Stichprobenziehung CATI: at random/Geburtstagsmethode im Haushalt geschichtet nach Sprachregionen
Art der Stichprobenziehung Online: offene Mitmachumfrage
Befragungszeitraum: 19. – 26. Januar 2022
mittlerer Befragungstag: 23. Januar 2022
Stichprobengrösse: minimal 1’200, effektiv 7’660 (Cati: 1’205, Online: 6’455), n DCH: 5’676, n FCH: 1’559, n ICH: 412
Stichprobenfehler: ± 2.8 Prozentpunkte bei einem Wert von 50% (und 95%iger Wahrscheinlichkeit)
Quotenmerkmale CATI: Geschlecht/Alter interlocked
Quotenmerkmale Online: keine
Gewichtung: Dual-Frame-Gewichtung, Sprache, Siedlungsart, Parteiaffinität, Recall, Teilnahme
mittlere Befragungsdauer CATI: 16.7 Minuten (Standardabweichung: 4.3 Minuten)
Publikation: 2. Februar 2022, 6h00