Eidgenössische Volksabstimmung vom 18. Juni 2023

Politische Grosswetterlage vor den Abstimmungen

Studie im Auftrag der SRG SSR

Über folgende Vorlagen entscheidet das Stimmvolk am 18. Juni 2023:


  • OECD/G20-Mindeststeuer
  • Klima- und Innovationsgesetz
  • Covid-19-Gesetz

Politische Grosswetterlage

Allgemeine Lage

Die allgemeine Lage wird seit 2022 durch den Krieg in der Ukraine resp. den wirtschaftlichen Folgen für die Schweiz bestimmt. Das hat vor allen eine skeptische Erwartung zur Wirtschaftsentwicklung verstärkt. Zunehmend wird das durch die Ereignisse des Wahljahres überlagert. Die Abstimmungen vom 18. Juni sind ein Bestandteil davon.

Sorgen der Schweizer Bevölkerung

Die jährliche Publikation des Credit Suisse Sorgenbarometers zeigte Ende 2022, dass die Umweltfrage mit 39 Prozent die Top-Sorge der Schweizer:innen ist. Im Vergleich zur letztjährigen Befragung ist der Wert unverändert, doch, weil die Pandemie mit aktuell noch 13 Prozent aus den Top-Sorgen verschwunden ist, rückt das Umwelt-Thema dieses Jahr auf Platz eins vor.

Das Thema AHV/Altersvorsorge rangiert mit 37 Prozent auf dem zweiten Platz. Die diesjährige Sorgenlandschaft ist zudem geprägt durch das Aufkommen neuer Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Das Bewusstsein für Themen wie Energiefragen, Versorgungssicherheit oder auch Teuerung steigt deutlich an.

Das Credit Suisse Sorgenbarometer beschreibt die Stimmungslage Ende 2022 wie folgt: „Die Stimmbevölkerung der Schweiz blickt mit deutlich weniger Optimismus in die wirtschaftliche Zukunft.“ Dabei geht es laut der Umfrage nicht in erster Linie um die Angst, den eigenen Job zu verlieren. Im Gegenteil: „Die Arbeitslosigkeit fällt erstmals seit 1988 aus den Top-10 der grössten Sorgen. Vielmehr geht es um die Unsicherheit, ob und wie die Versorgung des Landes und der Erhalt des gewohnten Lebensstandards unter den aktuellen Voraussetzungen mit zahlreichen Krisen garantiert werden kann.“

Auch der SRG-Wahlbarometer klärt den Problemhaushalt der Bürger:innen. Es bestätigt im Wesentlichen die Hierarchie im Sorgenbarometer. Dafür zeigt dieses Instrument, welche Probleme für die Wahlentscheidung angesehen werden und wie sich das auf die Parteien verteilt.

Bei der Wahlrelevanz kommt der Klimawandel zuerst, gefolgt von der Zuwanderung und der Sozialen Sicherheit resp. den Lebenshaltungskosten.

Eigen ist vor allem die Agenda der SVP-Wählerschaft. Für sie ist die Zuwanderung das Top-Thema. An der Basis der FDP sind es Wirtschaftsfragen, bei der Mitte die Versorgungssicherheit. SP, Grüne und GLP rangieren den Klimawandel zuoberst ((Bild-)Quelle Wahlbarometer 2023).

Gegenüber 2019 spricht das für eine parteipolitisch differenzierte Wahrnehmungsweise der Probleme. Damals gab es mit dem Klima nur ein Thema, auf das sich alle beziehen mussten.

Der Mediendiskurs

Für die Grosswetterlage ist der Problemhaushalt der Bürger:innen eine notwendige, aber nicht hinreichende Operationalisierung. Denn darunter versteht man die vorherrschende öffentliche Meinung, die sich namentlich auch aus dem politisch-medialen Diskurs ergibt.

Dabei ist es 2022 zu einem eigentlichen Bruch von der Pandemie zum Ukraine-Krieg gekommen. Ersteres war ein medial anhaltendes Thema. Zweiteres ist ein stark verunsicherndes Thema, bei dem es aber bald zu einem Gewöhnungseffekt kam.

Der Konflikt in der Pandemiezeit entwickelte sich vom Schutz der Gesundheit durch den Staat hin zur libertären Kritik an den Massnahmen der Behörden. Das mobilisierte zunächst die ausserparlamentarische Opposition, vor allem von rechts, beschränkt auch aus grünroter Richtung. Zu Beginn gab es kaum eine kritische Öffentlichkeit, mit Aufbrechen der politischen Kontroverse. Ab der zweiten Welle konnte man eine solche feststellen.

Der Krieg in der Ukraine hat die Dimension von Innen und Aussen neu polarisiert, dies zwischen nationalkonservativen Werthaltungen einerseits und der Bevorzugung der internationalen Kooperation anderseits. Neutralität, Sanktionen, Kriegsmateriallieferungen und Nato-Kooperation sind polarisierende Themen geworden. Die redaktionellen Medien tendieren zu einer Haltung, die der Ukraine nahesteht. Davon klar abweichend ist die Weltwoche mit Chefredaktor Roger Köppel, die eindeutig pro russisch positioniert ist.

Die wirtschaftliche Lage der Schweiz

Die Ängste zur wirtschaftlichen Lage, wie sie bei Kriegsausbruch dominierten, sind zwischenzeitlich etwas rückläufig.

Die Expertengruppe Konjunkturprognosen erwartet für das Jahr 2023 ein deutlich unterdurchschnittliches Wachstum der Schweizer Wirtschaft von 1,1 %, gefolgt von 1,5 % im Jahr 2024. Hier geht es zur Prognoseübersicht.

Im März 2023 korrigierte die SNB ihre Lagebeurteilung. Sie wurde insbesondere bei der Inflation kritischer. Vorerst seien die Importgüter entscheidend, doch ziehe die Teuerung auch bei den Inlandgütern an. Dies lasse sich nicht ohne weiteres über eine Erstarkung des Frankens abfedern (Bildquelle NZZ).

Die SNB selber schloss 2022 mit einem Rekordverlust von 132 Milliarden Franken ab. Sie musste Wechselkursverluste verbuchen, welche die gesamte Ausschüttungsreserve aufbrauchten und das Eigenkapital schmälerten. An Gewinnausschüttungen zugunsten der Kantone ist nicht mehr zu denken.

Alle Kantone schliessen für 2022 mit schwarzen Zahlen ab. Restriktive Budgetierung und Mehreinnahmen trotz Pandemie werden als Hauptgründe gesehen.

Die definitive Staatsrechnung des Bundes liegt noch nicht vor. Die provisorische schliesst mit einem Defizit ab.

Die Bankenkrise

Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS führte zu einer Erschütterung, namentlich in der Schweiz. Vom Bundesrat durchgesetzt wurde eine private Lösung mit staatlichen Krediten und Garantien in der Grössenordnung von 259 Milliarden Franken. Das löste umgehend eine Debatte über Ursachen und Folgen aus. Kritisiert wurden die neue Grösse der Monopolbank und die Risikokultur, namentlich wegen der gängigen Praxis im Zusammenhang mit Bonuszahlungen.

Aus dem Parlament folgte in einer Sondersession Zustimmung und Widerspruch. Zwar stimmte der Ständerat zu, doch der Nationalrat lehnte das zweimal ab, angeführt von SVP, SP und den Grünen.

Die Bundesratsparteien beschuldigten sich anschliessend heftig, sie hätten die Verantwortung nicht mitgetragen resp. der Bundesrat habe eine unzureichende Lösung favorisiert.

Der Bundesrat hat das Nein des Nationalrats zur Kenntnis genommen, hält aber an seinem Vorgehen fest.

Das mediale Klima blieb auch danach skeptisch. Kritisiert wird vor allem die Anwendung von Notrecht.

Eine Umfrage von gfs.bern zeigte Wut und Ohnmacht gegenüber dem Bankendeal in der stimmberechtigten Bevölkerung. Eine Mehrheit ist nicht einverstanden mit der aktuellen Lösung, aber auch eine staatliche Übernahme oder der kontrollierte Konkurs sind nicht sehr stark abgestützt.

Der Ruf nach Rechenschaft der strategisch Verantwortlichen der Credit Suisse, parlamentarische Aufbereitung und strikteren staatlichen Regeln ertönt dafür umso lauter und ist breit in der Bevölkerung abgestützt.

Gegenüber der jetzt (zu) grossen UBS ist ein hohes Risikobewusstsein erkennbar. Generell ist die Zustimmung zu einer Aufteilung der UBS vorhanden, aber auch dafür, das Schweizer Geschäft unter dem Namen Credit Suisse bestehen zu lassen.

Mehrheitlich glaubwürdig ist nur die Nationalbank. Es folgen abgestuft das Management der UBS, der Bundesrat, das Parlament und die Finma. Ganz am Ende befindet sich die Credit Suisse.

Unter den Parteien hat die SP das beste Image, gefolgt von der Mitte, den Grünen, den Grünliberalen, der SVP und am Ende steht die FDP. Keine Partei hat aber eine mehrheitlich ausgeprägte Glaubwürdigkeit in der Bankenkrise. Auswirkungen auf die Wahlabsichten bleiben aber unbekannt.

Politisches Klima

Das Regierungsvertrauen in der Schweiz ist und bleibt im internationalen Vergleich hoch. Als Hauptgründe werden die Direkte Demokratie, die Mehrparteienregierung und funktionierende staatliche Dienstleistungen gesehen. Die Anteil Stimmberechtigten mit Vertrauen schwanken meist zwischen 60 und 70 Prozent. Das hat auch die Pandemie nicht grundlegendend verändert, allenfalls modifiziert.

Wahlen und Abstimmungen

In der laufenden Legislaturperiode war die GLP die Partei mit der höchsten Kongruenz zwischen Parteiparolen und Abstimmungsmehrheit. Kritisiert wird aber, dass die Empfehlungen nicht immer mit den Mehrheiten in der Fraktion übereinstimmen. An zweiter Stelle rangiert die Mitte, an dritter die FDP. Naturgemäss sind Polparteien weniger häufig erfolgreich. Am häufigsten in der Opposition waren die Polparteien, allen voran die Linken.

Die drei Parteien (GLP, die Mitte und FDP) waren auch im Parlament am erfolgreichsten, wenn es um die Mehrheiten ging. Allerdings liegen die Grünliberalen hier an dritter, nicht an erster Stelle.

Treten diese drei Parteien geeint auf, bestimmten sie den Gang der politischen Dinge in der Schweiz.

Gegenwärtig wird für 25 Volksinitiativen Unterschriften gesammelt. Die Themenpalette ist sehr breit.

Einige Initiativen stehen im Zusammenhang mit den eidg. Wahlen, sei es, dass sie direkt von Parteien lanciert wurden, oder indirekt zu ihnen stehen. Eigene Initiativen haben die SP, die Grünen und die Mitte lanciert, Umfeldinitiativen gibt es massiert bei der SVP und eine im politischen Zentrum.

Die 13 ganz parteiunabhängigen Volksinitiativen, für die Unterschriften gesammelt werden, betreffen

  • vor allem die PostCovid19 Politik 6, (Aufarbeitung, Neue Bundesverfassung, Entschädigung, Dringliche Bundesgesetze, Naturheilkunde, Selbstvorsorge)
  • Wirtschaftspolitik (2, Bargeld, Kontingentwirtschaft)
  • Tierschutz (2, Pelz, Stopfleber)
  • Energieversorgung (1, «Jede Kilowattstunden zählt»)

sowie Einzelthemen (2, Chauffeurinitiative resp. Feuerwerkinitiative). Sie beleben in erster Linie die Zivilgesellschaft.

Letzte kantonale Wahlen

Die Wahlen im Kanton Zürich gelten als Testwahlen für den eidg. Wahlherbst. Wirkliche Sieger gab es nicht, vielmehr herrschte Stabilität vor. Die Grünen verloren am meisten, die SVP gewann am meisten, letztlich aber wenig. Trotz Skandalen im Vorfeld wurden alle sieben Mitglieder in der Kantonsregierung bestätigt.

In Genf zeigten die jüngsten kantonalen Wahlen Gegenteiliges. Siegreich war die neue Liste von Pierre Maudet. Zulegen konnten auch die SVP und der Mouvement Citoyens Genevois (MCG). Am meisten verloren hat die FDP, aber auch die Mitte erlitt Verluste. Die GLP legt zwar zu, scheiterte aber erneut an der Sperrklausel. Möglicherweise kippt die rotgrüne Mehrheit im zweiten Wahlgang der Regierungsratswahlen.

In Appenzell Ausserrhoden blieb vieles stabil. Gewisse Verluste gab es für die FDP, die GLP zog erstmals in Parlament ein.

Nach der systematischen Auswertung aller kantonalen Wahlen seit den letzten Nationalratswahlen befinden sich die GLP und Grünen im Plus, namentlich die SP, FDP und Mitte im Minus. Die SVP hat eine fast ausgeglichene Bilanz.

Aufgelöst über die Zeit, hat sich namentlich der Aufstieg der Grünen ins Gegenteil verkehrt. Umgekehrt legt die SVP wieder zu. Der Abstieg der SP wurde gebremst, jener der Mitte verlangsamt, während bei der FDP namentlich die Niederlage in Genf negativ zu Buche schlägt.

Man kann das auch als Wandel der Grosswetterlage durch den Ukraine-Krieg sehen. Seit Kriegsausbruch (Wahlen in NW und OW) legt die SVP zu, auch die Grünliberalen gewinnen. Die Grünen stagnieren. Negativ ist die Bilanz bei SP, Mitte und FDP, wobei die SP ihren Niedergang neuerdings gestoppt hat. Aufgrund der kantonalen Sitzverschiebungen kann man seit 2022 von einem leichten Rechtsrutsch mit Tendenzen zur Polarisierung sprechen.

Zwischen nationalen und kantonalen Wahlen gibt es seit den 1990er Jahren systematische Unterschiede: SVP, SP und Grüne schneiden auf der nationalen Ebene meist besser ab als auf der kantonalen. Bei FDP und CVP ist das genau umkehrt. Bei den Grünliberalen ist noch keine Unterscheidung ersichtlich.

Der Unterschied rührt von den Eigenheiten der Wahlen her. Kantonale Wahlen werden durch die Entscheidungen für die Regierung entschieden. Sie sind personenzentriert und meist ohne grosse Streitthemen. Die Mobilisierung ist geringer. Nationale Wahlen sind viel thematischer und polarisierter. Sie kennen eine höhere Beteiligung, was die Polparteien bevorteilt. Vermehrt kommt es dabei zu negativem Campaigning. Neuerdings gibt es auch Indizien, dass sich die Beteiligungs- und Wahlabsichten im Wahlkampf verstärkt verändern könnten.

Der Bundesrat

Das Wahljahr wurde bisher durch die vorgezogenen Bundesratswahlen, die letzten kantonalen Wahlen und die Bankenkrise bestimmt.

Die Rücktritte von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga führen zu vorgezogenen Bundesratswahlen. Diese stützten die Konkordanzdemokratie. Die Grünen traten zweimal nicht an.

Gewählt wurden gemäss bisherigem parteipolitischem Proporz Albert Rösti (SVP) und Elisabeth Baume-Schneider (SP). Kritisiert wurde, dass es damit zu einer Übervertretung der Suisse Romande gekommen sei. Das solle man bei Gelegenheit korrigieren.

Die Departementsverteilung verlief nach dem Wunsch der bürgerlichen Parteien. Karin Keller-Sutter wechselte ins EFD, Albert Rösti wurde Chef des UVEK und Elisabeth Baume-Schneider bekam das EJPD.

Als Bundespräsident wurde Alain Berset (SP) gewählt, Vize wurde Viola Amherd (M). Wiederkehrend wird medial erwartet, dass Alain Berset nach dem Präsidialjahr zurücktritt. Er selber dementierte dies jedoch wiederholt.

Der neue UVEK Chef hat seine Position in der Energieversorgung bekanntgemacht. Energie habe vor Umwelt Priorität. Zudem solle sie technologieneutraler erfolgen, das schliesst die der Kernenergie mit ein. Die neue EJPD-Chefin betonte ihrerseits, dass ihr die Solidarität mit Schutzsuchenden und Flüchtlingen besonders wichtig sei. Die parteipolitische Kritik, namentlich von Seiten der Nicht-Regierungsparteien, blieb bisher zurückhaltend.

Eine Indiskretion von Untersuchungsberichten zu Crypto- resp. Corona-Leak durch die CH Media löste eine vorübergehend heftige Kontroverse aus. Angegriffen wurde vorerst vor allem Bundespräsident Alain Berset, dessen Rücktritt die SVP umgehend forderte. Berset erklärte sich vor dem Bundesrat, der ihm das Vertrauen aussprach. Der Sonderstaatsanwalt sistierte zwischenzeitlich alle Verfahren in Sachen Crypto-Leak. Die Weitergabe aller E-Mails von Kommunikationschef Peter Lauener wurde als widerrechtlich bezeichnet.

Das Wahlbarometer 2023 wiederholte die Hauptaussage vom letzten Herbst. Demnach ist Viola Amherd konstant besonders sympathisch, Karin Keller-Sutter sowohl sympathisch wie einflussreich. Berset gilt bei Freund und Feind unverändert als einflussreichster Bundesrat.

Zwischenbilanz

Mehrfach wurde in jüngster Zeit bilanziert, die grüne Welle aus dem Wahljahr 2019 sei abgeflacht oder ausgelaufen. Angefangen hatte das mit dem Nein zum CO2-Gesetz 2021, klar zum Ausdruck kam es mit den Zürchern Kantonsratswahlen 2023. Die zentrierte GLP profitiert noch vom neuen Klimabewusstsein, die linken Grünen bereits nicht mehr.

Ein neues Leadthema mit einer klar favorisierten Partei gibt es jedoch nicht. Es gibt eine beschränkte Verschiebung nach rechts, von der anfänglich eher die FDP, jetzt die SVP profitieren kann.

Insgesamt rechnet man mit einer Stabilisierung der Parteienlandschaft, Gewinnen für die SVP und Verlusten für die Grünen.

Bei der GLP findet unverändert eine Neueinbindung statt. Bei SVP und GPS gibt es Pendelbewegungen. Bei der SP, der FDP und der Mitte konnte der Rückgang verlangsamt oder gestoppt werden.

Im Wahljahr werden alle Parteien versucht sein, sich so gut und klar wie möglich zu den Abstimmungen zu präsentieren. Bei der SVP und dem Klima- und Innovationsgesetz (KIG) ist das am deutlichsten der Fall. Es könnte auch zwischen FDP, SP und OECD/G20 -Mindeststeuer dazu kommen. Bei der Covid-19-Vorlage ist denkbar, dass sie die ablehnende ausserparlamentarische Opposition via Abstimmungskampf als neue Parlamentsbewegung / -partei empfehlen will.

Der skeptische Grundton kann sich auf alle drei Referendumsvorlagen negativ auswirken, das ist aber vor allem beim Klima- und Innovationsgesetz zu erwarten.

Ersteres trifft vor allem die Massentierhaltungsinitiativen, Zweiteres die Referenden und da besonders die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer negativ.

Aussichten auf die eidg. Wahlen

Zwei Umfragen in ersten Quartal 2023 zeigen die Ausgangslage für die politischen Parteien im eidg. Wahljahr nach. Letztlich sagten sie das Gleiche aus:

Die SVP kann aus jetziger Sicht mit leichten Gewinnen rechnen, bei den Grünen setzt es klare Verluste ab. Bei allen anderen Parteien gilt mehr oder weniger klar der Gesamteindruck der Stabilisierung der Parteienlandschaft. Bleib es dabei, ändert sich die Reihenfolge der Parteien seit der Fusion der CVP und der BDP nicht.

Eine neuartige Analyse von nationalen Wahlprogrammen betont die Polarisierung seit den Wahlen 1995. Dominant ist der Gegensatz von SVP und SP/Grünen. Dabei geht es nicht um eine klassisch ökonomische Polarisierung wie noch in den 1980er Jahren, sondern um den Gegensatz von Lebensweise auf der GAL-TAN Dimension. Die zu erwartenden Gegensatzpaare sind demnach

  • Alternativ vs. Traditionell
  • Grün vs. Nationalistisch
  • Libertär vs. Autoritär

Daran anknüpfend stellen wir bei der Analyse des parteipolitischen Konflikts auf ein neuartiges Schema um, das auf dem Chapel Hill Expert Survey basiert. Es baut auf einer systematischen Auswertung der Programme europäischer Parteien aus dem Jahre 2019 auf, und es ist zweidimensional (ökonomisch links/rechts resp. kulturell traditionell/libertär) strukturiert. Herausgehoben sind die Positionen der Schweizer Parteien. Eingetragen sind auch die weltanschaulichen Felder.

Demnach ist die SVP nationalkonservativ mit Anlehnungen zum libertär-konservativen Feld positioniert. Die FDP vertritt eine konservativ-liberale Position, die Mitte ist der christlichen Demokratie wie auch dem Zentrismus nahe. Die SP bewegt sich zwischen sozialdemokratischen und demokratisch sozialistischen Positionen. Die Grünen vertreten ökologische Weltanschauung, mit Anlehnungen an den demokratischen Sozialismus. Die GLP schliesslich ist neoliberal, wobei sich das Neue auf die Nachhaltigkeit bezieht. Schliesslich die EVP, die am ehesten einem paternalistischen Konservatismus entspringt.