Eidgenössische Volksabstimmung vom 24. November 2024

Informationen zu den Vorlagen und zum Abstimmungskampf

Studie im Auftrag der SRG SSR

Über folgende Vorlagen entscheidet das Stimmvolk am 24. November 2024:

  • Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen
  • Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Untermiete)
  • Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs)
  • Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) (Einheitliche Finanzierung der Leistungen)

Die Volksabstimmungen vom 24. November 2024

Politische Grosswetterlage

Die Menschen sehen sich aktuell mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Nach einer Phase der geopolitischen Stabilisierung ist die derzeitige Lage verstärkt von Unsicherheiten geprägt. Mit Hintergrund der derzeitigen Regierungskämpfe zwischen rechts und links wie beispielsweise in Frankreich oder Österreich, der Konflikte im Nahen Osten sowie des Ukraine-Kriegs erhielt die Besetzung des sogenannt mächtigsten Posten der Welt zusätzliche Brisanz. Wie sich die globale Situation nun mit dem neu gewählten Präsidenten Donald Trump weiterentwickelt, ist aktuell noch schwer abzuschätzen. Zuweilen rücken die Themen Migration und Asyl in Europa zunehmend in den Vordergrund, wie beispielsweise der Rückführungsdeal zwischen Italien und Tunesien, die Verschärfung des EU-Asylrechts oder die prekären Zustände auf den Fluchtwegen nach Europa.

Die herrschenden Kriege und deren politische und wirtschaftliche Folgen wirken sich auch auf die Schweiz aus. Das hat vor allem eine skeptische Erwartungshaltung bezüglich der Wirtschaftsentwicklung und den Fokus auf die Asylpolitik verstärkt. Gleichzeitig schreitet die Technologieentwicklung weiter voran und wirft Fragen hinsichtlich des Datenschutzes, der künstlichen Intelligenz oder der Cybersecurity auf. Die Bevölkerung sieht sich zunehmend mit existenziellen Ängsten konfrontiert und lebt in einer Welt, die fragiler erscheint.

Sorgen der Schweizer Bevölkerung

Diese aktuelle Situation überträgt sich auch auf die Sorgen der Bevölkerung. Im Zentrum finden sich Themen wie die Vorsorge, gestiegene Lebensunterhaltskosten oder auch die Umwelt. Wie das CS-Sorgenbarometer 2023 zeigte, stehen Gesundheitsfragen, die Krankenkasse und die Prämien zuoberst auf der Sorgenliste (40%). Und auch die AHV (32%) bleibt neben dem Umweltschutz resp. dem Klimawandel (38%) eine grosse Sorge der Bevölkerung.

Politische Landschaft

Die neue Legislaturperiode ist angebrochen, und Parlament sowie Regierung haben ihre Arbeit in der neuen Konstellation aufgenommen. Ende September ging mit der Herbstsession das dritte Zusammentreffen des Parlaments zu Ende, und wir nähern uns dem Ende des ersten Amtsjahres. Das Parlament und die Regierung haben sich positioniert, und nach einem anspruchsvollen Einstieg der Bundesrats-Newcomer ist es ein wenig ruhiger geworden. Insgesamt zeigte sich die Stimmung im Bundesrat weniger angespannt als auch schon.

Es bleibt aber ein geschäftiges Amtsjahr für die beiden neuen Bundesratsmitglieder. Bundesrätin Baume-Schneider vertritt die Sichtweise des Bundesrates an jedem und Bundesrat Albert Rösti an drei von vier Abstimmungsterminen. Bei den nächsten Abstimmungen im November ist neben den Newcomern auch Bundesrat Guy Parmelin gefordert. Die Vorlagen zur Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht) fallen in das Departement WBF, welchem er vorsitzt.

Themen wie Umweltkatastrophen, Asyl- und Migrationspolitik, die Beziehung zur EU und die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bleiben viel diskutiert. Nach den beiden im Juni vom Stimmvolk abgelehnten Initiativen zur Prämien-Entlastung und Kostenbremse kommt mit dem Bundesgesetz über die Krankenkassenversicherung (KGV) die nächste gesundheitsthematische Vorlage zur Abstimmung. Während der direktdemokratische Motor in Sachen Gesundheitswesen vergleichsweise auf Hochtouren läuft, ist es beim Thema EU eher still geworden. Das Thema wurde hauptsächlich durch den Bundesrat selbst geprägt. Nun aber kommt direktdemokratisch Bewegung ins Spiel: Eine Initiative der Allianz Kompass/Europa lancierte in den letzten Tagen eine Initiative, die Verträge mit der EU vor das Volk bringen möchte. Die Themen sind somit nicht vom Tisch und der Problemdruck bleibt hoch.

Zudem wird es aufgrund der Polarisierung zunehmend schwieriger, in der Politik und bei der Bevölkerung Kompromisse zu finden und Brücken zu schlagen. Dies äussert sich konkret am Beispiel der Europapolitik, in welcher die trilaterale Konstellation von Staat, Gewerkschaften und Wirtschaft weniger gut zusammenarbeitet als in der Vergangenheit.

Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen

Anliegen und Vorgeschichte

Um ein funktionierendes Strassen- und Schienennetz zu gewährleisten und damit die Mobilität der Bevölkerung sicherzustellen, haben Bundesrat und Parlament beschlossen die Nationalstrassen an sechs Orten auszubauen. Dazu gehören die Genferseeregion und die Region Bern sowie die Städte Basel, Schaffhausen und St. Gallen. Mittels Fahrbahnerweiterungen sowie auch durch die entstehenden Tunnels respektive Röhren sollen bestehende Engpässe behoben und die Sicherheit im Strassenverkehr erhöht werden. Die 2023 gemessenen Staustunden von über 48’000, sind in den Augen von Bundesrat und Parlament eine Überlastung, welche die Mobilität behindert und der Wirtschaft schadet. Der Stau würde zu Zeitverlusten führen, welcher erhebliche Kosten verursachen täte und Ausweichverkehr zur Folge hätte. Dadurch werden Städte, Dörfer und Quartiere belastet. Die ausweichenden Autos und Lastwagen erhöhten das Unfallrisiko und die Lärmbelastung der Anwohnenden. Deshalb erachtet der Bund eine Investition in den Erhalt und den Ausbau der Nationalstrassen als sinnvoll. Finanziert werden sollen die Projekte im Rahmen von 4.9 Mio. Franken aus dem im 2017 entstanden Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds.

Eine Allianz aus rund 50 Organisationen, unter anderem der VCS, empfindet den Ausbauschritt 2023 als übertrieben, überholt und überteuert, weshalb sie das Referendum ergriffen haben. Die Bundeskanzlei erklärte das Referendum im Januar 2024 mit 65’377 gültigen Stimmen für zustande gekommen. Ihren Vorstoss begründen sie damit, dass die bestehenden Verkehrsprobleme nicht gelöst würden und die Forschung zeige, dass der Ausbau zusätzlichen Verkehr verursache und weitere Staus herbeiführe. Dies wiederum trage zur Luftverschmutzung, zu mehr Lärm und steigenden CO2-Emissionen bei.

Zuletzt wurde 2018 über die Verkehrspolitik der Schweiz abgestimmt. Der Bundesbeschluss über Velowege sowie die Fuss und Wanderwege wurde vom Volk und von den Ständen klar mit 73,6 Prozent angenommen. Die letzte Vorlage zu Nationalstrassen kam 2016 zur Abstimmung und wurde ebenfalls angenommen (57%). Abgelehnt wurde hingegen die Änderung des Nationalstrassenabgabegesetzes (Autobahnvignette) mit 20.3 Prozent Ja-Stimmen (2013).

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Der Bundesrat und das Parlament empfehlen dem Stimmvolk, den Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen anzunehmen. Sie sehen den Ausbau für die Mobilität und die Wirtschaft als notwendig an. Bei der parlamentarischen Abstimmung herrschten im Ständerat klare Verhältnisse (33 Ja- zu 6 Nein- Stimmen), während das Ergebnis im Nationalrat knapper ausfiel (107 Ja- zu 87 Nein-Stimmen). Parteipolitisch sind die Linien deutlich: Parlamentarier und Parlamentarierinnen der Mitte-, SVP-, und FDP-Liberalen-Fraktion stimmten (fast) ausschliesslich für den Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen und Parlamentarier und Parlamentarierinnen der Grünen-, GLP- und SP-Fraktion dagegen. Der kumulierte Wähleranteil des Ja-Lagers liegt bei 56.2 Prozent.

Für die Vorlage sprechen sich neben dem SGV unter anderem die economiesuisse und der TCS aus. Trägerorganisationen des Referendums gegen den Ausbauschritt 2023 ist der VCS, unterstützt durch SP, Grüne und GLP. Zu den weiteren gegnerischen Organisationen gehören diverse Umwelt- und Naturschutzverbände wie WWF, Pro Natura, Greenpeace, Alpeninitiative sowie auch die Kleinbauernvereinigung.

Der bisherige Abstimmungskampf

Die letzten Abstimmungen sind kaum in trockenen Tüchern, fängt im geschäftigen Herbst bereits die Hauptkampagnenphase der Befürwortenden an. Wenige Tag nach den Abstimmungen Ende September lancierten die Befürwortenden, eine Allianz aus Wirtschaft und bürgerlichen Parteien, den Abstimmungskampf zum Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen, womit auch die Berichterstattung in den Medien zunahm.

Nun inmitten der Hauptkampagnenphase ist die mediale Resonanz deutlich gestiegen. Sie hält sich jedoch vergleichsweise in Grenzen. Insgesamt zeichnet sich ein grösseres Interesse als bei den Mietrechtsvorlagen ab. Das Thema Gesundheit wird jedoch deutlich häufiger medial aufgegriffen. Berichtet wird meist über die divergierenden Meinungen zum Kernargument, dass mehr Strassen mehr Verkehr bedingen. Zudem wird auch auf die Problemlösungsfähigkeit des geplanten Autobahnausbau eingegangen. In die Diskussion bringen sich auch Fachexperten bzw.-expertinnen ein. Zuletzt meldeten sich über 300 Verkehrsexpert:innen zu Wort, die sich gegen die Vorlage des Autobahnausbaus aussprechen. Die Kritik richtet sich an konkrete Inhalte der Vorlage. Unter anderem fehle es an alternativen Lösungsansätzen wie beispielweise das Mobility-Pricing. Auch wird die Kommunikation des Bundes von den Medien seit den Schlagzeilen zu den falsch kommunizierten Zahlen genauer beleuchtet. Im Zusammenhang mit dem Autobahnausbau wird medial thematisiert, dass Experten bzw. Expertinnen aus dem Bundesamt für Strassen (Astra) Bundesrat Albert Rösti widersprechen. Analysen und Dokumente des Astras zeigen auf, dass die Argumentation der Ja-Seite zur Erhöhung der Sicherheit nicht belegt sei.

Ein Ausbau der Autobahnabschnitte nahe der A1 wird von den Befürwortenden als notwendig angesehen für die Bevölkerung, den Umwelt- und Lärmschutz sowie auch den Wirtschaftsstandort Schweiz. Der Gewerbepräsident Fabio Regazzi betitelt in der NZZ die Mobilität als «Schlüssel zur Freiheit und Fortschritt». Die Vorlage sei für die Bevölkerung in jeder Lebenslage von grösster Bedeutung und spricht damit den Pendler:innen- und Freizeitverkehr an sowie auch die Anwohner:innen. Für letztere, so die Befürwortenden, bringe der Ausbauschritt 2023 der Nationalstrassen Entlastung, indem der Ausweichverkehr verringert und dadurch die Sicherheit erhöht würde. Als Beispiel führen sie den abnehmenden Verkehr auf Ausweichrouten rund um den Gubristtunnel ins Feld. Der mit dem Ausbauschritt für Nationalstrassen abnehmende Ausweichverkehr bringe auch weniger hohe Staustunden, weniger Unfälle und Risiken auf und neben den Nationalstrassen sowie den besseren Zugang für Rettungskräfte ins Feld. Der Bund stellt zudem fest, dass sich die volkswirtschaftlichen Folgen von überlasteten Schienen und Strassen jährlich auf 3 Milliarden Franken belaufen. 1.2 Milliarden Franken entstehen, weil Arbeitskräfte im Stau steckenblieben, Lieferketten unterbrochen würden und Aufträge ausfallen. Dennoch dürfen laut den Befürwortenden Schienen- und Strassenverkehr nicht gegeneinander ausgespielt werden. Eine Verlagerung auf eine der beiden Varianten sei schlicht und einfach nicht möglich. Es brauche sowohl Schiene wie auch Strasse.

Gegenwehr kommt, wie dies bereits bei der parlamentarischen Debatte zu beobachten war, geschlossen aus den links-grünen Reihen, inklusive der GLP. Die Gegnerschaft, bestehend aus verschiedensten Verkehrs- und Umweltverbänden wie auch den linken und grünen Parteien, eröffneten den Abstimmungskampf nur wenige Tage nach den Befürwortenden. Sie erachten den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen als überholte Verkehrspolitik, die überdimensioniert, zu teuer wie auch schlecht für das Klima und die Umwelt sei. Ganz grundlegend stelle die Fahrspurerweiterung die falsche Strategie dar, welche das Ziel, die Verringerung von Engpässen und Staus auf den Schweizer Nationalstrassen, verfehle. Dies generiere nur mehr Asphalt wie auch Autos, was nicht zu Gunsten von Lebensqualität oder Natur beitrage. Vielmehr leide die Lebensqualität in den Dörfer und Städten durch den zusätzlichen Verkehr. So seien die Anwohner:innen stärker durch Lärmemissionen belastet. Weiter sieht die Gegnerschaft die Klimaziele und die Natur- und Landwirtschaftsflächen bedroht.

Die Argumentationslinien von Gegnerschaft und Befürwortenden könnten nicht konträrer verlaufen. Was die einen als Vorteil erachten, wird von der anderen Partei als Nachteil ausgelegt. Ersichtlich wird dies bei tief verankerten Grundsätzen. Müssten beide Parteien den Satz «Mehr Strassenfläche führt zu …» beantworten, könnten die Antworten gegenteiliger nicht sein.

Typologie der Meinungsbildung

Die Behördenvorlage zum Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen ist positiv prädisponiert. Darauf deuten die letzten verkehrspolitischen Abstimmungen im Zusammenhang mit den Nationalstrassen hin. Bund und Parlament brachten die Abstimmung zur Sanierung des Gotthard-Strassentunnels (2016) und zum Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr (2018) erfolgreich mit rund 60 Prozent Ja-Stimmenanteil durch. Ob sie jedoch letztlich erfolgreich sein wird oder nicht, hängt von der Deutlichkeit dieser positiven Prädisponierung und dem Verlauf des Abstimmungskampfes ab. Zudem ist entscheidend wie stark in den betroffenen Regionen sowie auch darüber hinaus mobilisiert werden kann.

Von einem Normalszenario sprechen wir dann, wenn die Zustimmung während des Abstimmungskampfes zunimmt.

Dieser Fall kann bei einem Meinungsaufbau oder bei einer Polarisierung eintreten, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Ausgangslage um einen positiv-prädisponierten oder nicht prädisponierten Fall gehandelt hat, denn die Meinungsbildung entwickelt sich in allen Kombinationen in Richtung Behördenstandpunkt.

Von einem abweichenden Szenario reden wir dann, wenn die Zustimmungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf abnimmt.

In solchen Fällen handelt es sich entweder um eine Polarisierung zum Nein oder um einen Meinungsaufbau zum Nein.

Die Ausgangslage kann auch hier unbestimmt oder schwach positiv sein.

Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Untermiete)

Anliegen und Vorgeschichte

Am 24. November 2024 stehen zwei Änderungen des Obligationenrechts zur Abstimmung, die beide das Mietrecht betreffen. Eine Gesetzesänderung zielt darauf ab, missbräuchliche Untervermietung zukünftig zu vermeiden. Bisher durften Mieter und Mieterinnen ihre Wohnung oder ihre Geschäftsräume an Dritte weitervermieten, insofern die Zustimmung der Vermieterpartei vorliegt. Die Zustimmung verweigern darf der Vermieter oder die Vermieterin, falls die Mieterpartei die Bedingungen der Untervermietung nicht bekanntgeben möchte, ein Missbrauch vorliegt (bspw. wesentlich höherer Untermietzins) oder falls für die vermietende Partei ein Nachteil entsteht. Deshalb sieht der Bund künftig vor, dass Mieter und Mieterinnen, welche die Räume weitervermieten möchten, ein entsprechendes schriftliches Gesuch an den Vermieter bzw. die Vermieterin stellen müssen. Zudem soll auch eine schriftliche Zustimmung des Vermieters oder der Vermieterin vorliegen. Würde die Untermiete die Mietdauer von zwei Jahre übersteigen, dürfte der Vermieter oder die Vermieterin die Untervermietung ablehnen. Bei Nichteinhalten der Regelungen dürfte der Mieter oder die Mieterin gemahnt und bei Nichtnachkommen mit eine First von 30 Tagen gekündigt werden.

Gegen das geplante Gesetz wurde vom Mieterinnen- und Mieterverband, unterstützt durch SP, Grüne, SGB, Travail.Suisse, Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) und WeCollect das Referendum ergriffen. Mit 56’756 gültigen Stimmen erklärte die Bundeskanzlei das Referendum im Februar 2024 als zustande gekommen.

Die letzte Abstimmung zum Mietrecht ist nunmehr zehn Jahre her. Damals wurde über die Abkopplung des Mietzinses vom Hypothekarzins abgestimmt. Die vorgesehene Gesetzesänderung wurde mit einem Ja-Stimmenanteil von 35,9 Prozent abgelehnt.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Bundesrat und Parlament empfehlen dem Stimmvolk, die Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Untermiete) anzunehmen. Die Gesetzesänderung wird als nötig empfunden, um der missbräuchlichen Untervermietung entgegenzuwirken, die aufgrund der Entwicklung auf dem Mietwohnungsmarkt und der Verbreitung von Onlineplattformen zugenommen hat. Beide Kammern stimmten der Vorlage mehrheitlich zu. 108 Nationalräte bzw. Nationalrätinnen stimmten für und 85 gegen die Vorlage. Im Ständerat lag das Stimmverhältnis bei 32 Ja- und 11 Nein-Stimmen.

Die Konfliktlinie verläuft entlang der Mitte-Rechtsparteien sowie der GLP und den Linksparteien. Die Mehrheiten der jeweiligen Nationalratsfraktionen sind in sich einig. Nur wenige Parlamentarier und Parlamentarierinnen enthalten sich oder stimmen gegen die eigene Fraktion.

Die kumulierten Wählendenanteile der Ja-Seite ergeben 42 Prozent.

Unter den Befürwortenden sind der HEV und der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT). Gegen das Gesetz stellen sich der Mieterinnen- und Mieterverband, SGB, Travail.Suisse und der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS).

 

Bisheriger Abstimmungskampf

Der Abstimmungskampf zur Änderungen im Obligationenrecht im Bereich Mieterecht wurde von den Befürwortenden mit der Medienkonferenz anfangs Oktober initiiert. Während die Gegnerschaft in der Hauptkampagnenphase spürbar vertreten ist, hält sich die Kampagne der Befürworterschaft vergleichsweise in Grenzen. Die mediale Berichterstattung verläuft sehr sachlich und beleuchtet mögliche Auswirkungen auf die Mieterschaft. Streitgespräche wie jenes zwischen Hauseigentümer-Präsident Gregor Rutz und Mieterverbands-Vorständin Jacqueline Badran sind eher die Ausnahme. Werden Schlagwörter der gegnerischen oder befürwortenden Kampagne aufgenommen, sind es «Angriff auf den Mieterschutz» sowie auch «Airbnb».

Das für die Vorlage kämpfende Komitee hat sich hinsichtlich des Interesses für mehr Wohnraum zu einem Bund zusammengeschlossen. Dem Bündnis gehören hauptsächlich bürgerliche Politiker:innen und Vermieter- und Immobilienverbände wie beispielsweise der HEV an. Sie bringen drei Hauptargumente ins Feld: Die Gesetzesänderung sorgt durch die verschriftlichten Abmachungen zu mehr Rechtssicherheit, was den Mietenden sowie auch den Vermietenden zu Gute kommt. Zudem wird unrechtmässigen Bereicherungen Einhalt geboten, indem kein Mietobjekt zu überhöhten Preisen weitervermietet werden kann, wie dies beispielsweise bei der Untervermietung über Airbnb oder Business-Apartments geschieht. Auch trägt die Massnahme der Vorlage in ihren Augen zum Schutze der anderen Mieter bei, die in der gleichen Liegenschaft wohnen.

Laut Referendumskomitee hat die Gesetzesänderung eine starke Einschränkung der bewährten Untervermietung und eine Schwächung des Kündigungsschutzes zufolge, was zu einer generellen Schwächung der Position von Mietern und Mieterinnen führt. Das bestehende Gesetz reiche bereits heute aus, um missbräuchliche Untermiete zu unterbinden. Zudem sei auch eine Einwilligung des Vermieters oder der Vermieterin mit der aktuellen Gesetzeslage notwendig. Darüber hinaus wird den Bedürfnissen der Mietenden aktuell Rechnung getragen. Mit dem neuen Gesetz sei dies nicht mehr der Fall: Denn die vorgesehene Änderung des Mietrechtes zur Untervermietung erschwere es zusätzlich, die bereits hohen Mietkosten zu teilen und würde es des Weiteren erlauben, die Untermiete abzulehnen, wenn die Mietdauer zwei Jahre überschreite.

Typologie der Meinungsbildung

Bei der Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Untermiete) handelt es sich um eine potenziell mehrheitsfähige Behördenvorlage. Die Prädisponierung dürfte nicht allzu deutlich positiv ausfallen. Änderungen des Mietrechts hatten es in der Vergangenheit vor dem Volk schwer, und nicht zuletzt sind steigende Lebenskosten, unter anderem auch die Mietkosten, aktuell viel diskutierte Themen, was die Stellung der Vorlage schwächen könnte.

Von einem Normalszenario sprechen wir dann, wenn die Zustimmung während des Abstimmungskampfes zunimmt.

Dieser Fall kann bei einem Meinungsaufbau oder bei einer Polarisierung eintreten, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Ausgangslage um einen positiv-prädisponierten oder nicht prädisponierten Fall gehandelt hat, denn die Meinungsbildung entwickelt sich in allen Kombinationen in Richtung Behördenstandpunkt.

Wahrscheinlicher ist jedoch der Ausnahmefall. Von einem abweichenden Szenario reden wir dann, wenn die Zustimmungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf abnimmt.

In solchen Fällen handelt es sich entweder um eine Polarisierung zum Nein oder um einen Meinungsaufbau zum Nein.

Die Ausgangslage kann auch hier unbestimmt oder schwach positiv sein.

Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs)

Anliegen und Vorgeschichte

Im Obligationenrecht ist verankert, dass Eigentümer:innen die vermietete Wohnung oder die vermieteten Geschäftsräume möglichst schnell selber nutzen können. Wird der Eigenbedarf geltend gemacht, sind drei Aspekte zu beachten. Erstens darf bei einem Kauf einer Immobilie unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen dem Mieter oder der Mieterin gekündigt werden, auch wenn im bestehenden Mietvertrag die Kündigungsfrist länger dauert. Zweitens ist es den Eigentümern bzw. Eigentümerinnen erlaubt, auch während der dreijährigen Sperrfrist, die im Falle eines Rechtsstreites in Kraft tritt , zu kündigen. Drittens erlaubt es die Mieterstreckung den Mietern bzw. den Mieterinnen bei Härtefällen auch bei Eigenbedarf des Vermieters oder der Vermieterin in der Wohnung wohnhaft zu bleiben. Damit von einem Eigenbedarf die Rede ist, muss eine Dringlichkeit vorliegen. Die neue Regelung hingegen sieht vor, dass es reicht, wenn der Eigenbedarf bedeutend und aktuell ist, was am besten durch die Eigentümer:innen selbst nachgewiesen werden kann. Des Weiteren ermöglicht die Gesetzesänderung eine verkürzte Mieterstreckung.

Gegen das geplante Gesetz wurde vom Mieterinnen- und Mieterverband, unterstützt durch SP, Grüne, SGB, Travail.Suisse, Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) und WeCollect das Referendum ergriffen. Mit 60’266 gültigen Stimmen erklärte die Bundeskanzlei das Referendum im Februar 2024 als zustande gekommen.

Die letzte Abstimmung zum Mietrecht ist nunmehr zehn Jahre her. Damals wurde über die Abkopplung des Mietzinses vom Hypothekarzins abgestimmt. Die vorgesehene Gesetzesänderung wurde mit einem Ja-Stimmenanteil von 35,9 Prozent abgelehnt.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Bundesrat und Parlament empfehlen dem Stimmvolk, die Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Eigenbedarf) anzunehmen. Die Gesetzesänderung wird vom Bund als notwendig erachtet, da der Schutz des Eigentums ein wichtiger Wert ist, und deshalb sollen Eigentümer:innen von Wohnungen sowie von Geschäftsräumen möglichst schnell ihr Eigentum nutzen können. Beide Kammern stimmten der Vorlage mehrheitlich zu. 123 Nationalräte bzw. Nationalrätinnen stimmten für und 72 gegen die Vorlage. Im Ständerat lag das Stimmverhältnis bei 33 Ja- und 11 Nein-Stimmen. Der Bundesrat empfahl in der parlamentarischen Beratung die Ablehnung der beiden Gesetzesänderungen. Er ist allerdings verpflichtet, die Mehrheitsmeinung des Parlaments in der Volksabstimmung zu vertreten.

Die Konfliktlinie verläuft entlang der Mitte-Rechtsparteien inklusive der GLP und den Linksparteien. Die Mehrheiten der jeweiligen Nationalratsfraktionen sind in sich einig. Lediglich einzelne Parlamentarier und Parlamentarierinnen der GLP weichen von der Fraktion ab.

Die kumulierten Wählendenanteile der Ja-Seite ergeben 42 Prozent.

Unter den Befürwortenden sind der HEV und der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT). Gegen das Gesetz stellen sich der Mieterinnen- und Mieterverband, SGB, Travail.Suisse und der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS).

Bisheriger Abstimmungskampf

Der Abstimmungskampf zur Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Eigenbedarf) wurde von den Befürwortenden zusammen mit der thematisch ähnlichen Vorlage zur Untermiete begonnen. Mit näherkommendem Abstimmungstermin steigt die Sichtbarkeit der gegnerischen Kampagne deutlich. Von der Befürworterschaft ist verhältnismässig wenig wahrzunehmen.

Die mediale Berichterstattung setzt sich überwiegend sachlich mit der Vorlage zur Änderung des Mietrechts in Sache Eigenbedarf auseinander. Insgesamt bewegen die Vorlagen zur einheitlichen Finanzierung und dem Autobahnausbau deutlicher als die Mietrechtsvorlagen.

Die Gegnerschaft und die Befürwortenden decken sich mit der Vorlage zur Gesetzesänderung des Mietrechts zur Untervermietung. Sprich, das befürwortende Komitee besteht ebenfalls aus dem Bund für mehr Wohnraum, und für die Gegenkampagne sorgen insbesondere der Mieter- und Mieterinnenverband sowie die links-grünen Parteien. Die im Abstimmungskampf aufgeführten Argumente der beiden Änderungen im Obligationenrecht liegen nahe beieinander.

Die Unterstützer:innen der Gesetzesänderung zum Eigenbedarf führen drei Hauptargumente auf. Wie auch bei der Vorlage zum Mietrecht nennen sie die Rechtsicherheit als ausschlaggebend. Klare Voraussetzungen würden allen zu Gute kommen und die Rechte der Mieter:innen nicht einschränken. Für die Befürwortenden geht es um die Ausweitung der Eigentumsrechte: Wird mit dem eigenen Ersparten eine Wohnung gekauft oder benötigen KMU’s neue Räumlichkeiten, sollen sie möglichst ohne Verzögerung und umgehend die Immobilien eigens nutzen können.

Die Gegnerschaft ist auch bei dieser Mietrechtvorlage der Meinung, sie schränke die Rechte der Mieter:innen ein und führt ins Feld, dass es sich dabei um einen Vorwand handelt, um den Kündigungsschutz aufzuweichen. Die Rechte der Vermieter:innen würden hingegen gestärkt. Besonders betroffen von der Gesetzesänderung sind in ihren Augen Familien, ältere Menschen, einkommensschwache Personen und Menschen mit psychischen oder physischen Einschränkungen, da es für sie nochmals schwerer ist auf dem überteuerten Wohnungsmarkt eine passende Wohnung zu finden. Zudem trage die «Rauswurf-Vorlage», wie sie die Gegnerschaft nennt, weiter zur Verschärfung der Mietpreisentwicklung bei. Insgesamt bewertet das Referendumskomitee die Änderung im Mietrecht zum Eigenbedarf als unnötig, da Vermieter:innen bereits heute unter Einhalten der gesetzlichen Fristen den Mieter:innen künden könnten und die Rechte der vermietenden Parteien ausreichend geschützt seien.

Typologie der Meinungsbildung

Bei der Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Eigenbedarf) handelt es sich um eine potenziell knapp mehrheitsfähige Behördenvorlage. Die Prädisponierung dürfte nicht allzu deutlich positiv ausfallen. Änderungen des Mietrechts hatten es in der Vergangenheit vor dem Volk schwer, und nicht zuletzt sind steigende Lebenskosten, unter anderem auch die Mietkosten, aktuell viel diskutierte Themen, was die Stellung der Vorlage schwächen könnte.

Von einem Normalszenario sprechen wir dann, wenn die Zustimmung während des Abstimmungskampfes zunimmt.

Dieser Fall kann bei einem Meinungsaufbau oder bei einer Polarisierung eintreten, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Ausgangslage um einen positiv-prädisponierten oder nicht prädisponierten Fall gehandelt hat, denn die Meinungsbildung entwickelt sich in allen Kombinationen in Richtung Behördenstandpunkt.

Wahrscheinlicher ist jedoch der Ausnahmefall. Von einem abweichenden Szenario reden wir dann, wenn die Zustimmungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf abnimmt. Seit der Legislatur 2019-2023 war die Linke mit ihrer Opposition in den Kampagnen fünfmal erfolgreich und konnte so den Ausnahmefall mit einer Ablehnung erwirken. In zwei Fällen reichte es trotz Stärkung der Nein-Seite noch knapp für eine Annahme (Freihandelsabkommen mit Indonesien, Beschaffung neuer Kampfflugzeuge). In der aktuellen Legislatur war die linke Seite bei der BVG-Reform erneut erfolgreich.

In solchen Fällen handelt es sich entweder um eine Polarisierung zum Nein oder um einen Meinungsaufbau zum Nein.

Die Ausgangslage kann auch hier unbestimmt oder schwach positiv sein.

Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) (Einheitliche Finanzierung der Leistungen)

Anliegen und Vorgeschichte

Im Schweizer Gesundheitssystem werden Leistungen, die von der obligatorischen Krankenversicherung abgedeckt sind, unterschiedlich finanziert. Für ambulante Behandlungen übernehmen die Krankenkassen die Kosten. Bei stationären Behandlungen hingegen bezahlt neben den Krankenkassen auch der Kanton und zwar mindestens 55 Prozent der anfallenden Kosten. Bei Pflegeleistungen zu Hause oder im Pflegheim übernehmen sie rund die Hälfte. Diese uneinheitliche Finanzierung führt laut Bund zu Fehlanreizen, indem unnötigerweise oft stationär anstatt ambulant behandelt wird, obwohl letztere Behandlungsweise in gewissen Fällen medizinisch sinnvoller und kostengünstiger wäre.

Aufgrund dessen hat das Parlament sich zu einer Änderung des Krankenkassengesetzes entschieden. Ziel ist es, dass alle erbrachten Leistungen mit demselben Verteilschlüssel zwischen Krankenkassen und Kantonen aufgeteilt werden. Bei Inkrafttreten des Gesetzes übernehmen Krankenkassen höchstens 73.1 Prozent und Kantone mindestens 26.9 Prozent. Damit sollen Fehlanreize minimiert und ambulante Behandlungen gefördert werden: Denn mit einer einheitlichen Finanzierung liegt das Interesse der Krankenkassen und Kantone gleichermassen darin, die jeweils medizinisch sinnvollste und günstigste Behandlung zu fördern.

Gegen das geplante Gesetz wurde vom VPOD das Referendum ergriffen. Mit 56’960 gültigen Stimmen erklärte die Bundeskanzlei das Referendum im April 2024 als zustande gekommen.

Die Finanzierung und die Kosten des Gesundheitswesens sind Themen, welche die Gesellschaft bewegen und beschäftigen. Es ist ein viel diskutiertes Thema, und diverse politische Akteure versuchen mit ihren Vorstössen die bestehenden Probleme anzugehen. Erst im Juni hat die Stimmbevölkerung über zwei Vorlagen abgestimmt (Prämien-Entlastungs-Initiative und Kostenbremse-Initiative). Beide Initiativen wurden an der Urne abgelehnt. Die letzte Abstimmung zum Krankenkassengesetz ist nunmehr rund 30 Jahre her und begründete ein neues Zeitalter, indem die Krankenkassenversicherung obligatorisch wurde. In der Zwischenzeit kam es zu einer Reihe von weiteren Revisionen, über welche jedoch nicht abgestimmt wurde.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Bundesrat und Parlament empfehlen dem Stimmvolk, die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) anzunehmen. Die Reform wird als nötig empfunden, um die Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren und fördert gleichzeitig die ambulanten Behandlungen. Beide Kammern stimmten der Vorlage klar mehrheitlich zu. 141 Nationalräte bzw. Nationalrätinnen stimmten für und 42 gegen die Vorlage. Im Ständerat lag das Stimmverhältnis bei 42 Ja- und 3 Nein-Stimmen.

Die Konfliktlinie im Parlament kristallisiert sich beim Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) nicht klar heraus. Im Nationalrat stehen die Parteien der politischen Mitte inkl. der GLP (fast) unisono hinter dem Bundesgesetz. Die Fraktionen der SP, Grünen und SVP zeigen sich gespalten. Bei allen Fraktionen spricht sich eine bedeutende Anzahl Parlamentarier:innen gegen die Vorlage aus. Bei der SVP zeigt sich dies auch an der Delegiertenversammlung, an welcher die Parteiparolen zu den Abstimmungen vom 24. November gefasst wurden: Dem Vorschlag der Parteispitze wurde von der SVP-Basis nicht Folge geleistet. Sie beschloss nämlich die JA-Parole zum Krankenkassengesetz. Im Ständerat stellen sich lediglich drei Parlamentarier:innen gegen die Erneuerung. Sie entstammen alle der SP.

Die kumulierten Wählendenanteile der Ja-Seite ergeben 51.5 Prozent.

Insbesondere von Verbänden aus dem Gesundheitswesen und der Pharmabranche erfährt die Vorlage Unterstützung. Darunter befinden sich unter anderem die FMH, der Schweizerische Apothekenverband, Spitex, H+ oder etwa Interpharma. Gegen die Vorlage sprechen sich hauptsächlich Gewerkschaften aus, namentlich der VPOD und der SGB.

Bisheriger Abstimmungskampf

Nachdem anfangs Oktober die Gegnerschaft den Abstimmungskampf eingeläutet hat, haben zuletzt auch die Befürwortenden ihre Hauptkampagne gestartet. Mittlerweile sind beide Seiten warm gelaufen und versuchen, die Stimmbevölkerung von ihren Positionen zu überzeugen. Die mediale Berichterstattung ist in Verlauf der Hauptkampagnenphase kontinuierlich angestiegen. Im Zentrum steht insbesondere die Frage nach der Auswirkung auf die Krankenkassenprämien. Der mediale Tenor hat zuweilen umgeschlagen. Wurde anfänglich oft von einer Prämiensenkung bei einer Annahme der Vorlage gesprochen, rücken die Medien nun argumentativ eine Abschwächung des Prämienanstieges in den Fokus. Daneben wir aber auch zur Langzeitpflege berichtet. Kurz vor den Abstimmungen liess der Tagesanzeiger Alt-Bundesrätin und Pro-Senectute-Präsidentin Eveline Widmer-Schlumpf zu Wort kommen. Sie sprach sich für die Behördenvorlage aus. Sie sieht durch die höhere Kostenübernahme der Kantone im ambulanten Bereich Vorteile für die älterwerdende Bevölkerung. Senior:innen bekämen durch die neu geschaffenen Anreize vermehrt die Möglichkeit, länger selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben zu können. Über die Folgen für die Langzeitpflege scheiden sich jedoch die Geister, was in der medialen Berichterstattung auch porträtiert wird.

Von den Befürwortenden werden meinst zwei Schlüsselelemente ins Feld gebracht: Kosteneinsparungen und Fehlanreize. Dabei stützen sie ihre Argumentation auf den medizinischen Fortschritt, welcher ermöglicht, dass immer öfters ambulant behandelt wird. Dies spare Kosten ein und befähige den Patienten respektive die Patientin dafür, schnell wieder den Einstieg in den Alltag zu finden. In der Schweiz werde jedoch öfters als notwendig eine stationäre Behandlung vollzogen, was kostenintensiver sei, ohne dass eine Qualitätssteigerung stattfinden würde. Werden ambulante Behandlungen bereits heute durchgeführt, fallen die Kosten aufgrund des Finanzierungssystems den Prämienzahlenden zu Last, da die Kantone sich nicht an den Kosten beteiligen. Das neue Gesetz würde somit Abhilfe schaffen und auch die Prämienzahlenden entlasten. Zudem erhoffen sich die Befürwortenden mit Einführung des neuen Gesetzes eine bessere Koordination zwischen Leistungserbringenden, Versicherten wie auch Kantonen. Diese Koordination käme unter den aktuellen Gegebenheiten oft zu kurz.

Die Gegnerschaft argumentiert hinsichtlich der Qualität der Leistungen und den Kosten für die Prämienzahlenden genau gegenteilig. Um die Kosten für die Prämienzahlenden zu eruieren, setzten sie bei der stationären Behandlung respektive bei der Langzeitpflege an. Ihrer Meinung nach führe die einheitliche Finanzierung im Bereich der Langzeitpflege zu höheren Kosten für die Prämienzahlenden, da die Krankenkassen neu auch für die Kostendeckung verantwortlich seien. Insbesondere sehen sie Pflegebewohner:innen von den höheren Kosten betroffen. Auch die Pflege leidet laut der Gegnerschaft durch die neue Gesetzgebung. Mit der vereinheitlichten Finanzierung würden die Krankenkassen zusätzliche Gelder erhalten, die aktuell noch von den Kantonen verwaltet werden. Gleichzeitig erhalten die Kantone aber keine Kontrolle über die Ausgaben im ambulanten Bereich, obwohl sie diese neu mitfinanzieren würden. Dadurch würden Krankenkassen zu viel Verantwortung erhalten, und das Gesundheitswesen würde durch Profitdenken beherrscht werden, was die Pflegequalität beeinträchtige. Zudem würden durch die Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KGV) die Arbeitsbedingungen für das Personal verschlechtert, was Gesundheitsberufe weiter schwäche.

Typologie der Meinungsbildung

Bei der Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) dürfte es sich um eine positiv prädisponierte Vorlage handeln. Die Konfliktlinien im Parlament verlaufen nicht wie üblicherweise bei gesundheitspolitischen Vorlagen zwischen Links und Rechts. Während die Parteien der politischen Mitte hinter dem Bundesgesetz stehen, sind beide Pole tendenziell gespalten. Ob sich dies auch in der Bevölkerung zeigt, ist abzuwarten.

Von einem Normalszenario sprechen wir dann, wenn die Zustimmung während des Abstimmungskampfes zunimmt.

Dieser Fall kann bei einem Meinungsaufbau oder bei einer Polarisierung eintreten, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Ausgangslage um einen positiv-prädisponierten oder nicht prädisponierten Fall gehandelt hat, denn die Meinungsbildung entwickelt sich in allen Kombinationen in Richtung Behördenstandpunkt.

Von einem abweichenden Szenario reden wir dann, wenn die Zustimmungsbereitschaft im Verlaufe des Abstimmungskampfes abnimmt.

In solchen Fällen handelt es sich entweder um eine Polarisierung in Richtung zum Nein oder um einen Meinungsaufbau zum Nein hin.

Die Ausgangslage kann auch hier unbestimmt oder schwach positiv sein.