Eidgenössische Volksabstimmung vom 3. März 2024

Informationen zu den Vorlagen und zum Abstimmungskampf

Studie im Auftrag der SRG SSR

Über folgende Vorlagen entscheidet das Stimmvolk am 3. März 2024:

  • 13. AHV-Rente
  • Renteninitiative

Die Volksabstimmungen vom 3. März 2024

Politische Grosswetterlage

Die allgemeine Lage wird aktuell durch Kriege und deren politischen sowie wirtschaftlichen Folgen für die Schweiz bestimmt. Das hat vor allem eine skeptische Erwartung zur Wirtschaftsentwicklung verstärkt. Die Bevölkerung sieht sich zunehmend mit existenziellen Ängsten konfrontiert und lebt in einer Welt, die fragiler erscheint. Bis Mitte Februar 2024 blieb die Stimmung der Konsument:innen gemäss Index des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) gedämpft.

Sorgen der Schweizer Bevölkerung

Diese aktuelle Situation überträgt sich auch auf die Sorgen der Bevölkerung. Im Zentrum finden sich Themen wie die Vorsorge, gestiegene Lebensunterhaltskosten oder auch die Umwelt. Wie das CS-Sorgenbarometer zeigt, stehen Gesundheitsfragen, die Krankenkasse und die Prämien zuoberst auf der Sorgenliste (40%). Und auch die AHV (32%) bleibt neben dem Umweltschutz resp. Klimawandel (38%) eine grosse Sorge der Bevölkerung. In diesem Sinne trifft die Initiative auf ein Umfeld, in welchem sich Fragen zum Erhalt des Lebensstandards und der ökonomischen Sicherheit erhärten.

Politische Landschaft

Seit dem Zustandekommen der beiden Initiativen und der parlamentarischen Abstimmungen ist eine neue Legislatur angebrochen. Das Parlament sowie auch der Bundesrat treten 2024 in neuer Besetzung auf. Nach den Gesamterneuerungswahlen der Schweizer Regierung kam es auch zu einer Departementsrochade. Die in Amtsjahren gesprochene, junge Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider trat per 1. Januar die Nachfolge von Alain Berset an und muss nun die Haltung des Bundesrates gegenüber dem Volk für beide im März zur Abstimmung stehenden Vorlagen vertreten. Generell wird ihr bis Mitte Februar 2024 attestiert, die Position des Bundesrats überzeugend zu vertreten (bspw. gemäss Watson in der Abstimmungsarena).

Reform Altersvorsorge

Nachdem die Reform der Altersvorsorge 2020 (2017; 47.31% Ja-Stimmen) an der Urne gescheitert ist, nahm die Stimmbevölkerung 2022 die Reform AHV 21 knapp mit 50.5% Ja-Stimmen an. Durch die in der Reform implementierte Erhöhung des Rentenalters der Frau und der Mehrwertsteuer ist die AHV bis 2030 stabil finanziert. Gut eineinhalb Jahre später wird über Vorlagen zum Thema Altersvorsorge abgestimmt, die noch vor der Annahme der jüngsten AHV Reform entstanden sind.

13. AHV-Rente

Anliegen und Vorgeschichte

Der Grundpfeiler der schweizerischen Altersvorsorge stützt sich auf 12 Monatsrenten und deckt den finanziellen Grundbedarf im Alter ab. Zuzüglich besitzen die meisten Pensionierten weitere Einkommen, bspw. die Pensionskassenrente. Können die Lebensunterhaltkosten mit den verfügbaren Einkommen nicht abgedeckt werden, haben pensionierte Personen Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL).

Die im Februar 2020 durch den Gewerkschaftsbund (SBG) lancierte Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» oder kurz die «13. AHV-Rente» möchte eine 13. Monatsrente einführen. Die Pensionierten hätten demnach Anspruch auf einen zusätzlichen Zwölftel ihrer jährlichen Rente, was einem Anteil von 8.3 Prozent der bisherigen Leistungen entspräche. Gleichzeitig sollte die zusätzliche 13. Monatsrente keinerlei Auswirkungen auf die Höhe der zugesprochenen Ergänzungsleistungen haben. Die Finanzierung der zusätzlichen 13. Monatsrente lässt die Initiative offen.

Im Mai 2021 bestätigte die Bundeskanzlei, dass die Initiative für eine 13. AHV-Rente mit 101’793 gültigen Stimmen zustande gekommen ist.

Eine inhaltlich vergleichbare Initiative liegt schon einige Jahre zurück. Im Jahr 2016 wurde mit der Vorlage «AHVplus: für eine starke AHV» über eine Erhöhung der Rente um 10 Prozent abgestimmt. Initiiert wurde die Vorlage ebenfalls vom SBG. Der Vorschlag wurde jedoch mit einem Nein Anteil von 59.4 Prozent deutlich verworfen.

Der SBG lancierte bereits in der Vergangenheit Initiativen, die in ein ähnliches Schema passen und entlang der Links-Rechts-Achse verlaufen sind: Die Mindestlohn-Initiative und die Initiative «6 Wochen Ferien für alle». Beide scheiterten an der Urne.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Der Bundesrat und das Parlament sprachen sich gegen die Volksinitiative für eine «13. AHV-Rente» aus. Die parlamentarische Abstimmung fand in der Wintersession 2022 statt: Beide Kammern lehnten die Initiative mehrheitlich ab. Im Nationalrat war das Stimmenverhältnis 69 Ja zu 126 Nein und im Ständerat 10 Ja zu 31 Nein-Stimmen. Die Ablehnung der Initiative für eine «13. AHV-Rente» begründen Bundesrat und Parlament mit dem Fehlen eines finanziellen Spielraums für eine 13. AHV-Rente. Die meisten Pensionierten seien nicht auf eine zusätzliche 13. Rente angewiesen und für Personen, die ihren Lebensunterhalt mit den vorhanden Mitteln nicht abdecken können, gäbe es gezielte Ergänzungsleistungen. Vielmehr habe die Stabilisierung der AHV und die Sicherung der Renten Priorität und Parlament sowie Bundesrat betonen, dass nach dem Jahr 2030, auch ohne eine Erhöhung der Rente, ein monetäres Defizit zu verzeichnen sei.

Das Parlament wollte der Initiative für eine 13. AHV-Rente keinen Gegenvorschlag entwickeln. Eine Motion für eine gezielte Anpassung für die tiefsten Renten ist zurzeit im Ständerat und wird als heimlicher Gegenvorschlag diskutiert.

Neben Bundesrat und Parlament erfährt die Initiative hauptsächlich von mitte-rechts Parteien, sprich EVP, GLP, die Mitte, FDP und SVP, Gegenwind. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente stösst insbesondere bei den Delegierten der SVP in der Romandie auf Sympathie. Der Kanton Genf beispielsweise hat die Ja-Parole gefasst. Unter den Verbänden sind es der Arbeitgeber- und Gewerbeverband sowie auch die Economiesuisse, welche sich gegen eine 13. AHV-Rente aussprechen.

Die vom Gewerkschaftsbund ins Leben gerufene Volksinitiative wird insbesondere von linken Kräften unterstützt. Das Initiativkomitee setzte sich aus Präsident:innen und Mitgliedern diverser Gewerkschaften sowie auch Politiker:innen der SP und Grünen zusammen. Die beiden Grossparteien SP und Grüne sowie der Gewerkschaftsbund und der Dachverband der Arbeitnehmenden, TravailSuisse, befürworten die Volksinitiative für eine «13. AHV-Rente».

Ja-Parolen haben die SP und Grünen gefasst. Hingegen sprechen sich die GLP, die Mitte, FDP und die SVP gegen die Vorlage aus.

Der bisherige Abstimmungskampf

Erwartungsgemäss geniesst die 13. AHV-Renteninitiative eine stärkere Präsenz als die Renteninitiative. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente wurde bereits im letztjährigen Wahlkampf thematisiert. So richtig Fahrt aufgenommen hat der Abstimmungskampf jedoch verhältnismässig spät: Seit dem Jahreswechsel nehmen die mediale Berichterstattung und die Intensität des Abstimmungskampfes zur 13. AHV Rente stetig zu. In den letzten Wochen wurden sehr viele Artikel in den Medien publiziert und der Abstimmungskampf war eine der intensivsten der letzten Jahre. Erste Hinweise zum fög-Abstimmungsmonitor deuten auf mehr Medienintensität als bei der Abstimmung über die Konzernverantwortungs-Initiative hin.

Was den aktuellen von den bisherigen Abstimmungskämpfen unterscheidet, ist die Tatsache, dass die Finanzierung für Abstimmungen erstmalig offen gelegt werden muss. Dementsprechend greifen die Journalist:innen das im Abstimmungskampf aufgewendete Budget in ihren Artikeln vermehrt auf. Die genauen Zahlen kommunizierte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) am 19. Januar. In der Medienmitteilung spricht die EFK von 3.56 Mio. Franken in selbstdeklarierten Einnahmen der Gegnerschaft und deren 1.54 Mio. Franken der Befürworter:innen.

Das Narrativ des Abstimmungskampfs wird hauptsächlich von Argumenten zu monetären Kosten beherrscht. Die Befürworter:innen führen ins Feld, dass Pensionierte aufgrund der steigenden Lebenserhaltungskosten grössere Unterstützung bedürfen. Im Gegenzug argumentieren die Gegner:innen, eine 13. AHV-Rente würde zu viel Kosten und die bereits schon gefährdete AHV-Finanzierung weiter in Bedrängnis bringen.

Insgesamt stützen sich das Ja-Komitee auf vier Hauptargumente: Die Teuerung sowie die steigenden Krankenkassenprämien würden dazu führen, dass eine Monatsrente verschwinden würde und es deshalb einen über den normalen Teuerungsausgleich hinausgehende Kompensation bedürfe. Zudem führen die Befürworter:innen auf, dass die Pensionskasse unter anderem keinen Teuerungsausgleich kenne und sich die Rente im Vergleich zu vor 15 Jahren um 300 Fr. pro Monat verringert habe. Sie schätzen zudem den Zustand der AHV als gut ein und sprechen davon, dass sich die Szenarien aus Wirtschaft und dem Bund nicht bewahrheitet haben. Die Befürworter:innen blicken mit Zuversicht auf die Finanzen der AHV und betonen die Vorteile der AHV dadurch, dass niemand an ihr verdient. Da alle Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in die AHV einzahlen, schätzen die Befürworter:innen sie als äusserst effizient ein. Insbesondere für Frauen, als überdurchschnittlich von tiefen Renten betroffen, würde sich eine 13. AHV-Rente auszahlen.

Die Gegner:innen bewerten die Situation anders. Bereits bei der Grundsatzfrage nach dem Zustand der AHV geht die Meinung des Nein-Komitees in die gegenteilige Richtung. Sie gehen davon aus, dass der AHV ab 2030 die Gelder ausgehen werden und Reformschritte unabdingbar sind. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente würde die AHV hingegen zusätzlich finanziell belasten. Neben den Bundesfinanzen bringt Sie aber auch die monetäre Lage des Mittelstandes ins Spiel. So bräuchte eine Erhöhung der AHV-Rente ebenfalls eine Zusatzfinanzierung über Mehrwertsteuer und Lohnabgaben. Dies träfe den Mittelstand besonders hart. Und gleichzeitig sprechen sie von einer unsozialen und unfairen Initiative, welche gut situierte Personen mit einer bereits hohen Rente begünstigen würde.

Grosses mediales Echo erhielt ein an Rentner:innen gerichteter Brief, der von den Alt-Bundesräten Johann Schneider-Ammann, Adolf Ogi und der Alt-Bundesrätin Doris Leuthard unterzeichnet wurde. Die Gegnerschaft wollte sich die hohe Glaubwürdigkeit bei der Zielgruppe zunutze machen. Anhand der negativen Reaktionen online und auch brieflich wurde von einem Eigentor der Gegnerschaft ausgegangen. Noch bis in die Nullerjahre äusserten sich Alt-Bundesräte in der Regel viel zurückhaltender oder gar nicht. Sehr rasch rückten die hohen Renten der ehemaligen Magistrat:innen ins Zentrum.  In diesem Kontext wurde auch Kritik an der Gegenkampagne laut (vgl. beispielsweise Politbüro Tagesanzeiger). Eine intensive mediale Debatte über die Kampagnen an sich ist oft ein Hinweis auf besonders mobilisierende Abstimmungsvorlagen.

 

Erwartete Typologie der Meinungsbildung

Bei der Initiative für eine 13. AHV-Rente handelt es sich potenziell um ein Mehrheitsanliegen. Die Prädisponierung dürfte nicht allzu deutlich positiv ausfallen. Der Parolenspiegel verweist auf eine Links-Rechts-Spaltung in dieser Frage, wobei untypischerweise im Lager der SVP durchaus Vertreter:innen zu finden sind, die Sympathien für die Vorlage hegen.

Im Regelfall der Meinungsbildung zu einer Initiative ist im Verlauf des Abstimmungskampfes mit einer Zunahme der Ablehnung zu rechnen. Anliegen desselben Akteurs (z.B. Initiativen «6 Wochen Ferien für alle») oder aus demselben Themengebiet (z.B. Initiative «AHVplus: für eine starke AHV») folgten diesem Regelfall der Meinungsbildung und wurden an der Urne letztlich verworfen.

Das Ausnahmeszenario kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Dabei hält oder steigt der Zustimmungsanteil und es kann im Extremfall gar ein Wandel hin zu einer Ja-Mehrheit einsetzen. Einen solchen Meinungsverlauf haben wir zuletzt bei der Konzernverantwortungsinitiative beobachtet.

Zu erwarten ist eine Spaltung der Bürgerschaft zwischen bürgerlicher Mehrheit (dagegen) und linker Minderheit (dafür). Erwartbar ist zudem eine Abhängigkeit der Stimmabsichten entlang der Einkommensverhältnisse und damit der Schichtzugehörigkeit.

Kurz: Tritt der Normalfall wird am ehesten eine positiv prädisponierte Initiative mit Mehrheitswandel und damit eine Ablehnung der Vorlage erwartet. Kommt es hingegen zum Ausnameszenario ist eine positiv prädisponierte Initiative ohne Mehrheitswandel und eine Annahme der Vorlage nicht auszuschliessen. Insbesondere der hohe wahrgenommene Problemdruck bei der älteren Stimmbevölkerung im Kontext der Teuerung könnte den üblichen Meinungswandel bremsen.

Renteninitiative

Anliegen und Vorgeschichte

Nach den zwei Reformen in den letzten fünf Jahren sieht der Bund die AHV-Renten für die nächsten Jahre als sicher finanziert. Konkret wurden die Mehrwertsteuer, das Rentenalter der Frau sowie die Lohnbeiträge erhöht, um die Finanzen der AHV bis 2030 stabil zu halten. Mittel- und langfristig sieht sich die AHV jedoch mit finanziellen Herausforderungen konfrontiert. Zwei Aspekte tragen insbesondere zu dieser Situation bei: Einerseits steigt die Zahl der Pensionierten schneller als diejenigen der Erwerbstätigen. Andererseits müssen durch die steigende Lebenserwartung länger Renten ausbezahlt werden.

Die Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)», die von den Jungfreisinnigen eingereicht wurde, hat zum Ziel, die Finanzierung der AHV durch die Erhöhung des Rentenalters nachhaltig zu sichern. Die Vorlage möchte in einem ersten Schritt das Rentenalter aller Geschlechter bis 2033 sukzessive auf 66 Jahre erhöhen und nachfolgend an die Lebenserwartung knüpfen. Das Rentenalter würde also bei gestiegener Lebenserwartung automatisch erhöht. Die Lebenserwartung übersetzt sich jedoch nicht eins zu eins auf das Rentenalter, sondern soll sich höchstens um 80 Prozent der gestiegenen Lebenserwartung und im Maximum um zwei Monate pro Jahr verlängern.

Die Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» wurde im August 2021 von der Bundeskanzlei mit 107’049 gültigen Unterschriften als zustande gekommen erklärt.

Initiativen mit ähnlichem Inhalt und Forderungen finden sich kaum. Vergleichbar sind die AHV-Reformen der letzten Jahre, wie z. B. die jüngste Abstimmung zur AHV 21, die eine sukzessive Erhöhung des Rentenalters beinhaltete.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Der Bundesrat und das Parlament empfehlen dem Stimmvolk die Initiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» abzulehnen. Beide Kammern stimmten im letzten Jahr über die Vorlage ab. Weder im Ständerat (11 Ja, 32 Nein-Stimmen) noch im Nationalrat (40 Ja, 143 Nein-Stimmen) fanden sich Mehrheiten für das Volksbegehren. Die Empfehlung von Bundesrat und Parlament stützt sich insbesondere auf die Vielschichtigkeit der Mechanismen. Die einzig auf mathematischen Formeln beruhende Berechnung des Rentenalters greift ihnen zu kurz. Vielmehr müssen Aspekte wie bspw. die Entwicklung der Wirtschaft oder des Arbeitsmarktes ebenfalls in Betracht gezogen werden.

Wenig abgewinnen können der Initiative die meisten der Grossparteien. Im überparteilichen Komitee der Gegner:innen sind SVP, SP, die Mitte, Grüne und GLP. Daneben beteiligt sich auch der Arbeitnehmer-Dachverband TravailSuisse am gegnerischen Komitee. Ein anderer Arbeitnehmerverband, namentlich der Gewerkschaftsbund, steht der Initiative ebenfalls ablehnend gegenüber.

Unter den Grossparteien unterstützt einzig die Mutterpartei (FDP) und die SVP die Initiative der Jungfreisinnigen. Unter den Verbänden befürworten der Gewerbe- sowie auch der Arbeitgeberverband die Vorlage zur Erhöhung des Rentenalters.

Der bisherige Abstimmungskampf

Wie auch bei der Initiative für eine 13. AHV-Rente hat der Abstimmungskampf verhältnismässig spät eingesetzt und auch diese wurde thematisch bereits im Vorfeld der Wahlen 2023 aufgegriffen. Die Renteninitiative erfährt jedoch deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit als die Initiative für eine 13. AHV-Rente. Die Vorlage greift bereits ein viel diskutiertes und etabliertes Thema auf.

Die Debatte im Abstimmungskampf wird von zwei Positionen beherrscht: Die Initianten streben mit ihrer Vorlage an, die AHV nachhaltig über das Jahr 2030 zu sichern, um den Zustand der Altersvorsorge zu verbessern. Das Nein-Komitee argumentiert hingegen, dass die Vorlage unsozial, technokratisch und undemokratisch ist.

Konkret stützen sich die Befürworter:innen auf die aktuellen und zukünftigen Defizite der AHV. Aus ihrer Perspektive besitzt die AHV ein strukturelles Problem, welches sich nicht durch einen Zufluss an Geld lösen lässt. Gründe hierfür sehen sie in der Zunahme an Pensionierten, die länger Renten beziehen und gleichzeitig weniger Personen, die erwerbstätig seien. Die Lösung hierfür sieht das Ja-Komitee in einer sukzessiven Erhöhung des Rentenalters. Nachfolgend soll das Rentenalter automatisch an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Den Vorruhestand sehen die Befürworter:innen bei Annahme ihrer Initiative nicht als gefährdet. Bereits heute würden gewisse Branchen eine frühzeitige Pensionierung ermöglichen und es läge auch weiterhin in der Verantwortung der Sozialpartner aus Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften, eine passende Lösung zu finden.

Dem entgegnet das Nein-Komitee klar: Sie sehen die Frühpensionierung als gefährdet an und sprechen von einem unsolidarischen Rentenabbau. Insbesondere Arbeitnehmende mit einer hohen beruflichen Belastung und tiefen Bildungsabschlüssen wären stärker von einem Abbau betroffen. Zudem verkennen die Initianten die Realität des Arbeitsmarktes: Schon heute seien ältere Arbeitnehmende stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Dies würde sich mit der Renteninitiative weiter verstärken und zu einer Mehrbelastung der Sozialwerke führen.

Im medialen Abstimmungskampf geriet die Initiative zunehmend in den Schatten der Kontroversen rund um die Kampagne zur 13. AHV-Rente. Die geringere Aufmerksamkeit darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine thematische Abhängigkeit im Kontext der Generationensolidarität besteht. Mehrere Aufrufe der Nein-Seite zur 13. AHV-Rente, die spezifisch an die älteren Generation gerichtet waren, könnten sich auf die Meinungsbildung zur Renteninitiative auswirken.

Erwartete Typologie der Meinungsbildung

Bei der Renteninitiative handelt es sich potenziell um ein Minderheitsanliegen. Die Prädisponierung dürfte negativ ausfallen. Die Konfliktlinien sind zwischen Alt und Jung, zwischen höheren und tieferen Bildungs- und Einkommensmilieus sowie zwischen FDP und den restlichen Parteien zu erwarten.

Im Regelfall der Meinungsbildung zu einer Initiative ist im Verlauf des Abstimmungskampfes mit einer Zunahme der Ablehnung zu rechnen. Anliegen mit ähnlichen Inhalten wie die Rentenreformen der letzten Jahre hatten einen schweren Stand. Die von der Behördenseite kommende Rentenreform (AHV 21) wurde nur knapp an der Urne angenommen. Ihre Vorgängerin, das Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020, wurde von der Stimmbevölkerung noch abgelehnt.

Kurz: Am ehesten wird eine negativ prädisponierte Initiative ohne Mehrheitswandel und damit eine Ablehnung der Vorlage erwartet.