Mit der Seelsorge zurück zur gesellschaftlichen Relevanz

Vertrauenswürdige und professionelle Seelsorge wichtiger als persönliche Beziehung zur Ansprechperson

Im Auftrag der Reformierten Kirche Kanton Luzern

Die Reformierte Kirche Kanton Luzern hat gfs.bern beauftragt, die Wahrnehmung der Angebote im Bereich Seelsorge zu untersuchen. Die Seelsorge ist eine der Hauptaufgaben der Volkskirche und soll an die Bedürfnisse der Bevölkerung – insbesondere der Mitglieder der Reformierten Kirche Kanton Luzern – angepasst werden.

Um die Wahrnehmung unter den Mitgliedern und in der Wohnbevölkerung zu erfassen, wurden beide Zielgruppen befragt.

Aus dem Mitgliederverzeichnis der Reformierten Kirche wurden zufällig (geschichtet nach Geschlecht und Alter) 4’000 Personen brieflich angeschrieben und zur Online-Befragung eingeladen. Zusätzlich wurden aus dem hauseigenen Online-Panel «Polittrends» 400 Einwohner:innen aus dem Kanton Luzern befragt.

Von diesen 4’000 zufällig ausgewählten Mitgliedern haben 766 an der Befragung teilgenommen. Dies entspricht einem Rücklauf von rund 19 Prozent. Knapp ein Drittel der befragten Mitglieder besuchen mindestens mehrmals im Jahr einen Gottedienst oder eine andere kirchliche Veranstaltung. 15 Prozent der Befragten sind in einer Form bei der Reformierten Kirche tätig. Von der Teilnahmemöglichkeit an der Kirchgemeindeversammlung macht lediglich eine Minderheit Gebrauch. 5 Prozent der Mitglieder nehmen regelmässig an den Kirchgemeindeversammlungen teil, 12 Prozent in seltenen Fällen. 81 Prozent der Befragten sehen von dieser Partizipationsmöglichkeit ab.

Gesamthaft haben 1’167 Personen an der Befragung teilgenommen.

 

Weitere Details zur Befragungsmethode finden sich in der Infobox am Ende des Cockpits.

Gesellschaftliche Verantwortung von Institutionen

Die gesellschaftliche Verantwortung von Institutionen, wie beispielsweise der Reformierten Kirche, spielt eine entscheidende Rolle in einer modernen Gesellschaft. Die Erwartungshaltung gegenüber Institutionen nimmt besonders in den Bereichen der ethischen und moralischen Verpflichtung zugunsten des Allgemeinwohls zu.

Die höchste wahrgenommene gesellschaftliche Verantwortung erfährt bei den Mitgliedern auf einer Skala von 0 bis 10 das Rote Kreuz (6.6). Mit einem Mittelwert von 6.5 reiht sich die Reformierte Kirche knapp dahinter ein.

Die allgemeine Bevölkerung nimmt die gesellschaftliche Verantwortung der Institutionen unterschiedlich wahr. Im Mittel schneidet die Dargebotene Hand (6.9) am besten ab, gefolgt vom Roten Kreuz (6.8). Die beiden Landeskirchen finden sich auf den letzten beiden Plätzen. Wobei die Reformierte (5.6) besser als die Katholische Kirche (5.0) abschneidet.

Gesamthaft fällt die Zuschreibung von gesellschaftlicher Verantwortung der Institutionen eher tief aus. Reputationswerte unter 7 weisen auf mögliche Probleme hin.

Werden die Personen, denen eine Einschätzung der gesellschaftlichen Verantwortung der Institutionen nicht möglich war, ebenfalls berücksichtigt, zeigt sich ein leicht verändertes Bild.

51 Prozent der befragten Mitglieder sprechen dem Roten Kreuz eine eher bis hohe gesellschaftliche Verantwortung zu (>7 auf einer Skala von 0-10). Knapp die Hälfte (48%) nimmt die gesellschaftliche Verantwortung der Reformierten Kirche als (eher) hoch wahr. Knapp ein Drittel der Befragten schätzt die gesellschaftliche Verantwortung der Katholischen Kirche tief (<3) ein.

Auch bei der Befragung der Luzerner Wohnbevölkerung weicht die Reihenfolge der Institutionen, unter der Berücksichtigung der Unentschlossenen, leicht ab.

59 Prozent der Einwohner:innen sprechen dem Roten Kreuz eine eher bis hohe gesellschaftliche Verantwortung zu (>7 auf einer Skala von 0-10). Die Dargebotene Hand ist aufgrund der hohen Anzahl an «weiss nicht/keine Antwort» auf den zweiten Platz verdrängt worden.

Zufriedenheit mit Reformierter Kirche

Geben die befragten Mitglieder eine inhaltliche Bewertung zu den Leistungen der Reformierten Kirche ab, fällt diese stark mehrheitlich positiv aus: 53 Prozent der Befragten sind mit den Leistungen für die reformierte Glaubensgemeinschaft eher oder sehr zufrieden. 51 Prozent bewerten die Leistungen für den persönlichen Glauben positiv. Dieser Meinung sind ebenfalls 50 Prozent der Befragten im Zusammenhang mit Leistungen für die gesamte Gesellschaft.

Den Angehörigen einer anderen Konfession und den konfessionslosen Personen aus der Luzerner Wohnbevölkerung fällt die Bewertung der Leistungen der Reformierten Kirche deutlich schwieriger. Dennoch fällt die Bewertung zugunsten der Zufriedenheit aus.

Die Zufriedenheit von Personen aus der Wohnbevölkerung, die dem reformierten Glauben angehören, fällt vergleichbar mit den Werten der Mitglieder-Befragung aus.

58 Prozent der befragten Mitglieder sind mit den Angestellten, Behördenmitgliedern und den Freiwilligen der Reformierten Kirche eher bis sehr zufrieden. 10 Prozent stufen ihre Zufriedenheit als mittelmässig ein. Lediglich 3 Prozent sind mit den Mitarbeitenden der Reformierten Kirche Luzern eher oder gar nicht zufrieden. Knapp ein Drittel der Befragten kann oder will keine Bewertung abgegeben (29%).
Rund zwei Drittel der Luzerner Wohnbevölkerung, die nicht dem reformierten Glauben angehören, können keine Angabe zur Zufriedenheit mit den Mitarbeitenden der Reformierten Kirche machen. Die Berührungspunkte scheinen zu gering zu sein.

Seelsorge

Die Spitalseelsorge ist unter den Mitgliedern das bekannteste Angebot im Bereich Seelsorge. 89 Prozent der Befragten haben mindestens schon einmal davon gehört. Die Seelsorge in der eigenen Kirchgemeinde ist beinahe so vielen Befragten bekannt (85%). Rund drei Viertel der Mitglieder haben bereits von der Gefängnisseelsorge (77%) und der Notfallseelsorge (73%) gehört. Ebenfalls mehr als der Hälfte sind das Hospiz Zentralschweiz (61%), die Seelsorge in einer anderen Kirchgemeinde (55%) sowie die Polizei- und Feuerwehrseelsorge (52%) bekannt. Die ökumenische Koordinationsstelle Palliative-Care (40%) und die Hochschulseelsorge (30%) sind hingegen nur einer Minderheit bekannt.

Die Nutzung von Seelsorge-Angeboten fällt sehr gering aus. Fast ausschliesslich werden die Seelsorge in der eigenen oder einer andern Kirchgemeinde und die Spitalseelsorge von einigen Mitgliedern genutzt. Dieses Bild spiegelt sich auch in der befragten Luzerner Wohnbevölkerung wider.

Durch die geringe Anzahl an Nutzenden ist die Bewertung des Seelsorge-Angebots hinsichtlich der Hilfestellung nur bedingt möglich. Tendenziell wird das Angebot als hilfreich eingestuft.

Das wichtigste Element des Seelsorge-Angebots ist für die Befragten die Vertraulichkeit. 91 Prozent der Mitglieder empfinden dieses Element als eher bis sehr wichtig. Auf dem zweiten Platz findet sich die Professionalität des Angebots (89% eher/sehr wichtig). Für rund drei Viertel der Mitglieder sind die Anonymität (77%) und die Kostenlosigkeit für alle (75%) relevant. Eine möglichst geringe Wartezeit bis zum Termin ist für 69 Prozent der Befragten eher bis sehr wichtig. Ebenfalls mehr als die Hälfte der Mitglieder stufen die Bedingungslosigkeit (66%) und die tägliche Erreichbarkeit rund um die Uhr (56%) als wichtig ein. Das Nichterfassen im Gesundheitssystem ist für knapp die Hälfte der Befragten ein zentrales Element des Seelsorge-Angebots (53%). Eine enge persönliche Beziehung zur Seelsorgerin oder zum Seelsorger (34%) sowie deren oder dessen Glauben (33%) sind nur für eine Minderheit relevant.

In der Befragung der Wohnbevölkerung weichen die Werte nur sehr gering von denen aus der Mitgliederbefragung ab. Jene Elemente, die eine Mehrheit der Mitglieder als wichtig einstufen, sind auch in den Augen der Mehrheit der Luzerner:innen relevant. Dasselbe gilt für die beiden Elemente, die nur von einer Minderheit als wichtig erachtet werden.

Der Ort, an welchem auf die Seelsorge zurückgegriffen werden kann, ist ebenfalls ein entscheidendes Element des Angebots. Sowohl die Nähe zum Wohnort als auch die Möglichkeit via Telefon vom Seelsorge-Angebot zu profitieren, ist für 75 Prozent der Mitglieder eher bis sehr wichtig. Der digitale Kontakt via Chat ist für 39 Prozent relevant. Knapp ein Viertel der Befragten stufen hoch frequentierte Orte (24%) oder die Nähe zum Arbeitsort (23%) als wichtig ein.

Die Luzerner Wohnbevölkerung schätzt die Relevanz der verschiedenen Orte oder Kanäle, um auf das Seelsorge-Angebot zurückgreifen zu können analog zu den Mitgliedern ein. Tendenziell ist ihnen die Nähe zum Wohnort etwas unwichtiger (67%). Der digitale Kanal wird hingegen von einer etwas grösseren Gruppe als relevant angesehen (45%).

Die Nähe zum Arbeitsort ist knapp für einen Drittel der 16- bis 39-Jährigen wichtig (32%). Somit ist dieses Element des Seelsorge-Angebots der jüngsten Altersgruppe wichtiger. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Chat-Funktion. Knapp die Hälfte der 16-bis 39-Jährigen stufen den digitalen Kontakt zur Seelsorge als eher oder sehr wichtig ein (49%). Wenig überraschend nimmt mit zunehmendem Alter die Relevanz des digitalen Kanals ab. Der telefonische Kontakt und die Nähe zum Wohnort sind den Befragten über alle Untergruppen hinweg die wichtigsten Eckpfeiler.

Aktuelle Belastungen

Belastende Themen können in verschiedenen Lebensbereichen auftreten. Die grösste Belastung verspüren Mitglieder zurzeit aufgrund ihrer Sorgen wegen Krieg und Terror. 26 Prozent der Befragten fühlen sich dadurch eher stark bis sehr stark betroffen. Von Arbeitsstress/beruflicher Unsicherheit sind 17 Prozent der Befragten eher stark bis sehr stark betroffen.

Die Sorgen der Mitglieder weichen kaum von jenen der allgemeinen Luzerner Wohnbevölkerung ab. Einzelne Beschwerden sind minim stärker oder minim schwächer ausgeprägt. Jedoch können diese Schwankungen vernachlässigt werden. Die Belastung im Zusammenhang mit dem eigenen Tod und körperlichen Beschwerden nimmt wenig überraschend mit zunehmendem Alter verhältnismässig zu. Zudem zeigen sich ältere Personen (65+) von Sorgen wegen Krieg und Terror stärker betroffen als die anderen Altersgruppen. Die jüngste Altersgruppe (16- bis 39-Jährige) fühlt sich hingegen von Arbeitsstress / beruflicher Unsicherheit und psychischen Beschwerden tendenziell stärker betroffen.

Sorgen und belastende Themen können erhebliche Auswirkungen auf eine Person und ihr Umfeld haben. Um diesen Belastungen gerecht zu werden und eine Hilfestellung zu offerieren, bietet die Reformierte Kirche verschiedene Angebote im Bereich Seelsorge an.

Mediennutzung

Die Mediennutzungsintensität fällt bei den Mitgliedern hoch aus. Wobei im Alltag digitale Medien tendenziell häufiger als analoge Medien genutzt werden.

Anders sieht es bei den Medien der Reformierten Kirche aus. Knapp die Hälfte der Mitglieder nutzt die gedruckte Ausgabe des monatlich erscheinenden Kirchenbotens mindestens einmal pro Monat (46%). Auf die Online-Version greifen lediglich 5 Prozent der Befragten mindestens einmal pro Monat zurück. Die reformierte Wohnbevölkerung des Kantons Luzern nutzt den gedruckten und den digitalen Kirchenboten im selben Ausmass. Die Website reflu.ch wird von 28 Prozent der Mitgliedern selten genutzt. 64 Prozent hingegen besuchen die Website nie.

Synthese

Gesellschaftliche Verantwortung mit Luft nach oben

Die gesellschaftliche Verantwortung der Reformierten Kirche wird von den Mitgliedern deutlich höher eingeschätzt (6.5) als von den Angehörigen einer anderen Glaubensgemeinschaft oder den Konfessionslosen (5.3). Reputationswerte unter 7 weisen auf mögliche Probleme hin. Die gesellschaftliche Verantwortung sollte in der Öffentlichkeit wieder stärker sichtbar werden.

Zufriedenheit mit Leistungen und Mitarbeitenden

Die Mitglieder zeigen sich zufrieden mit den Leistungen und den Mitarbeitenden der Kirche. Den Angehörigen einer anderen Konfession und den konfessionslosen Personen innerhalb der Luzerner Wohnbevölkerung fällt die Bewertung hingegen schwieriger. Diejenigen, welche die Leistungen und Mitarbeitenden einschätzen können, sind grundsätzlich zufrieden.

Bekanntheit der Seelsorge-Angebote hoch, die Nutzung jedoch tief

Sowohl den Mitgliedern als auch der allgemeinen Wohnbevölkerung sind die Angebote im Bereich der Seelsorge bekannt. Jedoch nutzt nur eine Minderheit der Befragten die Möglichkeiten. Durch eine Enttabuisierung dieser Hilfestellung und einer erhöhten Nachfrage könnten die Angebote verstärkt genutzt werden.

Vertraulichkeit und Professionalität bei der Seelsorge gewünscht

Für Mitglieder und für die Wohnbevölkerung sind Vertraulichkeit und Professionalität bei der Seelsorge die wichtigsten Elemente. Eine enge persönliche Beziehung zur Seelsorgerin oder zum Seelsorger sowie deren oder dessen Glauben ist nur für eine Minderheit relevant. Somit wird die entsprechende Aussenkommunikation wichtiger als die persönliche Beziehung.

Aktuelle Belastungen je nach Altersgruppe unterschiedlich

Belastende Gedanken zum eigenen Tod und körperlichen Beschwerden nehmen mit zunehmendem Alter verhältnismässig zu. Junge Personen fühlen sich hingegen von Arbeitsstress/beruflicher Unsicherheit und psychischen Beschwerden tendenziell stärker betroffen. Entsprechend sind zielgruppenorientierte Kommunikation und spezifische Seelsorge-Angebote unumgänglich.

Relevanz im digitalen Raum schaffen

Neben den eigenen Kommunikationskanälen wird der digitale Raum immer wichtiger, um die eigenen Angebote zu präsentieren, die eigene Relevanz aufzuzeigen und somit die wahrgenommene gesellschaftliche Verantwortung in der Öffentlichkeit zu stärken.

Ladder of Engagement weiterhin zentral

Gutes Mitglieder-Management führt zur Steigerung des Engagements auf der «Ladder of Engagement». Diese Logik lässt sich sowohl auf die Bindung der Mitglieder an die Reformierte Kirche anwenden als auch auf die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung der allgemeinen Bevölkerung. Stärkere Kontaktpunkte führen zu stärkerer Verbundenheit.

Lebensräume der Bevölkerung werden grösser

Die Mobilität der Bevölkerung nimmt zu, die Bindung  zur eigenen (Kirch-)Gemeinde ab. Die Kommunikation erfolgt zunehmend digital oder multimedial. Globale Probleme haben einen höheren Stellenwert als lokale Probleme. Somit werden nicht ortsgebundene und überregionale Angebote immer wichtiger, um die Sichtbarkeit und die eigene Reputation zu verbessern.

Methodische Details

Auftraggeberin: Reformierte Kirche Kanton Luzern

Grundgesamtheit: Mitgliederbefragung: Mitgliederverzeichnis Reformierte Kirche Kanton Luzern; Bevölkerungsbefragung: Personen über 16 Jahre, die im Kanton Luzern wohnhaft sind

Herkunft der Adressen: Mitgliederbefragung: Reformierte Kirche Kanton Luzern; Bevölkerungsbefragung: Polittrends

Datenerhebung: Mitgliederbefragung: Online via brieflicher Einladung; Bevölkerungsbefragung: Online via Panel

Stichprobengrösse: Total Befragte N = 1167; n Mitgliederbefragung = 766, n Bevölkerungsbefragung = 401

Art der Stichprobenziehung: Mitgliederbefragung: quotiert nach Geschlecht/Alter; Bevölkerungsbefragung: quotiert nach Geschlecht

Stichprobenfehler: Mitgliederbefragung: ±3.5 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit; Bevölkerungsbefragung: ±4.9 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Befragungszeitraum: Mitgliederbefragung: vom 16.10.2023 bis 23.11.2023; Bevölkerungsbefragung: 6.11.2023 bis 14.11.2023