Prävention: politisch unterschätzt, individuell im Trend

Jeder kocht in seiner eigenen Küche, eine systematische Betrachtung der Prävention fehlt weitgehend

Doetsch Grether

Zum Anlass des 125-jährigen Firmenjubiläum hat Doetsch Grether AG gfs.bern beauftragt eine repräsentative Befragung zur Gesundheit in der Schweizer Wohnbevölkerung durchzuführen. Die Studie bringt zum einen in Erfahrung wie die Einwohner:innen Gesundheit erleben. Zum anderen liegt der Fokus neben der Wahrnehmung, Erfahrung, Trends und Wünschen im Bereich Gesundheit auch auf der Prävention.

Ganz grundlegend gibt der DG-Präventionsmonitor darüber Auskunft, wie die Schweizer Wohnbevölkerung zur Prävention mit allen Facetten steht. Dabei gehen wir von folgender Definition der Prävention aus:

  • Wir unterscheiden zwischen übertragbaren, wie beispielsweise HIV/AIDS, und nicht übertragbaren Krankheiten, wie beispielsweise Herz-Kreislauferkrankungen.
  • Während übertragbare Krankheiten Impfungen, Prophylaxe oder Aufklärung verlangen, zielen die Massnahmen im Falle von nicht übertragbare Krankheiten auf Förderung von Wissen und Motivation für einen gesunden Lebensstils ab.
  • Die Prävention bekämpft dies Entwicklung am Ursprung. Um den nicht übertragbare Krankheiten vorzubeugen, ist die Ermittlung der konkreten Ursachen von zentraler Bedeutung. Laut dem BAG sind folgende Gesundheitsdeterminanten evident:[1] Körperliche Aktivität, Arbeits- und Wohnbedingungen, Wohnungsbedingungen, Ausgewogene Ernährung (5 Portionen Obst und Gemüse an einem Tag), Gewicht, Tabak- Alkohol- und Cannabiskonsum

Informationen zur Stichprobe und Befragungsmethode finden sich in der Infobox am Ende des Cockpits.

[1] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/determinanten.html

Präferenzen Gesundheitsvorsorge und-prävention

Die Schweizer Bevölkerung tendiert in der Frage der Gesundheitsvorsorge und -prävention leicht mehr zu Eigenverantwortung als zu staatlichen Massnahmen. Dahingehend, dass die Schweiz zwar in vielen Bereichen für eine ausgeprägte Eigenverantwortung steht, aber im Gesundheitswesen zu mehr staatlicher Intervention neigt, entsprechen die Resultate dem bereits bekannten.

Die «typische» Präventionsarbeit, die auf Informationen und Aufklärung basiert, wie wir sie beispielsweise von der Aidsprävention kennen, stösst in der Bevölkerung auf weniger Beliebtheit als dies Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsprogramme tun. Eine klare Tendenz ist jedoch nicht festzustellen.

Gesundheit wird in verschiedensten Gruppen anders gedacht. Eine Clusteranalyse hat ergeben, dass sich in der Gesellschaft vier Typen herauskristallisieren, welche sich distinktiv unterscheiden.

Die Sportbegeisterten bewegen sich sehr viel, sind eher schlank und haben in der Tendenz selten ein schlechtes Gewissen. Sie denken Gesundheitsvorsorge und -prävention klar in der Dimension der Eigenverantwortung, wünschen sich aber leicht öfters eine Gesellschaft mit Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsprogrammen.

Die Gelegeheitssportler:innen bewegen sich, wie der Name schon sagt, gelegentlich, sind ebenfalls eher schlank und haben ab und zu ein schlechtes Gewissen. Sie ticken sehr ähnlich wie die Sportbegeisterten. Auch sie denken Gesundheitsvorsorge und -prävention vergleichsweise eher als individuelle Angelegenheit.

Die reuigen Sportmuffel sind kaum sportlich aktiv, eher übergewichtig und haben oft mit ihrem schlechten Gewissen zu kämpfen. Für die reuigen Sportmuffel ist tendenziell eher der Staat in der Verantwortung. Sie bevorzugen staatliche Massnahmen vor Eigenverantwortung und wünschen sich eine Gesellschaft mit mehr Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsprogrammen.

Die unbekümmerten Sportmuffel sind ebenfalls eher unsportlich, eher übergewichtig und haben fast nie ein schlechtes Gewissen. Sie sind die eingemittete Gruppe und weisen die undeutlichsten Präferenzen auf. So kommt die Eigenverantwortung leicht vor dem Staat. Sie wünschen sich aber leicht eher eine Gesellschaft, die durch Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsprogrammen gelenkt ist.

Die Kostendiskussion im Gesundheitswesen macht auch vor der Gesundheitsversorgung keinen Halt. So besteht in den Augen der Bevölkerung Handlungsbedarf in ganz grundsätzlichen Bereichen. Einerseits soll für rund drei Viertel mehr dafür gemacht werden, dass die Kosten gesenkt werden, um unnötige Behandlungen zu vermeiden. Andererseits soll für rund zwei Drittel mehr in die Ausbildung von Ärzten und Ärztinnen investiert werden.

Zusätzliche Ressourcen sind insbesondere in den Bereichen Ernährung respektive psychischer Gesundheit erwünscht. Die Bedeutung der psychischen Gesundheit wird dahingehend unterstrichen,

dass Bedarf an grösserem Einsatz für die psychische Gesundheit im Allgemeinen (59%) besteht sowie auch in der Stärkung derjenigen, die sich beruflich um die psychische Gesundheit kümmern (61%). Bei psychische Gesundheit besteht damit klarer Handlungsbedarf. In der Dimensionen Ernährung und Bewegung sieht jeweils eine knappe Mehrheit der Bevölkerung Aufklärung und Förderung als zu stärkende Massnahmen. Breiter abgestützt ist jedoch der Ansatz einer schulischen Bildung im Bereich Ernährung und auch in der Gesundheitsvorsorge.

In typischen Präventionsdomänen, allen voran der Aidsprävention (57% balanciert), ist die Ansicht eher vertreten, dass genügend getan wird.

Akteursspezifisch wird der Hausärzteschaft die grösste Wichtigkeit beigemessen (92%). Diese Erkenntnis reiht sich in den bereits vorhanden Erkenntnisstand im Gesundheitswesen ein. Überraschend häufig setzt man bei der Gesundheitsvorsorge auf die eigene Kompetenz (82%) wie auch auf Personen im eigenen Umfeld, die Fachwissen aufweisen (63%).

In diesem Bereich wird erstmals deutlich, dass individuelle Perspektiven das Verständnis der Bevölkerung für Prävention ausmachen.

Neben den Physiotherapeut:innen sind die Apotheken ein wichtiger Akteur. Drogerien hingegen werden von einer Minderheit als bedeutend erachtet (49%).

Neuigkeiten rund um die Gesundheitsvorsorge haben zwei Drittel der Einwohner:innen in den letzten 12 Monaten wahrgenommen. Diese werden äusserst unterschiedlich beurteilt. Die vernommenen Neuigkeiten fielen etwa gleich häufig positiv wie negativ aus.

Zwei Themen, die politisch oft diskutiert werden und aktuell auf der Abstimmungsagenda waren oder noch sind, stehen zuoberst: Gesundheitskosten (20%) und die Erhöhung der Krankenkassenprämien (12%). Jene Themen, die eher im präventiven Kontext gedacht werden, sind sehr individuell. Etwa werden Neuigkeiten zu spezifischen Krankheiten oder Krankheitserreger häufiger vernommen.

Insbesondere Krebs aber auch Übergewicht und Covid wurden hervorgehoben. Zudem umfasst das Thema Prävention verschiedenste Bereiche. Konkret wurden bespielweise Nennungen getätigt, die bis hin zur Raumlufthygiene reichen. Ansonsten werden aber auch Assoziationen mit dem Gesundheitswesen im Allgemeinen erstellt. Im gesundheitspolitischen Verständnis sind die Prioritäten zurzeit eindeutig auf die Kosten und Prämien und nicht auf die Prävention fokussiert.

Wichtigkeit Prävention

Die Gesundheitsvorsorge geniesst für sich selber betrachtet in der Wohnbevölkerung der Schweiz eine immense Bedeutung. Drei Viertel legen grossen Wert auf die Gesundheitsvorsorge. Jede:r fünfte Einwohner:in ordnet die Wichtigkeit mittelmässig ein und nur die allerwenigsten schätzen die gesundheitliche Vorsorge als unwichtig ein

Dabei bewerten längst nicht alle Bevölkerungsgruppen die Gesundheitsvorsorge gleichermassen. Signifikant häufiger erachteten Frauen die Vorsorge als wichtiger. Unter den Frauen differenzieren sich zudem weitere Merkmale heraus.

Vornehmlich Sportlerinnen oder Gelgenheitssportlerinnen, die ihren eigenen Gesundheitszustand als mittelmässig oder schlechter einschätzen, finden Vorsorge besonders wichtig.

Nicht nur die als typisch geltenden Vorsorgefelder wie beispielsweise die Suchtprävention werden als wichtig erachtet, sondern die Wohnbevölkerung nimmt Gesundheitsvorsorge sehr viel breiter gefächert wahr. Insbesondere das Screening, in Form von Früherkennungen (92%) von Krankheiten und Vorsorgeuntersuchungen wie beispielsweise Brustkrebst (89%), ist von grosser Bedeutung für die Gesellschaft. Aber auch Aspekte betreffend psychischem Gesundheitszustand wie dem Vorbeugen von Stress (85%),

der psychischen Gesundheit und Unterstützung im Allgemeinen (84%), der mentalen Resilienz und Achtsamkeit (78%) wie auch der Arbeitsplatz-Gesundheit und -Sicherheit (89%) gelten als zentral.

Mineralstoffe, Vitamine und andere Nahrungsergänzungsmittel (51%) und auch der Nutzung von Apps und Smartwatches (35%) spielen für die Einwohner:innen eine untergeordnete Rolle.

Nur gerade drei der oben abgefragten Themen wirken sich auch tatsächlich auf die Wichtigkeit der Gesundheitsvorsorge aus: Am stärksten prägt die Einstellung zur mentalen Resilienz und Achtsamkeit die Wichtigkeit der Gesundheitsvorsorge im Allgemeinen. Auch wer der Suchtprävention und der Vorsorgeuntersuchung Bedeutung zumisst, beurteilt die Gesundheitsvorsorge durchschnittlich als höher.

Zusätzlich erachten diejenigen mit höherer Bildung und höherem Alter die Wichtigkeit der Gesundheitsprävention als signifikant höher. Männer hingegen erachten die Gesundheitsvorsorge und -prävention als weniger wichtig.

Die Ernährung ist wichtiger Alltagsbestandteil der individuell geprägten Präventionsvorstellungen, wenn nach Gesundheitstrends gefragt wird. Der Einsatz für die Ernährung in der Gesundheitspolitik kann in den Augen der Einwohner:innen nicht nur grösser sein, sondern spielt in der Gesellschaft zudem eine eminente Rolle: Nicht nur legen 4 von 5 Personen Wert auf eine gesunde Ernährung, sondern sie wird sogar noch häufiger als „in“ angesehen. Ebenfalls verbreitet ist die Einnahme von Vitamin D (45% in resp. out & mache/nutze ich gerne) und Magnesium Präparaten (42% in resp. out & mache/nutze ich gerne). Sie gelten jeweils bei circa 60% als in der Gesellschaft beliebt.

Neben der Ernährung gehören, eine der Nationalsportarten, Wandern (68% in resp. out & mache/nutze ich gerne) und Wellnessen (51% in resp. out & mache/nutze ich gerne) für eine Mehrheit zu vorsorglichen Aktivitäten und werden am zweit- und dritthäufigsten gesellschaftlich als «in» angesehen. Der «Wellness-Trend» befördert damit auch das präventive Verhalten.

Zu den Elementen, welche zwar tendenziell eher als beliebt gelten, aber im Verhältnis dazu weniger häufig gemacht wird, gehören Yoga und Pilates sowie auch Fitness und Krafttraining.

Uneinheitlich schneiden Nahrungsergänzungsmittel ab, wenn es um die Nutzung und Beurteilung geht. Nicht jede Art von Mineralstoffen, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln werden gleich häufig genutzt. Am wenigsten verbreitet sind die Einnahme von Zink- und Probiotika-Präparaten (21% resp. 17% in resp. out & mache/nutze ich gerne) und sie gelten für die Hälfte der Wohnbevölkerung auch als nicht zeitgemäss. Andere hingegen werden zwar im Vergleich zu anderen Trends auch nicht viel häufiger gemacht, sind jedoch gesellschaftlich beliebter, wie beispielsweise die Einnahme von Eisen- oder Omega3-Präparaten.

Andere Elemente, welche ebenfalls in der Tendenz unbeliebt sind, sind der Sport im Verein (43%) und Gesundheits-Apps (39%). Letztere gelten unter den abgefragten Technologien als am unbeliebtesten (Gesundheits-Uhren und Schrittzähler 33%).

Mineralstoffe, Vitamine und Nahrungsergänzugsmittel

Die Einnahme von Mineralstoffen, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmittel ist in der Schweizer Bevölkerung durchaus verbreitet. Rund ein Viertel der Einwohner:innen supplementieren täglich und 13% mehrmals wöchentlich.

Ebenfalls ein Viertel gehört zu denjenigen Personen, die bewusst bei Bedarf ihre Mineralstoffe, Vitamine oder Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Wenig Berührungspunkte mit Supplementierungen hat rund ein Drittel der Wohnbevölkerung.

Frauen und Männer unterscheiden sich im Nutzungsverhalten deutlich. Einerseits nehmen Frauen häufiger Mineralstoffe, Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Andererseits ist die Motivation dahinter eine andere. Bei den Frauen kristallisieren sich zwei distinktiv unterschiedliche Gruppen heraus. Diejenigen, die besonders häufig Supplementierungen zu sich nehmen, schätzen ihren Gesundheitszustand tendenziell schlechter ein. Es liegt also nahe, dass der Motivation eine Gesundheitskomponente zugrunde liegt. Die andere weibliche Gruppe nimmt weniger oft ergänzende Mittel zu sich und charakterisiert sich dadurch, dass sie den eigenen Gesundheitszustand besser einschätzen. Darunter sind es explizit die älteren Frauen, welche häufiger supplementieren.

Bei den Männern ist es in erster Linie eine Frage des Alters. Am häufigsten ergänzen Männer mittleren Alters (zwischen 45 und 52 Jahren) ihren Bedarf mit Mineralstoffen, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln. Jüngere Personen, namentlich im Alter zwischen 28 und 44 Jahren nehmen deutlich weniger oft Supplemente zu sich, wenn sie dies jedoch tun, sind es Sportler und Gelegenheitssportler. Das deutet darauf hin , dass die Einnahme ergänzender Mittel neben dem Alter auch eine sportliche Komponente aufweist.

Kohärent zeigt sich auch die spezifische Einnahme der Mineralstoffe, Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel. Die als in der Gesellschaft am beliebtesten wahrgenommenen Mittel, Magnesium und Vitamin D werden am meisten zu sich genommen.

Die drei häufigsten Gründe für eine Einnahme sind das Aufrechterhalten der Gesundheit im Allgemeinen (46%) und des Immunsystems (37%) sowie auch explizit gegen Muskelkrämpfe. Gekauft werden die nötigen Mittel mit Abstand am meisten in der Apotheke (51%).

Gesundheitsversorgung und -prävention gewinnen an Bedeutung

Gesundheitsvorsorge und -prävention wird von vielen als wichtig betrachtet. Die Bedeutung der Gesundheitsvorsorge und -prävention ist dabei eine Frage des Alters, Geschlechts und der Bildung. Ältere und hochgebildete Personen erachten sie als wichtiger als andere Gruppen. Gesundheit wird für sich immer stärker umfassend betrachtet. Mentale Resilienz. Achtsamkeit, Suchtprävention sowie Vorsorgeuntersuchungen gewinnen an Bedeutung.

Individuelle Perspektiven auf die Prävention

Prävention und präventives Verhalten ist stark an das individuelle Vorwissen und die Einstellung zu Sport und Ernährung gekoppelt. Die politischen Vorteile einer umfassend gedachten Prävention und der Beitrag der Prävention zur Senkung der Gesundheitskosten, sind im Alltag noch kaum präsent.

Schlechtes Gewissen spielt bei den Kernbereichen der Prävention mit

In den Kernberbereichen Bewegung und Ernährung sind die Möglichkeiten auf individueller Ebene längst nicht ausgeschöpft. Gerade beim Einsatz für die körperliche Gesundheit, der Bewegung sowie beim Zuckerkonsum wird oftmals zu wenig vorgesorgt. In der Tendenz manifestiert sich dies bei Einwohner:innen, die eher unsportlich und Gewissensbisse haben. Genau diese Gruppe wünscht sich jedoch mehr Staatlichkeit und Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsprävention.

Wenig Kontroverse bei Mineralstoffen, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmittel

Die Einnahme von Mineralstoffen, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln ist in der Schweizer Wohnbevölkerung weit verbreitet. Grob teilt sich die Bevölkerung in jene ein, die sehr häufig, je nach Bedarf und (fast) nie supplementiert. Dabei wird insbesondere auf Magnesium und Vitamin D gesetzt

Auftraggeber: Doetsch Grether AG
Grundgesamtheit: Einwohner:innen der Schweiz
Datenerhebung: telefonisch, computergestützt (CATI); Online-Panel polittrends.ch
Art der Stichprobenziehung: CATI: at random/Geburtstagsmethode im Haushalt; Panel: Selbstselektion aus Online-Panel von gfs.bern
Befragungszeitraum: vom 1. – bis 28. Februar 2024
Stichprobengrösse: Total Befragte N = 1016 (n DCH = 714, n FCH= 242, n ICH = 60)
Stichprobenfehler: ±3.1 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit