im Auftrag der Interpharma
Die Interpharma beauftragte das Forschungsinstitut gfs.bern mit der Durchführung einer zusätzlichen Befragungswelle im Juli 2025, ergänzend zur Projektreihe „Standort Schweiz – Europafragen“. Hauptziel dieser Befragung ist es, das Meinungsbild der Schweizer Stimmberechtigten rund um die bilateralen Verträge mit der EU auszuleuchten und Änderungen im Vergleich zur Erhebung im Januar festzuhalten.
Das vorliegende Cockpit soll interessierten Leser:innen einen schnellen Zugang zu den zentralen Erkenntnissen ermöglichen. Es umfasst alle relevanten Erkenntnisse aus der Erhebung zur Beziehung zwischen der Schweiz und Europa.
Die Ergebnisse der vorliegenden Befragung basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1030 Stimmberechtigten der Schweiz.
Downloads: Fragebogen
Nachdem die positive Einschätzung der bilateralen Verträge durch die Schweizer Stimmberechtigten seit 2020 stetig gestiegen ist und 2024 einen neuen Höchststand erreicht hat, nahm diese im Januar 2025 erstmals wieder ab. Diese Reduktion hat sich allerdings schon wieder zurückkorrigiert. So ist der Anteil jener, welche nur oder eher Vorteile in den bilateralen Verträgen sehen im Juli 2025 wieder auf dem Niveau von 2024 (64%, +6 Prozentpunkte [Pp.] im Vergleich zur letzten Welle).
Dieser Rückgang geht einher mit einer Verschiebung in der gleichzeitigen Wahrnehmung von Vor- und Nachteilen.
Während im Januar 2025 noch 20 Prozent sowohl Vor- als auch Nachteile in den bilateralen Verträgen sahen, sind es im Juli nur noch 12 Prozent – ein neuer Tiefstwert. Augenscheinlich erhöhten die Entwicklungen (noch ohne die Entwicklungen ab dem 1.8.2025) in den USA, weg von einer hauptsächlich regelbasierten hin zu einer zunehmend machtpolitisch ausgeprägten internationalen Zusammenarbeit, die Vorteilssicht gegenüber den bestehenden Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Die Nachteilssicht ist hingegen stabil geblieben im Vergleich zur Erhebung im Januar (21% eher/nur Nachteile, +1 Pp.).
Wie in den vorangehenden Befragungswellen spielt auch im Juli 2025 die Parteisympathie eine zentrale Rolle bei der Erklärung der Haltungen gegenüber den Bilateralen. Auffallend ist, dass die verstärkt ambivalente Haltung hierzu, welche im Januar noch zu beobachten war, im Juli deutlich zurückgegangen ist.
So befindet sich der Anteil der Vorteilssicht in vielen Fällen wieder auf dem Niveau von 2024. Ungebrochen ist die Vorteilssicht im Lager der Sympathisant:innen der Grünen, der SP sowie der GLP spürbar über 80 Prozent, während die Mitte eine leicht angewachsene Zunahme auf 72 Prozent zum Ausdruck bringt.
Am deutlichsten ist der Zuwachs in der Vorteilssicht im Lager der FDP-Sympathisant:innen, welche im Januar direkt im Nachgang zum publizierten Verhandlungsergebnis zu den neuen bilateralen Verträgen die Vorteilssicht mit wesentlich reduzierten 60 Prozent zum Ausdruck brachten, während sich der aktuelle Wert in Kenntnis der US-amerikanischen Neupositionierung mit 76 Prozent deutlich (+16 Pp) nach oben korrigiert hat.
Im SVP Lager lässt sich ein ähnliches Phänomen beobachten, indem sich die Vorteilssicht wieder von 32 Prozent auf 38 Prozent gesteigert hat. Allerdings macht sich die kritische Betrachtungsweise gegenüber den bilateralen Verträgen auch im Juli 2025 in dieser Gruppe besonders stark bemerkbar.
Zum ersten Mal seit Beginn der Messungen 2015 hat die Nachteilssicht bei der Anhängerschaft der SVP eine knappe Mehrheit von 51 Prozent erreicht (+3 Pp.).
Auch die ambivalente Haltung gegenüber den bilateralen Verträgen, welche im Januar 2025 bei den Parteiungebundenen noch relativ stark ausgeprägt war, hat sich im Juli wieder dem Wert der vorangegangenen Jahre angenähert. Während der Anteil jener, die vor allem Nachteile sehen, mit 28 Prozent weitgehend stabil bleibt (+2 Prozentpunkte im Vergleich zum Frühjahr), hat sich der Anteil derjenigen, die sowohl Vor- als auch Nachteile erkennen, markant verkleinert: Ihr Anteil sinkt um 21 Prozentpunkte auf 18 Prozent. Eine knappe Minderheit von 47 Prozent (+15 Pp.) sieht in den bilateralen Verträgen überwiegend oder ausschliesslich Vorteile. Auch hier scheinen die Entwicklungen rund um die USA zu einer verstärkt wohlwollenden Beurteilung der bisherigen bilateralen Verträgen zu führen.
Ein Anstieg der Vorteilssicht zeigt sich auch sprachregional: In der Deutschschweiz hat sie sich nach dem Rückgang von 69 Prozent (2024) auf 61 Prozent wieder auf 68 Prozent erholt.
In der Romandie kehrt sich der Negativtrend um, die Werte steigen im Juli 2025 auf 56 Prozent (+6 Pp.). Bei den italienischsprachigen Stimmberechtigten bleibt die Einschätzung dagegen stabil bei 39 Prozent (+3 Pp.).
Entlang des Alters und des Geschlechts der Befragten haben sich die Differenzen zwischen den Gruppen wenig verändert und insgesamt wieder den Werten von 2023 angenähert.
So bewerten auch 2025 die pensionierten Stimmberechtigten die bilateralen Verträge häufiger als vorteilhaft (72% eher/nur Vorteile) als dies die jungen (unter 40 Jahren: 59%) oder die mittelalten Stimmbürger:innen (40-64 Jahre: 63%) tun. Weiterhin schätzen Männer die Bilateralen öfters positiv ein (68% eher/nur Vorteile) als dies Frauen tun (61%).
Pro und Contra-Argumente
Die Zustimmung zu den Pro-Argumenten zu den bilateralen Verträgen mit der EU bleibt insgesamt auf hohem Niveau stabil.
So ist bei der 2024 erstmals abgefragten Aussage, dass der Abbau von Handelshemmnissen für die Schweizer Unternehmen wichtig sei, ein schwacher Rückgang zu beobachten (80%, -2 Pp.). Dennoch bleibt es das Pro-Argument mit der höchsten Zustimmung. Entsprechend scheint die Bevölkerung nach wie vor das Bedürfnis nach Verträgen zu haben, welche Handelshemmnisse abbauen und wirtschaftliche Planbarkeit und Sicherheit gewährleisten.
Nach wie vor sind grosse Mehrheiten auch im Juli 2025 überzeugt davon, dass die Schweiz dank den Bilateralen Zugang zum Exportmarkt geniessen würde (79% eher/voll einverstanden, -2 Pp.). Seit 2022 (89% sehr/eher einverstanden) nimmt die Zustimmung zu diesem Vorteil jedoch kontinuierlich jedes Jahr um ca. 2-3 Prozentpunkte ab.
Auf stabilem Niveau präsentiert sich das Argument, dass die Schweiz auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sei (80%, +2 Pp.). Ebenfalls hohe Zustimmungswerte verzeichnen bildungsbezogene Ansichten. So sind 78 Prozent der Stimmberechtigten der Ansicht, dass die bilateralen Verträge den Zugang zu Bildungs- und Forschungsprogrammen ermöglichen würden (–2 Pp.). Ebenso teilen 74 Prozent (–2 Pp.) die Auffassung, dass damit die Möglichkeit verbunden sei, in der gesamten EU zu wohnen, zu arbeiten und zu studieren. Auf hohem Level stabil präsentiert sich die Ansicht, dass die Bilateralen der Schweiz zu Wohlstand verhelfen würden (68%, +1 Pp.) Damit scheint auch hier die seit 2023 sichtbare Erosion in der Zustimmung gestoppt. Auch im Juli 2025 vermag das Argument, dass die Schweiz dank den Verträgen mit der EU von Asylwanderungen verschont bliebe, nicht zu überzeugen (26%, +3 Pp.), gewinnt aber im Vergleich zum Januar wieder leicht an Zustimmung. Insgesamt werden viele Vorteile der bilateralen Verträge gesehen – die Migrationsfrage gehört jedoch nach wie vor nicht dazu.
Bei den Kontra-Argumenten überzeugt nach wie vor das Argument am meisten, dass die EU ein bürokratischer Moloch sei 74 (-2 Pp.). Prozent der Befragten stimmen hierbei zu. Augenscheinlich führten die aktuellen internationalen Wirrungen nicht nur zu einer verstärkten Vorteilssicht gegenüber den bilateralen Verträgen sondern schwächen auch leicht einen der meistgenannten Kritikpunkte an der EU in Bezug auf Bürokratie. Im Juli 2025 nimmt der Zustimmungswert betreffend Lohndruck-Erwartungen in Folge der Personenfreizügigkeit nach einem kontinuierlichen Anstieg seit 2022 erstmals wieder ab (62% eher/voll einverstanden, -4 Pp.). Neben den höheren Miet- und Immobilienpreisen aufgrund der Zuwanderung (61%, -1 Pp.) ist im Juli 2025 auch eine Mehrheit der Stimmberechtigten der Meinung, dass die Zuwanderung eine Belastung für die Sozialwerke sei (55%, ±0 Pp.).
Das Argument, dass die Schweiz die Kontrolle über die Zuwanderung verloren habe, befindet sich nach einem leichten Rückgang im Januar wieder auf dem Niveau von 2024 – bleibt aber unter der 50-Prozent-Marke (47%, +3 Prozentpunkte). Eine ebenfalls nicht zu vernachlässigende und seit Januar 2025 unveränderte Minderheit von 43 Prozent der Stimmberechtigten ist der Ansicht, dass die EU undemokratisch sei. Sichtbar an Zustimmung gewonnen hat das Argument, dass die Schweiz nicht auf die Bilateralen angewiesen sei (30%, +6 Pp.).
Relevante Treiber für die Einschätzung zu den Bilateralen
Die internationalen Entwicklungen finden sich in einem weiteren Schritt auch in einer vertieften Betrachtung der Wirkungskraft einzelner Aussagen auf die generelle Einstellung gegenüber den bestehenden Bilateralen Verträgen.
Seit Jahren wird eine positive Einschätzung der Bilateralen am stärksten durch die Ansicht beeinflusst, dass sie zu Wohlstand verhelfen würden. Die unberechenbare Dynamik der Zollpolitik aus den USA und ihr Einfluss auf den weltweiten Handel verändert auch dieses Wirkungsgefüge. Neu ist das Argument des Zugangs zum Exportmarkt mit Abstand der stärkste Treiber für die Vorteilssicht der Bilateralen. Wer dieser Aussage zustimmt, hat eine 37 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, die bilateralen Verträge als positiv zu bewerten.
Das Argument des Wohlstands spielt aber nach wie vor eine zentrale Rolle. Diejenigen Personen, welche der Meinung sind, dass die Bilateralen zu Wohlstand verhelfen täten, haben eine 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit die Bilateralen positiv zu werten. Auf inhaltlicher Ebene wird die Vorteilssicht damit weiterhin in erster Linie aus der Wirtschaftsoptik heraus begründet.
Für das Model statistisch nicht relevant sind hingegen die Argumente, die EU sei undemokratisch oder ein bürokratischer Moloch. Nicht meinungswirksam sind zudem Argumente, die in den Verträgen eine Problematik im Zusammenhang mit Zuwanderung erkennbar machen. Augenscheinlich gelingt es den aktuellen Abfederungsmassnahmen, diesen Konflikt in der Wahrnehmung gar nicht erst entstehen zu lassen.
Die eingesetzte Methode der linearen Regression beschreibt das Vorhandensein des Einflusses von unabhängigen Variablen (hier: die verschiedenen Argumente rund um die Bilateralen) auf eine abhängige Variable (Einschätzung bilaterale Verträge). Anhand des Vorzeichens lässt sich unterscheiden, ob ein Element eher zu einer Vorteilssicht (positives Vorzeichen) oder eher einer Nachteilssicht (negatives Vorzeichen) auf die Bilateralen führt. Je grösser der absolute Wert des Faktors einer unabhängigen Variable ist, desto grösser ist der Einfluss auf die Einschätzung der Bilateralen. Variablen, welche die Null-Linie kreuzen, haben (auf einem 95%-Konfidenzintervall) keinen statistisch nachweisbaren Einfluss. Die Interpretation dieser linearen Regression geschieht unter der Annahme, dass andere Einflüsse im Modell konstant gehalten werden (ceteris paribus). Auf diese Weise ist es möglich, den isolierten Einfluss der unabhängigen Variablen auf die abhängige zu eruieren. Die Kontrollvariablen (Alter, Geschlecht, Sprache, Siedlungsart) werden im Modell ebenfalls berücksichtigt, um allfällige Verzerrungen durch diese vermeiden zu können.
Der Fragebogen zum Verhandlungsergebnis führt die Befragten schrittweise in den Inhalt der neuen Verträge ein. In einem ersten Frageblock werden die 11 wichtigsten Anpassungen an den bestehenden Verträgen einzeln vorgestellt und auf Akzeptanz abgefragt. Im Anschluss wird die Stimmabsicht zu den Anpassungen an den bestehenden Verträgen erhoben. In einem abschliessenden Schritt werden die neuen Abkommen einzeln vorgestellt und auf ihre Stimmabsicht abgefragt. Beides zusammen bildet das Verhandlungspaket «Schweiz-EU».
Die verschiedenen Anpassungen an den bestehenden Verträgen werden differenziert bewertet. Während die Kompromisse der EU auf breite Zustimmung stossen, werden die Zugeständnisse der Schweiz kritischer gesehen. Allerdings werden nur zwei der vorgeschlagenen Anpassungen von einer Mehrheit abgelehnt.
Besonders hohe Zustimmungswerte erfahren die Kompromisse der EU in den Bereichen Ausschaffung und Zuwanderung. So begrüsst jeweils eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten, dass die Ausschaffung krimineller EU-Bürger:innen auch in Zukunft möglich ist (84% voll/eher einverstanden, -6 Pp. gegenüber Wert von Januar 2025). Ähnlich gross ist die Zustimmung zur sogenannten Schutzklausel, welche es der Schweiz erlaubt, Massnahmen zur Begrenzung der EU-Zuwanderung zu ergreifen[1] (73%, -7 Pp.).
Ebenfalls sehr deutlich (85% voll/eher einverstanden, -7 Pp.) wird die Rückkehr zum Zugang zu den Europäischen Forschungsprogrammen (Horizon) befürwortet. Aber auch mit dem Verzicht auf höhere Studiengebühren für Studierende aus der EU sind die Stimmberechtigten mehrheitlich einverstanden (60%, +4 Pp.).
[1] Formulierungen der Aussage im Vergleich zu 2025 leicht angepasst
Rund drei Viertel befürworten zudem die gegenseitige Anerkennung von Produktionsvorschriften (73%, -6 Pp).
Die Anpassungen zum Lohnschutz werden unterschiedlich beurteilt: Während eine deutliche Mehrheit (73%, -5 Pp.) den EU-Kompromiss unterstützt, wonach EU-Unternehmen auch künftig Schweizer Löhne zahlen müssen, wenn sie Arbeitskräfte aus der EU in der Schweiz beschäftigen, sorgt die Übernahme der EU-Spesenregelung für eine gespaltene Meinung in der Stimmbevölkerung (53% Einverständnis, +2 Pp.).
Die Übernahme von EU-Recht im Rahmen bestehender Verträge unter Wahrung des Referendumsrechts findet in der Schweiz mehrheitliche Zustimmung (61%, +3 Pp.). Auch der neue Streitbeilegungsmechanismus, bei dem am Schluss immer das Schiedsgericht mit Vertretern aus der Schweizer und der EU, gegebenenfalls unter Einbezug des EuGH, über den Streitfall entscheidet, wird von einer Mehrheit unterstützt (63%).
Die grösste Skepsis zeigen die Stimmberechtigten gegenüber dem Solidaritätsbeitrag für weniger entwickelte europäische Regionen in der Höhe von 350 Millionen Franken pro Jahr, (46%, -4 Pp.), sowie der teilweisen Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie, die EU-Bürger:innen mit einem Schweizer Arbeitsvertrag nach fünf Jahren das gleiche Anrecht auf Sozialhilfe gewährt wie Schweizer:innen (47%).
Bei Betrachtung der Zustimmung zu den einzelnen Anpassungen aufgeschlüsselt nach Parteiaffinität zeigen sich sowohl breite parteiübergreifende Mehrheiten als auch klare Gegensätze zwischen linken und rechten Lagern.
Einigkeit herrscht vor allem bei wirtschafts- und forschungsbezogenen Fragen. Die Wiederaufnahme der Schweiz in europäische Forschungsprogramme wird parteiübergreifend klar befürwortet, was explizit auch in der SVP-Anhängerschaft der Fall ist. Auch die Anpassung von Produktvorschriften zur Erleichterung des Exports findet breite Unterstützung, besonders bei Sympathisant:innen der Mitte. Beim Lohnschutz spricht sich eine deutliche Mehrheit – rund drei Viertel der Befragten – dafür aus, dass EU-Unternehmen weiterhin Schweizer Löhne zahlen müssen.
Beim Thema Zuwanderung zeigt sich eine differenzierte Haltung. Die Schutzklausel, die Gegenmassnahmen bei steigender Zuwanderung ermöglicht, wird mit Zustimmungswerten zwischen 60% (SVP) und 91% (GLP) breit unterstützt.
Deutliche Gegensätze bestehen bei institutionellen Fragen. Dies zeigt sich besonders bei der Übernahme von EU-Recht und der Rolle des Europäischen Gerichtshofs, welche von links bis weit ins bürgerliche Lager unterstützt werden, während die SVP-Anhängerschaft nur im Umfang von rund einem Drittel zustimmt. Auch der Kohäsionsbeitrag wird von links stark, unter Sympathisant:innen der Mitte und der FDP knapp mehrheitlich befürwortet, während ihn die SVP-Anhängerschaft mit nur 18 Prozent klar ablehnt. Ein klarer Graben zeigt sich bei der Unionsbürgerrichtlinie, die EU-Bürger:innen mit Daueraufenthaltsrecht nach einem Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit von fünf Jahren das gleiche Anrecht auf Sozialhilfe gewähren würde wie Schweizer:innen. Während sie bei der Anhängerschaft von Grünen und SP breite Zustimmung findet, ist die GLP- zusammen mit der Mitte- und FDP-Anhängerschaft nur minderheitlich dafür. Sehr deutlich wird diese Anpassung von SVP-Sympathisierenden (23%) abgelehnt.
Die Haltungen zu den in der Befragung diskutierten Abkommen sind sichtbar positiv. So werden die neu verhandelten Abkommen in allen drei Bereichen aktuell von klaren Mehrheiten der Stimmbevölkerung mit Teilnahmeabsicht am Urnengang befürwortet.
Das Abkommen für eine Kooperation im Gesundheitsbereich und das Stromabkommen erreichen Zustimmungswerte von 68 beziehungsweise 69 Prozent. Knapper fällt hingegen die Befürwortung des Abkommens zum Handel mit Lebensmitteln aus. Nur eine knappe Mehrheit von 54 Prozent gibt an, bestimmt oder eher für dieses Abkommen zu sein. Der Widerstand gegen das Abkommen zu Handel mit Lebensmitteln kommt dabei deutlich verstärkt aus den Reihen von SVP-Sympathisant:innen, welche das Abkommen in einer klaren Mehrheit ablehnen.
Wenn morgen schon über die Anpassungen an den bestehenden Verträgen mit der EU abgestimmt würde, wäre eine Mehrheit der bestimmt Teilnehmenden von 61 Prozent bestimmt oder eher dafür.
Aktuell sprechen sich mit Ausnahmen von SVP-Sympathisant:innen alle Parteinanhänger:innen in der deutlichen Mehrheit für die bestehenden Verträge mit der EU aus.
Unter SVP-Sympathisant:innen ist der Widerstand mit knapp 70 Prozent mehr oder weniger dezidierter Ablehnung hingegen deutlich ausgeprägt. Parteiungebundene zeigen noch keine klar mehrheitlichen Positionen.
Wie bei den bilateralen Verträgen generell ist es auch beim Paket «Schweiz-EU» aufschlussreich zu erfahren, welche Pro- und Kontra-Argumente besonders zu überzeugen vermögen.
An erster Stelle steht das Argument, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine gesicherte und stabile Kooperation mit der EU sei (69% voll/eher einverstanden). Ebenfalls breit geteilt wird die Ansicht, dass die Exportindustrie regelmässig Aktualisierungen für den Marktzugang benötigen würde (65%) und dass die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gestärkt werden müsse (64%).
Auch die Bedingung für einen Abschluss neuer Verträge, wie etwa das Stromabkommen, zu unseren Gunsten (62%) und das Argument, dass Verträge Sicherheit in geopolitisch unruhigen Zeiten bieten würden (62%), finden Zustimmung bei klaren Mehrheiten. Die Möglichkeit, bei Änderungen am Abkommen mitentscheiden zu können, wird von 59 Prozent der Befragten unterstützt.
Skepsis zeigt sich stärker bei klar kritischen Positionen:
58 Prozent sehen CH-Löhne unter Druck, und eine knappe Mehrheit von jeweils 52 Prozent vertritt die Meinung, dass die EU der Schweiz ihre Regeln aufzwingen würde und dass die Schweiz zu viele Kompromisse eingehen täte. Mit dem Wohlstandsargument für die Schweiz zeigen sich 49 Prozent aus der Stimmbevölkerung einverstanden. Auch das Argument der Verbesserungen bezüglich Unionsbürgerrichtlinie, Streitbeilegung und Lohnschutz vermag nur eine knappe Minderheit zu überzeugen (48%,).
Ein gespaltenes Meinungsbild zeigt sich bei sozial- und rechtspolitischen Punkten: 48 Prozent sind der Ansicht, dass EU-Bürger:innen schneller Zugang zu Sozialhilfe erhalten würden, und 45 Prozent sehen in der Personenfreizügigkeit einen einseitigen Vorteil für die EU aber nicht für die Schweiz. Am wenigsten Zustimmung erhält die Aussage, dass am Ende stets der Europäische Gerichtshof entscheidet .
Insgesamt zeigt sich: Wirtschaftlich geprägte Pro-Argumente zum Paket geniessen hohe Zustimmung, während migrations- und integrationspolitische Aspekte sowie Fragen der Souveränität deutlich umstrittener bleiben.
Eine Analyse zur Meinungswirkung dieser Argumente verdeutlicht, dass vor allem kooperations- und sicherheitsorientierte Argumente die Zustimmung zu den bestehenden Verträgen steigern.
Am stärksten wirkt die Überzeugung, dass die Zeit reif sei für eine gesicherte und stabile Zusammenarbeit mit der EU, was die Zustimmungswahrscheinlichkeit um 22 Prozentpunkte erhöht. Ebenfalls deutlich zustimmungsfördernd sind der Wunsch nach Mitbestimmung bei künftigen Anpassungen des Abkommens (+17 Pp.).
Die anderen Argumente mit einem positiven Effekt sind statistisch nicht signifikant.
Hingegen negativ schlägt die Einschätzung zu Buche, wonach die Schweiz zu viele Kompromisse eingehen würde. Wer diesem Argument zustimmt, hat eine 15 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit die bestehenden Verträge nicht anzunehmen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Unterstützung für die bestehenden Verträge vor allem durch positive, auf Kooperation, Sicherheit und Mitgestaltung ausgerichtete Argumente gestärkt wird, während souveränitätskritische Einwände ablehnend wirken.
Die Unterschiede in der Bewertung der Argumente zum Paket «Schweiz–EU» nach Parteiaffinität lassen klare Gegensätze zwischen dem Lager der SVP und den anderen Parteien erkennen.
Besonders einheitlich präsentieren sich die Zustimmungswerte bei der Anhängerschaft der Grünen, der SP und der GLP. Hier stossen fast alle Pro-Argumente auf sehr breite Unterstützung. So bejahen über neun von zehn Anhänger:innen dieser drei Parteien die Aussage, dass die Zeit reif sei für eine gesicherte und stabile Zusammenarbeit mit der EU (Grüne 92%, SP 92%, GLP 91%). Ebenso hoch ist die Zustimmung zu wirtschaftlich geprägten Argumenten wie der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit oder der Notwendigkeit eines Stromabkommens.
Die Mitte und die FDP liegen in vielen Bereichen etwas tiefer, bleiben aber im Kern ebenfalls mehrheitlich auf einer klar zustimmenden Linie. Unterschiede zeigen sich dort vor allem bei institutionellen Fragen: Während rund die Hälfte (53%) der Mitte-Sympathisierenden einer Entscheidungsmöglichkeit bei Anpassungen am Abkommen zustimmen, sind es bei der FDP 72 Prozent Auch in Bezug auf die Sicherheit in geopolitisch unruhigen Zeiten liegt die Zustimmung in beiden Lagern hoch (Mitte 73%, FDP 69%).
Ein deutlich anderes Bild zeichnet sich im SVP-Lager ab. Hier stossen fast alle Pro-Argumente auf deutlich geringere Zustimmung. Nur Minderheiten halten eine stabile Zusammenarbeit mit der EU für notwendig (46%) oder sehen im Stromabkommen einen Vorteil (40%). Stattdessen dominieren kritische Sichtweisen: 86 Prozent teilen die Aussage, dass Schweizer Löhne unter Druck geraten würden, 95 Prozent finden, die Schweiz würde zu viele Kompromisse eingehen, und 80 Prozent bewerten die Personenfreizügigkeit als einseitig zum Vorteil der EU. Auch die Einschätzung, dass die EU ihre Regeln aufzwinge, wird mit 88 Prozent fast geschlossen geteilt.
Bei den Parteilosen ergibt sich ein gemischtes Bild. Mehrheitlich werden ökonomische Argumente wie Exportmarkt, Wettbewerbsfähigkeit oder Wohlstand als Vorteile gesehen, während institutionelle und migrationspolitische Aspekte deutlich skeptischer beurteilt werden.
Insgesamt zeigt sich damit eine klare Polarisierung in der Bewertung der Argumente entlang von Parteipräferenzen. Während von links und durch die liberale Mitte das Paket klar aus einer wirtschaftlich-kooperativen Perspektive befürwortet wird, prägt bei der SVP und in Teilen auch bei den Parteilosen eine kritische Haltung zu Souveränität, Migration und institutionellen Fragen die Wahrnehmung.
Beurteilung der Handelspartner und des Wirtschaftsstandorts Schweiz
Die Beurteilung von Instrumenten zur Wahrung des starken Wirtschaftsstandorts Schweiz sind von relativ viel Konstanz geprägt. In dieser Erhebung zeigen sich aber zwei interessante Entwicklungen.
Die Befragten erachten nach wie vor insbesondere die Sicherstellung attraktiver Rahmenbedingungen für die Spitzenforschung als wichtigste Massnahme (87% sehr/eher sinnvoll, ±0 Pp.), genauso wie die Aufrechterhaltung attraktiver Rahmenbedingungen für die Wirtschaft (87%). Sowohl der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern ausserhalb der EU (81%, ±0 Pp.) als auch der Abbau bürokratischer Hürden für Unternehmen (72%, -4 Pp.) werden weiterhin von klaren Mehrheiten als wichtig erachtet. Passend zur aktuellen wirtschaftspolitischen Ausgangslage (Stand vor dem 2.8.2025) erachtet ebenfalls eine klare Mehrheit von 66 Prozent eine rasche Stabilisierung der Wirtschaftsbeziehungen gegenüber den USA als sinnvolle Strategie zur Vorbereitung auf wirtschaftlich schwierigere Zeiten.
Zwei Möglichkeiten, die im Vergleich zum Januar 2025 in der aktuellen Erhebung deutlicher als sinnvoll erachtet werden, sind zum einen die Stabilisierung der Beziehungen zur EU (75%, +5 Pp.) und zum anderen die Ansicht, dass die Schweiz besser beraten wäre, wenn sie grosse Herausforderungen im Alleingang angehen würde, anstatt sich auf andere zu verlassen (50%, +7 Pp.). Diese Entwicklung mag im ersten Moment irritieren, da es sich um inhaltlich konträre Ansichten handelt. Ein analysierender Blick in die Datengrundlage zeigt, dass insbesondere die Anhängerschaft der SVP für diese unterschiedliche Verteilung verantwortlich ist: Während Anhängerschaften von Grünen bis FDP mit Werten um 90 Prozent sich stark für die Sinnhaftigkeit einer raschen Stabilisierung der Beziehungen mit der EU aussprechen, so ist es bei den SVP-Sympathisierenden nur eine Minderheit von 45 Prozent. Genau umgekehrt zeichnet sich das Bild beim Alleingang. Über alle Parteien hinweg ist es eine deutliche Minderheit, die jeweils einen Alleingang als eine sinnvolle Strategie zur Vorbereitung auf wirtschaftlich schwierige Zeiten erachtet. Die Anhängerschaft der SVP hingegen sieht hier mit gewachsenen 86 Prozent klares Potenzial.
Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump ist omnipräsent und verunsichert ganz offensichtlich nicht nur Staatsträger:innen und Unternehmen, sondern auch die breite Bevölkerung. So liegt die wahrgenommene Bedeutung der Handelspartner für die Schweiz (in der Einschätzung vor dem 2.8.2025) ganz klar bei der EU (66%) und nicht bei den USA (6%).
22 Prozent der Befragten betonen, dass beide Beziehungen gleich wichtig sind. Nur 4 Prozent sind der Meinung, dass beide partnerschaftliche Verhältnisse nicht wichtig sind.
Ein Blick in die Untergruppen zeigt, dass es bei dieser Frage eine klare Tendenz entlang der Parteipräferenzen gibt. Nahezu alle Sympathisierenden der Grünen (95%) sehen die EU als wichtigeren Partner, während die Anhängerschaften der SP (78%) und GLP (89%) ebenfalls fast geschlossen die EU priorisieren. Kaum jemand in diesen Gruppen betont die USA als wichtigeren Handelspartner, und ein nennenswerter Anteil hält beide Beziehungen für gleich wichtig (SP 13%, GLP 11%).
Etwas differenzierter fällt das Bild bei den bürgerlichen Parteien aus. Die Anhänger:innen der Mitte empfinden zwar ebenfalls mit 78 Prozent die EU als wichtigeren Handelspartner, doch bereits 20 Prozent gewichten beide Partner gleich.
Im Lager der FDP stufen nur noch 64 Prozent die EU als wichtigeren Handlungspartner ein, während 30 Prozent die Bedeutung beider Partner als gleich wichtig erachten und 5 Prozent die USA priorisieren. Besonders stark relativiert sich die EU-Dominanz bei den SVP-Sympathisierenden: Nur eine Minderheit von 41 Prozent stufen die EU als wichtigeren Handelspartner ein, 36 Prozent sehen beide gleichauf, und 14 Prozent erachten die Handelsbeziehungen mit den USA als bedeutsamer.
Wirft man einen Blick auf die Parteiungebundenen, so ergibt sich ein gemischtes Bild: 60 Prozent geben der EU den Vorrang, knapp ein Drittel (29%) bewertet beide Beziehungen gleich, und 6 Prozent stufen die USA als wichtiger ein.
Nach dem Rekordwert von 2024 schwächte sich die Vorteilssicht im Winter 2025 unmittelbar nach Abschluss des neuen Vertrags vorübergehend ab. Im Rahmen der aktuellen internationalen Wirrungen (Stand vor August 2025) hat sich dies korrigiert. Bereits im Juli liegen die Einschätzungen wieder auf dem Niveau des Vorjahres. Allerdings: Während linke und bürgerliche Wählerschaften ihre Zustimmung mindestens stabil halten oder ausbauen, zeigt sich im SVP-Lager erstmals seit 2020 eine knappe Mehrheit in der Nachteilssicht.
Die positive Wahrnehmung der Bilateralen gründet vor allem auf ökonomischen Motiven. Zugang zum Exportmarkt, Abbau von Handelshemmnissen und Wohlstand bilden das Fundament der Zustimmung. Gerade die perzipierte Wichtigkeit des Zugangs zu Exportmärkten wächst angesichts der aktuellen internationalen
Wirrungen. Migrationskontrolle durch die Bilateralen dagegen überzeugt als Vorteil kaum.
Die neuen Abkommen stossen mehrheitlich auf Zustimmung, wobei das Lebensmittelabkommen nur knapp befürwortet wird. Insgesamt liegt die Unterstützung für die Anpassung an den bestehenden Verträgen bei 61 Prozent, getragen von Erwartungen an Kooperation und Stabilität. Ablehnung zeigt sich dort, wo zu viel Kompromiss befürchtet wird und ist im Lager der SVP-Sympathisant:innen sehr deutlich ausgeprägt
Die Anpassungen an den bestehenden Verträgen werden differenziert beurteilt. Klar befürwortet werden die Kompromisse der EU in den Bereichen Ausschaffung, Zuwanderungskontrolle und Forschung, ebenso die institutionellen Reformen, die mit knapper Mehrheit getragen sind. Skepsis überwiegt hingegen beim Kohäsionsbeitrag und bei der Unionsbürgerrichtlinie, die knapp mehrheitlich abgelehnt werden. Dabei hat insbesondere die SVP ihre grundsätzliche Skepsis sichtbar verstärkt.
Aussenwirtschaftlich bleibt die EU klar wichtigster Partnerin, während die USA kaum als Alternative gelten, was ebenfalls Ausdruck der Unsicherheiten in Bezug auf ihre Zollpolitik sein dürfte. Links-grüne und GLP-nahe Milieus priorisieren die EU fast geschlossen, während die SVP die USA deutlich stärker gewichtet.
Die Ergebnisse der vorliegenden Befragung basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1030 Stimmberechtigten der Schweiz.
Für die Befragung wurde ein mixed mode Verfahren angewendet. Dabei wurden 503 Interviews mittels computerunterstützten Telefoninterviews (CATI) erhoben sowie weitere 527 Interviews im Rahmen des gfs-Onlinepanels durchgeführt. Die Befragung fand zwischen dem 21. Juli und dem 03. August 2025 statt.
Zur Korrektur der soziodemografischen Verzerrung wurde entlang der Sprachregionen, nach Siedlungsart, nach Bildung und nach Alter/Geschlecht nach Sprache gewichtet. Eine inhaltliche Gewichtung erfolgte entlang der Parteiaffinitäten und einer Recall-Frage zu einer vergangenen Abstimmung.
Das hier verwendete RDD/Dual-Frame-Erhebungsverfahren verlangte zudem eine Basisgewichtung mittels Wahrscheinlichkeiten der technischen Erreichbarkeiten aufgrund der Anzahl Telefonanschlüsse.
Nachfolgende Tabelle informiert im Überblick über die Grösse des statistischen Fehlers bei betreffenden Stichprobengrössen für die jeweiligen befragten Gruppen: