NZZ Wahlbarometer Kanton Zürich 2023

Umfrage zu den Kantons- und Regierungsratswahlen am 12. Februar 2023

NZZ

Am 12. Februar 2023 finden in Zürich kantonale Erneuerungswahlen statt. Gewählt werden der Kantons- und der Regierungsrat für die Amtsdauer 2023 bis 2027. Ein allfälliger zweiter Wahlgang für die Erneuerungswahlen des Regierungsrates findet am Sonntag, 16. April 2023 statt.

Die vorliegenden Auswertungen basieren auf einer online-Umfrage, die gfs.bern in Zusammenarbeit mit der NZZ erhoben hat. Befragt wurden 3182 wahlberechtigte Zürcherinnen und Zürcher zwischen dem 24. November und dem 8. Dezember 2022 – also rund elf Wochen vor den Wahlen.

Die Erhebung erfolgte über drei verschiedene Kanäle: Über das gfs.bern eigene Panel Polittrends, via Website und Newsletter der NZZ und mittels Boomerang Ideas, einem Schweizer Tech start-up, das via Social Media breit für Kurz-Umfragen rekrutiert.

 

Die finalen Daten wurden nach Methode, Alter, Geschlecht, Partei (recall 2019), Siedlungsart und Themen repräsentativ gewichtet. Für eine genauere Beschreibung der Methoden, siehe Info-Box am Ende des Cockpits.

Bei Untergruppengrafiken, wie zum Beispiel der Wahl der Regierungsrät:innen nach Parteizugehörigkeit, werden alle abgefragten Parteigruppen ausgewiesen – also auch Kleinparteien wie die AL, EVP oder EDU, bei denen die Fallzahlen in der Stichprobe sehr klein und demnach der Fehlerbereich gross ist. Dies ist bei der Interpretation der Resultate zu berücksichtigen.

 

Wahlen Regierungsrat

Für die Wahlen in den Regierungsrat gilt: Bisherige bleiben – mindestens sofern sie bereits im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreichen. Die sieben bisherigen Regierungsräte und Regierungsrätinnen des Kantons würden nämlich auch heute die meisten Stimmen aller Kandidierenden erhalten.

Wie bereits 2019 liegt Mario Fehr auch aktuell an der Spitze, insofern ein aussergewöhnliches Resultat, da er nach seinem Austritt aus der SP nun als Parteiloser antritt.

Im Vergleich zu 2019 sind insbesondere Natalie Rickli (SVP) und Martin Neukom (GP) in der Gunst der Wähler:innen nach oben gerutscht. An Plätzen verloren haben dagegen Jacqueline Fehr (SP), Carmen Walker Späh (FDP) und Silvia Steiner (CVP).

Von den neuen Kandidierenden schneiden Priska Selier Graf (SP) und Peter Grünenfelder (FDP) am besten ab, sie liegen jedoch klar hinter den bisherigen Regierungsrät:innen.

Wahlabsichten der Sympathisant:innen der grössten Parteien im Kanton (SP, GP, GLP, FDP, SVP)

Die Wähler:innen der SP wählen in erster Linie bisherige aus dem eigenen Lager. Das heisst Jacqueline Fehr, Priska Seiler Graf und Martin Neukom (der sogar leicht mehr Stimmen erhält als die beiden SP-Frauen). Fast die Hälfte der Wahlberechtigten, die bestimmt teilnehmen wollen, wählen aber auch den aus der Partei ausgeschlossenen bisherigen Mario Fehr. Und: Auch Natalie Rickli erhält in diesem Lager 30 Prozent der Stimmen. Somit macht eine Politikerin vom anderen Ende des Parteienspektrums ungefähr gleich viele Stimmen wie Anne-Claude Hensch von der politisch der SP sehr viel näheren AL.

Die Wähler:innen der Grünen wählen ebenfalls primär innerhalb des einen politischen Lagers. Das heisst, Martin Neukom, aber auch Jacqueline Fehr und Priska Seiler Graf. Letztere erhält aber schon deutlich weniger Stimmen als der eigene Regierungsrat. Anne-Claude Hensch erhält noch etwas über 40 Prozent und Benno Scherrer, der Kandidat der GLP erhält noch rund 30 Prozent der Stimmen der Grünen – also gleich viele wie jene, die im Lager der SP Natalie Rickli wählen. Alle anderen Kandidierenden werden, Stand Ende November, von weniger als 20 Prozent der Wähler:innen der Grünen auf die Liste geschrieben.

Die Wähler:innen der GLP setzen für die nächste Legislatur auf Benno Scherrer, den eigenen Kandidaten, aber auch Mario Fehr und Martin Neukom erhalten viele Stimmen. Etwas über 40 Prozent wollen zudem Ernst Stocker und Jacqueline Fehr wählen. Die Kandidierenden der FDP (bisherige und neue) wie auch der Mitte erhalten dagegen deutlich weniger Stimmen in diesem Lager.

Die Wähler:innen der FDP Wählen ebenfalls ein klar bürgerliches Ticket – inklusive Mario Fehr. Am meisten Stimmen erhält die bisherige Regierungsrätin, Carmen Walker Späh. Der neue Kandidat der FDP, Peter Grünenfelder, erhält gleich viele Stimmen wie Natalie Rickli und etwas weniger als Ernst Stocker. Ähnlich wie auch die Wähler:innen der GLP keinen grosse Bereitschaft aufweisen, die Vertreter:innen der FDP zu wählen, schreiben auch nicht viele Sypathisant:innen der FDP Benno Scherrer auf den Wahlzettel. Deutlich mehr Stimmen aus der FDP erhält dagegen die bisherige Silvia Steiner (CVP).

Die Wähler:innen der SVP stehen geschlossen hinter ihrem bisherigen Regierungsrat, Ernst Stocker. Auch Natalie Rickli und Mario Fehr werden in diesem Lager deutlich gewählt, jedoch klar hinter Stocker. Um die 40 bis 50 Prozent der SVP-Stimmen machen zudem Carmen Walker Späh, Silvia Steiner und Peter Grünenfelder.

Die besten Noten für ihre politische Arbeit erhält SVP Regierungsrätin Natalie Rickli, gefolgt von Mario Fehr (parteilos) und Ernst Stocker (SVP). Aber auch mit Martin Neukom (Grüne) ist eine absolute Mehrheit der Wahlberechtigten des Kantons zufrieden. Somit erhalten jene Regierungsrät:innen, mit denen die Zufriedenheit am grössten ist, auch die meisten Stimmen (siehe Grafik oben). Bei Jacqueline Fehr und Carmen Walker Späh ist der Anteil Wahlberechtigter, die zufrieden und unzufrieden sind noch ungefähr gleich gross.

Die allermeisten Interviews für diese Umfrage waren am 3. Dezember, als die Nachricht des Datenlecks im Departement von Jacqueline Fehr publik wurde, bereits eingegangen (2178 von insgesamt 2352, die diese Frage erhielten). Das Bild ist demnach stark von einer Sichtweise vor dem Skandal geprägt. Allerdings weisen auch die Interviews, die nach ab dem 3. Dezember eingegangen sind, keine signifikant erhöhte Unzufriedenheit mit der Arbeit von Fehr auf, als jene, die vorher gemacht wurden.

Die Zufriedenheit mit Natalie Rickli ist breit durch alle politischen Lager abgestützt. Es sind nämlich nicht nur die bürgerlichen Wähler:innen der Meinung, dass die SVP-Vertreterin einen guten Job macht, sondern auch viele Sympathisant:innen aus den Reihen der SP und der Grünen.

Interessanterweise ist man just im Lager der SVP zufriedener mit Mario Fehr als mit der eigenen Regierungsrätin. Ähnliche Diskrepanzen zwischen Partei-Vertreter:innen und Zufriedenheit ergeben sich auch bei den Wähler:innen der SP: Hier ist die Zufriedenheit mit Martin Neukom grösser als mit Jacqueline Fehr oder mit Priska Seiler Graf.

Für die individuelle Entscheidung, wer in den Regierungsrat gewählt wird und wer nicht, spielen insgesamt offenbar verschiedene Faktoren eine ähnlich grosse Rolle. Der politische Leistungsausweis ist dabei nur ein Faktor von vielen.

Genauso wichtig sind jedoch die Persönlichkeit, die Vertrauenswürdigkeit, die Positionen der Kandidat:innen oder schlicht und einfach deren Parteizugehörigkeiten.

Wahlen Kantonsrat

Hätten die Erneuerungswahlen im Kanton Zürich bereits Ende November 2022 stattgefunden, wäre die GLP als klare Siegerin aus dem Rennen hervorgegangen. Ebenfalls leicht zugelegt hätten die Alternative Liste, die Mitte (2019 allerdings noch vor Zusammenschluss mit der BDP) sowie die FDP. Am stärksten verloren hätte die SP, aber auch die Grünen, die SVP, EDU und EVP hätten leicht an Parteistärke eingebüsst. Das Kräfteverhältnis der Parteien bleibt somit – mindestens was die Rangordnung gemäss Parteistärke betrifft – gleich wie 2019.

Die GLP kann die Grüne Partei im Vergleich zu 2019 aber weiter distanzieren und etabliert sich somit klar als viertstärkste Kraft im Kanton. Das linke Lager (AL, SP, GP) verliert im Vergleich zu vor vier Jahren und auch das bürgerliche Lager (FDP, SVP, EDU) büsst etwas an Stärke ein. Stattdessen führen die Gewinne der GLP zu einer Stärkung der politischen Mitte im Kanton. Die „grüne Welle“ des Jahres 2019 setzt sich somit weiter fort, allerdings mit einer klar liberaleren Note als noch vor vier Jahren.

Der Anteil sogenannter Wechselwähler:innen liegt bei allen Parteien ungefähr bei 20 Prozent, abgesehen von der FDP, wo diese Gruppe mit 12 Prozent geringer ausfällt. Dies dürfte aber auch daran liegen, dass die NZZ unter ihren Leser:innen besonders viele Personen mit einer traditionellerweise starken Bindung an die FDP haben.

Diese werden im Gesamtkontext der drei verschiedenen Methoden zwar weniger stark gewichtet, innerhalb der Gruppe der FDP-Wählerinnen dürfte das aber dennoch bemerkbar bleiben. Insgesamt ist der Anteil Wechselwähler:innen vergleichbar mit anderen Schweizer Wahlbefragungen (z.B. Selects 2019).

Methodische Details

  • Auftraggeber: Neue Zürcher Zeitung
  • Grundgesamtheit: Wahlberechtigte des Kantons Zürich
  • Herkunft der Interviews:
    •  gfs-Panel: Einladung via gfs.bern Panel Polittrends gefiltert und quotiert nach Kanton, Alter, Geschlecht
    • Online-Opt-In: Online-Rekrutierung über Website und Kanäle der NZZ, freier Zugang für alle
    • Boomerang: Rekrutierung via Social Media Ads targeted nach Alter, Geschlecht und Kanton
  • Stichprobengrösse: Total Befragte N=3182 (inkl Kurzumfrage Boomerang).
    • gfs-Panel: n = 482
    • Online-Opt-In = 2206
    • Boomerang = 494
  • Stichprobenfehler: 1.89 %
  • Gewichtung: nach Methode, Alter/Geschleckt interlocked, Siedlungsart, Bildung, Partei (recall 2019) und Themen
  • Befragungszeitraum: 24. November bis am 8. Dezember 2022. Mean Day: 27. November
  • Publikation: Dezember 2022 und Januar 2023