Nahtstellenbarometer 2022

Zentrale Ergebnisse März/April 2022

Umfrage bei Jugendlichen und Unternehmen im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI

Studienziele und Design

Ziel des Nahtstellenbarometers ist die Erfassung von Bildungsentscheiden von Jugendlichen am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit und das Einschätzen der Situation auf dem Schweizer Lehrstellenmarkt.

Zu diesem Zweck wird jährlich eine dreisprachige Online-Umfrage in zwei Erhebungswellen (März/April und August) bei Jugendlichen im Alter von 14-16 Jahren und Unternehmen mit mindestens 2 Angestellten durchgeführt.

 

Die vorliegenden Graphiken geben einen Überblick über zentrale Ergebnisse der ersten Erhebungswelle von 2022. Details zu den Methoden finden sich am Schluss dieses Cockpits.

Bei den ausgewiesenen Absolutwerten handelt es sich um hochgerechnete Werte. Die Stichprobenergebnisse wurden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet.

Das Wichtigste in Kürze

51% der Jugendlichen an der Nahtstelle I haben bereits eine feste Anschlusslösung.

64% der angebotenen Lehrstellen sind bereits besetzt.

Jugendliche

87’066 Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren stehen im März/April 2022 vor der Ausbildungswahl.

Am häufigsten ziehen sie nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit eine berufliche Grundbildung in Erwägung. Maturitätsschulen sind die zweithäufigste Präferenz. Rund ein Viertel der Jugendlichen plant ein Zwischenjahr oder will ein Brückenangebot in Anspruch nehmen.

56% (21’002) der Jugendlichen mit Interesse an einer Lehrstelle verfügen bereits über einen unterschriebenen Lehrvertrag. Dieser Wert liegt etwa im Durchschnitt der vorangegangenen Jahre (2021: 52%, 2020: 56%, 2019: 61%). Weitere 11% (4’104) Jugendliche erhielten bereits eine mündliche Zusage für eine Lehrstelle. Die übrigen 19’627 haben Aufnahmeprüfungen in Maturitätsschulen oder schulische berufliche Grundbildungen bestanden oder Zusagen zu einem anderen Angebot erhalten (Zwischenjahr, Brückenangebot). Insgesamt haben somit bereits 51% (44’733) der befragten Jugendlichen eine Anschlusslösung nach den Sommerferien. Dieser Wert ist weitgehend deckungsgleich mit den Vorjahreswerten.

Wichtig anzumerken ist, dass hier nur ein Teil der Nachfrage nach Lehrstellen abgebildet ist, nämlich jene von 14-16-Jährigen am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit.

Unternehmen

Insgesamt bieten 24% der Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, Lehrstellen an.

Die Gesamtzahl der 2022 angebotenen Lehrstellen beträgt hochgerechnet 76’749.

Bei den meisten Unternehmen ist das Lehrstellenangebot gleich gross wie im Vorjahr (78%). 12% der Unternehmen bieten mehr Lehrstellen an als 2021. 10% der Unternehmen geben an, weniger Lehrstellen anzubieten. Diese Werte sind weitgehend stabil.

90% (68’963) der angebotenen Lehrstellen sind berufliche Grundbildungen, die zu einem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) führen. Bei 9% (6’904) handelt es sich um berufliche Grundbildungen mit einem Eidgenössischen Berufsattest-(EBA). Das verbleibende Prozent konnte nicht eindeutig zugeordnet werden.

64% (49’186) der Lehrstellen waren im März/April 2022 bereits vergeben. Dieser Wert ist nahe am Vorjahreswert (2021: 63%).

Kontext Corona-Krise

Die Corona-Krise hat von Jugendlichen vor der Ausbildungswahl und Unternehmen Flexibilität abverlangt. Insgesamt verweisen diverse Indikatoren jedoch darauf, dass die klare Mehrheit der Jugendlichen und der ausbildenden Unternehmen die entstandenen Hürden bei der Ausbildungswahl und der Vergabe von Lehrstellen meistern konnte.

Jugendliche

16% der Jugendlichen, die im Sommer 2022 die obligatorische Schule abschliessen, geben an, es sei bei ihnen aufgrund der Corona-Pandemie zu einer Änderung der Ausbildungspläne gekommen. Das sind etwa gleich viele wie im Vorjahr (2021: 17%).

Junge Frauen, Ausländer:innen sowie Real- und Oberschüler:innen sind signifikant häufiger von Planänderungen betroffen als Männer, Schweizer:innen, Sekundarschüler:innen und Gymnasiast:innen, wie untenstehende Grafik aufzeigt.

Wie genau diese Corona-bedingte Änderung aussieht, können 14% von ihnen (noch) nicht näher benennen (2021: 18%).

 

28% wählen einen anderen Lehrberuf als ursprünglich geplant (2021: 22%), 16% machen ein Gymnasium oder eine FMS anstelle einer Lehre (2021: 14%) und 10% realisieren eine Zwischenlösung oder besuchen ein Brückenangebot (2021: 14%).

Besonders starke Unterstützung erfuhren Jugendliche bei der Ausbildungswahl in Zeiten der Corona-Krise von ihren Eltern. 65% geben an, dass diese sie speziell unterstützt haben, am zweithäufigsten wird niemand besonderes angegeben (14%) und an dritter Stelle die Lehrer:innen (8%).

In Bezug auf ihre eigene Zukunft ist die Mehrheit der Jugendlichen kurz vor dem Übertritt in die Sekundarstufe II zuversichtlich (54%). Geringer ist der Zukunftsoptimismus aber in Bezug auf die Gesellschaft als Ganzes (25% zuversichtlich).

Unternehmen

Von den ausbildenden Unternehmen geben schweizweit 36% an, während der Corona-Krise von Kurzarbeit betroffen gewesen zu sein.  In der französisch- und italienischsprachigen Schweiz war oder ist Kurzarbeit weiter verbreitet als in der Deutschschweiz (DCH: 31%, FCH: 49%, ICH: 58%).

Besonders betroffen waren zudem Unternehmen der Verkehrsbranche (62%), des Gastgewerbes (92%), der Kunst- und Unterhaltungsbranche (98%).

Das Gros der Unternehmen (80%) konnte trotz Corona die Rekrutierung ohne grösseren Probleme durchführen. Bei 20% der ausbildenden Unternehmen wurde die Suche nach Lernenden durch die Corona-Krise erschwert, wobei das Problem bei grossen Unternehmen stärker ins Gewicht fiel als bei kleinen bis mittleren Unternehmen. Überdurchschnittliche Mühe bekunden vorwiegend Unternehmen des Gastgewerbes.

 

Rund jedes fünfte Unternehmen gibt an, seine Rekrutierungsprozesse für Lernende vor dem Hintergrund der Corona-Krise angepasst zu haben (19%). Grössere Unternehmen sind diesen Schritt eher gegangen als kleinere (2-9 Beschäftigte: 17%, 10-99 Beschäftigte: 18%, 100+ Beschäftigte: 46%).

Folgende Herausforderungen, um trotz Corona-Krise Lehrstellen vergeben zu können, werden am häufigsten genannt: die Bewerbungsverfahren ohne respektive mit eingeschränktem persönlichen Kontakt (2022: 13%, 2021: 9%), die Durchführung von Schnupperlehren (2022: 10%, 2021: 14%), das Einhalten der Schutzbestimmungen respektive das Homeoffice (2022: 4%, 2021: 6%) und die unsichere Wirtschaftslage (2022: 3%, 2021: 5%) am häufigsten. Alle diese Herausforderungen fallen allerdings weniger ins Gewicht als noch vor einem Jahr.

Jugendliche an der Nahtstelle I

Interessen Ausbildungswahl

Die Jugendlichen ziehen für die Zeit nach Ende des Schuljahres 2021/2022 am häufigsten eine berufliche Grundbildung in Erwägung (44’416 Jugendliche, 58%). Dabei ist eine Lehre für weitaus mehr Jugendliche die erste Präferenz (37’475/84%) als der Weg der schulischen beruflichen Grundbildung (6’941/16%).

Da die Anschlusslösung zum Zeitpunkt der Umfrage im April 2022 für jeweils rund die Hälfte der Jugendlichen noch nicht definitiv ist, waren bei der Frage nach den Präferenzen Mehrfachantworten zugelassen. Das dürfte das hohe Interesse an Maturitätsschulen (zweithäufigste Option, 38’448 Jugendliche, 50%) mit erklären.

Werden in der Auswertung lediglich Erstnennungen berücksichtigt, zeigt sich, dass deutlich weniger Jugendliche sich für Maturitätsschulen interessieren und mehr für eine Lehre.

 

Ein Zwischenjahr kommt für 7’921 Jugendliche (10%) in Frage, und 10’054 Jugendliche (13%) werden allenfalls ein Brückenangebot besuchen.

Von den männlichen Jugendlichen zieht die Mehrheit eine Lehre in Betracht (57%) und deutlich weniger eine Maturitätsschule (43%). Bei den Frauen ist es gerade umgekehrt: Mehr junge Frauen streben eine Ausbildung an den Maturitätsschulen (58%) an als eine Lehre (41%).

Das Interesse von Schweizer:innen und Ausländer:innen in Bezug auf berufliche Grundbildung und den Besuch von Maturitätsschulen ist faktisch identisch. Was sich aber zeigt, ist, dass weitaus mehr Ausländer:innen ein Brückenangebot oder eine schulische berufliche Grundbildung in Erwägung ziehen.

In der Deutschschweiz ist die Nachfrage nach Lehrstellen unter den Jugendlichen deutlich höher als in der französischen und der italienischen Schweiz. Umgekehrt streben mehr Jugendliche aus der lateinischsprachigen Schweiz eine Maturität an als in der Deutschschweiz.

Jugendliche mit Interesse an beruflicher Grundbildung

Von jenen 37’475 Jugendlichen, die im Sommer 2022 eine Berufslehre starten möchten, zielen 34’869 (93%) auf einen EFZ-Abschluss, 1’013 (3%) auf einen EBA-Abschluss.

Die zehn beliebtesten Berufslehren bei den Jugendlichen im Frühjahr 2022 finden sich in nachfolgender Grafik. Ungebrochene Spitzenreiterin ist die Ausbildung zu Kaufmann:frau.

Im Vergleich zum Vorjahr finden sich 2022 neu in den Top 10 die Ausbildungen zum/zur Elektroinstallateur:in, zum/zur Polymechaniker:in und zum Koch oder zur Köchin.

 

Dies auf Kosten der Lehre zum/zur Autobilfachmann:frau, zum/zur Mediamatiker:in respektive jener zum/zur Logistiker:in.

Die Berufswünsche der jungen Frauen und Männer unterscheiden sich, wobei sich das bekannte Muster wiederholt: Bei jungen Frauen sind neben der Ausbildung zur Kauffrau medizinische oder soziale Berufe hoch im Kurs.

Für junge Männer sind neben der Ausbildung zum Kaufmann vorwiegend technische Berufe attraktiv, wie nachfolgende Grafik aufzeigt.

9’543 Jugendliche, 25% von jenen die eine Lehre anstreben, haben vor, gleichzeitig eine Berufsmaturität zu absolvieren. Über die Zeit betrachtet erweist sich dieser Anteil als relativ stabil (2021: 29%, 2020: 28%, 2019: 24%, 2018: 27%).

Ausschlaggebend für den Wunsch eine Berufsmaturität zu erlangen, ist in erster Linie die Vorbildung. Wer aktuell in einer gymnasialen Vorstufe zur Schule geht, strebt zu 53% eine Berufsmaturität an, während auf Realstufe weniger als 14% die Berufsmatura anstreben. Zudem spielt die Sprachregion eine zentrale Rolle, denn weitaus mehr Jugendliche aus der lateinischsprachigen Schweiz wollen die Berufsmaturität machen als in der Deutschschweiz (DCH: 23%, FCH: 31%, ICH: 54%).

25’106 Jugendliche (67%) haben bereits eine zugesicherte Lehrstelle. Dieser Wert nähert sich nach zwei Jahren mit einer tieferen Zusagequote 2022 wieder dem Niveau vor der Pandemie an (2021: 62%, 2020: 64%, 2019: 72%).

Der Anteil variiert erneut stark zwischen den verschiedenen Lehrberufen, wie nachfolgende Grafik zeigt.

Bewerber:innen als Elektroninstallateur:in, als Polymechaniker:in, als Fachfrau:mann Gesundheit oder als Kaufmann:frau haben mehrheitlich bereits eine schriftliche Zusage. Das sind alles Lehrstellen, für die auch in den vergangenen Jahren bereits früh Zusagen erteilt wurden.

Viele Jugendliche aber, die sich auf Lehrstellen als Mediamatiker:in, Automobilfachmann:frau oder als Logistiker:in beworben haben, warten noch auf  Rückmeldungen zu ihren Bewerbungen. Und weniger als jede:r fünfte Jugendliche, der/die sich für eine Lehrstelle als Pharma- oder Detailhandelsassistent:in oder als Mediamatiker:in interessiert, hat bereits einen Lehrvertrag unterzeichnet.

Arbeitsplätze in der Nähe von zu Hause bleiben begehrt. Rund zwei Drittel wären gerne bei einem Unternehmen in ihrem Wohnort oder in ihrem Heimatkanton angestellt, und etwas mehr als die Hälfte könnte sich eine Anstellung bei einem regional tätigen KMU gut vorstellen. Dagegen wäre nur knapp mehr als ein Drittel der Jugendlichen gern im Ausland bei einem international tätigen Unternehmen angestellt und knapp weniger als ein Drittel bei einem exportorientierten KMU. Gerne wäre man aber auch sein eigener Chef: Die berufliche Selbstständigkeit ist für Jugendliche zunehmend attraktiver (69% gerne oder eher gerne selbstständig). Aktuell belegt sie zusammen mit den Unternehmen im eigenen Wohnkanton den Spitzenrang gewünschter Arbeitgeber. Zu Beginn der Erhebungsreihe lag die berufliche Selbständigkeit noch auf Rang sieben.

Bei den Jugendlichen, welche eine schulisch organisierte Grundbildung (z.B. Handelsmittelschule) anstreben, hat sich eine Mehrheit von ihnen noch nicht für ein entsprechendes Angebot angemeldet. Dieser Wert ist über die letzten vier Jahre hinweg angestiegen (2022: 63%, 2021: 58%, 2020: 57%, 2019: 51%). Lediglich 16% von ihnen geben an, bereits in einer Schule aufgenommen worden zu sein (2021: 21%, 2020: 19%, 2019: 23%).

8% der Jugendlichen, die sich für eine schulisch organisierte Grundbildung interessieren, geben an, dass ihre Entscheidung für eine schulisch organisierte Grundbildung im Zusammenhang mit der Corona-Krise stand (2021: 12%).

Über die Hälfte der Jugendlichen mit Interesse an einer Berufslehre geben dagegen an, dass die Pandemie ihren Bewerbungsprozess beeinträchtigt habe (2022: 54%). So konnten beispielsweise 61% keine, oder weniger Schnupperlehren als geplant machen, 8% erhielten keine Antworten auf ihre Bewerbungen, 7% konnten sich nicht persönlich vorstellen und 5% hatten Probleme, die zuständigen Personen im Betrieb zu erreichen.

92% der Jugendlichen mit Interesse für eine Lehre konnten aber eine (20%) oder mehrere Schnupperlehren (72%) realisieren. Diese Werte entsprechen annähernd den Vorjahreswerten und zeigen, dass trotz erschwerter Umstände möglich war, den Berufswahlprozess aufrecht zu erhalten (2021: 21% eine, 70% mehrere, 2020: 18% eine, 74% mehrere, 2019: 18% eine, 76% mehrere).

Jugendliche mit Interesse an Maturitätsschulen

Unter jenen 38’448 Jugendlichen, die sich für eine Maturitäts- oder Fachmittelschule interessieren, haben 36% die Aufnahmeprüfungen bestanden und damit einen zugesicherten Platz nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit. Das sind weniger als im Vorjahr, aber es handelt sich nicht um einen ungewöhnlich tiefen Wert (2021: 40%, 2020: 36%, 2019: 45%).

Drei Ausrichtungen sind jeweils ähnlich beliebt, wenn es um die Auswahl des Schwerpunkts geht: Wirtschaft/Handel/Recht (20%), Biologie und Chemie (17%) und das neusprachliche Profil (16%).

 

Es folgen Physik und Anwendungen der Mathematik (12%) und bildnerisches Gestalten/Musik (10%). Über die Zeit betrachtet erweisen sich die Verteilungen auf diese fünf Hauptrichtungen als relativ stabil.

Frauen sind signifikant stärker am neusprachlichen Profil und stärker an Philosophie, Pädagogik oder Psychologie, Biologie und Chemie sowie bildnerischem Gestalten/Musik interessiert, Männer dagegen an Physik und Anwendungen der Mathematik sowie an Schwerpunkten im Bereich Wirtschaft, Handel und Recht.

Jugendliche in Brückenangeboten oder Zwischenlösungen

Obwohl weniger Jugendliche als im Vorjahr angeben, dass eine fehlende Lehrstelle der Grund für die Wahl eines Brückenangebots war, bleibt es der häufigste Grund (2022: 27%, 2021: 28%, 2020: 35%, 2019: 32%). Der zweithäufigste Grund ist, dass das Brückenangebot für eine anschliessende Ausbildung erforderlich ist (14%) oder man Noten (13%) oder Sprachkenntnisse verbessern möchte (10%). Diese Werte erweisen sich als stabil über die Zeit.

Bemerkenswert ist für das aktuelle und das vergangene Jahr der Anstieg des Interesses an Brückenangeboten verglichen mit den ersten beiden Jahren der Erhebungsreihe (2022: 13%, 2021: 14%, 2019: 8%, 2018: 11%).

Explizit danach gefragt, geben 16% der Jugendlichen mit Interesse an Brückenangeboten an, ihr Interesse dafür sei im Zusammenhang mit Corona entstanden. Das sind deutlich weniger als noch vor einem Jahr (2021: 27%). Fragt man Jugendliche, die sich für Zwischenlösungen interessieren, ob ihr Entscheid einen Zusammenhang mit Corona habe, fallen die Werte 2022 ähnlich hoch aus wie im Vorjahr (2022: 14%, 2021: 15%).

Das Interesse für ein Brückenangebot ist aber bei der Mehrheit der Jugendlichen noch wenig konkret.

 

59% der 14-16-Jährigen, die sich für ein Brückenangebot interessieren, haben sich noch nicht für ein solches angemeldet (2021: 60%, 2020: 65%, 2019: 53%).

Wer nach der obligatorischen Schulzeit eine Zwischenlösung anstrebt, tut dies aus unterschiedlichsten Gründen, was in der Sammelkategorie «Anderes» (26%) zum Ausdruck kommt. Häufig wird auch genannt, dass keine passende Lehrstelle gefunden wurde (18%) oder man sich einfach etwas Zeit für sich nehmen möchte (16%). Die Werte erweisen sich auch in dieser Frage als relativ stabil verglichen mit den Vorjahren.

Annähernd jede:r Zweite hat bereits eine feste Zusage für seine/ihre Pläne im Zwischenjahr (2022: 47%, 2021: 49%, 2020: 52%, 2019: 51%).

Für die Zeit nach dem Zwischenjahr oder dem Brückenangebot planen die meisten Jugendlichen eine Lehre (44% jener mit Interesse Zwischenjahr resp. 56% jener mit Interesse Brückenangebot). Aber auch der allgemeinbildende Weg ist für annähernd jede:n Fünfte:n eine Option für die Zeit danach (20% resp. 18%).

Lehrstellenangebot der Unternehmen

Lehrstellenangebot

Von den insgesamt 76’749 angebotenen Lehrstellen entfällt auch 2022 der Grossteil auf das Gesundheits- und Sozialwesen, die Handelsbranche, das Baugewerbe und das verarbeitende Gewerbe. Branchen mit weniger als 2’000 Lehrstellen werden unter der Kategorie ‚Andere Branchen‘ summiert.

6’904 der angebotenen Lehrstellen sind EBA-Lehren (9%), 68’963 sind EFZ-Lehren (90%).

Von den 2022 angebotenen Lehrstellen entfallen stabile 82% auf die Deutschschweiz, 15% auf die französischsprachige und 3% auf die italienischsprachige Schweiz.

 

Insgesamt bewegt sich das Lehrstellenangebot auf ähnlichem Niveau wie 2019 (81’340) jedoch deutlich unter jenem von 2020 (87’496) und 2021 (87’786).

Diese Bewegungen dürften weniger einen handfesten Trend darstellen als vielmehr einer Überschätzung des Angebotes in den Pandemie-Jahren 2020/2021 geschuldet sein.

Entsprechend üben wir Zurückhaltung in der Interpretation von Trends auf Branchenebene, wie sie untenstehend abgebildet sind.

Vergebene Lehrstellen

64% der angebotenen Lehrstellen konnten im März/April 2022 bereits besetzt werden. Dieser Wert liegt nahe bei jenem aus dem Vorjahr zum selben Zeitpunkt (2021: 63%). Allerdings sinkt er verglichen mit den Jahren davor seit 2018 kontinuierlich (2020: 66%, 2019: 67%; 2018: 70%). Dieser Umstand ist allenfalls mit den erschwerten Umständen bei der Rekrutierung von Lernenden im Pandemiekontext zu erklären.

Der Anteil der bereits im Frühjahr 2022 vergebenen Lehrstellen variiert allerdings beträchtlich in den verschiedenen Branchen. Bereits viele Lehrstellen sind in den Bereichen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Land- und Forstwirtschaft sowie Information und Kommunikation vergeben. Viele offene Lehrstellen finden sich im März/April 2022 erneut im Gastgewerbe und im Baugewerbe.

 

Im Gastgewerbe und der Sammelkategorie ‘Andere Branchen’ ist dabei eine seit 2020 anhaltende Tendenz zu weniger vergebenen Lehrstellen im Frühjahr zu beobachten, während sich diese im Baugewerbe 2022 erstmals wieder umkehrt.

Relativ stabil präsentiert sich die Lehrstellenvergabe in der Handelsbranche, im verarbeitenden Gewerbe, bei freiberuflichen Dienstleistungen sowie bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.

Regelrechte Sprünge nach oben finden sich 2022 in der Landwirtschaft und bei sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, wo sich die Situation nach zwei Jahren mit verzögerter Vergabe von Lehrstellen wieder normalisiert hat.

Veränderung Lehrstellenangebot

Der Grossteil der befragten Unternehmen gibt an, das Lehrstellenangebot gegenüber dem Vorjahr konstant gehalten zu haben (78%). Die Verhältnisse entsprechen den Werten aus den Vorjahren (2021: 74%, 2020: 71%, 2019: 71%, 2018: 63%). 12% bieten, verglichen mit dem Vorjahr, mehr Lehrstellen an. 10% bieten weniger an.

Die Situation in den verschiedenen Branchen wird nachfolgend dargestellt, und präsentiert sich weitestgehend homogen. Bemerkenswert sind aber das Gastgewerbe und der Bereich Erziehung und Unterricht, wo 2022 mehr als jedes fünfte Unternehmen angibt, mehr Lehrstellen als im Vorjahr anzubieten. Im Gastgewerbe wird primär die Sorge um den Berufsnachwuchs als Grund für die Erhöhung des Lehrstellenangebots genannt. Im Bereich Erziehung und Unterricht sind es eher Umstrukturierungen oder die Tatsache, dass nicht jedes Jahr gleich viele Lehrstellen angeboten werden, die den Ausbau des Angebots erklären.

Wie bereits in den Vorjahren sind es auch 2022 eher die grössten Unternehmen, die das Lehrstellenangebot erhöhen (2022: 23%, 2021: 20%, 2020: 26%, 2019: 28% ‚mehr Lehrstellen‘ bei Unternehmen mit 100 oder mehr Angestellten). Das Lehrstellenangebot in der italienischsprachigen Schweiz ist auch 2022 wieder stärkeren Veränderungen unterworfen.

Unternehmen aus der italienischsprachigen Schweiz geben häufiger an, weniger Lehrstellen anzubieten als solche aus der deutsch- oder französischsprachigen Schweiz und sie geben häufiger ‚keine Antwort‘ an.

 

Sowohl unter den Gründen für mehr Lehrstellen als auch unter jenen für weniger wird häufig angegeben, dass das Angebot an Lehrstellen einfach von Jahr zu Jahr variiert – ohne speziellen Anlass.

Wie bereits in den Vorjahren nennen die Unternehmen die Sorge um den Berufsnachwuchs am häufigsten als spezifischen Grund für einen Anstieg des Lehrstellenangebotes. Diese Sorge wird aber 2022 erstmals nicht mehr häufiger genannt (2022: 39%, 2021: 41%, 2020: 39%, 2019: 34%). Weiter werden Umstrukturierungen im Unternehmen (2022: 16%, 2021: 13%, 2020: 19%, 2019: 18%) oder eine starke Nachfrage nach Lehrstellen (2022: 11%, 2021: 16%, 2020: 14%, 2019: 17%) häufig genannt.

Unter den Gründen für weniger Lehrstellen werden Umstrukturierungen im Unternehmen häufig genannt (2022: 15%, 2021: 22%, 2020: 22%, 2019: 24%), und auch die Wirtschaftslage ist für einen gestiegenen Teil der Unternehmen ausschlaggebend (2022: 14%, 2021: 25%, 2020: 16%, 2019: 13%). Allerdings sind beide Gründe 2022 klar weniger verbreitet als noch vor einem Jahr. Dagegen wird das Problem, dass Unternehmen keine qualifizierten Schulabgänger:innen finden wieder etwas häufiger genannt als in den Vorjahren (2022: 20%, 2021: 15%, 2020: 14%, 2019: 25%).

56% der Unternehmen, die Lehrstellen anbieten, bieten gleichzeitig die Möglichkeit an, während der Lehre eine Berufsmaturität zu absolvieren. Das sind seit 2020 deutlich mehr als in den ersten beiden Jahren der Erhebung (2021: 55%, 2020: 57%, 2018/2019: 44%).

Besonders häufig bieten erneut Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten diese Möglichkeit an (2-9 Beschäftigte: 47%, 10-100 Beschäftigte: 63%, 100+ Beschäftigte: 84%) und solche, die im zweiten oder dritten Sektor tätig sind (1. Sektor: 40%, 2. Sektor: 59%, 3. Sektor: 56%). Im ersten Sektor sind es 2022 allerdings so viele wie nie zuvor in der Erhebungsreihe (2022: 40%, 2021: 25%, 2020: 27%, 2019: 28%).

Technische Eckdaten

Wichtiger Hinweis:

Bei den ausgewiesenen Werten handelt es sich um hochgerechnete Werte. Die Stichprobenergebnisse wurden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet.

Die Hochrechnung der Jugendlichen basiert auf den Jugendlichen, die gemäss Statistik der Lernenden (Bundesamt für Statistik) im Vorjahr die 8. Klasse besucht haben.

Die Hochrechnung der Unternehmen basiert auf den Angaben der Eintritte in die berufliche Grundbildung des Vorjahres (BFS). Detailangaben zu den Hochrechnungen finden sich im ausführlichen Forschungsbericht zum Projekt.

Jugendliche:

  • Zielgruppe: 14-16-jährige Einwohner:innen
  • Adressbasis: Stichprobenrahmen des Bundesamtes für Statistik
  • Befragungsmethode: schriftliche Befragung (online)
  • Befragungszeitraum: 22.02. – 15.04.2022
  • Total Befragte: N = 11’015
  • Total Teilnehmerinnen und Teilnehmer: N = 7’021 (vor Nahtstelle: N = 3290)
  • Fehlerbereich: ± 1.2 (± 1.8) Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
  • Ausschöpfung: 64%
  • Gewichtung: Stufe 1: Anzahl Jugendliche nach Kanton; Stufe 2: Alter/Geschlecht verknüpft pro Kanton

Unternehmen:

  • Zielgruppe: Unternehmen mit mindestens zwei Mitarbeitenden
  • Adressbasis: Unternehmensregister des Bundesamtes für Statistik
  • Befragungsmethode: schriftliche Befragung (Online/Papier)
  • Befragungszeitraum: 21.02. – 13.04.2022
  • Total Befragte: N = 7’718
  • Total Teilnehmerinnen und Teilnehmer: N = 5’218
  • Fehlerbereich: ± 1.4 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit
  • Ausschöpfung: 68%
  • Gewichtung: Sprachregion, Betriebsgrösse, NOGA-Verteilung

Projektteam gfs.bern

Lukas Golder: Politik- und Medienwissenschaftler

Martina Mousson: Politikwissenschaftlerin

Aaron Venetz: Politikwissenschaftler

Tobias Keller: Politikwissenschaftler

Roland Rey: Projektmitarbeiter / Administration

 

Externe Beratung

Prof. Dr. Stefan C. Wolter, Professor für Bildungsökonomie, Universität Bern