Nahtstellenbarometer 2022

Zentrale Ergebnisse August 2022

Umfrage bei Jugendlichen und Unternehmen im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI

Studienziele und -design

Ziel des Nahtstellenbarometers ist die Erfassung von Bildungsentscheiden von Jugendlichen am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit und das Einschätzen der Situation auf dem Schweizer Lehrstellenmarkt. Zu diesem Zweck wird jährlich eine dreisprachige Online-Umfrage in zwei Erhebungswellen (April und August) bei Jugendlichen im Alter von 14-16 Jahren und Unternehmen mit mindestens zwei Angestellten durchgeführt.

Vorliegender Kurzbericht liefert einen Überblick über zentrale Ergebnisse der zweiten Erhebungswelle von 2022. Bei den ausgewiesenen Absolutwerten handelt es sich um hochgerechnete Werte. Die Stichprobenergebnisse wurden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet.

 

Den Kurzbericht zur April-Umfrage finden sie unter folgendem Link: Cockpit April 2022.

Die Ergebnisse der zweiten Umfragewelle von 2022 basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1’721 Jugendlichen und 3’438 Unternehmen in der ganzen Schweiz. Details zur Methode finden sich am Schluss dieses Cockpits.

Der ausführliche Forschungsbericht wird Anfang Dezember 2022 vorliegen.

Das Wichtigste in Kürze

Jugendliche

Von den 78’626 Jugendlichen, die im Sommer 2022 ihre obligatorische Schulzeit abschlossen, haben 45 Prozent eine berufliche Grundbildung begonnen und 42 Prozent den allgemeinbildenden Weg eingeschlagen. 12 Prozent mussten oder wollten auf eine Zwischenlösung ausweichen: davon sind 9 Prozent in Brückenangebote eingetreten und 3 Prozent realisieren ein Zwischenjahr. Bei der Wahl der Jugendlichen für die verschiedenen Ausbildungspfade zeigt sich über die Zeit ein leichter Anstieg beim allgemeinbildenden Bildungsangebot (2018: 33%, 2019: 37%, 2020: 41%, 2021: 40%, 2022: 42%).

Nachwirkungen der Corona-Krise manifestieren sich aus Sicht der Jugendlichen an der Nahtstelle I auch 2022: 38 Prozent von ihnen gaben im August 2022 an, dass die Corona-Krise ihre Ausbildungswahl erschwert habe. Das sind nochmals mehr als im Vorjahr (2020: 18%, 2021: 33%, 2022: 38%).

Wichtig anzumerken ist, dass hier nur ein Teil der Nachfrage nach Lehrstellen abgebildet ist, nämlich jene von 14-16-Jährigen am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit.

Unternehmen

25 Prozent der hier befragten Unternehmen bilden Lehrlinge aus. 92 Prozent der 2022 vergebenen Lehrstellen sind Ausbildungen, die zu einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) führen, bei den übrigen 8 Prozent handelt es sich um berufliche Grundbildungen mit Berufsattest (EBA).

Der Grossteil der ausbildenden Unternehmen hat das Lehrstellenangebot verglichen mit 2021 konstant gehalten (74%). 12 Prozent der Unternehmen bieten mehr Lehrstellen an als im Vorjahr, 7 Prozent weniger.

Die Corona-Krise hatte unmittelbare Auswirkungen auf ausbildende Schweizer Unternehmen: 37 Prozent von ihnen geben an, von Kurzarbeit betroffen gewesen zu sein. 16 Prozent bekunden auch 2022 eine erschwerte Suche nach Lernenden. Dennoch bestätigt sich, dass diese Unternehmen die Lehrstellenvergabe trotz Herausforderungen im gewohnten Rahmen gewährleisten konnten.

Situation Schweizer Lehrstellenmarkt

86 Prozent der angebotenen Lehrstellen konnten bis August 2022 besetzt werden. Diese Quote liegt nahe bei den Werten aus den Vorjahren und verweist auf keine speziellen Probleme bei der Lehrstellenvergabe.

Allerdings ist eine abschliessende Bewertung der Lage auf dem Schweizer Lehrstellenmarkt hier nicht möglich, da Bewerber:innen, die älter als 16 Jahre sind – und somit später als die hier befragten Jugendlichen in den Lehrstellenmarkt eintreten – im Nahtstellenbarometer nicht erfasst sind. Lediglich 42 Prozent der 2022 vergebenen Lehrstellen wurden von Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren belegt, die im Sommer die obligatorische Schulzeit abgeschlossen haben.

Gemäss Angaben der Unternehmen ist der Anteil Neulernender, die bereits über 16 Jahre alt sind, mit 43 Prozent beträchtlich.

Jugendliche an der Nahtstelle I

Allgemeine Befindlichkeit der Jugendlichen an der Nahtstelle I

Die Jugendlichen an der Nahtstelle I blicken optimistisch in die Zukunft. 61 Prozent sind zuversichtlich, was die eigene Zukunft angeht. Die Zukunft der Gesellschaft als Ganzes wird verhaltener beurteilt aber bleibt stabil über die Zeit.

Die hohe und stabile Zufriedenheit der Schulabgänger:innen 2022 bezogen auf ihre Ausbildungssituation zeugt von einer entspannten Situation an der Nahtstelle I. Auf einer Skala von 0 bis 10 messen wir Mittelwerte von 7.8 für die Zufriedenheit mit der Ausbildungssituation im Anschluss an die obligatorische Schule und 7.4 für die allgemeine Zufriedenheit mit dem eigenen Leben.

 

Die Ausbildungswahl war 2022 für die überwiegende Mehrheit eine freie Entscheidung (93% trifft eher oder voll und ganz zu) und sie entspricht den eigenen Fähigkeiten und Interessen (90%). Weiter freut sich eine grosse Mehrheit (90%) auf ihre Ausbildung (90%), aber beschreibt diese 2022 etwas weniger häufig als Traumausbildung oder Wunschlösung (79%, -5%-punkte).

Die Corona-Pandemie hat zu keiner Krise an der Nahtstelle I geführt. Aber für 38 Prozent der Jugendlichen trifft zu, dass die Corona-Krise ihre Ausbildungswahl erschwert habe (2020: 18%, 2021: 33%, 2022: 38%). 80 Prozent der Jugendlichen geben jedoch an, trotz des Corona-Virus und den damit zusammenhängenden Einschränkungen, genügend Unterstützung bei der Ausbildungswahl erhalten zu haben.

Ausbildungswahl nach obligatorischer Schulzeit

85 Prozent der Jugendlichen starteten im Sommer 2022 mit ihrer favorisierten Ausbildung gemäss April-Umfrage. War dieser Wert in den Pandemiejahren 2020 und 2021 leicht rückläufig, bewegt er sich nun wieder auf dem vorherigen Niveau (2018: 81%, 2019: 86%, 2020: 84%, 2021: 82%, 2022: 85%). 5 Prozent mussten auf ihre zweite Priorität ausweichen, und seit 2018 machen 10 Prozent etwas anderes als ihre erste oder zweite Priorität.

Eine berufliche Grundbildung – sei es in Form einer beruflichen Grundbildung  (33’009/42%) oder einer schulischen Lösung (2’637/3%) – bleibt die am häufigsten gewählte Option nach der obligatorischen Schulzeit. Das gilt insbesondere für junge Männer (Männer: 55%, Frauen: 36%), denn junge Frauen begeben sich häufiger auf den allgemeinbildenden Weg (Frauen: 51%, Männer: 33%).

 

Insgesamt beginnen 42 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren ein Gymnasium oder eine Fachmittelschule. Besonders in der italienisch- und französischsprachigen Schweiz ist diese Wahl weitverbreitet (DCH: 33%, FCH/ICH: 60%).

Ähnlich viele Jugendliche wie in den Vorjahren nehmen nach der obligatorischen Schulzeit ein Brückenangebot wahr (7’168/9%), wobei sich das Geschlechterverhältnis ausgewogen präsentiert (Männer: 9%, Frauen: 9%).

Ein Zwischenjahr realisieren stabile 3 Prozent, und Frauen wählen nach wie vor häufiger diesen Weg als Männer (Männer: 2%, Frauen: 4%).

In der Betrachtung über die Zeit zeigt sich, dass 14-16-Jährige vermehrt den allgemeinbildenden Weg eingeschlagen. Besonders akzentuiert ist diese Entwicklung bei jungen Frauen zu beobachten.

Berufliche Grundbildung

Unter der Kategorie berufliche Grundbildung (35’646) finden sich Jugendliche, die eine Berufslehre beginnen (33’009/93%), und solche, die eine schulisch organisierte Grundbildung (2’637/7%) starten. Letztere bleiben klar in der Minderheit, und das Verhältnis  hat sich 2022 wieder leicht zugunsten der dualen Berufslehre verschoben (+3%-punkte). Dabei geben so viele Jugendliche wie nie zuvor an, ihr Entscheid für eine schulische berufliche Grundbildung sei im Zusammenhang mit der Corona-Krise entstanden (2020: 8%, 2021: 4%, 2022: 20%). Als häufigster Beweggrund für eine schulische berufliche Grundbildung wird von gut der Hälfte der Jugendlichen angegeben, dass der schulische Weg besser zu einem passe (2018: 52%, 2019: 55%, 2020: 50%, 2021: 51%, 2022: 53%). An zweiter Stelle wird angegeben, dass man keine passende Lehrstelle gefunden habe (2018: 30%, 2019: 22%, 2020: 8%, 2021: 11%, 2022: 22%).

Die meisten Jugendlichen beginnen eine drei- oder vierjährige Lehre (60% resp. 38%), welche mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) abgeschlossen wird. Lehren mit einem eidgenössischen Berufsattest (EBA) bleiben bei Schulabgänger:innen mit 2 Prozent die Ausnahme. Der 2021 festgehaltene Anstieg war somit eine Ausnahmeerscheinung (2018: 3%, 2019: 2%, 2020: 2%, 2021: 5%, 2022: 2%).

 

26 Prozent der Neu-Lernenden sehen 2022 vor, parallel zur beruflichen Grundbildung eine Berufsmaturität zu machen. Damit ist die Absicht i Vergleich zu den letzten beiden Jahren etwas gesunken. Verglichen mit den ersten beiden Erhebungsjahren bleibt sie aber erhöht.  (2018: 21%, 2019: 20%, 2020: 30%, 2021: 31%, 2022: 26%). Für 57 Prozent der Neu-Lernenden kommt die Berufsmaturität aktuell nicht in Frage. Mit 14 Prozent sind aber noch relativ viele angehende Lernende unsicher in dieser Frage (2018: 10%, 2019: 13%, 2020: 13%, 2021: 15%, 2022: 14% weiss nicht/keine Antwort).

Häufigster Grund für eine Berufsmaturität bleibt die Aussicht auf bessere Karrierechancen (51%), gefolgt von der Absicht, später studieren zu wollen (30%). Häufigste Gründe dagegen sind die Absicht, erst nach der beruflichen Grundbildung eine Berufsmaturität machen zu wollen (30%) oder kein Interesse daran zu haben (26%).

Die Top 10 Lehrberufe 2022 sind untenstehend abgebildet. Es ist zu beachten, dass es von Jahr zu Jahr zu starken Schwankungen kommen kann, weil die Stichprobengrösse pro Lehrberuf hier eher klein und entsprechend mit einem grossen Fehlerbereich behaftet ist.

Unter den Neu-Lernenden finden sich erneut mehr Männer (20’182/61%) als Frauen (12’827/39%).Das Geschlechterverhältnis erweist sich mit einem kleinen Ausreisser 2020 als relativ stabil über die Zeit (2018/2019/2020/2021: 59%/58%/63%/60% Männer und 41%/42%/37%/40% Frauen).

Auch bestätigen sich 2022 deutliche Unterschiede in den Lehrberuf-Präferenzen der Geschlechter.

Nur gerade drei Berufslehren finden sich bei beiden Geschlechtern in den Top 10: Die Ausbildung zum:r Kaufmann:frau, jene zum:r Detailhandelsfachmann:frau und jene zum:r Zeichner:in. Ansonsten tendieren junge Frauen eher zu Lehrberufen aus den Bereichen Gesundheit und Soziales, junge Männer eher zu technischen und handwerklichen Lehrberufen.

Top 10 Lehrberufe Frauen

Kauffrau
Fachfrau Gesundheit
Medizinische Praxisassistentin
Detailhandelsfachfrau
Fachfrau Betreuung
Zeichnerin
Dentalassistentin
Bäckerin-Konditorin-Confiseurin
Köchin
Tiermedizinische Praxisassistentin

Top 10 Lehrberufe Männer

Kaufmann
Zimmermann
Informatiker
Zeichner
Polymechaniker
Schreiner
Elektroinstallateur
Elektroniker
Detailhandelsfachmann
Fleischfachmann

Durchschnittlich haben Neu-Lernende 8.4 Bewerbungen verfasst, was über die letzten fünf Jahre hinweg betrachtet einem mittleren Wert entspricht (2018: 8.2, 2019: 10.3, 2020: 7.1, 2021: 9.4, 2022: 8.4). Verglichen mit dem Vorjahr war 2022 im Schnitt eine Bewerbung weniger nötig, um zum Erfolg zu gelangen. Zusagen auf Bewerbungsbestrebungen verhielten sich dabei stabil (2018: 2.0, 2019: 2.1, 2020: 1.9, 2021: 1.9, 2022: 1.9) Ausstehende Bescheide (2018: 0.8, 2019: 2.0, 2020: 1.0, 2021: 2.0, 2022: 1.5) und Absagen waren 2022 aber etwas seltener als im Vorjahr (2018: 5.4, 2019: 6.2, 2020: 4.2, 2021: 5.5, 2022: 5.0).

Auffällig am Bewerbungsprozess ist, dass dieser im Pandemiekontext kurzfristiger geworden ist. Weitaus mehr Jugendliche als in den Vorjahren gaben 2021 an, dass sie erst vor drei Monaten (also im Frühjahr) mit dem Bewerben angefangen haben (2018: 4%, 2019: 6%, 2020: 8%, 2021: 22%, 2022: 21%). Dieser Befund bestätigt sich 2022.

35 Prozent geben an, dass die Pandemie einen Einfluss auf ihren Bewerbungsprozess gehabt habe. Das sind ähnlich viele wie im Vorjahr (2020: 18%, 2021: 37%, 2022: 35%). Konkret genannt wird dabei am häufigsten, dass keine oder weniger Schnupperlehren gemacht werden konnten (2021: 44%, 2022: 35%) oder Antworten auf Bewerbungen ausfielen (2021: 13%, 2022: 13%). Tendenziell traten solche Schwierigkeiten aber weniger häufig auf als 2021.

Lehrvertragsauflösungen vor Antritt der beruflichen Grundbildung bleiben klar die Ausnahme. Stabile 2 Prozent der Jugendlichen, die im Rahmen der April-Umfrage noch eine Lehre in Betracht gezogen haben, waren von einer Lehrvertragsauflösung betroffen. Der Anteil der Jugendlichen, die angeben, dass die Lehrvertragsauflösung im Zusammenhang mit der Corona-Krise stand, ist massiv gesunken auf 8 Prozent (2020: 38%, 2021: 23%, 2022: 8%). Der Höchstwert pandemiebedingter Lehrvertragsauflösungen wurde demnach im Pandemiejahr 2020 gemessen.

Allgemeinbildende Schulen

Insgesamt haben 32’849 (42%) Jugendliche nach den Sommerferien eine allgemeinbildende Schule begonnen. 25’817 (79%) von ihnen besuchen ein Gymnasium oder eine Kantonsschule, 7’032 (21%) eine Fachmittelschule. Die Verteilung auf diese beiden Typen von Mittelschulen erweist sich gegenüber den Vorjahren als stabil. Auch 2022 haben wieder mehr Frauen (19’499/59%) mit einer Mittelschule begonnen als Männer (13’350/41%). Das ist ein bekanntes und ziemlich stabiles Verhältnis.

Der Grossteil der Maturitätsschüler:innen konnte an der Schule, die sie besuchen, den Schwerpunkt ihrer Wahl im Angebot finden (79%). Die am häufigsten gewählten Schwerpunkte für Gymnasien und Fachmittelschulen sind untenstehend abgebildet. 2022 wurde am häufigsten ein gymnasialer Schwerpunkt in den Bereichen Wirtschaft und Recht gewählt, was die Umkehr des Negativtrends aus den Jahren 2019-2020 bestätigt.

 

Wieder mehr Zulauf als 2021 haben gymnasiale Schwerpunkte in den Bereichen Physik und Anwendungen der Mathematik sowie das neusprachliche Profil.

Die Schwerpunktwahl in Fachmittelschulen folgt keinen eindeutigen Trends. Der Spitzenreiter Gesundheit wurde 2021 auf den zweiten Rang verwiesen, ist 2022 aber wieder meistgewählter Schwerpunkt. 16 Prozent geben an, ihren Schwerpunkt noch nicht festgelegt zu haben.

Als zentral für die Schwerpunktwahl erweist sich neben dem Interesse die Frage, ob ein spezifischer Schwerpunkt eine gute Vorbereitung für ein nachfolgendes Studium ist. Auch die schulischen Stärken und Schwächen sind wegweisend.

Brückenangebote

7’168 Jugendliche oder stabile 9 Prozent nehmen 2022 im Anschluss an die obligatorische Schulzeit ein Brückenangebot wahr.

Für gut die Hälfte von ihnen fällt die Wahl auf rein schulische Angebote (2018: 33%, 2019: 41%, 2020: 48%, 2021: 49%, 2022: 51%). 18 Prozent entscheiden sich 2022 für ein kombiniertes Angebot bestehend aus Schule und Arbeitspraxis, 17 Prozent für ein berufliches Brückenangebot.

Auch zwei Jahre nach Ausbruch der Corona-Krise geben 21 Prozent an, dass ihr Entscheid für ein Brückenangebot noch einen Zusammenhang mit der Krise hat (2020: 18%, 2021: 21%, 2022: 21%).

 

Der häufigste Grund, weshalb ein Brückenangebot wahrgenommen wird, bleibt, dass keine passende Lehrstelle gefunden wurde (38%). Gegenüber dem Vorjahr wurde dieser Grund 2022 wieder häufiger genannt (2018: 60%, 2019: 43%, 2020: 37%, 2021: 28%). Am zweithäufigsten wird angegeben, dass ein Brückenangebot wahrgenommen wird, weil man keinen Platz an der gewünschten Schule erhalten habe. Jede:r sechste Jugendliche nennt diesen Grund und das ist der grösste Anteil seit Beginn der Datenreihe (2018: 2%, 2019: 3%, 2020: 5%, 2021: 0%, 2022: 15%).

Nach dem Brückenangebot möchten die meisten Jugendlichen eine berufliche Grundbildung beginnen (74%). Der 2021 festgehaltene Befund, dass sich vermehrt Jugendliche in Brückenangeboten finden, die danach eine Maturitäts- oder Fachmittelschule angehen wollen, bestätigt sich nicht weiter.

Zwischenjahr

Ein Zwischenjahr nach der obligatorischen Schulzeit bleibt die Ausnahme: 3 Prozent (2’616) der Jugendlichen realisieren aktuell ein solches. Erneut befinden sich darunter deutlich mehr Frauen (1’723/66%) als Männer (893/34%).

Deutlich weniger Jugendliche als im Vorjahr geben an, dass die Corona-Pandemie ihren Entscheid für ein Zwischenjahr beeinflusste (2020: 9%, 2021: 23%, 2022: 5%).

Gründe für Zwischenlösungen sind so verschieden wie die Art der Zwischenlösungen selber, was in der Sammelkategorie „andere Gründe“ zum Ausdruck kommt.

 

Inhaltlich werden am häufigsten eine erfolglose Lehrstellensuche oder die Unsicherheit darüber, was man später machen möchte, als Gründe für ein Zwischenjahr genannt. Letzteres wird klar häufiger angegeben als im Vorjahr.

Im Anschluss an das Zwischenjahr möchten nach wie vor die meisten Jugendlichen eine Lehre machen (2018: 41%, 2019: 46%, 2020: 58%, 2021: 48%, 2022: 47%).

21 Prozent möchten an eine Maturitätsschule, was einen neuen Rekordwert darstellt (2018: 4%, 2019: 15%, 2020: 17%, 2021: 16%, 2022: 21%).

Lehrstellensituation der Unternehmen

Lehrstellenangebot und -vergabe

25% Prozent der Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, bieten Lehrstellen an. 8 Prozent dieser angebotenen Lehrstellen sind EBA-Lehren, 92 Prozent sind EFZ-Lehren. Dieses Verhältnis erweist sich als relativ stabil über die Zeit (2018: 7%/93%, 2019: 9%/91%, 2020: 8%/92%, 2021: 10%/90%).

Die Aufschlüsselung der Lehrstellensituation nach Branchen liefert untenstehende Grafik. Drei Branchen stellen knapp die Hälfte des Lehrstellenangebots: Die Handelsbranche, das Gesundheits- und Sozialwesen sowie das verarbeitende Gewerbe. In der Handelsbranche und dem Gesundheits- und Sozialwesen ist das Lehrstellenangebot 2022 erstmals leicht rückläufig.

 

In den meisten anderen Branchen wurde das Lehrstellenangebot 2022 aber leicht ausgebaut. So etwa im verarbeitenden Gewerbe, im Baugewerbe oder bei freiberuflichen Dienstleistungen. Kontinuierliche Trends finden sich über die gesamte Untersuchungsreihe hinweg betrachtet eigentlich nur zwei: Die Informations- und Kommunikationsbranche baut ihr Lehrstellenangebot aus, in der Verkehrsbranche ist es dagegen rückläufig.

Ansonsten prägen kurzfristige, geringfügige Schwankungen von Jahr zu Jahr das Bild vieler Branchen.

86 Prozent der angebotenen Lehrstellen konnten – Stand August 2022 – besetzt werden. Das sind ähnlich viele wie zum gleichen Zeitpunkt in den Vorjahren (2018: 86%, 2019: 88%, 2020: 90%, 2021: 88%, 2022: 86%). Schweizweit betrachtet, zeichnen sich damit keine Probleme bei der Vergabe von Lehrstellen ab.

Die Aufschlüsselung der Lehrstellensituation nach Branchen liefert untenstehende Grafik. Erhöhte Schwierigkeiten bei der Vergabe von Lehrstellen zeigen sich 2022 im Gastgewerbe und im Baugewerbe, wo im August 42 respektive 34 Prozent der angebotenen Lehrstellen unbesetzt blieben. In der Sammelkategorie «andere Branchen» und im verarbeitenden Gewerbe war es fast jede Fünfte, bei sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, in der Handelsbranche, im Gesundheits- und Sozialwesen, der Land- und Forstwirtschaft und der Verkehrsbranche rund jede Zehnte.

Im Vergleich zum Vorjahr stechen 2022 das Gastgewerbe, das Baugewerbe und die Sammelkategorie «andere Branchen» ins Auge, weil in diesen Branchen deutlich mehr Lehrstellen unbesetzt blieben als in den Jahren zuvor. Deutlich weniger offene Lehrstellen als im Vorjahr finden bei sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, in der Land- und Forstwirtschaft, der Verkehrsbranche und in der Informations- und Kommunikationsbranche.

Bemerkenswert ist die Informations- und Kommunikationsbranche. Trotz eines deutlichen Ausbaus des Lehrstellenangebots ist kaum eine Lehrstelle unbesetzt geblieben.

Gründe und Lösungen für offengebliebene Lehrstellen

Am häufigsten blieben Lehrstellen auch 2022 wegen ungeeigneter oder fehlender Bewerbungen unbesetzt. Beide Gründe werden so häufig wie nie zuvor ins Feld geführt.

Neu ist dabei, dass Unternehmen nicht nur für offengebliebene EFZ-Stellen sondern auch für EBA-Stellen primär ungeeignete Bewerbungen erhalten haben.

 

Bisher war bei EBA-Stellen eher das gänzliche Fehlen von Bewerbungen der häufigste Grund für offene Lehrstellen. Dieses Problem wiegt bei EFZ-Stellen 2022 schwerer als noch 2021, bei EBA-Lehrstellen dagegen deutlich weniger schwer.

Gegenüber dem Vorjahr stabile 5 Prozent der Unternehmen geben als Grund für offengebliebene Lehrstellen zudem an, dass Rekrutierungsverfahren wegen Corona nicht ordnungsgemäss durchgeführt werden konnten. Das sind dreimal weniger als im ersten Pandemiejahr 2020.

Offengebliebene Lehrstellen zu streichen oder nicht mehr auszuschreiben bleibt die Ausnahme. Die meisten vakanten Lehrstellen sollen nächstes Jahr wieder ausgeschrieben werden. War diese Absicht in den Jahren 2020 und 2021 etwas weniger verbreitet als zuvor, ist sie nun wieder die Regel (2018: 88%, 2019: 109%, 2020: 75%, 2021: 82%, 2022: 94%).

Bestehen bleibt seit Beginn der Pandemie die erhöhte Absicht, Lehrstellen weiter offen zu halten, um sie allenfalls noch besetzen zu können (2018: 52%, 2019: 50%, 2020: 66%, 2021: 61%, 2022: 64%).

Profil der Neu-Lernenden

Es bleibt dabei, dass sich unter den Neu-Lernenden mehr Männer als Frauen finden (Männer: 56%, Frauen: 44%). Dieses Geschlechterverhältnis erweist sich als weitgehend stabil über die Zeit.

43 Prozent der Neu-Lernenden sind 2022 älter als 16 Jahre. Längst nicht jede Lehre wird somit im unmittelbaren Anschluss an die obligatorische Schulzeit angetreten. Diese Beobachtung wird unterstützt von der Aussage der Unternehmen, dass stabile 9 Prozent der Lernenden, die im Sommer 2022 eine Lehre starten, bereits über einen EFZ- oder EBA-Abschluss verfügen.

 

Die Möglichkeit, neben der Arbeit eine Berufsmaturität zu realisieren, bietet weiterhin die Mehrheit der Lehrbetriebe an. Der Rückgang dieser Möglichkeit scheint 2021 ein Ausreisser gewesen zu sein (2018: 58%, 2019: 59%, 2020: 58%, 2021: 53%, 2022: 59%).

Wahrgenommen wird diese Möglichkeit von stabilen 9 Prozent der Neu-Lernenden. Dieser Wert variiert beträchtlich in den verschiedenen Branchen. Innerhalb der Finanz- und Versicherungsdienstleistungsbranche und im verarbeitenden Gewerbe streben je 18 Prozent der Neu-Lernenden eine Berufsmaturität an, und im Bereich freiberufliche Dienstleistungen 17 Prozent. Das sind die klaren Spitzenreiter im Vergleich zu den anderen Branchen.

Veränderung Lehrstellenangebot

Die meisten Unternehmen geben an, ihr Lehrstellenangebot gegenüber dem Vorjahr konstant gehalten zu haben. Die Anteile Unternehmen, die mehr oder weniger Lehrstellen anbieten, haben sich über die Zeit kaum verändert.

Jene Unternehmen, die aktuell mehr Lehrstellen anbieten als 2021, geben verstärkt an, dies aus Sorge um den Berufsnachwuchs zu tun (2018: 36%, 2019: 36%, 2020: 41%, 2021: 40%, 2022: 51%). Weniger im Zentrum als in den letzten beiden Jahren steht die Absicht, trotz der Corona-Krise Perspektiven zu bieten (2020: 15%, 2021: 17%, 2022: 5%).

Jene Unternehmen, die aktuell weniger Lehrstellen anbieten als 2021, geben noch immer am häufigsten an, dass natürliche Fluktuationen ausschlaggebend sind (2018: 53%, 2019: 46%, 2020: 45%, 2021: 33%, 2022: 41%).

 

Nach wie vor auf erhöhtem Niveau wird auch 2022 die aktuelle Wirtschaftslage als Grund für weniger angebotene Lehrstellen genannt (2018: 10%, 2019: 11%, 2020: 20%, 2021: 23%, 2022: 24%). An dritter Stelle wird 2022 verstärkt das Fehlen qualifizierter Schulabgänger:innen als Grund für Lehrstellenabbau genannt (2018: 19%, 2019: 19%, 2020: 20%, 2021: 14%, 2022: 24%).

Der Anteil Unternehmen, die angeben nächstes Jahr mehr Lehrstellen anbieten zu wollen, steigt weiter an. Die Verunsicherung nimmt ab.

Lehrabschlüsse

Die befragten Unternehmen hatten im Sommer 2022 insgesamt 60’133 Lehrabgänger:innen. Die meisten von ihnen absolvierten ihre Lehre bei Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden (42%) oder bei Unternehmen mit 10-99 Mitarbeitenden (26%).

Die höchsten Anteile an Lehrabgänger:innen vereinen erneut die Handelsbranche, das Gesundheits- und Sozialwesen  und das verarbeitende Gewerbe.

 

Jene Branchen, die lange Zeit als wachsende Ausbildungsbranchen galten (Handel, Finanz- und Versicherungsbranche, öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht) legen seit ein paar Jahren nicht mehr weiter zu, was sich erstmals in stagnierenden oder gar leicht rückläufigen Zahlen bei den Lehrabgänger:innen 2022 zeigt. Am anderen Ende des Spektrums, bei den ausbildungsschwächsten Branchen, stagnieren hingegen tendenziell die bisherigen Negativtrends der letzten Jahre.

Die Situation der Lehrabgänger:innen präsentiert sich 2022 neu. Erstmals wird der grösste Teil von ihnen nach Lehrabschluss bei ihrem ausbildenden Unternehmen fest angestellt (2018: 33%, 2019: 36%, 2020: 33%, 2021: 37%, 2022: 45%).

Temporäre Anstellungen und offene Situationen verhalten sich stabil. Entsprechend verlassen 2022 weniger Lehrabgänger:innen als früher das Unternehmen, in welchem sie ihre Lehrzeit absolviert haben (2018: 48%, 2019: 44%, 2020: 48%, 2021: 43%, 2022: 37%).

Die Entwicklung zu mehr Festanstellungen zeigt sich in der Handelsbranche, im Gastgewerbe sowie der Land- und Forstwirtschaftsbranche besonders akzentuiert. Die dynamischen Entwicklungen sind aber zu heterogen, um von einem branchenübergreifenden Trend zu sprechen. Im Baugewerbe, in der Finanz- und Versicherungsbranche oder dem verarbeitenden Gewerbe verhalten sich Festanstellungen verglichen mit dem Vorjahr stabil. Kurzfristig rückläufig sind Festanstellungen im freiberuflichen Bereich, in der Verkehrsbranche, im Bereich sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen und im Grundstücks- und Wohnungswesen.

Die meisten festangestellten Abgänger:innen finden sich in den kleinsten oder den grössten Unternehmen (40% resp. 37%).

Technische Eckdaten

Wichtiger Hinweis:

Bei den ausgewiesenen Absolutwerten handelt es sich um hochgerechnete Werte. Die Stichprobenergebnisse wurden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet. Die Hochrechnung der Jugendlichen basiert auf den Jugendlichen, die gemäss Statistik der Lernenden (Bundesamt für Statistik) im Vorjahr das zehnte Schuljahr besucht haben.

 

Auf eine Hochrechnung der Unternehmen wurde 2022 verzichtet.

Jugendliche

Zielgruppe: 14-16-jährige Einwohner:innen, die an der April-Umfrage teilgenommen haben und die obligatorische Schulzeit im Sommer abgeschlossen haben

Adressbasis: Stichprobenrahmen des Bundesamtes für Statistik

Befragungsmethode: schriftliche Befragung (online)

Befragungszeitraum: 14.07. – 29.08.2022

Total Befragte: N = 1’721

Fehlerbereich: ± 2.4 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Ausschöpfung: 60.5%

Gewichtung: Stufe 1: Anzahl Jugendliche nach Kanton; Stufe 2: Alter/Geschlecht verknüpft pro Kanton

Unternehmen

Zielgruppe: Unternehmen mit mindestens zwei Mitarbeitenden, die an der April-Umfrage teilgenommen haben

Adressbasis: Unternehmensregister des Bundesamtes für Statistik

Befragungsmethode: schriftliche Befragung (Online/Papier)

Befragungszeitraum: 18.07. – 05.09.2022

Total Befragte: N = 3’438

Fehlerbereich: ± 1.7 Prozent bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Ausschöpfung: 66%

Gewichtung: Stufe 1: Anzahl Unternehmen nach Sprachregion; Stufe 2: Unternehmen nach Noga-Codes verknüpft pro Sprachregion

Projektteam gfs.bern

Lukas Golder: Politik- und Medienwissenschaftler

Martina Mousson: Politikwissenschaftlerin

Aaron Venetz: Politikwissenschaftler

 

Externe Beratung

Prof. Dr. Stefan C. Wolter, Professor für Bildungsökonomie, Universität Bern