Sicherheit und Kosten statt Selbstverwirklichung bei Ernährungsfragen im Vordergrund

Das Interesse und die Diskussion rund um das Thema Ernährung und Bewegung treten in den Hintergrund

im Auftrag der Informationsgruppe Erfrischungsgetränke

Der Monitor Ernährung und Bewegung zeigt auf, was die Bevölkerung zu den Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung denkt und wie sich die Haltung der Stimmberechtigten im Laufe der Zeit verändert.

Im Zentrum stehen dabei Werthaltungen, gesellschaftliche Trends sowie die Erwartungen an Politik und Wirtschaft. In Übereinstimmung mit der politischen Debatte werden zudem aktuelle Themen aufgenommen.

2022 steht der Einkaufstourismus und die Versorgungssicherheit besonders im Fokus.

Zudem wurden Fragen zur freiwilligen Zuckerreduktion der Branche in Lebensmitteln oder auch zur möglichen Einführung einer Zuckersteuer gestellt.

Die Ergebnisse des Monitors Ernährung und Bewegung basieren auf einer repräsentativen Befragung von rund 1000 Stimmberechtigten in der Schweiz. Befragt wurde vom 28. März bis am 24. April 2022.

Details zur Methode und Stichprobe finden sich im Infokasten am Ende des Cockpits.  

Downloads: Schlussbericht

Interesse und Themenradar Ernährung und Bewegung

Ernährung und Bewegung sind Alltagsthemen, mit denen sich Menschen in der Schweiz tagtäglich – bewusst oder auch unbewusst – auseinandersetzen. Das erklärt das grundsätzlich hohe Interesse der Stimmberechtigten. Das Interesse am Thema Ernährung und Bewegung ist bei einer klaren Mehrheit der Stimmberechtigten in der Schweiz weiterhin vorhanden. Allerdings nimmt der Anteil sehr interessierter Personen aber weiterhin ab und befindet sich aktuell auf einem der tiefsten Werte seit Befragungsbeginn.

Obwohl sich alle Generationen jeweils mehrheitlich für Fragen rund um die Ernährung und Bewegung interessieren, nimmt das Interesse ab, je jünger eine Person ist. Gerade bei den jüngeren Generationen (Y und Z) ist das besonders offensichtlich.

Die Mehrheit der Stimmberechtigten in der Schweiz haben zum Einkaufen im Ausland eine klare Haltung: 80 Prozent der Befragten, fahren nie oder selten ins Ausland, um einzukaufen.

Demgegenüber steht lediglich ein Fünftel, der ab und zu oder sogar regelmässig für den Einkauf die Schweizer Grenze passiert.

Ein Blick auf das Einkaufsverhalten nach Haushaltseinkommen zeigt, dass Personen mit tieferem Einkommen eher im Ausland einkaufen. Bei Haushalten mit einem Monatseinkommen von mehr als 5’000 Franken ist der Gang über die nahen Grenzen zum Einkaufen deutlich weniger verbreitet.

Um die Verfügbarkeit von Nahrungsmittel ganz grundsätzlich sicherzustellen, muss die Schweiz in den Augen der meisten Stimmberechtigten möglichst unabhängig von ausländischen Importen sein. In eine ähnliche Stossrichtung zeigt eine weitere Haltung der Bevölkerung. Damit nämlich die Produktion im Inland aufrechterhalten werden kann, erachten rund zwei Drittel einen Mindestpreis für Zucker als zulässig.

Der Aussage, dass der Klimawandel die grösste Gefahr für die Ernährungssicherheit darstellt, stimmt eine Mehrheit zu.

Um für diese oder jede andere Krisenzeit gewappnet zu sein, sollte jeder Haushalt, so befinden zumindest rund zwei Drittel der Befragten, über einen Notvorrat verfügen.

So ist sich auch die Mehrheit einig, dass sie lieber teurere lokal Produkte als billigere Importprodukte einkaufen. Nur wenn die Ware auch tatsächlich im Inland hergestellt wurde, sehen 70 Prozent den teureren Preis der Produkte als gerechtfertigt. Der Meinung, dass die Schweizer Bevölkerung ein Preisunterschied von 50 Rappen nicht merkt, ist lediglich eine Minderheit der Befragten.

Ein generationenübergreifender Konsens fehlt, wenn es um die Ernährungssicherheit und die Einstellung zum Einkaufen geht. Je älter die Generation, desto grösser das Sicherheitsbedürfnis, desto geringer die Preissensitivität und desto grösser das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Ernährung.

Mit einer Ausnahme: Die jüngste Generation Z tickt ähnlich wie die Kriegsgeneration, wenn es um die Unabhängigkeit von ausländischen Importen geht. Das ist aber offenbar nur so lange der Fall, wie es nicht das Portemonnaie betrifft.

Einen Notvorrat für Krisenzeiten besitzt rund die Hälfte aller Befragten. Es gibt jedoch durchaus Unterschiede zwischen den Generationen: Die von den Kriegen des letzten Jahrhunderts unmittelbar geprägten Generationen geben am häufigsten an, einen Notvorrat zu besitzen. Umso jünger die Generationen sind und umso weiter weg von der kriegsgeprägten Zeit, desto weniger Personen besitzen einen eigenen Notvorrat.

Eine Mehrheit von den Personen, die angegeben haben, einen Notvorrat zu besitzen, pflegen diesen bereits seit vielen Jahren. Seit der Corona-Pandemie hat sich rund ein Drittel einen Vorrat angeschafft.

Im Gegensatz zu Corona hinterlässt der Krieg in der Ukraine in den Vorratskellern der Schweizer:innen noch deutlich weniger Spuren.

Massnahmen Staat und Wirtschaft

Der Anteil an Personen, die der Meinung sind, die staatlichen Massnahmen gegen Übergewicht reichen aus, ist im letzten Jahr deutlich angestiegen (+11 Prozentpunkte). Eine knappe Mehrheit bewertet diese nun als ausreichend, was letztmals 2016 der Fall war.

Seit Erhebungsbeginn können Konsument:innen und das nähre Umfeld in der Wahrnehmung der Befragten am ehesten dazu beitragen, dass sich die Schweizer Bevölkerung ausgewogen ernährt und sich ausreichen bewegt. Im Allgemeinen wird die Konstanz der Reihenfolge während der letzten Jahre aktuell aufgebrochen.

 

Waren die Schulen bis anhin an dritter Stelle, teilen sie sich in diesem Jahr den fünften Platz mit den Medien. Lebensmittelhersteller:innen und die Getränkebranche hingegen können in der subjektiven Wahrnehmung der Befragten einen grösseren Beitrag leisten und steigen in der Rangfolge auf.

Nährstoff-Referenzwert-Kennzeichnung

Im Jahr 2020 war die Akzeptanz der Nährstoff-Referenz-Kennzeichnung so tief wie noch nie. Seither befinden wieder mehr Personen, dass die Informationen über die bestehende Informationsform über Nahrungsmittelbestandteile auf den Produkten ausreichen (62%).

Die Kehrtwende ins Positive lässt sich lediglich beim Anteil Personen erkennen, die der Meinung sind, die Kennzeichnung würde eher ausreichen. Der Anteil Stimmberechtigter, der die Ansicht vertritt, die aktuelle Nährstoff-Referenzwert-Kennzeichnung reiche vollständig aus, nimmt seit 2017 unverändert ab.

Zuckersteuer

Eine Steuer auf zucker-, salz oder fetthaltige Lebensmittel, wie sie aus anderen Ländern bereits bekannt ist, kommt für eine Mehrheit der Stimmbevölkerung weiterhin nicht in Frage. Die Zustimmung hat sich über die letzten Jahre (2019-2022) kaum verändert. Diese leichten Schwankungen befindet sich allesamt innerhalb des Stichprobenfehlers.

Wunsch an Gesellschaft bei Ernährungsfragen

Leise aber stetig zeigt sich in der Bevölkerung eine Entwicklung hin zu einem Wunsch nach mehr Staat und Interventionismus. Obwohl insgesamt eine Gesellschaft gewünscht ist, die nach wie vor auf Information und Aufklärung sowie Eigenverantwortung der Konsumierenden setzt, wenn es um Ernährungsfragen geht.

Nicht alle Generationen möchten gleichermassen, dass Ernährungsfragen in Eigenverantwortung statt mit staatlichen Massnahmen bekämpft werden. Das Eigenverantwortungsprinzip wird am deutlichsten von der Kriegsgeneration (Mittelwert 7.7) und der Generation Z (Mittelwert 7.0) getragen.

Obwohl die Kriegsgeneration auf die Eigenverantwortung setzt, ist sie es, die Steuern und Gesetze den Informationen und der Aufklärung vorzieht. Die Generation Z hingegen möchte eher eine Gesellschaft, die Konsumenten und Konsumentinnen informiert und aufklärt.

Erste Leseweise

Back to Basics: Sicherheit und Kosten statt Selbstverwirklichung

Die sorglosen Jahre sind vorbei: Nachdem es bis Ende der 2010er Jahre in Sachen Ernährung und Bewegung primär um Selbstverwirklichung und oft auch Selbstdarstellung ging, verschiebt sich der Fokus nun zurück zur Sicherstellung des Elementaren: Durch die Corona-Pandemie und neu auch den Krieg in der Ukraine rücken Sicherheit, Kosten und Versorgung auch im Zusammenhang mit Ernährung stärker in den Vordergrund.

Generation Z: Wenig Bewusstsein über Ernährungsfragen

Während ältere Generationen eine relativ klare Vorstellung darüber haben, wie sie den zunehmenden Unsicherheiten begegnen wollen, fehlt insbesondere den Jüngsten fehlt eine konkrete Strategie. Den Notvorrat findet man unnötig, hohe Preise für lokale Güter ist man nicht bereit zu bezahlen, gleichzeitig will man vom Ausland unabhängig sein. Während Millennials sowie auch ältere den Klimawandel als grösste Gefahr für die Ernährungssicherheit sehen, sind ausgerechnet die Jüngsten (Generation Z), die im Rahmen der „Fridays for Future“ Bewegung massgeblich dazu beitragen, dass das Thema in seiner Dringlichkeit wahrgenommen wird, sieht die Generation viel weniger einen Zusammenhang zwischen Klima und Ernährung.

Krisenjahre machen staatlichen Interventionen zum Normalzustand

Massnahmen wie die Einführung einer Zuckersteuer bleiben konstant der Wunsch einer Minderheit. Auch andere Eingriffe, wie eine Preiserhöhung für zucker-, fett- und salzhaltige Lebensmittel oder das generelle Verbot ungesunder Lebensmittel ist nicht mehrheitsfähig. Dennoch setzt sich die, in den letzten Jahren beobachtete, leise Verschiebung in den Grundwerten hin zu einer grösseren Offenheit gegenüber staatlichen Massnahmen, Steuern und Gesetzen weiter fort. Die aktuellen Krisen (Corona und neu auch der Krieg in der Ukraine) dürften diese Akzeptanz weiter stärken, in dem sich nach bald drei Jahren diesbezüglich eine gewisse Normalität eingeschlichen hat.

Wer ist in der Verantwortung?

Das kollektive Interesse an und die Informiertheit über Ernährungs- und Bewegungsfragen sinkt in der Tendenz – angetrieben von einem fundamentalen Desinteresse insbesondere der jüngsten Generation – weiter. Zugleich wird Prävention, Aufklärung und Ernährungskunde als weniger wichtig empfunden. Während Vertreter:innen der Generation Y und älter eher dazu tendieren, ihrem wachsendes Desinteresse mit der Abgabe von Verantwortung an andere (beispielsweise an den Staat oder die Getränkebranche) zu begegnen, legen die Jüngsten eine fast schon libertäre Haltung an den Tag: Totale Eigenverantwortung, keine Steuern und Gesetze, Unabhängigkeit vom Ausland (aber keine höheren Produktionskosten im Inland), die Konsument:innen selber ist verantwortlich, niemand sonst.

Einkaufstoursimus: Wenig Bezug, wenig Interesse

Die Stimmberechtigten der Schweiz haben eine grosse Präferenz für Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit. Dennoch wird jährlich für rund 10 Milliarden Franken im nahen Ausland eingekauft. Das entspricht grob dem Betrag, den wir für die Landesverteidigung, für Bildung oder die Landwirtschaft ausgeben. Diese Vergleiche beeindrucken die Bevölkerung jedoch nicht. Es scheint der Bezug oder die Dringlichkeit zu fehlen. Ganz allgemein bleibt der Einkaufstourismus zwar ökonomisch ein bedeutendes Phänomen, auf der individuellen Ebene sind jedoch nur die wenigsten betroffen: Personen in Grenzregionen und mit tiefem Einkommen.

Zuckersteuer bleibt eine Massnahme der Minderheit:

Nur eine klare Minderheit kann sich mit der Idee einer Zuckersteuer anfreunden. Dieser Wert bleibt über alle Befragungsjahre konstant tief und auch die Argumente, welche meinungswirksam sind, bleiben weitgehend dieselben bei einer vergleichsweise hohen Erklärungskraft. Unter diesen Voraussetzungen ist es für die Befürworter:innen äusserst schwierig Terrain gut zu machen. Ein Auge sollte jedoch auf die einzelnen Sprachregionen und auf die Möglichkeit, die Branche zu spalten (einzelne Produkte speziell behandeln) gehalten werden.

Anstrengungen von Wirtschaft und Staat im Bereich Prävention revitalisieren

Harte staatliche Interventionen und Steuern sind nicht beliebt, Massnahmen im Bereich Prävention und Aufklärung brauchen gerade angesichts der neuesten Trends gerade bei Jungen nach der Pandemie dringend neuen Schwung.

Methodische Details

  • Auftraggeber: Informationsgruppe Erfrischungsgetränke
  • Grundgesamtheit: Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
  • Erhebungsart: telefonisch, computergestützt (CATI)
  • Auswahlverfahren: Stichprobenplan nach Gabler/Häder für RDD/Dual Frame / Verwendung der Swiss-Interview-Liste
  • Stichprobengrösse: Total Befragte: 1’002 (DCH 700, FCH 252, ICH 50)
  • Befragungszeitraum: 28.03. bis 24.04.2022
  • Stichprobenfehler: 3.2%