Die Pandemie erhöht das Ernährungs- und Bewegungsbewusstsein

Projekte von Staat und Wirtschaft werden gegenüber Steuern und Gesetzen klar bevorzugt.

im Auftrag der Informationsgruppe Erfrischungsgetränke

Der Monitor Ernährung und Bewegung zeigt auf, was die Bevölkerung zu den Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung denkt und wie sich die Haltung der Stimmberechtigten im Laufe der Zeit verändert.

Im Zentrum stehen dabei Werthaltungen, gesellschaftliche Trends sowie die Erwartungen an Politik und Wirtschaft. In Übereinstimmung mit der politischen Debatte werden zudem aktuelle Themen aufgenommen.

2021 steht das Coronavirus ganz besonders im Fokus. Zudem wurden Fragen zur freiwilligen Zuckerreduktion der Branche in

Lebensmitteln oder auch zur möglichen Einführung einer Zuckersteuer gestellt.

Die Ergebnisse des Monitors Ernährung und Bewegung basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1000 Stimmberechtigten in der Schweiz. Befragt wurde vom 08. bis am 27. März 2021. In dieser Zeit galten Massnahmen wie die Homeoffice-Pflicht, die Schliessung von Restaurants wie auch Fitnesscenter.

Details zur Methode und Stichprobe finden sich im Infokasten am Ende des Cockpits.  

Deutliche Veränderungen des Ess- und Bewegungsverhaltens im Kontext der Pandemie

Das Interesse am Thema Ernährung und Bewegung ist unter der Stimmbevölkerung äusserst verbreitet. Seit letztem Jahr vergrösserte sich der Anteil der Interessenten um 9 Prozentpunkte, nachdem dieser seit 2016 stetig abgenommen hat.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass es ein wenig mehr Frauen als Männer sind („eher/sehr“ interessiert: 91% Frauen vs. 81% Männer), die sich für diese Themen interessieren. Ausserdem geben die über 65-Jährigen am häufigsten (92%) an, eher/sehr daran interessiert zu sein, als die 40- bis 64-Jährigen (87%) oder die unter 40-Jährigen (78%).

Generell nimmt die Informiertheit zu: 83 Prozent (+11 Prozentpunkte gegenüber Vorjahr) der Stimmbevölkerung fühlen sich „eher/sehr“ gut über Ernährung informiert; 85 Prozent (+16 Prozentpunkte) fühlen sich „eher/sehr“ gut über Bewegung informiert. Es scheint, als hätten die während der Befragung gegoltenen Massnahmen die Stimmbevölkerung gesamthaft bezüglich Gesundheitsthemen sensibilisiert. Das bestätigt sich auch bei der Frage, was für Neuigkeiten in den letzten zwölf Monaten über Ernährung und Bewegung wahrgenommen wurden. Dabei wurde oftmals das Coronavirus als Kontext genannt, zum Beispiel:

"übergewichtige Menschen gehören der Risikogruppe an" oder "mangelnde Bewegung durch Homeoffice".

Wiederum zeigt sich aber, dass vor allem die über 40-Jährigen besser informiert sind, als die unter 40-Jährigen (eher/sehr gut über Ernährung informiert, absteigend nach Alterskohorte: 90% – 90% – 71% und eher/sehr gut über Bewegung informiert, absteigend nach Alterskohorte: 90% – 88% – 77%). Auch bei der Ernährung zeigt sich, dass Frauen etwas besser als Männer informiert sind („eher/sehr gut informiert“: 91% Frauen vs. 76% Männer).

Vor allem die Sehnsucht nach einem kulinarischen Besuch macht sich in den Zahlen bemerkbar: Fast drei Vierteln der Stimmberechtigten (72%) fehlen die Restaurantbesuche. Fast die Hälfte (48%) gibt an, seit der Pandemie öfters selber zu kochen. 42 Prozent merkten, wie wichtig Bewegung für den Körper ist. Doch die Resultate zeigen auch, dass die Stimmberechtigten grösstenteils die Kontrolle über ihr Essverhalten behielten. Eine Mehrheit gibt an, dass sie seit der Pandemie weder mehr Süssigkeiten zu sich genommen noch an Gewicht zugenommen hat. Ebenfalls die Mehrheit gibt an, dass sie nicht mehr alkoholhaltige Getränke und nicht mehr ungesunde Nahrungsmittel konsumiert hat seit der Pandemie.

Um genauer zu verstehen, wer wie auf die Pandemie reagiert, wurde eine Clusteranalyse erstellt. Die Clusteranalyse ordnet Personen aufgrund ähnlicher Antwortmuster einer vorgegebenen Anzahl möglichst unterschiedlicher Typen zu.

Für die Clusteranalyse wurden Antwortmuster in den Aussagen mit Bezug zur Pandemie (siehe Kapitel „Deutliche Veränderungen des Ess- und Bewegungsverhaltens im Kontext der Pandemie“) in der Analyse untersucht. Eine Gruppe reagiert deutlich auf die Aussage „seit der Pandemie ernähre ich mich bewusster“ und „seit der Pandemie mache ich mehr Sport“ („stimme voll/eher zu“). Eine andere Gruppe stimmte vor allem der Aussage „seit der Pandemie nehme ich mehr ungesunde Lebensmittel zu mir“ und „seit der Pandemie konsumiere ich mehr alkoholhaltige Getränke“ zu. Bei zwei weiteren Gruppen fällt kaum eine Verhaltensänderung durch die Pandemiesituation aus.

Diese Informationen dienten als Grundlage für die Aufteilung in vier Typen (siehe Grafik unten).

Die „Unbehelligten“ sind eher ältere Personen (+60 Jahre); Frauen, die stark ernährungsorientiert sind aber nur durchschnittlich Sport treiben. Der Name ist dem Umstand gewidmet, dass bei ihnen trotz Pandemie keine extremen Verhaltensänderungen bemerkbar sind.

Die „Selbstversorgenden“ sind eher Personen mittleren Alters (40-49 Jahre), männlich, eher hoch gebildet und wohnen in der Stadt. Sie treiben unterdurchschnittlich Sport und ernähren sich nicht sonderlich bewusst. Dafür kochen sie zurzeit deutlich mehr selbst – wohl aus Mangel an Alternativen. Pandemie hin oder her: Diese Personen leben ihr Leben in Sportbelangen unverändert weiter.

Die „Unbehelligten“ und „Selbstversorgenden“ machen zusammen den grössten Teil der Stimmberechtigten aus. Es sind die Typen, die ihr Alltagsverhalten in der Pandemie weniger, oder wenn, dann aus Zwang, änderten. In diesen Gruppen lassen sich auch wenig Veränderungen in Zukunft erwarten.

Die „Lebensstiländernden“ sind junge (18-29 Jahre), die sich in akademischer Ausbildung befinden. Wohnen tun sie eher in der Stadt. Ernährung und Sport sind ihnen sehr wichtig, beides passen sie der neuen Pandemiesituation an und nutzen die sich bietende Chance: Sie bewegen und ernähren sich bewusster. Es ist die Trendgruppe, die auch für das insgesamt gestiegene Interesse an den Themen steht.

Die „Frustesserinnen und Frustesser“ sind ca. 18- bis 39-jährig, haben einen eher tiefen bis mittleren Bildungsstand und wohnen in der Agglomeration. Die Pandemiesituation macht ihnen zu schaffen und somit geraten eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung in den Hintergrund.

„Lebensstiländernde“ und „Frustesserinnen und Frustesser“ sind in der Bevölkerung ähnlich stark verbreitet. Sie passen sich ganz unterschiedlich an die Situation an, wobei einige Gewohnheiten auch nach den Lockerungen noch den Alltag bestimmen könnten. Dies unterstreicht die nachhaltige Relevanz der getroffenen Pandemie-Massnahmen.

Diese Typologien sind keine perfekt abgrenzenden Kategorien, sondern geben eher eine Weise vor, wie man die erfragten Antworten deuten kann.

Massnahmen Staat und Wirtschaft

Mit 56 Prozent ist die Stimmbevölkerung knapp mehrheitlich der Meinung, die staatlichen Massnahmen reichen nicht aus, um die Bevölkerung vor Übergewicht zu schützen. Trotz massiven Änderungen im eigenen Essverhalten verändert sich bei dieser Haltung seit 2017 nur wenig. Auf Kosten Unentschiedener hat die Haltung, dass der Staat nicht genügend unternimmt, wieder die Mehrheit. Dieser Meinung sind eher Frauen als Männer („eher nein/nein“: 60% Frauen vs. 52% Männer) und eher die über 65-Jährigen als die Jungen („eher nein/nein“ nach Alterskohorte absteigend: 65% – 55% – 50%).

Welche Massnahmen im Bereich Ernährung und Bewegung kommen bei den Befragten am besten an? Die Top-4-Massnahmen haben eine Gemeinsamkeit: Sie alle umfassen Initiativen, die darauf abzielen, Wissen und Bewusstsein zu verbreiten. Die Zustimmung bei allen vier Massnahmen liegt zwischen 81-89 Prozent. Werbeverbote, die an Kinder gerichtet sind, rangieren auf Platz fünf der Massnahmen mit der meisten Zustimmung.

Mit 71 Prozent ist das nach wie vor viel, dennoch scheint die vermehrte Auseinandersetzung mit Ernährung und Bewegung dazu zu führen, dass die Befragten das Bewusstsein darüber bereits in der Schule fördern wollen. Ungesunde Lebensmittel zu verbieten oder eine Zusatzsteuer einzuführen sind nach wie vor diejenigen Massnahmen, die mit unter 30 Prozent am wenigsten Unterstützung erfahren.

Das transparente und verständliche Informieren über Produktinhalte ist gemäss Stimmberechtigten nach wie vor die beste Massnahme der Wirtschaft/Lebensmittelhersteller, um eine ausgewogene Ernährung oder ausreichend Bewegung zu fördern. Und obwohl die vereinfachte Nährwertdeklaration immer noch hoch akzeptiert ist, gibt es für die Massnahme „Projekte für gute Ernährungsangewohnheiten mit dem Staat umsetzen“ etwas mehr Zustimmung:

83 Prozent (+11 Prozentpunkte gegenüber Vorjahr) sind mit der Idee von Projekten „eher/voll“ einverstanden (80% bei „vereinfachte Nährwertdeklaration“, -5 Prozentpunkte). Dabei lassen sich keine Unterschiede zwischen den politischen Lagern der Befragten feststellen.

Insgesamt bestätigt sich, dass präventive Massnahmen und Bildungsmassnahmen weiterhin viel höhere Unterstützung erfahren als Verbote und Zwang.

Eine steigende Zustimmung ist bei der Frage festzustellen, welche Akteure einen Beitrag für ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung leisten können. Mit dem erhöhten Bewusstsein wird damit auch die Frage der Verantwortlichkeit der Akteure wichtiger.

Im Durchschnitt sind die Stimmberechtigten stärker als in Vorjahren der Meinung, der Konsument/die Konsumentin leistet einen grossen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend Bewegung.

Familien und Schulen folgen – wahrscheinlich denken die Stimmberechtigten hierbei an Kinder, die man mit einer frühen Aufklärung zu Ess- und Bewegungsthemen bei einem gesunden Lebensstil unterstützen kann. Der wichtigste Beitrag zu ausgewogener Ernährung und Bewegung unter den abgefragten Akteuren ist 2021 akzentuiert. Lebensmittelhersteller, Getränkebranche sowie die Politik rangieren zuunterst in der Tabelle. Auch hier sieht man somit deutlich, dass die Verantwortung in den Augen der Stimmberechtigten beim Individuum und seinem Umfeld liegt.

Nährstoff-Referenzwert-Kennzeichnung

Am breitesten getragen war die Nährstoff-Referenzwert-Kennzeichnung 2016, als über 70 Prozent der Bevölkerung der Meinung waren, diese Form der Informationen über Lebensmittelinhalte würde vollständig oder eher ausreichen. Seither ist dieser Anteil deutlich eingebrochen (2020 waren es nur noch 52 Prozent „reicht eher/vollständig aus“). 2021 gibt es mit 57 Prozent das erste Mal seit 2016 wieder eine steigende Zustimmung bei der Aussage, dass die Nährstoff-Referenzwert-Kennzeichnung vollständig/eher ausreicht.

Stattdessen erfreut sich die Idee einer Farbkennzeichnung (früher Ampelkennzeichnung), die auf gewissen Lebensmitteln bereits auffindbar ist, einer immer grösseren Beliebtheit. Heute sind 80 Prozent der Stimmberechtigten in der Schweiz der Meinung, dass dies zum neuen gesetzlichen Standard werden soll.

Zuckersteuer

Konstant wie auch schon in den letzten Jahren ist die Einstellung bezüglich der Steuer auf zucker-, salz- oder fetthaltige Lebensmittel. 71 Prozent der Stimmbevölkerung wären mit der Einführung einer solchen Steuer in der Schweiz „eher nicht/überhaupt nicht“ einverstanden.

Über drei Viertel sind der Ansicht, es gebe genug zuckerlose/zuckerreduzierte Alternativen oder dass die Steuer ungerecht ist, da sie Ärmere stärker belastet. Mehr als je zuvor sind jedoch auch der Ansicht, dass es an der Branche liegt, keinen versteckten Zucker in Fertiggerichten beizugeben.

 

Am wenigsten Zustimmung erhält das Argument, dass Zucker gesundheitsschädigend sei und vom Staat eingeschränkt werden müsse. Mit dieser Aussage sind am ehesten die Westschweizerinnen und Westschweizer einverstanden: 53 Prozent geben an, „eher/voll“ einverstanden zu sein. Bei den Deutschschweizerinnen und Deutschschweizern sind es gerade einmal 31 Prozent.

Auch in diesem Jahr bleibt der Anteil mit 73 Prozent gross, der „eher keinen/überhaupt keinen Einfluss“ auf den Konsum von zucker-, fett- oder salzhaltigen Lebensmitteln von der Einführung einer solchen Steuer erwartet.

Bei der Wertfrage mit semantischen Differenzialen positionieren sich die Schweizer Stimmberechtigten ebenfalls eher bei einer Gesellschaft, in der Information und Aufklärung der Konsumentinnen und Konsumenten den Steuern und Gesetzen vorgezogen werden. Eigenverantwortung schlägt staatliche Massnahmen. Das Interesse an und die Informiertheit über Gesundheitsthemen ist unter der Stimmbevölkerung weit verbreitet und die Tendenz sogar steigend. Entsprechend überrascht es nicht, dass die Bevölkerung Eigenverantwortung den staatlichen Massnahmen vorzieht.

Erste Leseweise

Mehr Bewusstsein dank Corona

Die Pandemie und die Covid-Schutzmassnahmen sensibilisieren die Stimmbevölkerung für Gesundheits- und Bewegungsthemen. Der Anteil an Personen, die sich für Ernährung und Bewegung interessieren, sowie der Anteil, der sich darüber gut informiert fühlt, wächst seit der letzten Befragung an. Der Trend bis 2020 in Richtung Desinteresse der Bevölkerung an Fragen zu Ernährung und Bewegung wurde damit gestoppt.

Eigenverantwortung im Zentrum - Aufklärung nötig

Die Auseinandersetzung mit Ernährungs- und Bewegungsfragen hat das Bedürfnis nach Eigenverantwortung gestärkt und die Rolle der Konsumentinnen und Konsumenten in den Mittelpunkt gerückt, wenn es um gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung geht. Präventionsprogramme, Ausbildung und Aufklärung sind aus Sicht der Bevölkerung zentrale Säulen zur Stärkung der Eigenverantwortung.

Gesteigertes Interesse nutzen

Die selbst statuierte Informiertheit der Stimmberechtigten nimmt zu. Zusammen mit dem hohen Interesse und der Wichtigkeit für Ernährungs- und Bewegungsthemen kann dieses gesteigerte Interesse als Chance genutzt werden, um aufzuzeigen, wie eine ausgewogene Ernährung auch mit Zuckerkonsum möglich ist. Der gestärkte Wunsch nach gemeinsam von Staat und Wirtschaft verantworteten Präventionsprojekten zeigt dies deutlich auf.

Prävention statt Restriktion

Die staatlichen Massnahmen reichen der Stimmbevölkerung mehrheitlich nicht aus, um die Bevölkerung vor Übergewicht zu schützen. Konkret ziehen die Befragten Projekte, Aufklärung und Informationen vor, während Verbote und Steuern nur minderheitlich Zustimmung finden. Die vielen Restriktionen, welche die Bevölkerung seit der Pandemie erlebt, befördern eher kritischere Einstellungen gegenüber restriktiven staatlichen Massnahmen.

Methodische Details

  • Auftraggeber: Informationsgruppe Erfrischungsgetränke
  • Grundgesamtheit: Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
  • Erhebungsart: telefonisch, computergestützt (CATI)
  • Auswahlverfahren: Stichprobenplan nach Gabler/Häder für RDD/Dual Frame / Verwendung der Swiss-Interview-Liste
  • Stichprobengrösse: Total Befragte: 1’002 (DCH 702, FCH 250, ICH 50)
  • Befragungszeitraum: 08.03. bis 27.03.2021
  • Stichprobenfehler: 3.2%