Ernährungs-Hype vorerst gesättigt

Geringere Informiertheit und weniger Interesse an staatlicher Intervention

im Auftrag der Informationsgruppe Erfrischungsgetränke

Der Monitor Ernährung und Bewegung wurde 2019 zum sechsten Mal durchgeführt. Das Ziel ist es, die gesellschaftliche Haltung der stimmberechtigten Bevölkerung zu Gesundheit, Ernährung und Bewegung im Verlaufe der Zeit zu beobachten.

Im Zentrum stehen die Werthaltungen in Ernährungsfragen, aufkommende politische Issues wie auch die Erwartungen an Politik und Wirtschaft. In Übereinstimmung mit der politischen Debatte werden zudem aktuelle Themen aufgenommen.

2019 sind dies die Einführung einer Steuer oder Lenkungsabgabe auf zucker-, salz- und fetthaltige Lebensmittel, die Nährwertdeklaration oder die freiwillige Zuckerreduktion der Branche in Lebensmitteln. Die Ergebnisse des Monitors Ernährung und Bewegung basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1000 Stimmberechtigten in der Schweiz. Die Befragung wurde zwischen dem 6. und dem 29. März 2019 durch das Institut gfs.bern telefonisch durchgeführt.

Details zur Methode und Stichprobe finden sich im Infokasten am Ende des Cockpits.  

Gesundheitskompetenzen in der Bevölkerung

Die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden liegt der Bevölkerung am Herzen. Dementsprechend interessiert sich mit 77 Prozent der Stimmberechtigten ein Grossteil für die Themen Ernährung und Bewegung. Diese Mehrheit ist seit sechs Jahren stabil. Der Anteil Stimmberechtigter, der sich dagegen nicht für Ernährung und Bewegung interessiert, ist in der Minderheit.

 

Der Zeitvergleich zeigt jedoch, dass dieses Lager langsam aber stetig wächst: Innerhalb der letzten sechs Jahre erfuhr es einen Zuwachs und hat sich von 14 Prozent auf 23 Prozent fast verdoppelt. Sehr ähnlich verhält es sich beim Informationsstand in der Bevölkerung. Die klare Mehrheit der Stimmberechtigten fühlt sich nach wie vor sehr bis eher gut informiert in Sachen Ernährung.

Das ist mit 72 Prozent auch 2019 der Fall. In Übereinstimmung zum abnehmenden Interesse schwindet auch der Anteil Stimmberechtigter, der sich selber als gut informiert bezeichnen würde, immer mehr dahin. Sogar der Anteil Stimmberechtigter, der ausreichend Bewegung als wichtig bezeichnet, nimmt innerhalb der letzten sechs Jahre um 10 Prozentpunkte auf heute 81 Prozent ab (vgl. Schlussbericht).

Die sinkenden Leser- und Zuschauerzahlen klassischer Medien und der steigende Anteil von Leuten, die sich ganz aus dem News-Loop verabschieden, machen sich offensichtlich auch beim Thema Ernährung und Bewegung bemerkbar und haben einen Einfluss auf die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Noch 2014 fanden 55 Prozent der Befragten, dass eine ausgewogene Ernährung sehr wichtig ist; aktuell sind es noch gerade 40 Prozent: der tiefste Wert seit Beginn der Befragungsserie.

Der Wunsch der Stimmbevölkerung an die Gesellschaft bei Ernährungsfragen ist seit Jahren eindeutig: Es wird gewünscht, dass Übergewichtsprobleme in Eigenverantwortung statt mit staatlichen Massnahmen bekämpft werden. Auf einer Skala von 0 (staatliche Massnahmen) bis 10 (Eigenverantwortung) liegt der gewählte Mittelwert der Bevölkerung bei 7.0.

Zudem soll die Information und Aufklärung der Bevölkerung im Vordergrund stehen (0) und nicht eine Lenkung über Steuern und Gesetze (10). Der Durchschnittswert der Bevölkerung liegt in dieser Frage bei 3.0 Punkten.

 

 

Während die Mehrheitsverhältnisse ähnlich wie beim Interesse und der Informiertheit im Bereich Ernährung und Bewegung sehr stabil sind, deutet sich auch in dieser Frage eine leichte Verschiebung über die sechs Befragungsjahre an. Zum jetzigen Zeitpunkt zeigen beide Indikatoren eine leichte Tendenz in die Mitte hin zu einem ausgeglicheren Verhältnis zwischen Eigenverantwortung und staatlichen Massnahmen.

Die sinkende Auseinandersetzung mit Ernährungsthemen wirkt sich auch auf konkrete Meinungen aus. Mit 47 Prozent schreibt erstmals seit 2015 nur noch eine Minderheit der Lebensmittelbranche eine Verantwortung für die bewusste Ernährung der Bevölkerung zu.

Umgekehrt steigt der Anteil, der ein zu grosses Tamtam rund um Ernährungsfragen wahrnimmt, auf 56 Prozent: der Höchstwert in der Befragungsserie. Die Trends bei diesen Meinungen sind nicht gefestigt. Sie zeigen aber auf Haltungsebene, dass über alle Stimmberechtigten betrachtet andere Prioritäten wichtiger werden als Ernährungs- und Bewegungsfragen.

Steuer auf zucker-, salz- und fetthaltige Lebensmittel

Die Einführung einer Steuer auf zucker-, salz- oder fetthaltige Lebensmittel, wie sie aus anderen Ländern bekannt ist, kommt für eine Mehrheit der Stimmberechtigten in der Schweiz nicht in Frage. Nach einem kurzzeitigen Anstieg im Jahr 2017 auf rund einen Drittel Befürwortende, sinkt die Zustimmung seither wieder. Heute geben lediglich 24 Prozent an, dass sie mit einer solchen Steuer einverstanden wären.

Die Gegnerschaft zur Steuer macht 75 Prozent aus, womit sie gleich stark ist wie 2015, dem Jahr mit der bisher geringsten Zustimmung zu einer solchen Steuer.  Die Priorität dieser in den letzten Jahren intensiv diskutierten Thematik der Zuckersteuer nimmt ebenfalls ab. Das sinkende Interesse macht sich auch bei konkreten Wünschen nach staatlicher Intervention bemerkbar.

Heute sind 25 Prozent der Stimmberechtigten in der Schweiz der Meinung, eine Steuer auf zucker-, salz- oder fetthaltige Lebensmittel würde einen sehr bis eher grossen Einfluss auf den Konsum solcher Güter haben. Im Vergleich zum letzten Jahr nimmt dieser Wert um 3 Prozentpunkte ab, was einer Veränderung innerhalb des Stichprobenfehlers entspricht.

Innerhalb des Stichprobenfehlers bleibt auch die Veränderung im Lager der derjenigen, die nicht an die Wirksamkeit einer solchen Steuer glauben.

2018 äusserten 71 Prozent die Meinung, eine solche Massnahme hätte keinen Einfluss, 2019 sind es 69 Prozent. Angewachsen ist einzig der Anteil Personen, die sich zu dieser Frage nicht äussern können oder wollen (Anteil weiss nicht/keine Antwort).

Im Gegensatz zur Meinung zur Steuer generell (vgl. vorangehende Darstellung), scheint die geringere Intensität der Diskussion und der sinkende Informationsstand hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit eher Spuren zu hinterlassen. Die Meinungsbildung in dieser Frage ist vorläufig eher wieder rückläufig.

Massnahmen Staat und Wirtschaft

Den grössten Beitrag für eine ausgewogene Ernährung und genügend Bewegung leisten in den Augen der Stimmberechtigten der Konsument selber, das nächste Umfeld sowie die Schulen. Bei diesen drei Akteuren, nimmt jedoch der Anteil Befragter, die diesen Akteuren einen sehr hohen Einfluss attestiert, seit 2016 ab. Auch bei den Topakteuren zeigt sich ein deutlicher Trend in Richtung allgemein geringerer Verantwortlichkeit und damit einem sinkenden Bewusstsein um die Relevanz von Ernährungs- und Bewegungsfragen.

Den Schweizer Bauern, bekannten Vorbildern und der Politik wird seit 2016 ein stets weniger grosser Beitrag zugeschrieben. Von allen Akteuren wird der Politik 2019 erneut der geringste Beitrag zugeschrieben. Im Vergleich zu den letzten Befragungsjahren steigen die Werte auf tieferem Niveau für die Arbeitgeber, die Getränkebranche und die Lebensmittelhersteller an, sie erhalten damit eine mittlere Relevanz.

staatliche Massnahmen gegen Übergewicht

Heute sind 43 Prozent der Stimmberechtigten der Meinung, die staatlichen Massnahmen gegen Übergewicht würden genügen. 50 Prozent sind dagegen nicht dieser Meinung.

Massnahmen Staat

Konkret wünscht sich eine Mehrheit der Stimmberechtigten gezielte Präventionsprogramme bei Risikogruppen, die Umsetzung gemeinsamer Projekte mit der Wirtschaft und dieses Jahr wieder vermehrt eine bessere Deklaration der Nährwerte, zudem Sportunterricht in den Schulen sowie Werbeverbote für Kinder (jeweils Anteil sehr/eher einverstanden zusammen).

Die Vorschrift von Ernährungskunde in den Schulen wie auch die Einführung der Hauswirtschaft als Pflichtfach ist zwar weiterhin mehrheitsfähig, verliert aber an Zustimmung bei den Stimmberechtigten.

Massnahmen wie das Verbot ungesunder Lebensmittel respektive die Einführung einer Lenkungsabgabe oder Steuer auf Zucker sind nicht mehrheitsfähig. Nach einem deutlichen Anstieg in der Zustimmung zu Verboten und Steuern bis 2016 stellt sich diese Entwicklung seither ein. Es scheint, als wären die Meinungen fürs Erste gegen staatliche Interventionen gemacht.

 

 

 

Massnahmen Wirtschaft und Lebensmittelhersteller

Die Prioritäten, die die Stimmberechtigten für die Wirtschaft und Lebensmittelhersteller sehen, stimmen in ihrer Ausrichtung mit den Präferenzen für die staatlichen Massnahmen überein. In erster Linie werden transparente und verständliche Informationen über Produkte, Engagement für den Breitensport, die Vereinfachung der Nährwertdeklaration und die Umsetzung von Projekten für gute Ernährungsangewohnheiten in Zusammenarbeit mit dem Staat unterstützt.

Über die letzten Jahre nimmt die Zustimmung zu allen Massnahmen eher ab. Seit 2016 gilt das im besonderen Mass für die Idee, zucker-, salz- und fetthaltige Lebensmittel nur noch in kleinen Portionen anzubieten, wo die Zustimmung von 66 Prozent (Anteil sehr/eher einverstanden) im Jahr 2016 auf 45 Prozent 2019 sank. Wie auch bei den staatlichen Massnahmen, die eher harten Interventionen entsprechen, stieg die Zustimmung zu Preiserhöhungen für ungesunde Lebensmittel oder den gänzlichen Verzicht auf die Genussmittelproduktion bis 2016 an. Inzwischen ist diese Entwicklung jedoch wieder rückläufig.

Beim Vorschlag, die Wirtschaft solle aktiv nichts machen, bleibt die Meinung der Stimmberechtigten über die Jahre wechselhaft – genau wie auch beim Vorschlag, der Staat solle aktiv nichts machen.

 

Nährstoff-Referenzwert-Kennzeichnung

Transparenz und Verständlichkeit sind wichtige Anliegen der Stimmberechtigten, wobei sie sowohl den Staat als auch die Lebensmittelhersteller als Ansatzpunkte für neue Ideen und Massnahmen sehen. Die aktuelle Lösung zur Kommunikation von Inhaltsstoffen ist die Nährstoff-Referenzwert-Kennzeichnung, die immer mehr genutzt wird. Heute gibt eine klare Mehrheit an, diese mindestens ab und zu zu konsultieren.

 

Seit Befragungsbeginn nimmt dieser Anteil (Anteil häufig und ab und zu kombiniert) 2019 nun erstmals ab. Seit 2016 nimmt zudem der Anteil Befragter mit der Meinung zu, die aktuelle Lösung würde gar nicht oder eher nicht ausreichen. Heute sind 33 Prozent dieser Ansicht. Mit einer Ampelkennzeichnung als gesetzlichem Standard sind heute 65 Prozent der Befragten sehr oder eher einverstanden (vgl. Schlussbericht).

 

 

Freiwillige Reduktion Zucker Lebensmittelbranche

Seit 2005 hat die Getränkebranche den Zuckeranteil in ihren bestehenden Produkten um 13 Prozent reduziert. Etwas mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten (53%) hat von diesen Bemühungen auf Basis einer gestützten Fragestellung etwas gehört oder gelesen.

Die bisher erzielten Reduktionen werden von einer Mehrheit der Befragten dabei als sehr bis eher gering eingestuft.

Synthese

Ende des Ernährungs-Hypes?

Zwar erscheinen Ernährungsfragen und Gesundheitsfragen immer noch als Megatrends, es gibt aber einen wachsenden Anteil unter Schweizerinnen und Schweizer, die sich kaum noch dafür interessieren.

Gegen staatliche Interventionen

Nach wie vor gilt die Eigenverantwortung als zentraler Wert, wenn es um die staatliche Ausrichtung geht. Im Zuge des geringeren Interesses sinkt auch der Wunsch nach Intervention und teilweise auch die Zuschreibung von Verantwortung an die Konsumenten, den Staat und an die Privatwirtschaft.

Werte versus Handlungen

In der kollektiven Wahrnehmung eines Themas innerhalb der Bevölkerung besteht häufig ein Unterschied zwischen vertretenen Werten und der Zustimmung zu konkreten Massnahmen. Beim Klimaschutz beispielsweise besteht breiter Konsens darüber, dass etwas unternommen werden muss. Wie sich das aber auf den eigenen Konsum und das Verhalten im Alltag auswirkt, darüber besteht weniger Einigkeit. Die Resultate des diesjährigen Monitors Ernährung und Bewegung deuten darauf hin, dass ein ähnliches Muster auch im Zusammenhang mit einem gesunden Lebensstil besteht. Auf der Werteebene befürwortet man in der Tendenz staatliche Interventionen

Methodische Details

  • Auftraggeber: Informationsgruppe Erfrischungsgetränke
  • Grundgesamtheit: Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz, die einer der drei Hauptsprachen mächtig sind
  • Erhebungsart: telefonisch, computergestützt (CATI)
  • Auswahlverfahren: Stichprobenplan nach Gabler/Häder für RDD/Dual Frame / Verwendung der Swiss-Interview-Liste
  • Stichprobengrösse: Total Befragte: 1’000 (DCH 700, FCH 250, ICH 50)
  • Befragungszeitraum: 06.03 bis 29.03.2019
  • Stichprobenfehler: 3.2%