Lockdown als Katalysator zur Ausweitung von Homeoffice

Privat- und Berufsleben profitieren — Unternehmen machten gute Figur, Defizite bei der Arbeit im Team und der Ergonomie

Studie im Auftrag der syndicom

Im Auftrag der syndicom führte das Forschungsinstitut gfs.bern eine Befragung zum Thema "Homeoffice" durch.

Die Befragung wurde grösstenteils in der Phase des „Lockdowns“, der aufgrund der Corona-Pandemie vom Schweizer Bundesrat vom 16. März bis 26. April 2020 angeordnet wurde, durchgeführt.

Die Studie wurde so konzipiert, dass sie zu einem Teil aus einer Panel-Befragung besteht und zum anderen aus einer offenen Online-Befragung.

Im Rahmen dieser Studie sollen Erfahrungen, Haltungen, Vor- und Nachteile, Belastungen und Herausforderungen von Homeoffice repräsentativ erhoben werden, um die Situation der Arbeitnehmenden im Homeoffice nachhaltig zu verbessern.

Befragt wurden 1’126 volljährige Einwohner*innen der Schweiz, die im März und April 2020 mindestens einen Tag im Homeoffice gearbeitet haben.

Weitere Details zur Befragungsmethode finden sich in der Infobox am Ende des Cockpits.

Homeoffice-Situation vor der Corona-Pandemie

Der Ausbruch der Corona-Pandemie in der Schweiz im März 2020 führte dazu, dass viele Schweizer Arbeitnehmende ihre beruflichen Tätigkeiten nach Hause in das Homeoffice verlegen mussten. Viele Arbeitnehmende arbeiteten jedoch bereits zuvor gelegentlich im Homeoffice.

Die Homeoffice-Situation vor der Corona-Pandemie wurde im Rahmen der „Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung“ vom Bundesamt für Statistik erfasst. Die neusten Zahlen geben an, dass 2019 rund 1’108’000 Arbeitnehmende in der Schweiz gelegentlich im Homeoffice gearbeitet haben.

Gemäss einer Schätzung, die wir auf Basis dieser Zahlen und den von uns erhobenen Angaben der Arbeitnehmenden errechnet haben, ist der Anteil an Arbeitnehmenden, die während des Lockdowns mehr als 6 Stunden im Homeoffice gearbeitet haben, um rund 335’000 Personen angestiegen.

Die Anzahl Stunden, die im Homeoffice geleistet wurden, hat sich gemäss unseren Schätzungen verdreifacht. So waren es im Mittel rund 10,5 Stunden pro Person und Woche vor dem Lockdown, dagegen waren es während dem Lockdown durchschnittlich rund 32 Stunden.

Aktuelle Situation im Betrieb

Die Einwohner*innen wurden gefragt, wie die aktuelle Situation während der Corona-Pandemie in ihrem Betrieb aussehe. 60 Prozent gaben an, dass ihr Betrieb komplett auf Homeoffice umgestellt habe. 27 Prozent sagten, dass ihr Betrieb weiterhin regulär laufe, aber es auch zusätzlich die Möglichkeit zu Homeoffice gäbe.

Jeweils gut ein Sechstel gab an, dass der Betrieb im Unternehmen reduziert sei oder es Teilschliessungen gab (17%), der Betrieb Kurzarbeit beantragt habe (16%) oder weitere Pandemie-Massnahmen gelten (15%).

Aussagen zu Homeoffice

Die Einwohner*innen stimmen Aussagen, die einen positiven Effekt auf die Umwelt durch Homeoffice beschreiben, am stärksten zu. So wird die Meinung, dass Homeoffice die Überlastung der Verkehrsinfrastruktur sowie Staus reduziere mit 98 Prozent geteilt. 89 Prozent Zustimmung geniesst ausserdem die Aussage, dass Homeoffice einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz leiste.

Doch auch eher negative Aspekte werden unter den Befragten mehrheitlich geteilt. So sagen 64 Prozent, dass Homeoffice das Gefühl des Alleinseins befördere sowie 61 Prozent, dass die Ausbildung und Betreuung von Mitarbeitenden wegen Homeoffice leide.

Weitere Aussagen, die mehrheitliche Unterstützung finden, besagen, dass Homeoffice den Stress am Arbeitsplatz reduziere (60%) und Homeoffice vor allem in einer Krisensituation wie bei einer Pandemie sinnvoll sei (55%).

Nicht mehrheitliche Unterstützung bei den Einwohner*innen finden hingegen die Aussagen, dass die Team-Koordination unter Homeoffice leide (46%), Homeoffice nicht mit der Kinderbetreuung vereinbar sei (41%), die Kundenbetreuung unter Homeoffice leide (35%) sowie die technischen Voraussetzung in der Firma für die elektronische Zusammenarbeit mangelhaft seien (21%).

Bei den Aussagen mit Hinblick auf das Unternehmen und Homeoffice wird deutlich, dass die Zusammenarbeit im Homeoffice für die meisten funktioniert. So sagen 86 Prozent, dass die Kommunikation im Team funktioniere sowie 84 Prozent dass das eigene Team digital gut zusammenarbeite.

Für über 60 Prozent der Unternehmen war die Umstellung auf Homeoffice nicht ganz so gross: Diese kannten Homeoffice bereits vor der Corona-Pandemie. Ähnlich viele gaben an, dass ihr Unternehmen gut auf die Pandemie-Situation vorbereitet war (58%) oder dass der Arbeitgeber mit Massnahmen oder Gesten das Homeoffice seit dem Lockdown stark verbessert habe (55%).

Für knapp mehr als die Hälfte bedeutet die Pandemie bedeutet im Unternehmen sogar den Durchbruch für das Homeoffice (51%).

Weniger als die Hälfte der befragten Einwohner*innen ist der Ansicht, dass Teamentwicklung im Homeoffice fast unmöglich sei (46%), die Produktivität der Unternehmens dank Homeoffice höher sei (35%) oder im Unternehmen eine Misstrauens-Kultur bezüglich Homeoffice herrsche (29%). Am wenigsten Zustimmung von ca. einem Fünftel der befragten Einwohner*innen erfuhren die Aussagen, dass Homeoffice für zusätzlichen Stress sorge, es eine für die Arbeitsqualität schlechte Sondersituation sei und dass die eigenen Kollegen viel über Homeoffice klagen.

Neben allgemeinen Aussagen zu Homeoffice und Aussagen zum Betrieb, beantworteten die Befragten auch Fragen zur persönlichen Situation.

Insbesondere positive Auswirkungen auf das Privatleben sind für viele spürbar. So sagten 78 Prozent, dass sie die Zeit, die sie ohne Arbeitsweg sparen, privat sinnvoll nutzen können. Zudem sind 61 Prozent der Auffassung, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben dank Homeoffice gesteigert sei. Dem entspricht auch, dass lediglich 20 Prozent der Ansicht sind, dass die Familie und Partnerschaft unter Homeoffice leide.

Aber auch das berufliche Leben profitiert vom Homeoffice: Dank dem wegfallenden Arbeitsweg konnten 68 Prozent die gesparte Zeit beruflich sinnvoll nutzen. 62 Prozent sind der Ansicht, dass sie zu Hause produktiver arbeiten können und 55 Prozent, dass sie kreativer in ihrer Arbeit sind.

Die einzig negative Aussage, die hier mehrheitlich geteilt wird, betrifft die informellen Kontakte im Team. 71 Prozent geben an, dass ihnen diese im Homeoffice fehlen.

Fast die Hälfte der befragten Einwohner*innen beklagt zu Hause zudem eine mangelhafte Arbeitsergonomie (49%), und 13 Prozent eine mangelhafte Technologie.

34 Prozent machen zu wenige Pausen und knapp ein Drittel hat Mühe, die Arbeitszeit zu Hause im Griff zu halten. 6 Prozent sind der Auffassung, dass sie im Homeoffice übertrieben kontrolliert und überwacht werden.

Die nötige Technologie und Wissen sind zentrale Pfeiler von Homeoffice. Dies zeigt sich auch hier: Für die Zukunft wünschen sich die befragten Einwohner*innen insbesondere, dass das Know-How über digitale Zusammenarbeit auf allen Ebenen verbessert wird (90%), sowie dass die technologische Infrastruktur für die digitale Zusammenarbeit ausgeweitet werden muss (86%).

Auch besteht bei vielen Einigkeit, dass Homeoffice im Unternehmen als Ergänzung zur Arbeit vor Ort zugelassen werden soll (89%). 84 Prozent der Befragten sind zudem der Ansicht, dass der Lockdown gezeigt hat, dass viele Geschäftsreisen unnötig seien. Wo sich Homeoffice während der Pandemie bewährt hat, soll es dauerhaft ausgeweitet werden (84%).

Das einzige Element, das keine mehrheitliche Zustimmung erfahren hat, besagt, dass die Ausweitung der Möglichkeiten, von unterwegs zu arbeiten, wichtiger, als die Ausweitung von Homeoffice sei. Dem stimmen lediglich 19 Prozent zu.

Zufriedenheit mit Homeoffice

Die Homeoffice-Situation vor dem Lockdown ist insgesamt für 56 Prozent der befragten Einwohner*innen zufriedenstellend. Dabei gibt es grosse Unterschiede zwischen jenen, die bereits im Homeoffice arbeiteten und jenen, die noch nicht im Homeoffice arbeiteten. So konnten sich letztere zu 62 Prozent kein Urteil bilden, da bei vielen die Erfahrungen mit Homeoffice noch fehlten. Jene, die bereits vorher mit Homeoffice in Berührung kamen, sind zu 71 Prozent zufrieden damit.

Die Zufriedenheit mit der Homeoffice-Situation während des Lockdowns ist insgesamt mit 80 Prozent sehr hoch. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob man bereits zuvor oder erst während des Lockdowns mit Homeoffice in Berührung gekommen ist. Bei ersterer Gruppe ist die Zufriedenheit mit Homeoffice höher als vor dem Lockdown.

Mithilfe einer multivariaten Regression wurde ermittelt, welche Faktoren einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit Homeoffice während dem Lockdown haben. Dafür wurden verschiedene Variablen in das statistische Modell miteinbezogen und mit der Zufriedenheit in Bezug gesetzt: aktuelle Homeoffice-Situation, Aussagen zum Unternehmen, der eigenen Person und Zukunftsansichten in Bezug auf Homeoffice.

Das Modell weist einen mittleren Erklärungsgrad von 52,2 Prozent auf. Dabei können gut Faktoren herausgelesen werden. Dennoch können auch andere, hier unbekannte Faktoren, eine Rolle bei der Zufriedenheit mit Homeoffice spielen.

Personen, die sagen, dass sie nach dem Lockdown weiterhin im Homeoffice arbeiten möchten, haben eine höhere Zufriedenheit mit Homeoffice während dem Lockdown. Umgekehrt sieht es bei jenen Personen aus, die bereits Homeoffice im Unternehmen kannten. Ein positiver Treiber auf die Zufriedenheit ist zudem das Nutzen von Zeit für private Angelegenheiten, die vom weggefallenen Arbeitsweg gespart wurde. Auch sind Personen, die ihren Kolleg*innen Homeoffice empfehlen, zufriedener. Personen, die eine mangelhafte Arbeitsergonomie aufweisen, finden, dass Homeoffice während dem Lockdown eine Sondersituation sei, die für die Arbeitsqualität schlecht ist und deren Familie und Partnerschaft unter Homeoffice leiden, sind hingegen unzufriedener.

Erste Leseweise

Zufriedenheit mit Homeoffice hoch — soziale Kontakte im Team beeinträchtigt

Über 80 Prozent der befragten Einwohner*innen sind mit der eigenen Homeoffice-Situation während dem Lockdown zufrieden und konnten der neuen Situation überwiegend Positives abgewinnen. So funktioniert Homeoffice für viele zufriedenstellend: 80 Prozent der Befragten äusserten, dass die Kommunikation im Team gut sei und die digitale Zusammenarbeit funktioniere. Viele möchten auch weiterhin im Homeoffice arbeiten, was einer der wichtigsten Treiber auf die Zufriedenheit ist. Dennoch gibt es auch negative Aspekte besonders was das Soziale im Team anbelangt. Es fehlen für viele die informellen Kontakte im Team und das Gefühl des Alleinseins ist bei vielen präsent. Um sowohl die sozialen Bedürfnisse als auch das Bedürfnis nach Homeoffice in Zukunft bedienen zu können, braucht es flexiblere Arbeitsmodelle, die einen (individuellen) Mix zwischen der Arbeit am Arbeitsplatz und jener zu Hause ermöglichen.

Unternehmen machen gute Figur — Weitere Schritte notwendig

In Augen der Einwohner*innen haben die Unternehmen eine gute Figur in Bezug auf Homeoffice gemacht. Über die Hälfte der Einwohner*innen gab an, dass ihr Unternehmen gut auf die Pandemie-Situation vorbereitet war, ihr Arbeitgeber mit Massnahmen das Homeoffice seit dem Lockdown stark verbessert habe und die Pandemie in ihrem Unternehmen den Durchbruch für Homeoffice bedeute. Dennoch hat sich das Bedürfnis herauskristallisiert, dass das Know-how über digitale Zusammenarbeit auf allen Ebenen verbessert sowie die technologische Infrastruktur für die digitale Zusammenarbeit ausgeweitet werden sollen. Hier gilt es auch für die Unternehmen, diese Bestrebungen aufzunehmen und weiterzuverfolgen. Auch bei der Kostenentschädigung für im Homeoffice Tätige gibt es noch Potenzial bei den Unternehmen; erst ein kleiner Teil übernimmt die vollen Kosten für das Homeoffice ihrer Arbeitnehmenden. Dies hat auch Einfluss auf die Gesundheit letzterer: Befragte Einwohner*innen bei denen keine Kosten vom Arbeitgeber übernommen werden, beklagen häufig mangelnde Arbeitsergonomie.

Work-Life-Balance profitiert von Homeoffice

Homeoffice wirkt sich positiv sowohl auf das Privat- als auch auf das Berufsleben aus und unterstützt damit die Work-Life-Balance. So sagten fast 80 Prozent, dass sie die Zeit, die sie ohne Arbeitsweg sparen, privat sinnvoll nutzen können. Viele sind zudem der Auffassung, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben dank Homeoffice gesteigert sei. Gleichzeitig leiden die Familie und Partnerschaft nur bei wenigen unter Homeoffice. Doch auch das berufliche Leben von einem Grossteil der Befragten profitiert von der Homeoffice-Situation: Dank dem wegfallenden Arbeitsweg konnten knapp 70 Prozent die gesparte Zeit beruflich sinnvoll nutzen. Viele äusserten zudem, dass sie zu Hause produktiver und kreativer arbeiten können.

Neue Erfahrungen mit Homeoffice

Mit dem Lockdown haben über 300’000 Personen erstmals weitgehend positive Erfahrungen gemacht. Die durchschnittliche Homeoffice-Zeit war etwa ausserdem dreimal höher als in der Regel üblich.

Methodische Details

Auftraggeber: syndicom

Grundgesamtheit: Einwohner*innen der Schweiz ab 18 Jahren Personen, die im März/April 2020 mindestens einen Tag im Homeoffice arbeiteten

Befragungsgebiet: ganze Schweiz

Datenerhebung: online, via Panel und Opt-In (Facebook)

Stichprobengrösse: Total Befragte N = 1126 (DCH: 760, FCH: 268, ICH: 98)

Fehlerbereich: ± 2.9 Prozentpunkte bei 50/50 (und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit)

Gewichtung: nach Alter, Geschlecht, Sprache, Erwerbsquote

Befragungszeitraum: 23. April bis 10. Mai 2020