Eidgenössische Volksabstimmung vom 13. Juni 2021

Informationen zu den Vorlagen und zum Abstimmungskampf

Studie im Auftrag der SRG SSR

Über folgende Vorlagen entscheidet das Stimmvolk am 13. Juni 2021:


  • Volksinitiative „Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz»
  • Volksinitiative „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“
  • Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz)
  • Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen
  • Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus

Trinkwasserinitiative und Initiative Pestizidverbot

Die beiden agrarpolitischen Initiativen haben teilweise eine ähnliche Stossrichtung, weshalb gewisse Teile gemeinsam vorgestellt werden.

Anliegen und Vorgeschichte Trinkwasser-Initiative

Schweizer Landwirtschaftsbetriebe werden vom Bund mit Direktzahlungen unterstützt. Diese erhalten sie nur, wenn sie bestimmte Umweltauflagen, beispielsweise bei der Tierhaltung oder der Biodiversität, einhalten. Die Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (Trinkwasserinitiative) will diese Auflagen verschärfen. Direktzahlungen sollen künftig nur noch unter bestimmten Voraussetzungen ausgerichtet werden. In der Tierhaltung dürfen Antibiotika weder vorbeugend noch regelmässig eingesetzt werden und Landwirtschaftsbetriebe sollen einen Tierbestand haben, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann. Insgesamt soll  pestizidfrei produziert werden.

Bereits 2015 wurde ein Initiativkomitee durch Franziska Herren gegründet. Der Verein „Sauberes Trinkwasser für alle“ hat mit der Unterstützung von Umwelt-und Tierschutzorganisationen im Februar 2018 mit 113’979 gültigen Unterschriften die Initiative erfolgreich eingereicht.

Anliegen und Vorgeschichte Initiative Pestizidverbot

Die Volksinitiative „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“ will synthetische Pestizide im Inland sowie den Import von Lebensmitteln, die mit solchen Pestiziden hergestellt worden sind, verbieten. Betroffen sind die Landwirtschaft, die Lebensmittelproduktion, die Verarbeitung von Lebensmitteln, die Pflege von öffentlichen und privaten Grünanlagen sowie der Unterhalt von Infrastrukturen wie Bahngleisen.

Bis das Verbot in spätestens 10 Jahren vollständig umgesetzt werden soll, dürfte der Bundesrat Ausnahmen bewilligen, so beispielsweise bei ausserordentlicher Versorgungsknappheit.

Mit Unterstützung von Pro Natura, Bio Suisse, der Kleinbauernvereinigung, Greenpeace sowie dem Fischereiverband ist die Volksinitiative im Juni 2018 mit 121’307 gültigen Unterschriften zustande gekommen.

In der Diskussion über die Trinkwasserinitiative und die Initiative für ein Pestizidverbot stellten Bundesrat und Parlament eine Gesetzesänderung im Rahmen der Agrarpolitik 22+ in Aussicht. Diese sollte Bäche, Flüsse, Seen und das Trinkwasser besser vor Pestiziden schützen. Betroffene Bereiche wären dieselben gewesen, die auch in die Pestizidinitiative vorgesehen sind. Nach langer Debatte wurde die neue Landwirtschaftspolitik schliesslich von beiden Räten sistiert. Somit steht den beiden Initiativen kein konkreter Gegenvorschlag gegenüber. Allerdings wurde in der Frühjahrssession ein neues Pestizidgesetz verabschiedet, das verlangt, dass die Risiken beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2027 um 50 Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus hat der Bundesrat Ende April einen Massnahmenplan für sauberes Wasser vorgestellt.

Politische Grosswetterlage

Die Debatte um die beiden Initiativen steht in Verbindung zu mehreren Entwicklungen, die in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen haben. Einerseits wird im Zuge der Klimakrise und –proteste stärker auf die Landwirtschaft, deren Produktionsweisen und Umweltauswirkungen geachtet. So stehen beispielsweise die ressourcenintensive Produktion von Fleisch oder der Einsatz von synthetischen Düngemitteln, Insektiziden und Herbiziden vermehrt in der Kritik. Andererseits achten immer mehr Menschen auf eine nachhaltige und gesunde Ernährung. Der Einsatz von Pestiziden wird in diesem Zusammenhang ebenfalls negativ betrachtet. Zuletzt wird, verstärkt durch die Corona-Pandemie, die globalisierte Landwirtschaft mit dem Import von nur schwer nachvollziehbaren Lieferketten skeptischer betrachtet.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Der Bundesrat beantragte dem Parlament, beide Initiativen ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Die beiden Vorlagen würden zwar wichtige Anliegen aufgreifen, diese könnten jedoch im Rahmen der bereits bestehenden agrarpolitischen Massnahmen umgesetzt werden.

Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat sich vorbehaltslos gegen beide Initiativen ausgesprochen. Vertreter:innen der Linken unterstützen die Trinkwasserinitiativen, die Pestizidinitiative war dieser Minderheit jedoch zu radikal. Nach langer Debatte über allfällige direkte oder indirekte Gegenvorschläge empfahl die grosse Kammer schliesslich beide Initiativen zur Ablehnung.

Den Vorlagen soll kein direkter oder indirekter Gegenentwurf gegenübergestellt werden. Den Anliegen sollte in der Agrarpolitik 22+ Rechnung getragen werden.

Auch der Ständerat lehnte sowohl die Trinkwasser- als auch die Pestizidinitiative ab.

Bisheriger Abstimmungskampf Trinkwasser-Initiative

Die Initiant:innen der Trinkwasserinitiativen bringen vier Hauptargumente für ihre Vorlage hervor. Zum einen fordern sie, dass Subventionen künftig in eine pestizidfreie Lebensmittelproduktion fliessen sollen und so keine Steuermilliarden für umweltschädliche Praktiken eingesetzt werden. Zum anderen würden die heute erlaubten Pestizide die Gesundheit der Schweizer:innen gefährden, da diese ins Trinkwasser gelangten. Des weiteren sei der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung problematisch, da diese in Form von Gülle oder Mist auf die Felder in schliesslich in unsere Nahrung gelangten und somit Antibiotikaresistenzen entwickelt werden könnten. Zuletzt habe die Schweiz durch den massiven Import von Futtermitteln einen überhöhten Tierbestand. Dieser würde zu Gülleüberschüssen und schliesslich zu krebserregendem Nitrat im Trinkwasser führen.

Die Gegner:innen weisen darauf hin, dass Bauernfamilien auf gewisse Mittel angewiesen sind, um ihre Tier- und Pflanzenbestände vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen. Zudem sei das Verbot des Zukaufs von Futtermitteln illusorisch. Die wenigsten Betriebe in der Schweiz würden über genügend Fläche verfügen, um selbst ausreichend Futtermittel anzupflanzen. Im Falle einer Annahme der Initiative müsste mit weitreichenden Konsequenzen gerechnet werden. Es würden weniger Lebensmittel im Inland produziert und somit mehr importiert werden. Die Umweltbilanz würde sich verschlechtern, da negative Umwelteffekte ins Ausland verlagert würden. Bei einheimischen Lebensmitteln müsste künftig mit höheren Preisen gerechnet werden und zuletzt würde die Initiative Arbeitsplätze in der gesamten Wertschöpfungskette der Landwirtschaft gefährden.

Bisheriger Abstimmungskampf Initiative Pestizidverbot

Für die Pestizidinitiative bringen die Initiant:innen Argumente zur Wirtschaft, zur Gesundheit und zur Umwelt hervor. Zum einen ermögliche eine pestizidfreie Ernährung, Geld zu sparen. Im Vergleich zu einem „durchschnittlichen“ Schweizer Warenkorb sei der pestizidfreie Einkauf günstiger. Zum anderen würde die Initiative die Wirtschaft weg von der Illusion bringen, dass sich die Schweiz in einer komfortablen Situation bezüglich Ernährungssicherheit befinde. Innovationen und Start-ups würden das künftige wirtschaftliche Überleben sichern, nicht Pestizide. Des weiteren betonen die Initiant:innen, wie auch die Befürworter:innen der Trinkwasserinitiative, dass Pestizide die Gesundheit gefährden. Zuletzt könne mit dem Verbot von Pestiziden dem bereits voranschreitenden Verlust an Biodiversität entgegengetreten werden.

Die Gegner:innen der Vorlage hingegen sind der Meinung, dass sich bei Annahme der Initiative Pestizidverbot die Kosten für Lebensmittel stark erhöhen würden, da nur noch teurerer Bioprodukte gekauft werden könnten. Zudem sei mit einer schlechteren Produktequalität und Haltbarkeit zu rechnen. Die Schweiz würde zu einem „politisch erwirkten Bioland“ mit enormen Konkurrenznachteilen werden. Die Pestizidinitiative sei marktfremd und würde grosse Nachteile für Konsument:innen bergen.

Das Umfeld der Abstimmung über die agrarpolitischen Vorlagen kann unterschiedlich auf die Meinungsbildung einwirken. Einerseits könnte den Befürworter:innen in diesem Abstimmungskampf die Sistierung der Agrarreform 22+ zu Gute kommen. Andererseits werden wohl steigende Preise und erhöhte Importe in einer von der Corona-Krise gebeutelten Wirtschaft und Gesellschaft nicht beliebt sein. Bedeutend in diesen Abstimmungskämpfen ist nicht zuletzt die zeitgleiche Abstimmung über die beiden Anliegen. Gewisse Umweltverbände setzen sich wie die Grünen klar für beide Initiativen ein. Unter der Führung des Schweizer Bauernverbandes hat sich auf der Gegenseite ein Komitee gegen beide Initiativen formiert und früh im öffentlichen Raum und auf Bauernhöfen beide Initiativen als radikal dargestellt. Andere Akteure beurteilen die Initiativen unterschiedlich. So haben die GLP-Delegierten bei der Trinkwasserinitiative die Ja-Parole- und bei der Pestizid-Initiative Stimmfreigabe beschlossen. Die Trinkwasser-Initiative erhält aus liberalen Kreisen einen gewissen Zuspruch. Der Verband Bio Suisse hat sich umgekehrt für die Initiative Pestizidverbot, aber gegen die Trinkwasserinitiative ausgesprochen, was medial viel Echo auslöste. Die Trinkwasserinitiative führe zu einem Anstieg von biologisch produzierenden Landwirtschaftsbetrieben. Der Konkurrenzdruck könne Biobauernbetriebe vor existenzielle Probleme stellen. Die Nein-Parole des Verbandes hat dem Abstimmungskampf eine Wendung gebracht. Die sonst breiter akzeptierte Trinkwasserinitiative hat aus dem Lager der Biobauern einen Dämpfer erhalten.

Relativ ungewöhnlich ist, dass in den letzten Wochen der Abstimmungskampf immer aggressiver und zunehmend emotional geführt wurde. Einige Befürworter:innen der beiden Agrarinitiativen zogen sich aufgrund der gegen sie ausgesprochenen Anfeindungen – bis hin zu Todesdrohungen.- von öffentlichen Auftritten bis zum Abstimmungsdatum zurück. So beispielsweise auch die Hauptinitiantin der Trinkwasser-Initiative Franziska Herren. Zudem kam es zu Vandalismus wie beispielsweise die gegenseitige Zerstörung von Abstimmungsplakaten. Nicht wenige Landwirt:innen fühlen sich in der Debatte über eine pestizidfreie Landwirtschaft persönlich angegriffen.

Typologie der Meinungsblidung

Beide Initiativen sind positiv prädisponiert. Ob sie jedoch letztlich erfolgreich sein werden oder nicht, hängt von der Deutlichkeit dieser positiven Prädisponierung und dem Verlauf des Abstimmungskampfes ab. Dabei könnten sich zu Beginn ähnliche Sympathien zeigen, aber die Dynamik der Meinungsbildung unterschiedlich sein.

Wie unter anderem die Fair-Food-Initiative zeigte, haben Initiativen mit linker Urheberschaft und starkem Alltagsbezug einen schweren Stand in der Schweiz. Als Ausnahme, welche die Regel bestätigt, wäre die Konzernverantwortungsinitiative zu nennen. Erhöhte Annahmechancen haben umweltpolitische Initiativen ausserdem, wenn sie neben links-grünen auch umwelt- und schöpfungsbewahrende Werte ansprechen und so auch konservative Kreise überzeugen. Dieser Charakter der argarpolitischen Anliegen war aufgrund der Debatten bisher weniger erkennbar.

Wahrscheinlich ist demnach für beide Vorlagen, dass der Normalfall der Meinungsbildung zu einer positiv prädisponierten Initiative eintritt und sich das Nein über den Kampagnenverlauf aufbaut, während der Ja-Anteil sinkt. Das ist dann besonders deutlich zu erwarten, wenn eine oder mehrere konkrete Schwächen diskutiert werden, die für viele Stimmenden nachvollziehbar sind.

Im Ausnahmefall steigt der Zustimmungsanteil über den Kampagnenverlauf oder er hält sich. Einen solchen Meinungsverlauf haben wir jüngst bei der Konzenverantwortungsinitiative beobachtet. Das entspricht dem Ausnahmefall der Meinungsbildung zu einer Initiative und ist nach unserer Auffassung dann der Fall, wenn sich mit der Initiativentscheidung eine Proteststimmung aufbaut. So ist es möglich, dass sich die Zusammensetzung der Teilnahmewilligen zugunsten der Initiative ändert oder ein kurzfristiger Meinungswandel im Sinne des Zeichensetzens entsteht. Die konkreten Folgen einer Annahme im Sinne der Schwächen rücken in diesem Ausnahmefall zuletzt in den Hintergrund.

Als grosse Hürde dürfte sich bei beiden Initiativen das Ständemehr erweisen, an dem schliesslich auch die Konzernverantwortungs-Initiative gescheitert ist.

Covid-19-Gesetz

Anliegen und Vorgeschichte

Um die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu mildern, hat der Bundesrat eine Reihe von Massnahmen und verschiedene Formen der Hilfe beschlossen. Weil das Epidemiengesetz nicht für alle Massnahmen die gesetzliche Grundlage bot, musste der Bundesrat sich auf Notrecht stützen, wie die Verfassung dies für solche Krisensituationen vorsieht. Solches Notrecht ist auf 6 Monate befristet. Um die Massnahmen gegen die Corona-Pandemie weiterführen zu können, haben Bundesrat und Parlament das Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) erarbeitet. Darin werden insbesondere Finanzhilfen wie die Kurzarbeitsentschädigung, die Entschädigung des Erwerbsausfalls, Härtefallhilfen sowie die Unterstützung von Sport und Kultur geregelt.

Gegen das Covid-19-Gesetz hat der Verein «Freunde der Verfassung» 90`789 gültige Unterschriften gesammelt und somit erfolgreich das Referendum ergriffen. Nach Meinung des Referendumskomitees ist das Gesetz überhastet und am Volk vorbei erarbeitet worden. Neben einigen positiven Elementen enthalte es Schädliches (z. B. Subventionen für Medien).

Würde das Gesetz abgelehnt, würde es am 25. September 2021 ausser Kraft treten. Ab diesem Datum gäbe es keine gesetzliche Grundlage mehr für die wirtschaftlichen Unterstützungsleistungen zur Bewältigung der Krise.

Politische Grosswetterlage

Corona ist in aller Munde. Politisch, medial und auch im Alltag ist das Virus omnipräsent. Während im Frühjahr 2020 die Massnahmen des Bundesrates weitestgehend auf breite Zustimmung und wenig öffentlich geäusserten Protest stiessen, hatte sich die Lage zunächst spätestens seit Herbst 2020 verschärft. Einerseits war in der Bevölkerung eine gewisse Corona-Müdigkeit bezüglich der Einhaltung der Massnahmen sowie der anhaltenden Schliessungen von Gastro-, Kultur- und Sportbetrieben zu beobachten. Andererseits traten vermehrt Gruppierungen auf, die sich allgemein skeptisch gegenüber der Covid-19-Pandemie und deren Folgen äusserten. Diese Unzufriedenheit und Skepsis hat wohl dazu geführt, dass das Referendumskomitee eine beachtliche Anzahl Unterschriften sammeln konnte, die wohl nicht nur aus Corona-skeptischen bis verschwörungstheoretischen Kreisen kamen. In den letzten Monaten ist es jedoch mit der anlaufenden Impfkampagne, den rückläufigen Fallzahlen und den damit einhergehenden Lockerungen im privaten und öffentlichen Beriech zu einer gewissen Entspannung gekommen.

Generell ist seit dem letzten Jahr ein deutlich erhöhtes Interesse an Politik feststellbar (siehe Sorgenbarometer). Covid 19 kann in diesem Zusammenhang als Politisierungsereignis bezeichnet werden. Die Grosswetterlage ist dabei wechselhaft. Das Vertrauen in den Bundesrat ist mit Beginn der zweiten Corona-Welle etwas unter Druck geraten, mit deren Bewältigung aber wieder angestiegen. Fundamentalkritisch waren die Haltungen dabei nie. Allerdings existiert eine schwer fassbare, zivilgesellschaftliche Opposition gegen die Corona-Massnahmen. Diese Opposition richtet sich nicht nur gegen die Vorlage sondern darüber hinaus gegen das „Corona-Regime“ des Bundesrates.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Das Parlament hat das Covid-19-Gesetz Gesetz im dringlichen Verfahren beschlossen und sofort in Kraft gesetzt. Parallel zur Entwicklung der Corona-Pandemie haben Bundesrat und Parlament laufend Anpassungen am Covid-19-Gesetz vom 25.September 2020 vorgenommen. Die letzten Änderungen an der zur Abstimmung kommenden Vorlage wurden in der Frühlingssession 2021 vorgenommen.

Die grosse Kammer wollte zunächst ein fixes Datum für Öffnungen festlegen. Der Vorschlag wurde von deren Wirtschaftskommission ausgearbeitet, scheiterte jedoch in der Abstimmung deutlich. Im Einklang mit dem Ständerat sprach sich der Nationalrat dafür aus, schnellstmögliche neue Öffnungsschritte vorzunehmen und Massnahmen so zurückhaltend und kurz wie möglich zu gestalten. Zudem sollen geimpfte Personen von allfälligen Quarantänemassnahmen ausgenommen werden. Des weiteren forderte der Nationalrat vom Bundesrat, ein Covid-19-Impf-und Testnachweis einzuführen sowie regionalen Entwicklungen besser Rechnung zu tragen. Verworfen hat die grosse Kammer den Vorschlag der Wirtschaftskommission, Mitgliedern der wissenschafltichen Covid-19-Task-Force ganz zu verbieten, öffentlich Stellung zu nehmen.

Im Anschluss beriet erneut der Ständerat die Vorlage. Er lehnte verschiedene Verschärfungen des Härtefallprogramms ab, so beispielsweise, dass nur Unternehmen, die vor Oktober 2020 gegründet wurden, berücksichtigt werden. Abgelehnt hat die kleine Kammer auch die Ausweitung des Erwerbsausfalls auf die Eventbranche und Selbstständige. Sportklubs hingegen sollten weiterhin vereinfacht unterstützt werden.

Das Beharren beider Kammern auf ihren Änderungsvorschlägen führte zu historisch langen Beratungen in beiden Räten. Die Grundsatzfrage blieb dabei, wie viel Geld der Bund für die von der Covid-19-Pandemie gebeutelte Wirtschaft ausgeben soll. Obwohl sich National-und Ständerat in einigen Punkten entgegenkamen, musste schliesslich eine Einigungskonferenz einen Kompromiss aushandeln.  So wurde beispielsweise das Härtefallprogramm auf 10 Milliarden Franken aufgestockt, grössere Unternehmen erhalten A-fonds-perdu-Beiträge von maximal 10 bis 15 Millionen Franken. Zusätzliche Unterstützungen sollen künftig auch Selbstständige und die Eventbranche erhalten. Die Kurzarbeitsentschädigungen werden bis Ende Juni 2021 verlängert und die familienergänzende Kinderbetreuung wird rückwirkend entschädigt. Die Forderung, dass der Bundesrat Einschränkungen zurückhaltend und nur für eine kurze Zeit beschliessen soll, hat sich ebenfalls durchgesetzt.

Untenstehend eine Übersicht zu den verschiedenen Abstimmungsempfehlungen. Mit Ausnahme der SVP, welche Stimmfreigabe beschloss, fällt der Parolenspiegel einhellig zugunsten der des Covid-19-Gesetzes aus. Eine Besonderheit stellt die gemischte ausserinstitutionelle Opposition dar. Solche lose, neuartige Akteurskonstellationen erwiesen sich in jüngster Vergangenheit punktuell als schlagkräftig (z.B. KVI).

Bisheriger Abstimmungskampf

Bisher erfährt das Covid-19-Gesetz eher geringe Aufmerksamkeit, die Vorkampagnen verlaufen ruhig. Dies lässt sich vielleicht auch auf die stärker präsenten Abstimmungskämpfe zu den anderen Vorlagen zurückführen. Die Pro-Seite hält sich zurück. Die Befürworter:innen betonen die Notwendigkeit des Gesetzesentwurfs, um die Hilfe für die von der Pandemie Betroffenen so lange wie nötig fortführen zu können und damit Arbeitsplätze zu erhalten und das Überleben von Schweizer Unternehmen zu sichern. Es sei im Epidemiengesetz verankert, dass Notstandsmassnahmen der Regierung innerhalb von sechs Monaten dem Parlament vorgelegt werden müssen. Dies auch beim Covid-19-Gesetz zu tun, sei also selbstverständlich und würde den Corona-Massnahmen zusätzliche demokratische Legitimität verleihen.

Häufiger geworden sind aber in den letzten Monaten und Wochen Demonstrationen von Corona-Skeptiker:innen (Liestal, Altdorf, Schaffhausen, Rapperswil, Lugano, Aarau, Neuenburg und weitere). Solche Veranstaltungen sind Elemente des Abstimmungskampfs, da sie einerseits für Medienaufmerksamkeit sorgen, andererseits Gegner:innen des Covid-19-Gesetztes Legitimation und Argumentationsstoff liefern. Durch das Verbot von gewissen Veranstaltungen sehen diese ihren Vorwurf der «Behördenwillkür» bestätigt. Die Emotionalität rund um das Thema ist hoch. Die Gegner:innen des Gesetzesentwurfs sehen die derzeitige Rolle der Regierung, namentlich des Bundesrates, im direktdemokratischen und föderalistischen System der Schweiz kritisch. Das Gesetz sei überhastet und am Volk vorbei erarbeitet worden. Neben einigen positiven Elementen enthalte es Schädliches (z. B. Subventionen für Medien). Ausserdem sei es überflüssig, da die meisten der neu beschlossenen Massnahmen umgesetzt werden könnten, ohne der Regierung zusätzliche Kompetenzen einzuräumen.

Die Entspannung der epidemiologischen Lage in den letzten Wochen wird wohl den Befürworter:innen des Covid-19-Gesetzes zugutekommen. Behörden können von der Gegenseite weniger als zuvor für ihre „willkürlichen“ Massnahmen kritisiert werden, da viele Restriktionen im Mai und Juni aufgehoben worden sind oder es noch aufgehoben werden. Die Gegner:innen werden wohl wieder in kleineren Kreisen mobilisieren können als dies bei der Lancierung des Referendum der Fall war. Damals konnten zahlreiche corona-müde, aber nicht unbedingt allgemein behördenskeptische Unterstützer:innen, gewonnen werden.

Typologie der Meinungsbildung

Die Vorlage ist positiv prädisponiert. Bereits die parlamentarische Beratung verwies jedoch auf Konfliktpotenzial und aufgrund der Referendumssituation und der grundlegenderen Kritik an den Corona-Massnahmen existiert eine formierte Gegnerschaft.

Bei Trends unterscheiden wir bei Behördenvorlagen grundsätzlich zwei Entwicklungen. Im ersten Szenario, dem Regelfall, findet im Abstimmungskampf ein Angleich der Stimmabsichten an die Behördenposition statt – das Ja legt zu. Das kann sich in einem
(einseitigen) Meinungsaufbau Richtung Ja oder aber in Form einer Polarisierung des Meinungsbildes niederschlagen (Ja und Nein legen zu).

Von einem abweichenden Szenario reden wir dann, wenn die Zustimmungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf abnimmt. In solchen Fällen handelt es sich entweder um eine Polarisierung zum Nein oder um einen Meinungsaufbau zum Nein.

CO2-Gesetz

Anliegen und Vorgeschichte

Mit dem Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen (CO2-Gesetz) knüpft die Schweiz an ihre bisherige Klimapolitik an. Um den Treibhausgassaustoss bis 2030 weiter zu senken, sind verschiedene verschärfende Massnahmen vorgesehen. Finanzielle Anreize, Investitionen und neue Technologien sollen ein klimafreundliches Verhalten fördern. So wird beispielsweise für Flüge künftig mehr bezahlt, Gebäude und Infrastrukturen werden saniert und die Elektromobilität wird gefördert.

Gegen die Totalrevision des CO2-Gesetzes hat eine „unheilige Allianz“ im Januar 2021 ein Referendum zu Stande gebracht. Der Zusammenschluss von Wirtschafts-und SVP-Kreisen gemeinsam mit der Westschweizer Sektion der Klimastreikbewegung hat 72’622 gültige Unterschriften eingereicht.

Politische Grosswetterlage

Die Klimakrise ist zu Beginn der Corona-Pandemie kurzzeitig in den Hintergrund gerückt. In den letzten Monaten hat das Thema, wohl auch durch eine gewisse Corona-Müdigkeit in der Bevölkerung, im öffentlichen Diskurs wieder an Bedeutung gewonnen. Erneut gingen in zahlreichen Städten in der Schweiz Streikende für eine klimafreundliche Zukunft auf die Strasse. Zudem wurde im Zuge der Corona-Krise darauf hingewiesen, dass auf globale Probleme schnell reagiert werden kann, wenn die Politik diese als drängend ansieht.

Die jüngsten Abstimmungen (Z.B. Jagdgesetz und KVI) und Wahlen (z.B. NE) verwiesen ebenfalls darauf, dass die grüne Welle von 2019 noch nicht abgeebt ist. Das Thema Ökologie hat weiterhin einen festen Platz in den Köpfen der Schweizer:innen.

Auch haben sich die Lebensstile der meisten seit Beginn der Pandemie grundlegend verändert. Weniger Reisen und weniger Konsum sind durch die auferlegten Einschränkungen normal geworden. Diese Umstände werden wohl relativ stark in die Beurteilung des CO2-Gesetztes und dessen Auflagen einfliessen.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Das CO2-Gesetz hatte der Nationalrat erstmals bereits in der Wintersession 2018 beraten, in der Gesamtabstimmung jedoch abgelehnt.

Die kleine Kammer beriet die Vorlage dann kurz vor den Parlamentswahlen, in der Herbstsession 2019. Der Ständerat folgte dem Vorschlag des Bundesrates, die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren und zwar zu mindestens 60 Prozent im Inland. Für Altbauten soll beispielsweise ein CO2-Grenzwert gelten, wenn die Heizung ersetzt werden muss. Kantone, die bereits über eine eigene, ebenso wirksame, Gesetzesgrundlage verfügen, müssen das nationale CO2-Gesetz nicht umsetzen. Zudem sollen Flugreisen künftig mit einer Abgabe zwischen 30 und 120 Franken verteuert werden. Die Einnahmen sollten zur Hälfte an die Bevölkerung zurück und zur Hälfte in einen neu zu schaffenden Klimafonds fliessen. Des Weiteren sollten eine verschärfte Kompensationspflicht für Importeure von Benzin-und Dieselfahrzeugen und strengere Vorgaben für die Neuwagenflotte gelten sowie eine Erhöhung der CO2-Abgabe auf Brennstoffe vorgenommen werden.

Nach der „grünen Welle“ bei den Parlamentswahlen 2019, beriet der Nationalrat im Juni 2020 erneut über das Gesetz. Die Forderung der SVP, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen, scheiterte. Die grosse Kammer folgte nun in den meisten Punkten Bundes-und Ständerat. Weiter ging der Nationalrat in der Frage der Kompensationen im Inland. Nicht 60 sondern 75 Prozent der Treibhausgasemissionen sollten im Inland kompensiert werden.

Der Ständerat schloss sich in der Herbstsession 2020 dieser Forderung an. Uneinig blieben sich die beiden Räte bei der Höhe der CO2-Abgabe für Privatflugzeuge sowie der Bussen bei Hinterziehung der CO2-Abgabe. Das Gesetz wurde schliesslich nach einer Einigungskonferenz von beiden Räten angenommen.

Untenstehend der Parolenspeigel zum CO2-Gesetz. Es zeichnet sich eine breite Mehrheit dafür ab, einzig die SVP ist dagegen. Ein wichtiger Faktor dürfte zudem die Unterstützung des Gesetzes durch grosse Wirtschaftsverbände sein.

Bisheriger Abstimmungskampf

Die Vorkampagnen zum CO2-Gesetz starteten früh und entsprechend hoch ist auch die Aufmerksamkeit für die Vorlage. Medial und werberisch sind  beide Seiten erkennbar und präsent.

Die Befürworter:innen streichen vier Hauptargumente hervor. Zum einen würde die Schweiz mit dem revidierten CO2-Gesetz mit den meisten Ländern gleichziehen, die seit dem Pariser Klimaabkommen verstärkte Klimazielen beschlossen haben. Zum anderen sei die Vorlage fair und solidarisch. Vom Rückverteilungsmechanismus würden vor allem sozial und wirtschaftlich Schwächere profitieren; 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung würde mindestens gleich viel zurückbekommen wie sie mehr ausgibt. Zudem würde die strengere Klimagesetzgebung zu weniger umweltverschmutzenden Anlagen wie Verbrennungsmotoren und Ölheizungen führen und so zu einer besseren Gesundheit der Schweizer:innen. Zuletzt würden mit dem revidierten CO2-Gesetz alle Sektoren (Gebäude, Industrie, Mobilität, Finanzplatz) gemeinsam handeln, was schlussendlich zu mehr und besserem Umweltschutz führe.

Die Gegner:innen kommen aus Teilen der Klimastreikbewegung sowie aus Teilen des bürgerlichen Lagers. Für die Ablehnung des revidierten Gesetzes argumentieren sie aus verschiedenen Gründen. Vertreter:innen der Klimastreiks argumentieren, dass die im Gesetz beschlossenen Massnahmen nicht ausreichten, um das 1.5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Sie fordern netto null Emissionen bis 2030, nicht bis 2050. Weiter kritisieren sie, dass der ihrer Meinung nach grösste Schweizer Klimasünder, der Finanzplatz, vom Gesetz praktisch ausgenommen sei. Bürgerliche Kritiker:innen bezeichnen die Vorlage als teuer, ungerecht und nutzlos. Für die unteren Einkommensschichten und den Mittelstand, für Kleinbetriebe und für Selbstständige seien die vielen Abgaben zu hoch. Dies sei gegenüber Personen und Betrieben mit mehr zur Verfügung stehenden Mitteln ungerecht. Schlussendlich würden diese Abgaben  nicht einmal einen spürbaren Einfluss auf das Klima haben. Die Schweiz sei mit ihrer aktuellen Klimapolitik bereits vorbildlich.

Interessant in diesem Abstimmungskampf ist die dreifache Spaltung der Klimastreikbewegung, die sich in den letzten Wochen akzentuiert hat. Während die Westschweizer Sektionen aus Waadt, Genf, Wallis und Jura weiterhin an ihrer Opposition festhalten, haben sich verschiedene Regionalgruppen aus der Deutschschweiz und dem Tessin öffentlich für das CO2-Gesetz ausgesprochen. Der Klimastreik Zürich reiht sich weder bei den Befürworter:innen noch Gegner:innen ein. Gemeinsam ist allen drei Lagern, dass sie die Mängel der Vorlage betonen. Für die Westschweizer:innen sind diese der Grund für den gegnerischen Einsatz, für die Deutschschweizer:innen und Tessiner:innen hingegen gilt es, ein Zeichen für das Klima, trotz der mangelhaften Ausarbeitung, zu setzen. Die Zurückhaltung des Zürcher Kollektivs gründet  wohl genau in der Schwierigkeit, zwischen diesen beiden Positionen zu entscheiden. Spannend wird sein, inwiefern sich die Positionen der Klimastreik-Bewegung in den jeweiligen Regionen auf die Mobilisierung und den Stimmentscheid der jüngeren Stimmberechtigten auswirken wird.

Typologie der Meinungsbildung

Die Vorlage ist positiv prädisponiert. Aufgrund der Referendumssituation und der Klimastreik-Bewegung existiert jedoch bereits eine formierte Gegnerschaft.

Bei Trends unterscheiden wir bei Behördenvorlagen grundsätzlich zwei Entwicklungen. Im ersten Szenario, dem Regelfall, findet im Abstimmungskampf ein Angleich der Stimmabsichten an die Behördenposition statt – das Ja legt zu. Das kann sich in einem
(einseitigen) Meinungsaufbau Richtung Ja oder aber in Form einer Polarisierung des Meinungsbildes niederschlagen (Ja und Nein legen zu).

Von einem abweichenden Szenario reden wir dann, wenn die Zustimmungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf abnimmt. In solchen Fällen handelt es sich entweder um eine Polarisierung zum Nein oder um einen Meinungsaufbau zum Nein.

Anti-Terrorgesetz

Anliegen und Vorgeschichte

Bisher konnte die Polizei erst einschreiten, wenn eine Person bereits eine Straftat begangen hatte.  Das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) ermöglicht nun, dass Behörden gegen Personen vorgehen können, von denen sie vermuten, dass eine terroristische Gefahr ausgeht. Als Gefährder:innen gelten Personen, bei denen aufgrund konkreter oder aktueller Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass sie eine terroristische Aktivität ausführen werden. Präventive Massnahmen sind beispielsweise eine Meldepflicht oder ein Kontakt- und Rayonverbot sowie im äussersten Fall die Verordnung von Hausarrest.

Mit 76’926 Stimmen haben Jungparteien, die Piratenpartei sowie der Chaos Computer Club mit Unterstützung der SP und der Grünen erfolgreich das Referendum gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) ergriffen.

Politische Grosswetterlage

Die Schweiz ist umgeben von Ländern, die in den letzten Jahren von zahlreichen Terrorakten betroffen waren und ihre Gesetze verschärft haben, um Terrorismus besser bekämpfen zu können. Zuletzt hat der Anschlag in Wien im Dezember 2020 gezeigt, dass enge Kontakte zwischen den Zellen von potenziellen terroristischen Täter:innen in Europa bestehen. Diese Verbindungen gehen auch bis in die Schweiz. Einerseits besteht durch die Gewaltakte ein stärkeres Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung. Andererseits wird kritisiert, dass beispielsweise gewisse Gruppen wie Muslim:innen pauschal in Verdacht stehen, in Verbindung mit terroristischen Aktivitäten zu stehen. Zudem ist die Skepsis gegenüber weiter ausgebauten Überwachungs- und Ermittlungskompetenzen des Staates eher gestiegen. Bedenken bezüglich des Schutzes der Privatsphäre spielen hier, wie in anderen Abstimmungen sicherlich auch eine Rolle. Die Annahme des Verhüllungsverbotes in der Abstimmung vom März 2021 lag stark in Sicherheitsbedürfnissen begründet. Das zeigt gut auf,  welchen Stellenwert die Ängste vor Terrorismus in der Schweiz nach wie vor haben.

Parlamentarische Beratung und Parolenspiegel

Der Ständerat hatte bereits 2018 sowie im Frühjahr 2019 über Massnahmen gegen den Terrorismus beraten. Dabei ging es um die zwei Vorschläge des Bundesrates zur Vereinfachung der Verfolgung terroristischer Straftaten und zum Ergreifen präventiver Massnahmen. Gegenüber dem Bundesratsvorschlag sprach sich der Ständerat insbesondere für eine Verschärfung der Strafhöhe sowie für eine Rechtsgrundlage für grenzüberschreitende Ermittlungsgruppen aus. Ebenfalls diskutiert wurden präventiven Massnahmen sowie die Verordnung von Hausarrest.

Im Anschluss beriet der Nationalrat im Juni 2020 die Terrorismus-Strafnorm. Während für die bürgerliche Mehrheit das Sicherheitsbedürfnis überwog, warnten SP, Grüne und Grünliberale vor Rechtsunsicherheit und der Gefährdung der Grundrechte. Der Rückweisungsantrag der Linken sowie zahlreiche Änderungsanträge scheiterten. Erfolg jedoch hatte eine Ausnahme für humanitäre Organisationen, die von der Strafbarkeit für die Unterstützung von terroristischen Organisationen ausgenommen werden sollen. Ein verschärfender Antrag der vorberatenden Nationalratskommission zusätzlich eine Präventivhaft im Gesetzestext zu verankern, scheiterte. Ein Gutachten von Bund und Kantonen stellte hier einen Konflikt mit der EMRK fest. Beim Ausschluss humanitärer Organisationen wie dem IKRK folgte der Nationalrat dem Ständerat.

Der Ständerat beriet die Vorlage im September 2020 erneut. Nach der Bereinigung letzter Differenzen in der Einigungskonferenz, ging die Vorlage in die Schlussabstimmung.

Nachfolgend der Parolenspiegel zum Terrorismus-Gesetz. Links-Grün stellt sich gegen das Gesetz, alle anderen Parteien dafür. Die Schlussabstimmungen in National- und Ständerat fielen vergleichsweise knapp aus.

Bisheriger Abstimmungskampf

Das Terrorismus-Gesetz ist mit Sicherheit nicht die Lead-Vorlage der Abstimmung vom Juni 2021. Die bisherige Sichtbarkeit und Diskussion der Vorlage ist eher verhalten, hat jedoch in protest-affinen Kreisen wie dem Klima-oder Frauenstreikkollektiv an Bedeutung gewonnen.

Die Befürworter:innen betonen, dass die derzeit einsetzbaren Massnahmen und Instrumente nicht ausreichen würden, um mit Gefährder:innen umzugehen. Die Gesetzesvorlage würde Lücken in der aktuellen Anti-Terror-Strategie schliessen. Die Polizei könne so bei konkreten und aktuellen Hinweisen auf Gefährdung Massnahmen ergreifen und so einen besseren Schutz der Öffentlichkeit gewährleisten. Zudem würde individuell auf die Situation eingegangen und erst bei Nicht-Funktionieren von schwächeren Massnahmen (wie einer psychologischen Beratung) zu strengeren Massnahmen übergegangen. Diese stünden zudem in keinem Konflikt mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Unter anderem diesen Punkt kritisieren die Gegner:innen. Die Massnahmen der Vorlage würden der EMRK sowie auch der Konvention über die Rechte der Kinder widersprechen. Sie seien willkürlich und missbräuchlich. Zudem würde die Gewaltenteilung verletzt, da die meisten Massnahmen von der Bundespolizei ohne gerichtliche Überprüfungsinstanz angeordnet werden können. Schlussendlich erlaube das Gesetz eine willkürliche Freiheitsberaubung, die lediglich aufgrund von Verdacht geschehe. Diese Dimension hat in der Argumentation der Gegner:innen in den letzten Wochen besonders an Bedeutung gewonnen. Die Debatte dreht sich immer stärker um die Definition eines Gefährders oder einer Gefährderin. Die Gegner:innen befürchten, dass unter diesen Begriff aufgrund der unklaren Definition  fast jede Person fallen könnte. Gerade in Kreisen, die auf Social Media oder an Protesten ihre kritische Meinung kundtun, dürfte diese Argumentation verfangen.

 

Typologie der Meinungsbildung

Das Terrorismus-Gesetz ist schwach positiv prädisponiert. Aufgrund der Referendumssituation existiert eine formierte Gegnerschaft, die Schützenhilfe von abstimmungserprobten zivilgesellschaftlichen Akteuren erhält (z.B. Operation Libero oder Amnesty International).

Bei Trends unterscheiden wir bei Behördenvorlagen grundsätzlich zwei Entwicklungen. Im ersten Szenario, dem Regelfall, findet im Abstimmungskampf ein Angleich der Stimmabsichten an die Behördenposition statt – das Ja legt zu. Das kann sich in einem (einseitigen) Meinungsaufbau Richtung Ja oder aber in Form einer Polarisierung des Meinungsbildes niederschlagen (Ja und Nein legen zu).

Von einem abweichenden Szenario reden wir dann, wenn die Zustimmungsbereitschaft mit dem Abstimmungskampf abnimmt. In solchen Fällen handelt es sich entweder um eine Polarisierung zum Nein oder um einen Meinungsaufbau zum Nein.