im Auftrag von swiss-food.ch
Im Auftrag von swiss-food.ch hat gfs.bern das Stimmungsbild zum Gentech-Moratorium sowie den unterschiedlichen Meinungen zur Genom-Editierung im Besonderen in der Schweizer Stimmbevölkerung untersucht.
In der Studie wurden rund 1’000 Stimmberechtigte der Schweiz über das hauseigene Polittrends-Panel befragt. Die Befragung ist repräsentativ für die Schweizer Stimmbevölkerung. Im Cockpit werden auf die zentralen Erkenntnisse fokussiert, ein Schlussbericht ergänzt das Cockpit. Im Fokus steht die allgemeine Stimmung in der Schweiz zum Gentech-Moratorium sowie modernen Technologien und der Meinung zu verschiedenen Argumenten, die für den Einsatz solcher Technologien, insbesondere die Genom-Editierung, sprechen.
Zufriedenheit Landwirtschaft
Grundsätzlich ist die Schweizer Stimmbevölkerung (sehr) zufrieden mit der Schweizer Landwirtschaft (78%). Rund jeder Fünfte ist sehr zufrieden und mehr als die Hälfte sind eher zufrieden. Lediglich 21 Prozent sind mit der Schweizer Landwirtschaft ganz generell (sehr resp. eher) unzufrieden.
Die Schweizer Landwirtschaft hat also einen guten Stand in der Schweiz.
Aufgeschlossenheit der landwirtschaft gegenüber modernen Technologien
Wenn sich die Stimmbevölkerung in die Schweizer Landwirtschaft hineinversetzt, dann gehen sie auch davon aus, dass die Schweizer Landwirtschaft mehrheitlich aufgeschlossen gegenüber moderner Technologien ist (67%). Die Hälfte der Stimmbevölkerung nimmt an, dass sie eher aufgeschlossen ist, 17%, dass sie sehr aufgeschlossen ist. Rund jede:r Vierte findet aber, dass die Schweizer Landwirtschaft (sehr resp. eher) verschlossen gegenüber moderner Technologien ist.
Mit anderen Worten, zwei Drittel der Schweizer Stimmbevölkerung findet, dass die Schweizer Landwirtschaft aufgeschlossen gegenüber moderner Technologien ist.
Verlängerung Gentechnik-Moratorium
Seit 2005 ist es in der Schweiz befristet verboten, gentechnisch veränderte Organismen in der Landwirtschaft zu nutzen. Eine Mehrheit findet auch, dass das Moratorium verlängert werden sollte.
79 Prozent der Stimmbevölkerung wären grundsätzlich damit einverstanden, wenn das Gentechnik-Moratorium zum vierten Mal verlängert werden würde (bis Ende 2025). Knapp jede:r Fünfte findet hingegen, dass das Moratorium nicht verlängert werden sollte.
Den Befragten wurden verschiedene moderne Technologien, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden (könnten) mit ihrem Nutzen präsentiert. Sie konnten dann angeben, wie stark Sie mit der Anwendung dieser Technologien in der Schweizer landwirtschaft einverstanden sind.
Zwei Typen von Technologien stehen besonders gut da:
Nur zwei Technologien erhalten keine mehrheitliche Zustimmung: Gentechnisch veränderte Pflanzen unterstützen 24 Prozent, während 73 Prozent solche Pflanzen ablehnen. Kaum fortgeschritten ist der Stand der Meinungsbildung bei der Genom-Editierung. Sie erhält spontan 22 Prozent Zustimmung, während 33 Prozent sie ablehnen. 45 Prozent antworten jedoch mit „weiss nicht“, was ein ausserordentlich hoher Wert ist. Offensichtlich besteht eine grosse Wissenslücke bezüglich Genom-editierter Pflanzenzucht.
Nützlichkeit der Genom-Editierung
Nach einer kurzen Erläuterung wurde gefragt, wie nützlich sie spontan die Genom-Editierung einschätzen. Insgesamt empfinden sie knapp zwei Drittel nützlich, 17 Prozent hingegen nicht nützlich. 18 Prozent können die Genom-Editierung derzeit nicht beurteilen.
Einstellung zum Moratorium der Genom-Editierung
Ob die Genom-Editierung verboten werden soll, ist in der Schweizer Stimmbevölkerung umstritten. Während 45 Prozent gegen ein Verbot sind, sind 39 Prozent dafür. 16 Prozent enthalten sich ihrer Stimme.
Einstellung zum Moratorium der Genom-Editierung nach Argumenten
Nachdem den Befragten einige Vorteile und Argumente für den Einsatz der Genom-Editierung in der Schweizer Landwirtschaft gezeigt wurde, wurden sie erneut befragt, ob sie für oder gegen ein Verbot sind. Dabei gab es einige Veränderungen: Neu sind 48 Prozent gegen ein Verbot (+3 Prozentpunkte) und 44 Prozent sind für das Verbot (+5 Prozentpunkte). Nur noch 8 Prozent kennen die Technologie (immer noch) zu wenig, um eine Meinung dazu zu haben (-8 Prozentpunkte).
Nützliche Anwendungen Genom-Editierung
Die stärkste Zustimmung erhalten Anwendungen der Genom-Editierung, wenn sie für die Resistenz von Pflanzen sind respektive gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Pestiziden.
Zwar mehrheitliche, aber weniger starke Zustimmung erhalten Aussagen, die den Einsatz gutheissen, wenn sie Food Waste verringern (57%), wenn KMU-Züchter davon profitieren (57%, jedoch viele „weiss nicht“, nämlich 21%) und wenn damit Weizen mit weniger Gluten, der verträglicher für Menschen mit Allergien ist, gezüchtet werden kann (52%).
Nur ein Argument erhält keine mehrheitliche Zustimmung, sondern Ablehnung: 29 Prozent finden den Einsatz der Genom-Editierung nützlich, wenn sie zu koffeinfreiem Kaffee mit tollem Geschmack eingesetzt wird — 61 Prozent sind davon nicht überzeugt.
Argumente für den Einsatz der Genom-Editierung
Die meisten Argumente für den Einsatz der Genom-Editierung erhalten (grosse) mehrheitliche Zustimmung.
Am meisten Zustimmung erhält ein Argumentsstrang: Ein generelles Verbot ist schlechter als eine Produkt- oder Einsatz-orientierte Beurteilung: Ein generelles Verbot ist zu vermeiden (72%) und ihr Einsatz muss auch im internationalen Vergleich betrachtet werden (63%). Wenn mit dem Einsatz von Genom-editierten Pflanzen der Einsatz von Pestiziden verringert werden kann, dann erhält die Genom-Editierung auch viel Zustimmung (64%).
Zudem herrscht aber auch Unsicherheit und Vorsicht: Zum einen erwähnt die Stimmbevölkerung mehrheitlich, dass wegen des Verbots Vor- und Nachteile für Schweizer Konsument:innen schwer abzuschätzen sind (62%) und zum anderen könne auch nochmals vier Jahre gewartet werden, um die Chancen und Risiken später zu beurteilen (61%).
Am meisten Gegenwind erhalten zwei auf Grundsätze ausgelegte Argumente: Vergleichsweise geringe 50 Prozent stimmen der Aussage zu (vs. 33% Ablehnung), dass Moratorien nichts bringen respektive die Forschung verhindern. Die ablehnende Haltung, dass menschliche Eingriffe in das Erbgut von Pflanzen grundsätzlich zu verhindern seien, ist nur minderheitlich unter Stimmberechtigten geteilt (42% Zustimmung vs. 51% Ablehnung).
Für die Identifikation der überzeugendsten Argumente greifen wir auf ein Regressionsmodell zurück: Alle Argumente werden auf den Einfluss zur Haltung zum Verbot der Genom-Editierung geprüft. Dabei erweist sich die minderheitliche Grundeinstellung zu einem grundsätzlichen Verbot klar als das einflussreichste Argument für das Verbot. Die breite Ablehnung zu einem Verbot ist ebenfalls am ehesten durch die nicht breit vorhandene grundsätzliche Skepsis gegenüber Moratorien erklärbar, weil sie die Forschung behindern. Dass ein Moratorium erlaubt, zu einem späteren Zeitpunkt Risiken und Nutzen neu einzuschätzen, erklärt die verbleibende hohe Zustimmung.
Dahinter folgen drei die Technologie unterstützende Argumenten, die allesamt inhaltlich eine Debatte in Zukunft noch stärker prägen können:
Auch drei potenzielle Nutzen der Genom-Editierung erklären die verbreitet kritischen und damit insgesamt ambivalenten Haltungen gegenüber der Genom-Editierung:
Die Schweizer Landwirtschaft steht bei der Schweizer Stimmbevölkerung gut da. Sie sind mit der Produktequalität und mit der Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zufrieden. Ausserdem betrachten sie die Schweizer Landwirtschaft als aufgeschlossen gegenüber modernen Technologien. Insgesamt kann die Schweizer Landwirtschaft mit Unterstützung aus der Bevölkerung für ihre Anliegen rechnen und dementsprechend agieren.
Eine deutliche Mehrheit unterstützt die Verlängerung des Gentechnik-Moratoriums. Kritischer und polarisierter sind die Meinungen zur Inklusion der Genom-Editierung in das Moratorium: Etwas mehr Befragte sind gegen den Einbezug in das Moratorium, wobei die Meinungsbildung sehr wenig fortgeschritten ist. Auch wenn der Nutzen klarer wird, bleiben Unsicherheiten.
Am meisten Zustimmung erhalten Anwendungen, die darauf fokussieren, dass mit Genom-editierten Pflanzen weniger Pflanzenschutzmittel oder Pestizide eingesetzt werden müssen respektive wenn dadurch einheimisches Gemüse und regionale Früchte besser geschützt werden können. Während diese Awendungen klar überzeugen, erreicht der Anwendungsbereich auf koffeeinfreien Kaffee eine mehrheitliche Ablehnung. Vermutlich spielt der Fokus auf die Regionalität eine zentrale Rolle bei dieser Argumentationslinie.
Obwohl die Genom-Editierung bei der Stimmbevölkerung in einer Erstbeurteilung Vorsicht hervorruft, sind sie sich doch mehrheitlich einig, dass ein generelles Verbot nicht sinnvoll sei und Einsatz-basierte Verbote oder Erlaubnisse sinnvoller seien. Hierfür sollen auch internationale Erfahrungen genutzt werden und eine Zulassung möglich sein soll, wenn sich eine genomeditierte Pflanze nachweislich nicht von einer herkömmlich gezüchteten Pflanze unterscheidet. Dennoch findet auch eine Mehrheit das weiterhin zugewartet werden könne, bis der Wissensstand besser sei.
Beim geringen Stand der Meinungsbildung sind grundsätzliche Argumente für und gegen die Genom-Editierung am ehesten wirksam: Für den Einbezug der Genom-Editierung in das Moratorium spricht die Einstellung gegen Eingriffe in das Erbgut und ergänzend die aufschiebende Wirkung eines Moratoriums. Gegen den Einbezug in das Moratorium allerdings spricht zunächst die Bremswirkung auf die Forschung eines Moratoriums. Dahinter erscheinen aber zwei inhaltliche Argumente für die Technologie als wertvoll und bereits wirksam für die Debatte aus Sicht der Technologie-Befürwortenden: Das Potenzial der Technologie zur raschen Anpassung von Pflanzen an den Klimawandel sowie die Beurteilung der Risiken der Genom-Editierung im Einzelfall statt mit einem Verbot.
Technischer Kurzbericht
Auftraggeber: swiss-food.ch
Grundgesamtheit: Stimmberechtigte mit Wohnsitz in der Schweiz ab 18 Jahren
Datenerhebung: Online-Panel (polittrends.ch)
Befragungszeitraum: 23. – 30. Juli 2021
Stichprobengrösse: 1’010
Stichprobenfehler: ± 3.2 Prozentpunkte bei einem Wert von 50% (und 95%iger Wahrscheinlichkeit)
Quotenmerkmale: Geschlecht/Alter/Sprache interlocked
Gewichtung: Alter, Geschlecht, Sprache und Abstimmungsergebnis Pestizidverbot