eHealth-Barometer 2022: Bevölkerung findet das EPD eine gute Sache

Doch es gibt Sorgen beim Datenschutz

Swiss eHealth Forum

Seit 2009 wird im Rahmen des Swiss eHealth Forums das eHealth Barometer erhoben und erstellt. Befragt werden sowohl Gesundheitsfachpersonen/Akteure des Gesundheitswesens als auch die Wohnbevölkerung. Dabei wird dem aktuellen Stand und der Entwicklung von eHealth in der Schweiz auf den Grund gegangen. Der vorliegende Bericht zeigt die Resultate der Wohnbevölkerung.

Mit der Verabschiedung des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG) im Juni 2015 hat das Parlament einen legislativen Meilenstein in der Implementierung von eHealth in der Schweiz gesetzt. Seit April 2020 müssen Akutspitäler, Reha-Kliniken und stationäre Psychiatrien als erste Einrichtungen an eine Stammgemeinschaft angeschlossen sein. Im Februar 2020 teilte der Programmausschuss „Einführung EPD“ jedoch mit, dass sich die Einführung verzögern wird. In Aarau nahm im Mai 2021 schliesslich die erste Eröffnungsstelle für das Elektronische Patientendossier ihren Betrieb auf. Zahlreiche weitere Stammgemeinschaften kamen im Verlauf von 2021 dazu.

Derweil möchte der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Kantonen Massnahmen zur Förderung der Verbreitung und Nutzung des EPD umsetzen. Die Studie orientiert sich an der „Strategie eHealth Schweiz“ und an Grundlagenabklärungen der Europäischen Kommission zum Monitoring von eHealth. Das Swiss eHealth Barometer wird von den folgenden Partnern mitgetragen:

Hauptpartner: Bundesamt für Gesundheit (BAG)

Co-Studienpartner: CURAVIVA Schweiz, eHealth Suisse, Spitex Verband Schweiz, Ärztekasse, Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen, Interessensgemeinschaft eHealth, Gesundheitsförderung Schweiz, Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH)

Weitere Details zur Befragungsmethode finden sich in der Infobox am Ende des Cockpits.

Elektronisches Patientendossier

Die Idee des elektronischen Patientendossiers (EPD) kommt bei der Mehrheit der Bevölkerung gut an: drei Viertel finden es eine sehr/eher gute Sache. Dieser Ansicht sind vor allem Personen, die in der grossen Agglomeration oder in der Stadt leben und in den letzten zwölf Monaten in medizinischer Behandlung waren. Ob man in einem der Vorreiter-Kantone lebt, hat hingegen keinen signifikanten Einfluss auf die Antwort dieser Frage.

Die deutliche Mehrheit wäre auch bereit, unterschiedlichen Gesundheitsfachpersonen Einsicht in die eigenen Daten zu gewährleisten. Sogar mit der Einsicht in alle oder Teile der Daten für Forschungszwecke wären 58 Prozent sehr/eher einverstanden.

Konkret geben 7 Prozent von denen, die das EPD kennen, an, dass sie es bereits nutzen. Dieser Anteil weicht etwas von den realen Zahlen ab, womöglich weil einige das EPD mit anderen Angeboten, beispielsweise von der Krankenkasse oder der Hausärzteschaft, verwechseln.

Gemeinsam mit dem Anteil, der sich die Nutzung vorstellen kann (71%), ist die deutliche Mehrheit der Bevölkerung, die das EPD bereits kennt, ihm gegenüber positiv gestimmt. Der Anteil, der sich die Nutzung nicht vorstellen kann, ist signifikant datenschutzkritischer und findet das EPD überhaupt eine sehr/eher schlechte Sache.

Der heutige EPD-Nutzende ist männlich, 18 bis 64 Jahre alt und besitzt eine sekundäre respektive tertiäre Ausbildung.

Von den 37 Personen, die gemäss der Befragung das EPD per Januar 2022 bereits nutzten, stimmen alle oder die meisten voll/eher den Aussagen zu, dass mit dem EPD „wichtige Informationen im Notfall verfügbar sind“ (100%), man „jederzeit gut über Behandlungsinformationen Bescheid weiss“ (96%) und „unnötige Behandlungen eingespart werden können“ (89%). Das Argument der Qualitätssteigerung erhält die Zustimmung von 72 Prozent der EPD-Nutzenden. Eine Mehrheit stimmt ebenfalls den Aussagen zu, dass „Gesundheitsfachpersonen Informationen auch ohne EPD einfach austauschen können“

(75%) und „die elektronische Eingabe meiner Behandlungsdaten während der Konsultation den Kontakt beeinträchtigen“ (64%). Dass vertrauliche Informationen im EPD leicht in falsche Hände geraten können, ist für die EPD-Nutzenden das mit Abstand schwächste Argument (26%). Die EPD-Nutzenden, die dem sehr/eher zustimmen, sind alle über 40-jährig. Über alle Einwohnerinnen und Einwohner hinweg betrachtet, die das EPD kennen, nimmt die Zustimmung dieses Arguments sogar zu (51%, +6 Prozentpunkte (ppt)).

Die Bereitschaft, ein Dossier zu eröffnen ist bei über der Hälfte der Bevölkerung vorhanden (55%, „ja, würde ein EPD eröffnen und verwenden“, -6 ppt gegenüber letzter Welle). Doch es gibt auch fast einen Drittel (32%, +5 ppt), der kein EPD eröffnen würde. Dabei gibt es einen signifikant grösseren Teil aus der französischsprachigen Schweiz (43%), der kein EPD eröffnen würde, verglichen mit der deutschsprachigen Schweiz (29%).

Auch sagen signifikant mehr über 65-Jährige (42%), sie würden kein EPD eröffnen, verglichen mit den 40- bis 64-Jährigen (32%) und den 18- bis 39-Jährigen (27%).

Immerhin würde ein Fünftel derjenigen, die kein EPD eröffnen würden, ihre Meinung ändern, wenn eine Gesundheitsfachperson ihnen das elektronische Patientendossier empfehlen würde.

Die Hausärzteschaft geniesst ein hohes Vertrauen: Nach wie vor möchte ein Grossteil (68%) der Bevölkerung das EPD am liebsten bei ihnen eröffnen. Eine seit 2019 wachsende Alternative (2022: 16%) ist das Internet.

Das ist vor allem der jüngeren Bevölkerungsschicht geschuldet: 25 Prozent der 18- bis 39-Jährigen würden das EPD am liebsten im Internet eröffnen – das sind signifikant mehr, als der Anteil 40- bis 64-Jähriger (10%) und über 65-Jähriger (13%).

Noch immer ist nur eine Minderheit (14%) bereit, für das elektronische Patientendossier zu bezahlen. Konkret würden 62 Prozent jährlich 0-100 CHF, 21 Prozent würden über 100 CHF bezahlen und 17 Prozent wussten es nicht/haben keine Angabe gemacht.

Von den EPD-Nutzenden vertrauen 82 Prozent voll und ganz/eher, dass Stellen, welche mit Patientendaten arbeiten, dabei den Datenschutz rund um das elektronische Patientendossier einhalten. Von denjenigen, die eher kein Vertrauen haben (18%) sind alle über 40-jährig.

Betrachtet man die Antworten der gesamten Bevölkerung auf diese Frage, ist das Vertrauen ebenfalls bei mehrheitlichen 69 Prozent vorhanden. Das sind allerdings 6 Prozentpunkte weniger, als in der letzten Befragung. 29 Prozent haben eher/überhaupt kein Vertrauen – 5 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Befragung.

SwissCovid App

Obwohl die Fallzahlen während der Omikron-Welle extrem angestiegen sind, hat die Angst vor dem Virus gegenüber der letzten Befragung leicht abgenommen. Am wenigsten sieht die Bevölkerung Corona als Bedrohung für die eigene Gesundheit (37%).

Viel eher schätzt man das Virus hauptsächlich als Bedrohung für das Schweizer Gesundheitswesen und die Schweizer Wirtschaft ein.

Noch immer findet die Mehrheit (55%), dass die SwissCovid App ein sehr/eher nützliches Instrument ist. Allerdings sind das 12 Prozentpunkte weniger als in der letzten Befragung. Indes wuchs der Anteil um 9 Prozentpunkte auf 38 Prozent, die die App als völlig/eher unnütz betrachten.

Fast die Hälfte der Bevölkerung (49%, +10 ppt) hat die SwissCovid App heruntergeladen und davon weitere 83 Prozent haben die App zumindest „gelegentlich“ aktiviert. Der Hauptgrund für die Nutzung ist wie im letzten Jahr die Solidarität (87%, -6 ppt). Am wenigsten Zustimmung in der Bevölkerung erhält die Aussage, dass die App vor Ansteckungen schützt (42%, -5 ppt).

Dafür findet neu über die Hälfte (52%, +20 ppt) der Nutzenden, dass die App dabei hilft, ein annährend normales Leben zu ermöglichen.

12 Prozent von denen, die die App mindestens gelegentlich aktiviert haben, haben eine Meldung über eine mögliche Ansteckung mit dem Virus erhalten.

Von diesem Anteil ist etwas mehr als die Hälfte (51%) nach der Meldung zum Corona-Test gegangen.

Erste Leseweise

Mehrheit der Bevölkerung für EPD, aber es gibt Datenschutzbedenken

Die Mehrheit der Bevölkerung findet das elektronische Patientendossier eine gute Sache. Bisher schlägt sich das jedoch noch nicht in der Nutzerzahl nieder. Die Bereitschaft, ein Dossier zu eröffnen ist im Vergleich zur letzten Befragung leicht gesunken, während die Befürchtung, dass Informationen in falsche Hände geraten können, gestiegen ist. Hinzu kommt ein wachsender Anteil der Bevölkerung, der überhaupt/eher nicht den Stellen, die mit Patientendaten arbeiten, darin vertraut, dass sie den Datenschutz rund um das EPD einhalten. All das deutet darauf hin, dass in der Bevölkerung die Bedenken um die Sicherheit ihrer Daten grösser werden. Hier sollten möglichst viele Gesundheitsfachpersonen und Akteure des Gesundheitswesens Abhilfe schaffen und aktiv über das EPD aufklären.

Viel weniger Datenschutzbedenken bei EPD-Nutzenden

Die EPD-Nutzenden haben deutlich mehr Vertrauen in den Datenschutz, den das EPD gewährt. Doch auch unter ihnen gibt es ein paar, die diesen Stellen „eher nicht vertrauen“. Diese Personen sind alle über 40-jährig. Die heutigen Nutzenden sind digital versiert und an der Innovation interessiert. Noch erreicht es weniger Personen, die aufgrund der Gesundheitssituation unmittelbar einen grossen Vorteil bei der Eröffnung erfahren könnten.

Ein normales Leben dank der SwissCovid App

Auch bei der SwissCovid App gibt es mehr Datenschutzbedenken: Es verkleinert sich der Anteil, der die eigenen Daten auf dem Smartphone geschützt sieht. Dennoch glaubt die Mehrheit an die Nützlichkeit der App und wertschätzt, dass die App dabei hilft, ein normales Leben zu führen. Knapp die Hälfte derer, die eine Meldung einer möglichen Ansteckung erhalten haben, hat sich im Anschluss testen lassen. Die Chancen stehen gut, dass die Bevölkerung auch bei einer nächsten Corona-Welle hinter der SwissCovid App stehen wird.

Methodische Details

Auftraggeber: Swiss eHealth Forum

Grundgesamtheit: Wohnbevölkerung der Schweiz (bis 2017 Stimmberechtigte)

Befragungsgebiet: ganze Schweiz

Herkunft der Adressen: Telefonverzeichnis der Swisscom (gepoolt)

Datenerhebung: telefonisch, computergestützt (CATI)

Art der Stichprobenziehung: at random

Befragungszeitraum: 3. bis 17. Januar 2022 (mittlerer Befragungstag: 9. Januar 2022)

Stichprobengrösse: minimal 1200, effektiv 1207 (nDCH: 703, nFCH: 304, nICH: 200)

Fehlerbereich: ± 2.9 Prozentpunkte bei 50/50 (und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit)

Quotenmerkmale: Alter/Geschlecht interlocked

Gewichtung nach: Sprache, Geschlecht

Befragungsdauer: Mittelwert 26.2 Minuten