Generation Digital

Solidarität trotz Unsicherheit und Herausforderungen durch Wandel

im Auftrag der Credit Suisse

Die Auswirkungen der Digitalisierung lösen auch bei Jugendlichen Verunsicherung aus. Die Altersvorsorge ist dieses Jahr die grösste Sorge der Schweizer Jugendlichen, während Fragen rund um Ausländer, Zuwanderung und Flüchtlinge gegenüber der letzten Umfrage deutlich an Relevanz verloren haben.

Das Credit Suisse Jugendbarometer gibt einen jährlichen Einblick in die Lebensweise und Ansichten der Jugend in den USA, in Brasilien, Singapur und der Schweiz. Es werden 16- bis 25-Jährige zu ihren Hoffnungen, Zukunftswünschen, Sorgen und zu ihrem sozialen Umfeld befragt. Zudem wird festgehalten, was für sie „in“ und „out“ ist, wie sie kommunizieren und sich über das Tagesgeschehen informieren. Das Jugendbarometer ist als jährlich durgeführter Monitor angelegt, was Aussagen über die Zeit ermöglicht. Die Befragungswelle 2018 ist die achte seit 2010.

 

Die Auswertung umfasst genau 1000 befragte Einwohnerinnen und Einwohner zwischen 16 und 25 Jahren in den USA, Brasilien und in Singapur sowie 1021 in der Schweiz. Das Jugendbarometer ist bis heute ein „Millennial-Barometer“ im eigentlichen Sinne: 1985 ist der älteste Jahrgang, der 2010 Eingang in die Befragung gefunden hat. Die jüngsten Befragten der Welle 2018 wurden im Jahr 2002 geboren. Waren die Befragten der ersten Welle 2010 noch ausschliesslich der vielzitierten Generation Y (Jahrgang 1980 bis 2000) zuzuordnen, mischen sich nun mehr und mehr Vertreterinnen und Vertreter der Folgegeneration Z (ab 2000) unter die jeweils 1000 Befragten Jugendlichen pro Land. Es findet also innerhalb der Gruppe der Millennials ein kleiner Generationenwechsel statt. Die im Jugendbarometer abgebildeten Jahrgänge zählen alle zu den sogenannten Digital Natives und die meisten von ihnen können sich an eine Zeit ohne Internet kaum erinnern.

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Die Trends von heute werden durch den technischen Wandel bestimmt und durch Neuerungen im Bereich der Kommunikationsmöglichkeiten angetrieben. Von über 60 abgefragten Aktivitäten, Gegenständen oder Anwendungen bildet die untenstehende Grafik diejenigen 10 ab, die von den meisten Jugendlichen in der Schweiz als „in“ und als etwas bezeichnet werden, das sie selbst gerne machen oder nutzen.

Unter den 10 Dingen des Lebens, die 2018 in der Schweiz am meisten „in“ sind und von den Jungen im Alltag auch gemacht werden, sind mindestens sechs Ergebnisse der Digitalisierung – darunter auch der Trend der letzten Jahre schlechthin: das Smartphone. Aber auch WhatsApp, YouTube, E-Mail, Instagram und Streamingdienste wie Spotify oder SoundCloud gehören dazu. Insbesondere die letzten beiden Angebote verbreiten sich heute ähnlich schnell wie 2010 das Smartphone.

Während Facebook in der Schweiz bereits nicht mehr zu den zehn Dingen gehört, die am meisten „in“ sind, tut es dies in den USA weiterhin. Instagram schafft es hier 2018 knapp noch nicht unter die Top-Trends (54 % empfinden Instagram als „in“ und als etwas, das sie selber nutzen).

Dafür gehören On-Demand-Streaming-Services, wie unter anderem vom US-Unternehmen Netflix, zu den Trend-Aktivitäten. Verglichen mit der Schweiz geniesst Fernsehen in den USA einen höheren Stellenwert. Bei nichts Anderem geben mehr Junge an, dass es „in“ sei und sie es gerne machen.

Anders als in den anderen drei Ländern zählt der Einsatz für die Gleichstellung der Geschlechter in Brasilien ebenfalls zu den Top-Trends. Dies ist die einzige politische Aktivität unter den Top 10 in allen Ländern. Im „Global Gender Gap Index“ des Weltwirtschaftsforums liegt Brasilien hinter den USA, der Schweiz und Singapur.

Gemäss dem Report fehlt es den Frauen in Brasilien insbesondere an politischem Empowerment, während sie im Bereich der Gesundheit sowie in ökonomischen und in Bildungsfragen überdurchschnittlich gut abschneiden. Dennoch sind es auch in Brasilien primär digitale Angebote zur Unterhaltung und Kommunikation, die zu den wichtigsten Trends der letzten Jahre gehören.

Während Facebook und insbesondere YouTube weniger im Trend ist, wird Instagram im Vergleich dazu trendiger. Von allen Jugendlichen in Singapur bezeichnen 63 Prozent a die App als „in“ und als etwas, das sie selber gerne nutzen.

Ähnlich wie in den USA und in der Schweiz wird das Smartphone eher als weniger „in“ bezeichnet als vor einigen Jahren. Dies liegt daran, dass iPhones und Co. inzwischen einen so festen Platz im Alltag der Jungen haben, dass nicht mehr von einem Trend gesprochen werden kann.

Flops: Das ist "out"

Autos – ob Geländewagen oder elektrische Autos – gehören nicht zur Lebenswelt der 16- bis 25- Jährigen. Nur die wenigsten bezeichnen diese als etwas, das „in“ ist und das sie nutzen. Auch E-Bikes finden kaum Anklang, genauso wie Drogen konsumieren und Rauchen, oder wie das Militär. Das Mitmachen in Vereinen oder Organisationen gehört zudem in allen Ländern ausser in der Schweiz zu den 10 Dingen, die am wenigsten „in“ sind und gemacht werden. Das Engagement in politischen Parteien zählt ebenfalls zu den Dingen, die am wenigsten „in“ sind.

streamen statt downloaden

Die 80er und 90er Jahre sahen den Aufstieg von Videokassetten, in den 00er Jahren kamen die DVDs auf und bald auch erste spezialisierte Download-Plattformen. Heute zeichnet sich erneut ein Umbruch im Konsum von Musik und Filmen ab. Das Herunterladen gilt zunehmend als "out". Stattdessen wollen Junge gewünschte Inhalte über Streamingdienste beziehen. Passend dazu gilt Fernsehen auch immer mehr als "out", ebenso Facebook.

Party weniger im Trend

Seit 2012 gilt der Besuch von "Clubs und Parties" bei Jugendlichen wieder häufiger als "out". Auch wenn der Anteil Partymuffel unter den Jungen heute klar in der Minderheit ist, bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend weiter akzentuiert nun, da die Generation Y langsam den Mitgliedern der Generation Z weicht.

Politik ist nicht gleich Politik: Freiwilliges Engagement zunehmend "in"

Während die Teilnahme an institutioneller Politik in Form des Beitritts zu Parteien in allen untersuchten Ländern zu den Dingen gehört, die am wenigsten "in" sind, ist das bei der Teilnahme an politischen Demonstrationen nur in der Schweiz der Fall.

In Brasilien, Singapur und den USA wird die Teilnahme an politischen Demonstrationen im Vergleich zur Schweiz von grösseren Anteilen der Jugend als „in“ bezeichnet, was auch ein Stück weit für eine Repolitisierung der jungen Generationen spricht.

Im Gegensatz zu älteren Kohorten setzen sich die Jungen punktuell für Anliegen ein, die sie beschäftigen, sie lassen sich aber nicht in fixe Strukturen einbinden. Insbesondere in den USA ist ein regelrechter Sprung im Anteil Junger zu beobachten, der Demonstrationen als „in“ bezeichnet. Ereignisse wie die Wahl von Donald Trump, das Aufkommen der „MeToo“-Kontroverse und die Auseinandersetzung über striktere Waffengesetze hinterlassen offensichtlich ihre Spuren. Die Waffendebatte spiegelt sich auch in der Sorgenwahrnehmung der Jugendlichen in den USA wider.

Nachdem die Jugendlichen zu Beginn der 2010er Jahre eher zurückhaltender mit ihrem freiwilligen Engagement wurden, nimmt die Wahrnehmung solcher Aktivitäten als etwas, das auch „in“ sein kann, in den letzten Jahren wieder zu. Die neue Bereitschaft zur Teilnahme an politischen Demonstrationen ist in einigen Ländern evident.

Über alle Länder gesehen gaben aber auch noch nie so viele Junge wie heute an, dass der Einsatz für die Gleichstellung von Mann und Frau oder für die Umwelt „in“ sei. Es bleibt aber dabei, dass das Engagement in institutionalisierten Strukturen als weniger attraktiv gewertet wird als ein individualisiertes, punktuelles politisches Engagement.

Zukunft der Gesellschaft

Die Optimismus der Jungen in der Schweiz im Hinblick auf die eigene Zukunft ist im Vergleich zum Befragungsbeginn eher etwas gesunken. Im Vergleich zu 2010 geben heute – wenn auch auf sehr tiefem Niveau – doppelt so viele Jugendliche an, die eigene Zukunft düster zu sehen.

Auch die Einschätzung über die Zukunft der Gesellschaft ist seit 2010 in der Tendenz eher etwas pessimistischer.

Sinkendes Zugehörigkeitsgefühl in der Schweiz

Wohlstand und Entwicklung sind ein wichtiger Faktor für die Zukunftsaussichten. Neben ökonomischen Faktoren dürfte aber auch der gesellschaftliche Zusammenhalt eine entscheidende Rolle für die Bewertung spielen. Gerade in der Schweiz ist das Zugehörigkeitsgefühl zu einzelnen sozialen Einheiten gross. Klare Mehrheiten fühlen sich als Teil eines Freundeskreises, ihrer Familie und auch der Schweizer Gesellschaft insgesamt. Die Daten des Credit Suisse Jugendbarometers machen aber auch klar ersichtlich, dass dieses Zugehörigkeitsgefühl in der Schweiz zunehmend unter Druck gerät.

Solidarität der Kulturen gegeben

Ein sinkendes Zugehörigkeitsgefühl bedeutet allerdings nicht weniger Solidarität: Gerade was das Zusammenleben mit verschiedenen Kulturen bedeutet, schätzen dies Jugendliche heute viel eher harmonisch ein als noch 2010: Der Anteil Jugendlicher, der die Beziehung zwischen jungen Schweizerinnen und Schweizern und ausländischen Jugendlichen als harmonisch bezeichnet, hat sich seither verdreifacht.

Ansprüche an Wirtschaft und Arbeitgeber

Anstellungswunsch IT

Obwohl die Schweiz gemäss dem Global Innovation Index als das innovativste Land der Welt gilt, wollen die Jugendlichen lieber in der Verwaltung als in der Tech-/IT-Branche arbeiten.

Google oder selbstständig

Auf konkrete Unternehmen heruntergebrochen ist und bleibt Google der Traumarbeitgeber, den die meisten Jungen spontan nennen. Für die 16- bis 25-Jährigen in den USA, Brasilien und in Singapur ist jedoch auch die Vorstellung einer selbstständigen Tätigkeit äusserst beliebt.

"Die Digitalisierung verändert nicht nur unser Lebensumfeld, sondern transformiert auch, wie und was wir arbeiten. Nicht alle kommen dabei mit dem rasanten Wandel gleich gut zurecht."

In der Schweiz machen sich 34 Prozent der Jungen Sorgen, dass es ihren Job in Zukunft nicht mehr geben wird. Das ist zwar durchaus ein relevanter Anteil, in den restlichen drei Ländern ist die Zahl Befragter, die Angst um ihren Job hat, jedoch mehr als doppelt so gross. Dasselbe gilt für die Aussage, dass die schnellen Veränderungen in der Arbeitswelt überfordern. Auch hier sind die Befürchtungen der Jugendlichen in der Schweiz weniger als halb so gross wie in den anderen Ländern.

 

Zwar ist auch in der Schweiz eine Mehrheit mit der Aussage einverstanden, dass man froh sein müsse, überhaupt einen Job zu haben (54 %), im Vergleich zu den restlichen drei Ländern ist dieser Wert jedoch deutlich tiefer. Zudem ist man in der Schweiz weniger der Meinung, die digitale Vernetzung und Präsenz auf Social Media wären den eigenen Job-Chancen zuträglich.

 

Mediennutzung und Informationsverhalten

Der sich beschleunigende Medienwandel macht sich im News-Konsum der Jugendlichen bemerkbar.

Qualitätstitel erreichen in der Schweiz immer weniger Leserinnen und Leser, während sich der Newskonsum in Richtung Echtzeit auf unterschiedlichen News-Plattformen verlagert.

Der Medienwandel zeigt sich auch am über die Jahre deutlich steigenden Anteil von Jugendlichen, die mehrmals täglich News konsumierten. Dieser Anteil erhöht sich aber seit drei Jahren nicht mehr.

Jahrelang beobachten wir nun diesen Trend. Nun wird es aber immer augenscheinlicher: Ein wachsender Anteil der Jungen konsumiert selten oder sehr selten News. Heute kann man davon ausgehen, dass einer von fünf Jugendlichen in der Schweiz vom News-Strom ausgeschlossen ist.

Politik und Probleme

Versagen der Eliten in den USA

In den USA nimmt der Anteil Jugendlicher, welcher der eigenen Elite Versagen vorwirft, eher zu. Allerdings beginnt diese Zunahme bereits vor der Wahl von Donald Trump und schiesst seit 2016 auch nicht in die Höhe.

Hohes Vertrauen in der Schweiz

In der Schweiz nimmt der Anteil Junger mit der Meinung, die Politik versage oft, seit 2010 relativ kontinuierlich ab. Heute sind nur noch etwas über 20 Prozent dieser Ansicht.

Beurteilung Reformbedarf

Die Schweiz ist das Land, wo die Jungen den geringsten Reformbedarf für das politische System ihres Landes sehen. In den drei restlichen befragten Ländern sind 80 Prozent der Befragten oder mehr der Ansicht, dass ihr Land gründliche Reformen brauchen würde.

"Die Jungen in den befragten Ländern beobachten die politischen Entwicklungen im eigenen Land genau."

In der Schweiz erachten die 16- bis 25-Jährigen die Altersvorsorge zum ersten Mal seit 2010 als das grösste Problem.

Nach einem kontinuierlichen Anstieg in der Problemwahrnehmung seit 2012, zählt heute mehr als die Hälfte der Jugendlichen die unsichere Zukunft der AHV zu den grössten Problemen des Landes. Im Gegensatz dazu haben Ausländer- und Flüchtlingsfragen seit dem letzten Jahr deutlich an Wichtigkeit verloren. Probleme im Zusammenhang mit Umweltschutz und Klima sind auf Rang vier zu finden, knapp dahinter auf Rang fünf folgt die Arbeitslosigkeit.

Im Vergleich zum letzten Jahr ist zudem der Problemdruck im Bereich des Gesundheitssystems (Gesundheitsfragen/ Krankenkassen/ Prämien) sowie des Datenschutzes deutlich angestiegen. Die Sorgenwahrnehmung der Jugendlichen in der Schweiz widerspiegelt so zu einem gewissen Teil auch das Themensetting auf der nationalen politischen Agenda. Die Abstimmung rund um die Reform der Altersvorsorge war eine der wichtigsten Vorlagen der letzten 12 Monate und im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2019 dürfte die Debatte rund um das Gesundheitssystem der Schweiz zentral werden.

Die Altersvorsorge ist in keinem anderen der drei befragten Länder ein Thema, das die 16- bis 25- Jährigen beschäftigt. Stattdessen sind es wirtschaftliche Überlegungen und insbesondere die Arbeitslosigkeit, die den Jungen in den USA, Singapur und Brasilien Sorgen bereiten. Rassismus zählen die Jungen in allen drei Ländern ebenfalls zu den grössten Problemen. Auch in allen drei Ländern genannt werden Sorgen rund um das Gesundheitssystem und die Gleichstellung von Mann und Frau.
Darüber hinaus zeigen sich aber insbesondere in den USA und in Brasilien spezifische Problemstellungen, die auch gesellschaftliche Brennpunkte reflektieren.

So finden 18 Prozent der Jugendlichen in den USA beispielsweise, die Waffenkontrolle sei eines der fünf wichtigsten Probleme. Genauso viele empfinden Fake News als Problem. In Brasilien ist Korruption dagegen die Top-Sorge und die Nennung von Benzin- und Erdölpreisen verweist auf die überdurchschnittlich hohen Preise, welche das halbstaatliche Unternehmen Petrobras weiterhin verlangt. Mit der sich verschlechternden Lage in Venezuela spitzt sich zudem auch die Flüchtlings- und Migrationsfrage in Brasilien zu.

Methodische Details

Grundgesamtheit:
•Wohnbevölkerung der Schweiz/US/Brasiliens/Singapurs zwischen 16 und 25 Jahren

Erhebungsart:
•Online-Befragung

Stichprobengrösse:
•Total Befragte CH N = 1021
•Total Befragte USA N = 1000
•Total Befragte BR N = 1000
•Total Befragte SG N = 1000

Auswahlverfahren:
•International: Befragungen nationaler Panels
•Schweiz: Panel, Schneeballverfahren, Rekrutierung Social Media

Stichprobenfehler:
•+/-3.1 Prozentpunkte bei 50/50 und 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit

Befragungszeitraum:
•April bis Mai 2018

Verwendbarkeit:
•Publikation durch die Credit Suisse, 27.08.2018